Protocol of the Session on November 11, 2009

sagen, dass fast 90 % dieser Mitarbeiter, die von den Kommunen gekommen sind - wir hatten in den ARGEn mehr Leute als notwendig war -, nicht zur Arbeitsagentur als neuem Arbeitgeber gehen wollen. Diese Ressourcen gehen verloren, das ist ganz klar. Dann haben die Landkreise das Problem. Sie brauchen die Anzahl an Leuten nicht mehr, weil sich die Prüfung verkürzt, sodass sie zehn, fünfzehn oder zwanzig Leute haben, für die sie keine Aufgaben mehr haben, die aber einen Rückübernahmeanspruch gegenüber den Kommunen haben; denn sonst wäre niemand hingegangen.

(Zustimmung bei der SPD)

Bei uns hatte jeder für sich einen Rückübernahmeanspruch ausgehandelt, sonst wäre er nicht zur ARGE gegangen, und das ist die Problematik. Sie müssten mit den Agenturen ein völlig neues Personal aufbauen; ich kann Ihnen sagen, das dauert Jahre, bis es richtig funktioniert.

Diese Mustervereinbarung, die ich im Koalitionsvertrag gelesen habe, hat für mich einen komischen Beigeschmack; denn dort steht, das Arbeitsministerium würde einen Mustervertrag möglichst kommunalfreundlich machen. Es wäre schön gewesen, wenn man "in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden" geschrieben hätte. Das wäre meines Erachtens das Mindeste gewesen.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Noch einmal: Ich habe im Sinne der Menschen, die ich genannt habe - der Leistungsempfänger, derjenigen Leute, die wieder eine Arbeit bekommen wollen, aber auch der Beschäftigten in den ARGEn - die Bitte, doch nicht noch an eine Verfassungsänderung heranzugehen, weil es die beste Lösung sei, die auch machbar und politisch durchsetzbar wäre. Die Verfassungsänderung erforderte eine gewisse Mehrheit, aber die Koalition hat im Bund eine relativ große Mehrheit. Die anderen machen jetzt auch mit, sodass es offenbar kein Problem geben wird. Ob ihr das glaubt oder nicht, das ist eine andere Frage. Das müssen dann die Leute in Berlin entscheiden.

Aber auch noch ganz wichtig wäre eine weitere Öffnung der Möglichkeiten der Optionen für die Kommunen, damit mehr Landkreise und mehr kreisfreie Städte diese Optionen ausüben und das Ganze selber machen können; Stichwort: Optionskommunen. Es gibt einige Landkreise, die das machen wollen. Das ist das Mindeste, was hier verlangt werden soll.

Wir werden den Anträgen von SPD und GRÜNEN zustimmen mit der Bitte, die Optionskommunen auf jeden Fall auszuweiten.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Rohde für die FDP, bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Tempo von Schwarz-Gelb ist schon sehr hoch. Im Vergleich zum schwarz-roten Staat haben wir jetzt ungefähr zwei bis drei Wochen Vorsprung. Da muss die Opposition natürlich versuchen, mit den Anträgen, mit denen sie uns treiben will, Schritt zu halten.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Mei oh mei!)

Und das ist ein solcher Punkt. Wir haben schon vor einiger Zeit über das Thema diskutiert. Und Sie, Frau Scharfenberg, verwechseln Ursache und Wirkung. Ich komme später noch darauf zu sprechen.

(Angelika Weikert (SPD): Das sind die Restlaufzeiten, die da mobilisiert werden!)

- Frau Weikert, Sie haben die Evaluation erwähnt. Beide Organisationsformen können gut arbeiten: die Job-Center, also ARGEN, und die Optionskommunen. Es gibt nur einen einzigen, eigentlich unbedeutenden Unterschied: Die einen sind nicht verfassungsgemäß, die anderen sind verfassungsgemäß. Das ist der einzige Unterschied. Das Verfassungsgericht hat die Aufgabe gestellt, dass wir das entsprechend anpassen. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag steht drin, wie man die Aufgabe angeht. Das ist die Ursache; das, was RotGrün angeleiert hat und wir jetzt auslöffeln müssen. Wir bewegen uns jetzt darauf zu, das Problem zu lösen. Ich schließe mich sofort Herrn Unterländer und Herrn Pointner an, dass wir die Optionskommunen ausweiten müssen. Sie kennen die liberale Position zu diesem Thema.

Zu den Anträgen: Der Antrag der GRÜNEN lässt ein bisschen Interpretationsspielraum. Ich sehe es mal positiv. Besten Dank für die Unterstützung der liberalen Position. Auch wir würden uns wünschen, dass sich die Kommunen mehr um die Langzeitarbeitslosen kümmern dürfen und dass auf dieser Ebene die Kompetenz besser genutzt wird. Zum einen muss ich sagen, haben Sie noch etwas Geduld. Jeder auf diesem Politikfeld Tätige weiß doch, dass die Frage, die Sie heute einbringen, in den nächsten Wochen zur Lösung ansteht.

(Angelika Weikert (SPD): Die steht schon seit einem Jahr zur Lösung an!)

Jetzt beraten die Kollegen in Berlin darüber. Eigentlich ist unsere Debatte heute überflüssig. Zum anderen muss ich Sie natürlich daran erinnern - liebe GRÜNE,

ich habe es eben angedeutet -, dass Sie uns diese Suppe mit eingebrockt haben. Schwarz-Gelb darf nun auslöffeln, was Rot-Grün auf den Weg gebracht hat und Schwarz-Rot nicht lösen konnte oder wollte. Die FDP hat ihre Position seit 2001 kontinuierlich vertreten. Sie wissen, dass wir uns eine Lösung, ähnlich der sogenannten Optionskommunen, wünschen. Immerhin konnten wir jetzt im Koalitionsvertrag verankern, dass die bestehenden Optionskommunen entfristet werden. Das heißt, dass auf dieser Rechtsgrundlage unbefristet weitergearbeitet werden kann. Das ist auch für Bayern eine gute Nachricht; denn in Bayern gibt es immerhin vier Kommunen, die auch in Zukunft so arbeiten dürfen. Das sind Erlangen, Schweinfurt, die Landkreise Würzburg und Miesbach. Hier kann aufgearbeitet werden. Die gute Arbeit wird vor Ort fortgesetzt.

(Angelika Weikert (SPD): Das hat doch keiner bestritten, dass die weiterarbeiten können!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie sehen also, es gibt die Lösung aus einer Hand, und dieses Modell wird es auch weiterhin geben. Das Modell, das Sie vertreten, ist erstens zentralistisch. Sie setzen auf eine starke Bundesagentur für Arbeit.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Zweitens ist Ihr Modell leider vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden. Ihre Positionen, die Sie in den letzten Jahren in Berlin vertreten haben, sind zum großen Teil die Ursache für das Problem.

Wir stimmen natürlich mit Ihnen darin überein, dass für die Langzeitarbeitslosen eine Hilfe aus einer Hand wünschenswert wäre. Unser politischer Streit dreht sich aber um die Frage: Soll es die Hand der Kommune oder soll es die Hand des Bundes sein? Das ist doch der Punkt.

(Angelika Weikert (SPD): Beide! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

- Aber das ist nicht verfassungsgemäß. Ich möchte da vor allem im Interesse der Betroffenen nochmals inständig an Sie, Frau Weikert und an die Kolleginnen und Kollegen der SPD, appellieren: Gehen Sie doch in Bayern auch einmal in die Optionskommunen!

(Dr. Thomas Beyer (SPD): So ein Blödsinn!)

Frau Weikert, Sie waren in Erlangen und haben sich vor Ort informiert. Ich weiß das. Selbsterkenntnis ist oft der erste Schritt zu einer Verbesserung.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Kommen Sie doch mal aufs Land und schauen Sie es sich an, wie es dort läuft!)

- Natürlich. Ich bin auch Kreisrat. Ich habe Kontakt zu meiner ARGE und ich habe viele ARGEN im Bundesgebiet besichtigt. Seien Sie versichert, ich kenne das Thema gut.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Nein!)

Ich war im zuständigen Ausschuss im Bundestag. Sie wissen das. Das Thema ist also mein Leib- und Magenthema.

In den nächsten Wochen wird nun die Neuordnung der Betreuung von Langzeitarbeitslosen in Berlin festgelegt. Als Liberale gefällt uns die Koalitionsvereinbarung in diesem Punkt auch nicht unbedingt. Aber da hier die SPD mit der Flexibilität einer Eisenbahnschiene Teil des Problems ist, können wir nicht anders agieren. Für eine vernünftige Lösung wäre möglicherweise eine Verfassungsänderung nötig. Aber ich sehe hier kein Licht im Tunnel, auf welche Basis man sich einigen soll. Aber es muss eine verfassungsgemäße Lösung gefunden werden. Herr Pointner, Sie sehen, man braucht große Mehrheiten, um seine Verfassung zu ändern. Das ist ein Teil des Problems.

Der heute vorliegende SPD-Antrag heißt für mich - frei übersetzt: Bitte legalisieren Sie unseren Gesetzesbruch. Aber da können wir nicht mitgehen. Leider haben Sie jahrelang nicht auf den Rat der FDP gehört. Nun befürchte ich, dass uns beiden auch die neue Lösung nicht gefallen wird. Davon muss ich leider ausgehen. Aber klar ist heute, dass die FDP Ihren Antrag ablehnt.

Auch den Antrag der GRÜNEN lehnen wir ab. Zum einen ist er sehr unkonkret gefasst. Wir müssen erst einmal interpretieren, wie Sie die Langzeitarbeitslosen zu betreuen wünschen. Zum anderen vertrauen wir auf den Koalitionsvertrag und auf die Kolleginnen und Kollegen der schwarz-gelben Koalition in Berlin. Wir müssen ihn in der Staatsregierung nicht zusätzlich in Stellung bringen. Das ist gar nicht nötig. Zudem zitieren Sie selbst in der Begründung den neuen Koalitionsvertrag. Ich zitiere auch: "Die Bundesagentur soll den Kommunen attraktive Angebote zur freiwilligen Zusammenarbeit unterbreiten." Warten wir doch erst einmal ab, wie dies der neue Bundesarbeitsminister interpretiert. In 100 Tagen können wir dieses Thema gerne neu diskutieren. Ich bin sicher, dass wir dann bereits neue Erkenntnisse über die Beratung in Berlin haben werden.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Für die Staatsregierung äußert sich nun noch Herr Staatssekretär Sackmann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bei meinen Vorrednern schon deutlich geworden, dass uns dieses Thema schon seit vielen Monaten intensiv beschäftigt, dass es hierüber die unterschiedlichsten Meinungen und Ansätze gibt und dass über die Frage der optimalen Trägerstrukturen seit Monaten und Jahren nicht nur hier im Hause, sondern auch an anderen Orten intensive Diskussionen geführt werden.

Ich gebe zu, dass eine getrennte Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesagenturen und die Kommunen keine Wunschvorstellung ist. Uns wäre natürlich in vielen Bereichen eine Hilfe aus einer Hand lieber gewesen. Gleichwohl soll es aber auch die Möglichkeit geben - der Vorredner hat bereits darauf hingewiesen, dass dafür im Koalitionsvertrag Möglichkeiten geschaffen worden sind -, dass auch die Träger vor Ort entsprechend entscheiden und auf freiwilliger Basis eine grundlegende Änderung schaffen können.

Aber natürlich haben wir dabei auch verfassungsrechtliche Vorgaben; dies wurde schon geschildert. Mit anderen Lösungen würde natürlich in Deutschland die Finanzordnung zum Teil wieder auf den Kopf gestellt. Wir müssen vor allem darauf verweisen, dass vor Kurzem die Föderalismusreform abgeschlossen wurde. Ziel dieser Föderalismusreform war zum Beispiel auch, dass keine Durchgriffsrechte mehr vorhanden sind und dass der Bund nicht mehr direkt Aufgaben an die Kommunen ausgeben kann. Wenn wir diese Regelung jetzt wieder ändern würden, würden natürlich auch diese Ziele wieder komplett konterkariert. Das ist natürlich etwas, das nicht sinnvoll ist.

Mein Vorredner hat auch darauf verwiesen, dass die Optionskommunen zwischenzeitlich unbefristet gelten und damit ihre Arbeit fortsetzen können. Ich möchte aber nochmals darauf hinweisen, dass eine Ausweitung aus dem vorhin genannten Grund verfassungswidrig gewesen wäre, weil die Aufgaben direkt an die Kommunen übertragen worden wären. Deswegen hätte man eine lange Verfahrensstruktur wählen müssen. Man hätte zum Beispiel die Aufgaben erst einmal auf die Länder übertragen, dann hätten die Länder die Aufgaben an die Kommunen abgeben können. Das alles sind Dinge, die man gerade bei der Föderalismusreform ändern und auf eine neue Basis stellen wollte.

Deswegen bitte ich zu sehen, es wäre unverantwortlich, wenn man jetzt in einzelnen Ländern - in Bayern und anderswo - wieder beginnen würde, dies alles in Frage zu stellen, und vor allen denjenigen, die zurecht ange

sprochen worden sind, nämlich den betroffenen Mitarbeitern in den ARGEN, nochmals sagen würde, die Angelegenheit werde erneut auf die lange Bank geschoben, es werde nochmals versucht, etwas Neues zu machen.

Darüber hinaus glaube ich, dass es unheimlich schwer ist - das haben auch die letzten Monate gezeigt -, eine Lösung zu finden, bei der wir alle unter ein Dach bekommen, seien es die Kommunen, seien es die Länder oder der Bund und alle, die dabei sind.

Deshalb, meine Damen und Herren, halte ich es für sinnvoll, dass wir jetzt an eine optimale Umsetzung dieser Beschlüsse gehen, dass wir versuchen, die getrennte Aufgabenwahrnehmung so gut wie möglich zu lösen, auch die Mitarbeiter bei diesen Fragen zu sehen und vor allem nach dem Grundsatz handeln: so viel Entflechtung wie verfassungsrechtlich geboten, so viel Zusammenarbeit wie möglich.

Wenn wir in den nächsten Monaten darangehen, nicht mehr über das Ob zu diskutieren, sondern intensiv über das Wie, dann ist das, glaube ich, der richtige Ansatz. Deshalb bitte ich auch, die Anträge abzulehnen, damit man in Berlin endlich an einer konkreten Lösung arbeiten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/2550 - das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, die Fraktion der SPD und die Fraktion Freie Wähler. Gegenstimmen? - FDP und CSU. Das ist meines Erachtens nicht strittig. Frau Kollegin Pauli hat wie die Freien Wähler gestimmt. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.