Warum ist er denn in die Ferne geschweift? Der Kurzschluss im Kernkraftwerk Krümmel hat den VattenfallKonzern doch sofort als Wahlkampfvorlage vorgegeben. Ein versehentlich nicht eingebautes Messgerät, eine verspätete Störungsmeldung an die Aufsichtsbehörde, ein nachträglich entdecktes schadhaftes Brennelement - was ist denn das für eine Atomaufsicht in Schleswig-Holstein?
Meine lieben Freunde, so kann es nicht gehen. Da wird ein Rundumschlag gegen die Atomlobby gemacht, die Gabriel dann gleich eine "kriminelle Bande" nennt; da wird die Bundeskanzlerin Merkel beschimpft und der Wirtschaftsminister zu Guttenberg als verlängerter Arm dieser Bande bezeichnet. Ich kann nur sagen, dass ich den Ausspruch von Ministerpräsident Wulff, dass Gabriel selbst möglichst schnell heruntergefahren werden sollte, inzwischen sehr gut verstehe,
In Bayern unterliegt jede Anlage unabhängig von ihrer Laufzeit einer permanenten behördlichen Aufsicht und Überprüfung durch das Staatsministerium für Umwelt
und Gesundheit. Pro Jahr werden durch die Beamten des Ministeriums und durch beauftragte Sachverständige mehr als 1.000 Prüfungen pro Anlage durchgeführt.
Überlegen Sie sich doch einmal, was es bedeutet, wenn Sie fordern, dass ältere Kernkraftwerke abgeschaltet werden und die Laufzeit dann auf neuere Anlagen übertragen werden soll. Das heißt doch, dass der von Ihnen gewünschte Ausstieg aus der Atomkraft nicht im Jahr 2020, sondern weit später erfolgen wird. Ist es das, was Sie wünschen?
Wir dürfen eines nicht vergessen: 2011 wird das erste Kraftwerk in Bayern abgeschaltet. Wenn alle Kraftwerke bei uns abgeschaltet sind, fehlen uns erhebliche Kapazitäten zur Stromerzeugung, und dann importieren wir aus Temelin und sonstigen "hervorragend sicheren" Werken den Strom zu uns. Das kann es ja wohl nicht sein.
In der Koalitionsvereinbarung dieser Staatsregierung ist festgehalten worden, dass der Anteil der erneuerbaren Energien von heute 22 % bis zum Jahr 2020 auf 30 % erhöht werden wird. Das ist richtig, und das wird für uns eine ganz große Kraftanstrengung sein.
Wir sind uns dessen bewusst, dass ein wesentlicher Teil eines vernünftigen Energiekonzepts auch darauf beruht, Energien einzusparen. Auch darauf sollten wir immer stärker unser Augenmerk richten. Aber wir müssen uns ganz, ganz deutlich darüber im Klaren sein, dass die Brückentechnologie Kernkraft in den kommenden Jahren nicht vollständig durch alternative Energien ersetzt werden kann.
Das, was wir dringend brauchen, nämlich die notwendigen Leitungen, die den Windstrom aus dem Norden zu uns bringen sollen, wird ja nicht gebaut. Lieber Kollege Wörner, Sie sollten sich da vielleicht doch ein bisschen an der eigenen Nase packen, wenn Sie auf der einen Seite dafür plädieren, dass man Leitungen nicht baut, und auf der anderen Seite sagen, wir sollten alles in die Windkraft investieren. Das kann es wohl nicht sein.
Große Projekte wie die Offshore-Anlagen in der Nordsee und in der Ostsee oder neuerdings die Nutzung der Sonnenenergie in der Wüste der Mittelmeer-Anrainerstaaten, wie sie gerade vorgebracht werden, benötigen ausreichend Zeit, und diese Zeit haben wir nicht mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren. Um zu überbrücken, bis wir alternative Energien wirklich vollständig nutzen können, brauchen wir mehr Zeit. Deswegen brauchen wir die Brückentechnologie Kernkraft weiterhin.
Ich bitte Sie eindringlich: Hören Sie endlich auf, unvernünftige Wahlkampfparolen hinauszutrompeten, um einen vielleicht kurzfristigen Erfolg einzufahren. Die Äußerungen des Bundesumweltministers sind missverständlich, lenken von den tatsächlichen Problemen ab und schaden nicht nur der Wirtschaft, sondern der ganzen Bevölkerung, also uns allen.
Wenn man sich noch einmal vor Augen führt, was er tatsächlich sagt, dass man nämlich die Kernkraftwerke länger laufen lassen muss, wenn wir die Laufzeiten der älteren Kraftwerke auf die neuen Kraftwerke übertragen, dann weiß man eigentlich nicht, was er wirklich will. Meine Damen und Herren, ich habe manchmal das Gefühl, er handelt nach dem Motto: Wie soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Graf von und zu Lerchenfeld, es ist schon bedenkenswert, wenn Sie von einem kleinen Störfall in Krümmel sprechen.
Also, ich denke, wenn wir von Siedewasserreaktoren sprechen, sollten wir in Bayern jeden Zwischenfall oder Störfall ernst nehmen.
Sie sprachen an, dass wir in Deutschland die Atomkraft als Brückentechnologie bräuchten. Wir haben momentan eine Jahresüberschussproduktion von 25 Terawattstunden. Wir könnten sofort drei Kernkraftwerke abschalten. Darum verstehe ich nicht, warum Sie mit einer solchen Argumentation hier nach vorn treten und sagen, dies sei nicht möglich.
Wir haben die Möglichkeit, 20 Städte in der Größe Erlangens, 25 Städte in der Größe Bayreuths zu versorgen. Warum stoßen Sie dann immer wieder ein Thema an, das heute überhaupt nicht notwendig ist, nämlich das Thema, ohne Not eine Laufzeitverlängerung herbeizuführen?
Ich habe es angesprochen: Siedewasserreaktoren wie Krümmel oder Isar 1 sind hochgefährlich. Wir müssen wirklich darüber nachdenken, ob das die Zukunft ist.
Wirtschaftsminister Zeil war mit der Delegation in Moskau. Man hat uns darum beneidet, welch tolle regenerative Energien wir haben. Man hat den Unternehmen Angebote gemacht, genau diese Technologie kaufen zu wollen. Sie aber setzen auf die rückschrittliche Atomkraft.
Jeden Tag können wir das Horrorszenario der Lobbyisten lesen, ohne Atomkraft gehen in Deutschland die Lichter aus. Welch ein schönes Bild!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie forcieren den Ausbau fossiler Brennstoffe - das war in Ihren Anträgen zu lesen -, indem Sie auf die NabuccoPipeline setzen. Obwohl der Kollege Thalhammer gestern die Solarthermie glaubte hoch preisen zu müssen, ihr nun aber doch nicht zustimmen will, wäre es doch sinnvoll, der Solarthermie eine Chance zu geben. Wir brauchen keine Politik für Monopolisten.
Die Erfolgsgeschichte wird auf den erneuerbaren Energien beruhen. Wir werden weltweit darum beneidet, dass es in Deutschland ein Energieeinspeisegesetz gibt.
Ich gebe Ihnen dazu ein paar Zahlen, liebe Kolleginnen und Kollegen. In Deutschland gibt es 1.100 Energieerzeuger, davon 250 allein in Bayern. Schauen wir in die Nachbarländer. In Spanien sind es 50, und in Großbritannien sind es ganze 25. Diese Riesenchance, die wir in Deutschland haben, haben wir dem Energieeinspeisegesetz zu verdanken.
Erneuerbare Energien sind einer der Zukunftsmärkte überhaupt. Wir haben in diesem Bereich momentan rund 250.000 Arbeitsplätze. Wenn wir diese Technologie bis 2020 ausbauen würden, kämen 300.000 weitere Arbeitsplätze dazu. Dann bräuchten wir keine Rettungsschirme zu spannen, sondern wir müssten nur auf diese Technik setzen, und dann hätten wir den Jobmotor schlechthin.
Wir Freie Wähler setzen auf eine Dezentralisierung; wir brauchen einen Energiemix aus Biomasse, Windkraft
und Geothermie. Wir werden in Deutschland darum beneidet, die Wärmflasche Bayern zu haben. Wir haben im Molassebecken die Chance, überhaupt in Bayern Energie zu erzeugen. Aber was machen wir? - Wir setzen auf die Atomkraft.
Als Letztes möchte ich noch den Verkauf der Innkraftwerke ansprechen. Welch ein Trauerspiel! Hätte die Politik hier nicht noch reagieren können? Was ist passiert? Monopolisten tauschen untereinander Kraftwerke aus, und unsere lokalen Stadtwerke, unsere Landkreise, Hunderte haben mitgeboten für diese Innwasserkraftwerke, aber sie sind nicht zum Zuge gekommen, weil nur der schnöde Mammon zählt und weil die Politik keinen Einfluss mehr hat.
Laut "Bayerischer Staatszeitung" sagte Herr Staatsminister Söder: In der Prioritätenliste der CSU ist die Ökologie die Nummer eins. Sie hat die gleiche Stufe wie die Wirtschaft und die soziale Gerechtigkeit. Dann verstehe ich nicht, Herr Minister Söder, warum Sie sich so vor den Karren der Atomwirtschaft spannen lassen.
Das ist schon schade, und ich muss hinzufügen, Herr Minister, dass Sie eine vorbildliche Öffentlichkeits- und PR-Arbeit betreiben. Ich wäre sicherlich ein Schelm, der Böses denken würde, wenn ich sagen würde, dass es zwischen dem Hauptsponsor des 1. FC Nürnberg und der Firma Areva sowie dem Minister Söder im Aufsichtsrat gute Beziehungen gäbe.
(Beifall bei den Freien Wählern - Erwin Huber (CSU): Jetzt hör aber auf, du! - Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU): Er ist frei von Wissen!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über Atomkraft und erneuerbare Energien reden, reden wir leider immer sehr viel über die Sicherheitsfragen, weil immer noch einige Kolleginnen und Kollegen trotz der vielen negativen Beispiele davon überzeugt sind, die Kernkraftwerke seien sicher. Ich möchte die Debatte heute auf einen anderen Bereich lenken. Durch die riesige PR-Maschine der Atomwirtschaft wird ständig die Angst vor einer Stromlücke in die Welt gesetzt. Auf dieses Thema möchte ich eingehen.
Wir haben vorhin vom Kollegen von und zu Lerchenfeld das Argument der Brückentechnologie zu hören bekommen. Wenn man in die Protokolle der letzten
25 Jahre schaut, erkennt man, dass sich lediglich ein Wort geändert hat. Alois Glück sprach in den Achtzigerjahren unter dem Eindruck von Tschernobyl von einer Übergangslösung. Jetzt, 25 Jahre später, hat man das Wort ausgetauscht und spricht von Brückentechnologie. Ein ernsterer Sinn dahinter, eines Tages auszusteigen, ist dabei nicht vorhanden.
Ich möchte jetzt noch auf einen anderen Punkt eingehen, der wirklich sehr erstaunlich ist. Seit 2007 sind mehrere AKW zeitgleich nicht am Netz. Das hatte in Deutschland zur Folge, dass der Anteil am Atomstrom von 30 % auf 23 % gesunken ist. Nun könnte man natürlich die Befürchtung teilen, die vom Umweltminister Söder und vom Herrn von und zu Lerchenfeld vorgebracht wird, der Strom würde aus Temelin importiert. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der importierte Strom aus Temelin in den letzten drei Jahren halbiert hat. Und ich bitte jetzt den Kollegen von und zu Lerchenfeld, an dieser Stelle ganz kurz einmal zuzuhören. Sie haben in Ihrer Rede dem Bundesumweltminister vorgeworfen, mit seiner Fahrt nach Tschernobyl eine PR-Tour zu unternehmen. Ich empfehle Ihnen, einmal selbst dorthin zu fahren und sich die Anlage anzusehen. Sie werden verwundert sein und feststellen, dass es sich dort um abgeschaltete Reaktoren handelt.