Protocol of the Session on July 15, 2009

Es geht zunächst darum - Kollege Dr. Fischer hat es auf den Punkt gebracht -, dass man die Daten der Menschen, die sie den Verwaltungen anvertraut haben oder im Verwaltungsverfahren anvertrauen mussten, ordentlich schützt. Kollegin Guttenberger hat sehr ausführlich geschildert und dargelegt - Kollege Schindler hat dabei ganz vielsagend den Kopf geschüttelt -, dass Informationsauskunftsansprüche auch nach rechtlicher Abwägung bestehen. Nebenbei bemerkt - ich will die Beispiele im Umweltinformationsgesetz, Verbraucherinformationsgesetz und die bereichsspezifischen Ausnahmen nicht wiederholen -, man braucht aber kein rechtliches, sondern ein berechtigtes Interesse für Auskunft, wobei das ein wirtschaftliches oder auch ein ideelles sein kann.

Der Grund, wieso wir beide Entwürfe des Informationsfreiheitsgesetzes ablehnen, liegt in der Sorge, wie die Daten der Bürger, die die Behörden sammeln und im Verwaltungsverfahren verwerten, zu schützen sind. Es ist leicht dahingesagt, man wolle die Verwaltung transparent machen und der Bürger müsse verstehen können, wie Verwaltungshandeln abläuft und zu welchem

Ergebnis die Verwaltung kommt. Der Bürger, der ein berechtigtes Interesse hat, kann das nachvollziehen.

Ansonsten halten wir es für nicht zumutbar, dass zum Beispiel im Gesetzentwurf der GRÜNEN quasi jedermann die Nachvollziehbarkeit behördlichen Handelns als Begründung anführen darf, um Informationen über Verwaltungsverfahren zu bekommen, und dabei sämtliche schutzwürdigen Belange ausgeblendet werden. In beiden Gesetzentwürfen - das muss man sich vor dem Hintergrund der Debatte über den Datenschutz auf der Zunge zergehen lassen - werden personenbezogene Daten im Verwaltungsverfahren umfassend einer Abwägungsentscheidung anheimgegeben. Es handelt sich um personenbezogene Daten des nach dem Datenschutzrecht zu schützenden Bürgers, das mit dem Informationsinteresse eines Antragstellers abgewogen wird, obwohl das ein ganz anderer Mensch sein kann. Das erscheint den Antragstellern nicht als Problem. Das ist interessant.

(Horst Arnold (SPD): Das ist ein Abwägungsproblem!)

- Das ist ein Abwägungsproblem, das wir, Herr Kollege Arnold, nach der jetzigen Rechtslage ohnehin haben und das wir unter dem Gesichtspunkt - wie auch das Informationsfreiheitsgesetz - von der anderen Seite her kommend betrachten müssen.

Wir müssten das Informationsfreiheitsgesetz eigentlich wieder auf das zurückstutzen, was es momentan nach der aktuellen Rechtslage in jedem Verwaltungsverfahren ohnehin auch schon gibt. Deswegen ist das Gesetz nicht nur unsinnig, sondern vor dem datenschutzrechtlichen Hintergrund sogar schädlich.

Herr Staatssekretär, bleiben Sie bitte am Pult. Frau Kamm hat sich während Ihrer Ausführungen zu einer Zwischenfrage entschlossen. Wir lassen sie zu, obwohl es vom zeitlichen Ablauf her schon eine Zwischenbemerkung wäre. Bitte schön, Frau Kamm.

Herr Staatssekretär, wie fühlt man sich als Staatssekretär eines so großen Ministeriums, das es bis heute nicht geschafft hat, einen eigenen Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz vorzulegen?

Frau Kamm, ich fühle mich dabei ziemlich gut. Ich wüsste nicht, dass wir jemals intendiert hätten, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen.

Bitte noch einen Moment, Herr Staatssekretär. Herr Arnold hat eine Zwischenbemerkung angemeldet.

Herr Staatssekretär, können Sie mir eine Anspruchsgrundlage nennen, die derzeit in Bayern gelten würde, um es der "Bild-Zeitung" zu ermöglichen, Konten über Bonuszahlungen von Abgeordneten zu erlangen, die das zurückzahlen, obwohl keine Namen genannt werden? Gibt es diese Anspruchsgrundlage in Bayern?

Bricht der Rechtsstaat zusammen, wenn es sie nicht gibt? - Das ist der Punkt. Der Rechtsstaat bricht nicht zusammen, sondern das ist Informationsfreiheit.

(Beifall bei der CSU - Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Da fällt ihm nichts mehr ein!)

Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt.

Ich lasse zunächst über den Tagesordnungspunkt 18 abstimmen, zu dem keine namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/660 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/1721 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD, der Freien Wähler, der GRÜNEN und die Abgeordnete Dr. Gabriele Pauli. Wer dagegen stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Enthaltungen? - Keine. Der Gesetzentwurf ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 17, zu dem namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der SPD auf Drucksache 16/589 zugrunde. Bitte bleiben Sie noch so lange aufmerksam, bis ich die Präliminarien vorgelesen habe. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/1720 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen zustimmen will, möge entsprechend abstimmen. Für die namentliche Abstimmung sind fünf Minuten vorgesehen. Die Urnen stehen an den beiden Ausgängen und hier vorne.

Zu Ihrer Information: Es ist noch keine Mittagspause. Wir haben im Anschluss noch eine Abstimmung.

Ich unterbreche für fünf Minuten die Sitzung. Die Abstimmung ist eröffnet.

(Namentliche Abstimmung von 12.46 bis 12.51 Uhr)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die fünf Minuten sind um. Die namentliche Abstimmung ist geschlossen. Das Ergebnis der Abstimmung wird nach der Mittagspause verkündet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Abstimmung über Anträge, die gem. § 59 Abs. 7 GeschO nicht einzeln beraten werden (s. a. Anlage 3)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(siehe Anlage 3)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens beziehungsweise dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen. Damit ist auch dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Bevor ich Sie in die Mittagspause bis 13.30 Uhr entlasse, möchte ich Sie noch auf die Präventionsaktion gegen Diabetes hinweisen, die im gegenüberliegenden Senatssaal stattfindet. Sie können sich dort bis 16.00 Uhr untersuchen lassen. Sie können unter anderem das individuelle Diabetesrisiko ermitteln und Ihren Blutzuckerwert sowie den Blutdruck bestimmen lassen. Ich stelle Ihnen anheim, sich gesundheitlich fit machen zu lassen. In diesem Sinne schließe ich die Sitzung für den Vormittag. Um 13.30 Uhr fahren wir mit der Tagesordnung fort.

(Unterbrechung von 12.54 bis 13.32 Uhr)

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Sitzung nach der Mittagspause fort. Ich gebe zunächst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Maget, Schindler, Schuster u. a. und Fraktion (SPD) zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Freistaates Bayern und zur Änderung weiterer Vorschriften, Drucksache 16/589, Tagesordnungspunkt 17, bekannt: Mit Ja haben 68 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 94; Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie zum Thema: "Lage und Perspektiven der Wirtschaft im Sommer 2009 - Krise bekämpfen, Wachstumskräfte stärken"

Das Wort hat Herr Staatsminister Zeil. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mit einem Zitat beginnen:

Die soziale Marktwirtschaft ist eine Ordnung ohne Alternative. Kein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem bietet einen besseren Kompromiss zwischen den Zielen Effizienz und Gerechtigkeit.

So lautet die Kernaussage des Berichts der Kommission "Zukunft Soziale Marktwirtschaft", der gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Staatsregierung und die sie tragenden Fraktionen bekennen sich klar zur Renaissance der sozialen Marktwirtschaft als einzig Erfolg versprechendem Weg aus der gegenwärtigen Krise. Die soziale Marktwirtschaft gibt uns die ordnungspolitischen Leitlinien für staatliches Handeln - ich betone: für aktives Handeln - und dessen Grenzen vor. Der Staat muss Rahmenbedingungen und Spielregeln für das Marktgeschehen festlegen, aber er darf nicht selbst mitspielen oder die Regeln des Marktes außer Kraft setzen.

Für das Handeln des Staates in einer weltweiten Wirtschafts- und Vertrauenskrise wie der gegenwärtigen bedeutet das:

Erstens: Der Staat kann, ja, er muss eingreifen, um ein Marktversagen zu korrigieren bzw. den Zusammenbruch systemrelevanter Marktteilnehmer vor allem im Finanzbereich zu verhindern.

Zweitens: Er darf dies aber nur in engen Grenzen und mit der klaren Zielsetzung tun, sich so bald wie möglich wieder aus dem Marktgeschehen zurückzuziehen.

Drittens: Staatliche Maßnahmen müssen immer die absolute Ausnahme bleiben, und es muss immer klar sein: Zum einen liegt die Verantwortung für ein Unternehmen und seine Zukunft zuallererst beim Unternehmen selbst, seinen Inhabern und Mitarbeitern, bei niemandem sonst. Zum anderen darf die Politik nicht durch vorschnelle Inaussichtstellung von staatlichen Hilfen den Druck von den Beteiligten nehmen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Grundlegende Marktgesetze dürfen nicht außer Kraft gesetzt werden. Es gibt keine Marktwirtschaft ohne Risiko. Unternehmerische Fehlentscheidungen und veraltete Geschäftskonzepte können eben zur Insolvenz führen. Der Staat darf diese Form der Marktbereinigung nicht künstlich aufhalten. Wenn sich aber aus der Insolvenz tragfähige Zukunftskonzepte mit neuen Investoren entwickeln, dann können im Einzelfall Unterstützungsmaßnahmen gerechtfertigt sein. Und, auch das ist wichtig: Unterstützungsmaßnahmen dürfen weder die Möglichkeiten des Staates überschreiten noch dürfen dadurch unverantwortbare und unkalkulierbare Risiken zu Lasten der Steuerzahler eingegangen werden.

Das sind die klaren ordnungspolitischen Grundsätze, nach denen die Staatsregierung und der Wirtschaftsminister in der jetzigen schweren Krise handeln. Wir brauchen da keine Ermahnungen, schon gar nicht aus Berlin.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Doch, doch!)

- Das meinen jetzt Sie. Auch von Ihnen brauchen wir sie nicht. Wir brauchen sie aber auch nicht aus Berlin.

An der aktuellen Situation gibt es nichts zu beschönigen: Auch Bayern steckt in der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit. Die Ausfuhren des Freistaats sind in den ersten vier Monaten 2009 gegenüber 2008 um 26,5 % abgestürzt. Es ist klar, dass das an vorderster Front die stark auslandsorientierte Industrie trifft.

Aber auch an den stärker binnenwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftszweigen geht der Abschwung längst nicht mehr vorbei. Entsprechend miserabel ist der Jahresauftakt auch in Bayern ausgefallen. Das belastet die Jahresbilanz massiv. Wir müssen 2009 mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung rechnen, der ähnlich einschneidend sein wird wie im Bund.

Nun ist die Frage: Wie geht es im Verlauf dieses Jahres weiter? Erfreulicherweise zeigen die harten Konjunkturdaten erste Anzeichen einer Stabilisierung. Umätze, Auftragseingänge und die Exporte sind zuletzt wieder gestiegen. Aber eines ist auch klar: Die ersten Ansätze einer Erholung spielen sich auf einem sehr niedrigen Niveau ab. Wir dürfen bis auf Weiteres keine Wachstumsraten wie in den letzten Boomjahren erwarten. Vor uns liegen harte Jahre, bis wir gesamtwirtschaftlich das Niveau von 2008 wieder erreicht haben. Ich füge hinzu: Genauso wie ich zu Beginn der Krise davor gewarnt habe, eine Weltuntergangsstimmung herbeizureden, kommt es jetzt darauf an, dass wir nicht voreilig Entwarnung geben, sondern unseren gesunden Realismus beibehalten. Das bedeutet auch, dass wir für den Arbeitsmarkt keine Entwarnung geben können. Er hat sich bislang erfreulich robust gezeigt. Aber der eigentliche Härtetest steht uns noch bevor. Spätestens ab

Herbst ist ein stärkerer Anstieg der Arbeitslosigkeit zu erwarten. Ich möchte an dieser Stelle eines herausstellen: Die Betriebe nutzen in großer Verantwortung alle Möglichkeiten, um Arbeitsplätze über die Einbrüche bei Produktion und Umsätzen hinaus zu retten. Für diese verantwortliche, nachhaltige Personalpolitik verdienen sie unsere große Anerkennung.

Auch in den nächsten Monaten wird uns die Rettung einzelner Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. In einer Vielzahl von Fällen konnten wir bereits schnell, unbürokratisch und vor allen Dingen ohne öffentliches Aufsehen helfen, oftmals durch Koordination, Moderation und manchmal durch einen gewissen Druck auf die Beteiligten, keinesfalls immer nur durch den Einsatz staatlicher Gelder. Im ersten Halbjahr 2009 waren dies allein im Wirtschaftsministerium über 200 Einzelfälle. Hinzu kommen die umfangreichen Beratungsangebote der LfA-Task-Force in Nord- und Südbayern. Es ist unsere Art, die Probleme lösungs- und ergebnisorientiert anzugehen, unaufgeregt, aber immer mit dem klaren Ziel vor Augen. Eine solche Vorgehensweise ist aus dem Blickwinkel der Betroffenen viel effektiver als voreilige öffentliche Kundgebungen, Ratschläge oder Rettungsversprechen.

Nehmen Sie das Beispiel Arcandor: Vor der Insolvenz wäre es vor den Steuerzahlern nicht zu verantworten gewesen, bei völlig ungewissem Ausgang hier mit öffentlichen Mitteln zu spielen.