Protocol of the Session on November 11, 2009

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Christa Steiger, Kathrin Sonnenholzner u. a. und Fraktion (SPD) Bayern, aber gerechter Keine Aufweichung des Ladenschlussgesetzes in Bayern (Drs. 16/2548)

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass die ersten drei Dringlichkeitsanträge heute abschließend im Plenum beraten werden und alle anderen Dringlichkeitsanträge an die jeweils zuständigen federführenden Ausschüsse überwiesen werden sollen. Die Redezeit verkürzt sich dadurch auf 18 Minuten pro Fraktion.

Ich eröffne die Aussprache. Die erste Rednerin ist die Kollegin Steiger von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich annehme, dass Sie alle Ihren "Faust" kennen, stellt sich bei uns die Gretchenfrage in Bezug auf die Koalition in diesem Hause: Wie halten Sie es denn - nicht mit der Religion, sondern mit dem Ladenschluss?

(Beifall bei der SPD)

Die CSU-Fraktion hat vor längerer Zeit - es ist gut drei Jahre her - mal so, mal so votiert, und dann beschlossen, erst einmal abzuwarten. Herr Pschierer hat sehr deutlich gesagt, dass eine Aufweichung der Ladenschlusszeiten ein falsch verstandener Liberalismus wäre. Die FDP, so war von Herrn Hacker zu lesen, will den Ladenschluss dahingehend liberalisieren, dass die Entscheidung in die Hände der Kommunen gegeben wird.

(Zuruf des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

- Ich sage Ihnen gleich etwas dazu, Herr Thalhammer. - Wissen Sie, was das bedeutet?

(Tobias Thalhammer (FDP): Ja!)

- Das glaube ich eben nicht. Es wird nämlich ein kommunalpolitischer Wettlauf nach dem Motto Hase und Igel und die Verlierer sind die Beschäftigten im Einzelhandel

(Beifall bei der SPD)

sowie die kleinen Fachhandelgeschäfte und die ländlichen Räume. Diese vermeintlich besten liberalen Ladenöffnungszeiten bedeuten schlichtweg, dass in den Kommunen, in den Gemeindeparlamenten eine fürchterliche Diskussion entstehen wird. Ich zitiere einen Einzelhändler aus einer bayerischen Kleinstadt: Als Einzelhändler aus Bayern wende ich mich an Sie zum Thema Ladenschluss.

Eine Lockerung der Ladenöffnungszeiten bis 24 Uhr würde dem kleinen inhabergeführten Einzelhandel im ländlichen Raum schwer zusetzen. Um den Laden so lange mit Personal zu besetzen, fehlt es schlichtweg an Geld. Es wird dadurch auch nicht mehr eingekauft, sondern es findet nur eine Verlagerung der Einkaufsaktivität statt. Profitieren werden davon nur die großen Städte. Und denken Sie bitte auch einmal an die vielen Mütter, die im Einzelhandel tätig sind. Wann soll da noch Zeit für Familienleben sein? Familien brauchen nicht nur Geld, sondern auch Zeit füreinander und miteinander.

- Und genau das ist es nämlich. Eine Aufhebung der Ladenschlusszeit ist familienpolitisch ein Rückschritt. Schicht- und Nachtarbeit zerreißen die Familie, sie machen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Alleinerziehende noch schwieriger. Schon jetzt ist es so, dass keine Kindertagesstätte bis 20 Uhr offen hat. Und bei noch längeren Ladenöffnungszeiten, wie soll das dann gehen? Vor allen Dingen, was mutet man da den Familien und Kindern zu?

(Beifall bei der SPD)

Der Einzelhandel ist nun einmal der Bereich mit typisch vielen Frauenarbeitsplätzen. Diese werden dann auch noch aufgesplittet in 400-Euro-Jobs und in Teilzeitarbeitsplätze, um die längeren Öffnungszeiten bedienen zu können. Das Ergebnis sind niedrige Löhne, die zum Leben nicht reichen.

Ich sage Ihnen auch, auf der Höhe der Finanzkrise und auf der Höhe der Debatte um die Maßlosigkeit von Managergehältern kam es von allen zu einem Ruf nach einer Wertedebatte, eben nicht nur nach Geld, Gewinn und Kommerz zu schauen, sondern auch die gesellschaftlichen Werte zu definieren. Was Sie jetzt durch eine Aufweichung der Ladenöffnungszeiten bewirken, ist genau das Gegenteil dieser notwendigen Wertediskussion. Wir brauchen Menschen, die in Vereinen arbeiten, die in den Kirchen und Organisationen tätig sind, die sich ehrenamtlich engagieren, die Kinder- und Jugendarbeit machen und die Seniorenarbeit leisten. Diese Menschen brauchen wir für unsere Gesellschaft, für das Gemeinwesen. Das wird durch solche Dinge immer schwieriger zu handhaben. Deshalb keine Aufweichung der Ladenöffnungszeiten, weder an Werktagen noch an Sonn- und Feiertagen.

(Beifall bei der SPD)

Aufgeweichte Ladenöffnungszeiten nach Gutdünken, wie es nach Ihren Vorstellungen geschehen sollte, wenn man es in die Hände der Kommunen gäbe, würden in keiner Weise den Umsatz steigern. Sie verschieben das Einkaufsverhalten, Sie dünnen das Angebot aus für die Menschen, die nicht so mobil sind, Sie schwächen die kleinen Einzelhandelsgeschäfte. Ist nicht gerade die FDP diejenige Partei, die sich immer als Mittelstandspartei definiert? - Hier machen Sie genau das Gegenteil.

(Zuruf des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

- Herr Thalhammer Sie können gleich reden. - Sie machen genau das Gegenteil. Wir sagen, die jetzige Regelung reicht vollkommen aus.

(Beifall bei der SPD - Tobias Thalhammer (FDP): Wir hätten den Ladenschluss schon eher liberalisieren sollen!)

Die Staatsregierung hat den Landtagsbeschluss aus dem Jahr 2006 - auf den Tag genau drei Jahre alt -, über die Entwicklung und Ausweitung in den anderen Bundesländern zu berichten, bis heute nicht vollzogen. Deshalb besteht überhaupt keine Notwendigkeit, hier etwas zu ändern. Deshalb noch einmal die Frage: Wie

halten Sie es mit dem Ladenschluss und mit alledem, was außen herum geschieht?

Ich beantrage eine namentliche Abstimmung für unseren Dringlichkeitsantrag, damit die Positionen klar definiert werden. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, vielen Dank. - Die nächste Wortmeldung: Herr Kollege Seidenath.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Dringlichkeitsantrag, an der derzeit gültigen Ladenschlussregelung in Bayern festzuhalten. Dieser Antrag ist nicht dringlich. Mehr noch, es gibt keinen Anlass für diesen Antrag,

(Widerspruch bei der SPD)

da in der CSU-Fraktion niemand etwas an der derzeit gültigen Regelung ändern möchte.

(Beifall bei der CSU)

Das Thema Ladenschluss liegt seit der Föderalismusreform, seit drei Jahren, in der Zuständigkeit der Länder. Der Bayerische Landtag hat vor drei Jahren die Staatsregierung in seiner Sitzung vom 10.11.2006 beauftragt, über die Erfahrungen anderer Länder mit den unterschiedlichen Neuregelungen der Ladenöffnungszeiten zu berichten. Auf dieser Grundlage sollte entschieden werden, ob es bei den Regelungen zu den Ladenöffnungszeiten in Bayern Änderungen geben soll oder nicht. Dieser Bericht steht nun kurz bevor. Wir werden ihn zu Beginn des nächsten Jahres erhalten. Wir lassen uns den Bericht ja geben, um fundiert entscheiden zu können. Ihrem Antrag zuzustimmen hieße deshalb, diesen Landtagsbeschluss zu entwerten, ihn hinfällig werden zu lassen. Zugespitzt ausgedrückt, wäre eine Zustimmung zu Ihrem Antrag eine Missachtung des früheren Landtagsbeschlusses. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Harald Güller (SPD): Sie haben schon viel Fantasie! - Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

- Frau Steiger, Sie wollen doch eine fundierte Entscheidungsgrundlage haben; ich bitte Sie herzlich. Ich füge hinzu: Wir werden ihn nur deshalb ablehnen, denn noch einmal: In der CSU-Fraktion will derzeit niemand etwas an der gültigen Rechtslage ändern. Das gilt ganz klar für die Sonn- und Feiertage. Die frühere Arbeitsministerin Christa Stewens hat hier folgenden Satz geprägt, der nach wie vor und mehr denn je Gültigkeit hat:

"Sonntage sollen Tage des Herrn sein und nicht Tage für Hertie."

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Christa Stei- ger (SPD): Zitat Wolfgang Hoderleins!)

- Frau Steiger, lassen Sie mich halt einmal ausreden. Der Satz "Sonntage sollen Tage des Herrn sein und nicht Tage für Hertie" hat sich inzwischen nur insofern geändert, als Hertie nicht mehr existiert. Ansonsten ist dieser Satz weiterhin gültig. Man kann ihn jetzt auch unbekümmert äußern, denn bezeichnend ist auch, dass nach dieser Aussage wild protestiert wurde, Hertie habe sich nie für eine Sonntagsöffnung stark gemacht. Man verwahre sich gegen die Ecke, in die man da gestellt werde. Man solle und wolle dem Kommerz nicht auch noch am Sonntag Tür und Tor öffnen. Man hat es also sogar als geschäftsschädigend angesehen, sonntags öffnen zu wollen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Kollegin Sonnenholzner?

Das würde mir von meiner Zeit abgehen.

Gut, dann machen wir eine Zwischenbemerkung, Frau Kollegin. - Bitte, fahren Sie fort.

Ich sehe also einen breiten Konsens auf dieser Grundlage. Auch wenn man es ohne religiösen Hintergrund sieht, brauchen wir einmal in der Woche einen Tag der Ruhe und der Muße, gerade in unserer hektischen Welt. Wir brauchen einen Tag für die Familie, einen Tag zum Durchschnaufen und Kräfte sammeln.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Deshalb sollte es vom Sonntagsschutz nicht mehr Ausnahmen geben als bisher, eher im Gegenteil. Das ist nicht in erster Linie Kirchenpolitik, sondern Sozialpolitik und Familienpolitik. Und das alles ohne Nachteile für die Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der CSU)

Das - die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage - gilt. Die aktuelle Rechtslage - Einkaufen bis 20.00 Uhr, auch am Samstag - ist ein guter Kompromiss und ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der Kunden und denen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Familien; denn der gesunde Menschenverstand sagt, eine längere Öffnungszeit allein bringt den Kunden nicht mehr Geld in den Geldbeutel. Das Geld vermehrt sich nicht, wenn es über die Woche nur anders

und breiter verteilt wird. Möglicherweise aber würde eine Änderung Nachteile für die Innenstädte bringen gegenüber einem Event-Shopping auf der grünen Wiese. Möglicherweise würde sie auch Nachteile für mittelständische Einzelhändler oder auch Nachteile für den ländlichen Raum bringen. Über all dies, über die Auswirkungen von unterschiedlichen Ladenöffnungszeiten auf die Wettbewerbssituation der Einzelhandelsbetriebe, auf den Umsatz, auf die Einkaufsgewohnheiten der Menschen, aber auch auf die Zahl der Beschäftigten und auf deren Lebensumstände, wird der bevorstehende Bericht der Staatsregierung genau Auskunft geben, den wir bitte schön noch abwarten sollten.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir haben nicht gewusst, wann der Bericht kommt!)

So intensiv und tief die Diskussion im November vor drei Jahren war, so schwer die Geburt und so knapp die Abstimmung war, Fakt ist, dass die Regelung seither allseits akzeptiert und konsentiert wird. Nicht einmal der Einzelhandelsverband fordert eine Novellierung; ich betone: anders als 2006. Das Thema Ladenschluss hat in der Bevölkerung in den letzten zwei Jahren keine Rolle gespielt. Ich betone noch einmal: Das Thema Ladenschluss hat in der Bevölkerung in den letzten zwei Jahren keine Rolle gespielt. Auch deshalb gibt es keinen Anlass für Ihren Antrag. Wir werden ihn deshalb ablehnen.

(Beifall bei der CSU)