Protocol of the Session on October 27, 2009

Die sterben deswegen, weil es nicht mehr leistbar ist, diese Schülerzahl auf die Beine zu bekommen. Auch die angedachten Schulverbände machen das mit ihrem Bustourismus nicht besser. Das Busfahren alleine macht die Schüler nicht intelligenter.

(Beifall bei der SPD)

Im Grunde könnten wir den vielen Punkten, die im Eilantrag der SPD-Fraktion aufgezeigt sind - Erhalt der wohnortnahen Schulstandorte, Einführung einer regionalen Schulentwicklung, verändertes Übertrittsverfahren nach der Grundschule anhand der demografischen Entwicklung, eine individuelle Förderung als Grundprinzip an den Schulen und auch das Angebot des Mittleren Bildungsabschlusses an allen Schulen -, zustimmen. Wo wir uns aber etwas konträr zu Ihrem Antrag sehen, ist in der Umsetzung des Prinzips des längeren gemeinsamen Lernens. Das wissen Sie, Herr Güll. Darum werden wir uns heute bei der Abstimmung zu diesem Eilantrag enthalten.

Ich rufe die Staatsregierung auf, noch einmal darüber nachzudenken und diese Weiterentwicklung, wie Sie es nennen, Herr Dr. Spaenle, zu stoppen. Denn nicht Eile und Hast sind geboten, sondern Ruhe und Bedacht. Wenn wir etwas vernünftig machen wollen, lassen wir uns lieber ein bisschen mehr Zeit!

In vielen Punkten stimmen wir mit Ihren Überlegungen überein. Aber wir sehen Korrekturbedarf in der Ausrichtung bzw. in der Spezialisierung in Zweige und Begabungen. Wir möchten mehr Wert auf Schlüsselqualifikationen und Kernkompetenzen legen, weil das die Qualifikation des Hauptschulabsolventen ausmacht. Wir werden für den Erhalt der wohnortnahen Hauptschule weiterkämpfen. Bei der Abstimmung dieses Eilantrages werden wir uns enthalten. Vielen Dank.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich darf Sie alle bitten, die letzten drei Redner mit gebührender Aufmerksamkeit zu begleiten, und erteile Herrn Thomas Gehring für die Fraktion der GRÜNEN das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um nachhaltige Schulentwicklung geht, so reden wir heute darüber, wie die Schullandschaft in zehn oder fünfzehn Jahren aussehen wird. Dann sollten wir auch darüber reden, was junge Menschen in zehn bis fünfzehn Jahren in unseren Schulen gelernt haben sollten und von welchem Bildungsbegriff wir ausgehen. Das bedeutet für uns GRÜNE: Bildung soll dazu dienen, dass junge Menschen als starke, stabile, eigenständige Persönlichkeiten die Schule verlassen, dass sie Verantwortung übernehmen für sich, für ihre Gesellschaft, für ihre Umwelt, dass sie demokratische Tugenden erlernen, in einer globalisierten Welt mit Unterschieden umgehen können und Toleranz lernen.

In diesem Sinne gibt es keine höhere oder niedere Bildung.

Wenn wir über Qualifikationen im engeren Sinne reden, wissen wir, dass es darum geht, alle möglichst gut zu fördern, alle möglichst gut auszubilden. Ich bin überzeugt davon, dass die herkömmliche Trennung zwischen praktischen und theoretischen Fähigkeiten so nicht mehr stimmen wird. Wir brauchen nicht nur Praktiker oder nur Theoretiker. Deswegen müssen wir über ein anderes Bildungssystem reden und dann auch über die Ziele reden.

Wir sind heute in einer Situation, wo die Weichen gestellt werden für die zukünftige Bildungslandschaft. Das hat demografische Gründe. Das hat etwas mit dem Übertrittsverhalten zu tun. Es gibt aber auch konkrete Fragen, wie sie zurzeit von den Kommunen kommen. Vor 30, 40 Jahren sind unsere ganzen Schulen gebaut worden. Diese Schulen sind heute höchst sanierungsbedürftig. Die Kommunen sind bereit, Geld in die energetische Sanierung zu investieren. Sie müssen aber wissen, ob diese Gebäude in 10, 15 Jahren noch notwendig sind. Sie müssen wissen, wie diese Schulland

schaft ausschaut. Deswegen müssen wir jetzt die Weichen stellen für eine in 10, 15 Jahren andere Schullandschaft, die zukunftsfähig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Spaenle, es ist nicht so, dass nichts getan worden wäre in den letzten Jahren und keine Aktivitäten entfaltet worden wären. Es ist aber immer ein Hopping von einem Problembereich zum anderen in diesem Bildungssystem. Es gelingt Ihnen nicht, das gesamte Bildungssystem in den Griff zu bekommen und die Weichen zu stellen, dass sich die Bildungslandschaft weiterentwickeln kann. Sie reagieren dort, wo der Problemdruck am größten ist. Es geht Ihnen immer nur darum, die einzelnen Problembereiche zu optimieren, ohne die gesamte Situation zu entwickeln. Die Weichen werden momentan falsch gestellt; sie werden eng gestellt.

Ich glaube nicht, dass es möglich ist, eine Bildungslandschaft als Plan zu entwerfen und das von oben nach unten durchzukonjugieren und durchzuexekutieren. Die Bildungs- und Schullandschaft muss sich von unten entwickeln. Die Qualität entwickelt sich an den Schulen vor Ort, aber die Politik muss die Weichen dafür richtig stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn wir die Dialogforen anschauen, dann sind die Weichen eben zu eng gestellt. Die Dialogforen werden dazu führen, dass die Entwicklung vieler Hauptschulen aufs Abstellgleis führen wird, wo früher oder später ihr Ende eingeleitet wird. Herr Huber hat in seinem Brief an den Minister deutlich geschildert, wo die Probleme vor Ort sind mit diesen Schulverbünden, mit dieser Situation, dass kleinere und größere Schulen sich zusammenschließen werden. Das wird dazu führen, dass nach und nach die kleineren Schulstandorte über kurz oder lang geschlossen werden.

(Zuruf des Abgeordneten Josef Miller (CSU))

Ein weiteres Beispiel, dass ein nur punktuelles Angehen der Probleme nichts hilft, ist die Situation mit den Kooperationsmodellen, Herr Miller. Da gab es die Möglichkeit, dass Hauptschule und Realschule miteinander kooperieren. Aber es bewegt sich nichts, wenn sich nur der bewegt, für den die Not am größten ist, und der andere sich nicht bewegt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben eine Anfrage in Fällen gestellt, wo die Kooperationsmodelle nicht zustande gekommen sind. Da heißt es eben: Realschule ist nicht zur Kooperation bereit, Realschule lehnt Kooperation ab. Es kann sich

nichts bewegen, wenn sich nur der bewegt, der in größter Not ist.

Der Antrag der SPD fordert ein Moratorium. Moratorium klingt ein bisschen so, als ob man Zeit hätte, als ob man Denkpausen machen könnte. Es ist immer schlecht, wenn man beim Denken Pause macht. Es geht darum, die Weichern anders zu stellen, die Weichen für eine andere Schulentwicklung und für andere Schulmodelle zu stellen, für reformpädagogische Schulmodelle. Dazu gehören auch Schulmodelle, in denen ein längeres gemeinsames Lernen möglich ist.

Ich bin davon überzeugt - das ist grüne Programmatik -, dass neun Jahre gemeinsames Lernen mit individueller Förderung die richtige zukunftsweisende Schule ist. Ich bin davon überzeugt, wenn wir die Konkurrenz der Modelle, die vor Ort entwickelt werden, zulassen, dann wird sich diese Schule in einigen Jahren durchsetzen. Die Bereitschaft, Modelle sich entwickeln zu lassen, neue Wege zu gehen, muss von oben ermöglicht werden. Es muss den Schulen ermöglicht werden, das zu tun. Diese Weichen müssen Sie jetzt stellen. Denn sonst werden wir wertvolle Zeit verlieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Als nächste Rednerin darf ich Renate Will für die FDP-Fraktion ans Mikrofon bitten.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon sehr erstaunt nach den vielen Wortmeldungen zum Thema Moratorium für eine Schulentwicklung. Vieles ist gesagt, was auch richtig ist. Wir brauchen eine Schulentwicklung, eine Neuordnung, wir brauchen Zeit, wir brauchen Qualität. Das ist alles richtig. Ich frage mich aber, warum wir hier immer alles wieder neu aufrollen. Moratorium heißt Aufschieben, ja sogar Stoppen. Das passt alles irgendwie nicht zusammen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen kann ich nur zwei oder drei Sachen dazu sagen, nämlich was wir sonst schon immer gesagt haben: Lassen Sie uns doch die Zeit. Es hat doch gerade erst begonnen, diese sogenannte und von Ihnen geforderte Schulentwicklung vor Ort.

(Günther Felbinger (FW): Sie widersprechen sich jetzt!)

Ich widerspreche mir gar nicht. Wir brauchen kein Stoppen, sondern wir brauchen Zeit.

(Günther Felbinger (FW): Mit Ruhe und Bedacht!)

Wir brauchen die Zeit, die die Leute vor Ort brauchen, die Zeit, die alle an der Bildung Beteiligten vor Ort im Rahmen einer Schulentwicklung brauchen, um alle einzubinden und festzustellen, was passgenau für ihre Region ist. Passgenaue Schulkonzepte für jeden Ort.

Herr Felbinger, das ist genau das, wo wir fragen: Passt es überhaupt noch für Grundschulen, wo wir möglicherweise schon daran sind, die Klassen 3 und 4 in einen anderen Ort zu karren? Das kann es nicht sein, sondern wir sollten möglichst wohnortnah höhere Schulabschlüsse anbieten.

Es ist doch ideal, was jetzt in Bewegung geraten ist mit der Schulentwicklung, der Weiterentwicklung der Hauptschule hin zu einer Mittelschule. Was noch fehlt, sind sicherlich Standards. Da ist aber die KMK gefordert, die Standards zu definieren, damit alle Schulen den mittleren Schulabschluss wirklich anbieten können. Diese Standards sind noch nicht definiert. Entscheidend wird sein, was in den Klassen 5 und 6 passiert. Wie wird modularisiert? Wie wird gefördert? Wir müssen abwarten, wie sich die neue Lehreraus- und -weiterbildung gestaltet. Geben Sie uns noch Zeit. Der Koalitionsvertrag ist ja noch nicht in allen Punkten umgesetzt. Ganz entscheidend ist, den Schulen mehr Eigenständigkeit und mehr Verantwortung zu geben. Das kommt ja noch hinzu. Wenn das alles wirklich umgesetzt ist, dann können Sie wieder hier reingehen und sagen: Das hat alles nicht funktioniert. Wir wollen ein Konzept.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Güll (SPD))

Wir haben aber nicht die Zeit, dass wir das jetzt stoppen und uns hinsetzen und etwas von oben überstülpen und sagen: Leute macht das so, wie wir das wollen. - Nein, Leute, so wie ihr das wollt und wie ihr euch überlegt, was passgenau vor Ort ist. Das ist der richtige Weg. Wenn er nicht gelingt, wenn er scheitert, dann können wir uns hier fragen, was schiefgelaufen ist, was wir ändern müssen. Das ist der richtige Weg.

(Zurufe der Abgeordneten Günther Felbinger (FW) und Sepp Daxenberger (GRÜNE))

Nicht jetzt zu stoppen und zu sagen: Wir setzen uns hin und geben vor, was der richtige Weg ist. Das ist es nämlich, was Sie wollen. Wir wollen keine Ideologie.

(Zuruf von der SPD: Wir wollen eine pragmatische Lösung!)

Wir wollen den Pragmatismus, der genau jetzt vor Ort entsteht. Jetzt gerade entsteht etwas Wunderbares, nämlich Dialoge. Menschen setzen sich an einen Tisch: Schulleiter, Gemeinderäte, Elternverbände und überlegen sich: Was ist das Beste für unsere Kinder? Für

unsere Kinder, nicht für die Verbände, nicht für einzelne Ideologien, sondern für unsere Kinder. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren: Im Mittelpunkt einer Schulentwicklung steht die Schülerin und der Schüler.

(Beifall bei der FDP - Martin Güll (SPD): Jawohl!)

Herr Kollege Güller hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.

Frau Kollegin, Sie sprechen davon, dass vor Ort im Dialog etwas entschieden wird. Das ist doch schlicht und einfach gelogen.

(Beifall bei der SPD)

Sie geben Leitplanken vor und sagen, so und so groß muss die Schule sein, sonst genehmigen wir sie überhaupt nicht.

(Lebhafte Unruhe bei der FDP und der CSU)

Sie nehmen die Leute vor Ort überhaupt nicht ernst, weil Sie ihnen schon eine Lösung vorgegeben haben. Die Dialogforen dienen doch nur einem einzigen Zweck, nämlich dass Sie sich aus der Verantwortung der Staatsregierung und der Landtagsmehrheit herausstehlen, weil Sie sagen, das wollten die vor Ort so. Das stimmt aber überhaupt nicht. Sie haben doch schon beschlossen, dass die Schulen sterben werden, noch bevor die Dialogforen überhaupt einberufen worden sind.

Frau Kollegin, bitte!

Oh, große Worte: Sie haben gelogen.