Protocol of the Session on June 18, 2009

Zum ersten Anliegen: Der Bericht ist so gut wie fertig. Er wird fast umgehend vorgelegt. Damit hat sich ein Stück weit das erledigt, was Sie beantragen. Die Erkenntnisse aus dem Raumordnungsbericht werden mit Sicherheit in unserem politischen Handeln Niederschlag finden.

Ihr zweites Anliegen: die Daten aus der Finanz- und Wirtschaftskrise. Diese sind in der Form, wie Sie sich das vorstellen, erstens nicht verfügbar und zweitens sind wir alle keine Propheten, und wir wollen auch kein Orakel befragen. Wir alle miteinander haben die Pflicht, tagesaktuell auf Entwicklungen zu reagieren und unser politisches Handeln darauf einzurichten, wenn aktuelle Entwicklungen aus Gründen der Finanzkrise feststellbar sind. Wir alle miteinander hoffen, dass die Krise sehr schnell herumgehen wird.

Wir werden aus diesen Gründen den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Zeil.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht wird Ende Juni im Kabinett vorgelegt. Der Antrag der Freien Wähler ist damit gegenstandslos.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CSU)

Es ist jetzt etwas schwierig, in einen neuen Tagesordnungspunkt einzutreten und dann die namentliche Abstimmung durchzuführen.

Ich gebe jetzt die Ergebnisse der vorhergegangenen namentlichen Abstimmungen bekannt.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

- Eine Zwischenbemerkung? - Dann muss ich den Herrn Minister wieder ans Rednerpult bitten. Ich bitte darum, uns Zwischenbemerkungen etwas früher anzuzeigen.

Herr Minister, ich habe diesen Antrag zum Raumordnungsbericht genutzt, um gleichzeitig auf die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms hinzuweisen. Herr Kollege Glauber hat ein weiteres Thema genannt, welches bei der regulären Fortschreibung im Jahr 2006 immer angesprochen worden ist. Damals ging es um zwei Streitpunkte, die innerhalb der CSU-Fraktion nicht geklärt werden konnten. Der eine Streitpunkt war die Frage nach den zentralen Orten und der genaueren Definition dieses Begriffs: Wer gehört dazu, wer nicht? Der zweite Streitpunkt betraf die Großbetriebsformen des Einzelhandels.

Eine zweite Baustelle, die ich angesprochen habe, war die Teilfortschreibung des Kapitels zum zivilen Luftverkehr mit den zwei bekannten Zielen. Bei meiner Wortmeldung haben Sie genickt. Darf ich dieses Nicken so interpretieren, dass Sie alles daran setzen, dass der Landtag, wenn er das Verfahren übernimmt, die Möglichkeit hat, das Verfahren noch vor der Sommerpause abzuschließen? Wie sieht bei der zuerst genannten Causa, also bei den zentralen Orten und bei den Großmärkten, der Zeitplan der Staatsregierung aus?

Herr Kollege Dr. Runge, zunächst zu den langfristigen Themen: Hier sind in der Tat noch Hausaufgaben im Auftrag des Landtags zu machen. Zu den Einzelhandelsprojekten haben wir ein Gutachten eingeholt, welches inzwischen vorliegt. Es wird jetzt ausgewertet, sodass wir zügig - wahrscheinlich aber erst nach der Sommerpause - in die Beratungen zur Fortschreibung eintreten können. Es ist schon mit Händen zu greifen, dass es in der Fläche immer wieder einzelne Fälle gibt, die uns auch Probleme bereiten. Mein Nicken war so zu verstehen, dass wir versuchen wollen, das Thema Luftverkehr zumindest innerhalb der Staatsregierung vor der Sommerpause so zu behandeln, dass wir es dann dem Landtag zuleiten können. Nicht zusichern kann ich Ihnen aber - das bringt das Verfahren mit sich -, dass die Beratungen des Landtags noch vor der Som

merpause abgeschlossen werden können. Die juristisch bedeutsame Entscheidung ist im Hinblick auf gewisse Verfahren sicherlich die abschließende Behandlung im Kabinett.

Bleiben Sie bitte noch, Herr Staatsminister. Wir haben noch eine weitere Zwischenbemerkung von Herrn Muthmann.

Artikel 28 des Landesplanungsgesetzes sieht ein gesetzlich geregeltes Berichtsverfahren gegenüber dem Landtag vor. Die Frist für dieses Verfahren ist abgelaufen. Die gesetzliche Verpflichtung ist bis dato nicht erfüllt. Wir mahnen die Erfüllung an. Angesichts der Rollenverteilung zwischen Parlament und Regierung halte ich es nicht für angemessen, dass Sie sagen, unser Antrag sei überholt und erledigt, weil Sie im Rahmen einer gegenüber dem Landtag noch nicht erfüllten Verpflichtung demnächst im Kabinett berichten wollen. Ich bitte Sie, die Bedeutung der gesetzlichen Verpflichtung und die Rolle des Landtags bei Ihren Äußerungen angemessen zu berücksichtigen. Die Verpflichtung ist nicht erfüllt, und damit ist auch der Antrag nicht erledigt.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Kollege, Sie dürfen sicher sein, dass ich schon aufgrund meiner Ausbildung zum Juristen gesetzliche Verpflichtungen ganz besonders ernst nehme. Verpflichtungen gegenüber dem Parlament nehme ich als Mitglied der Bayerischen Staatsregierung erst recht ganz besonders ernst. Ich habe auf den Tatbestand hingewiesen. Hätte sich Ihre Fraktion bei uns informiert, hätte ich Ihnen gesagt, dass die Erfüllung dieser Verpflichtung auf gutem Wege ist. Darauf bezogen sich meine Äußerungen. Ich würde bedauern, wenn Sie diese Aussage als eine unfreundliche Äußerung Ihnen gegenüber empfunden hätten. Ich wollte eigentlich nur Zeit sparen, und deswegen habe ich mich mit zwei Sätzen begnügt.

Weitere Wortmeldungen für Zwischenbemerkungen liegen mir nicht vor. Deswegen schließe ich jetzt die Aussprache. Die namentliche Abstimmung wird allerdings erst am Ende des nächsten Tagesordnungspunktes stattfinden, weil die 15 Minuten noch nicht ausgeschöpft sind.

Jetzt gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Dr. Förster, Aures und anderer und Fraktion (SPD) - Vertragsverletzungsverfahren und Strafgelder vermeiden: Durch Offenlegung EU-Agrarförderung sicherstellen, dass Gelder beim Bauern ankommen und nicht von anderen zweckentfremdet werden -, Drucksache 16/1528, bekannt. Mit Ja haben 50 Mitglieder des

Hohen Hauses gestimmt, mit Nein 110. Es gab zwei Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Das Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Daxenberger, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Sofortige Offenlegung der Agrarzahlungen in Bayern -, Drucksache 16/1534, gebe ich ebenfalls bekannt. Mit Ja haben 47 Mitglieder des Hohen Hauses gestimmt, mit Nein 104. Es gab zwei Stimmenthaltungen. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Ich rufe zur gemeinsamen Behandlung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bildungsstreik ernst nehmen - Grundlegende Veränderungen im Bildungssystem anpacken (Drs. 16/1530)

und

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, HansUlrich Pfaffmann, Martin Güll u. a. und Fraktion (SPD) Keine Repressalien für BildungsstreikTeilnehmende - Solidarität mit den Forderungen der jungen Menschen (Drs. 16/1532)

An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass sich aufgrund der Rede des Herrn Minister Brunner die Redebeitragszeit der Staatsregierung verlängert hat, sodass sich die Redebeitragszeiten der anderen Fraktionen um drei Minuten und 31 Sekunden verlängert haben.

Erste Wortmeldung: Herr Thomas Gehring.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Eine viertel Million junger Menschen war gestern auf den Straßen in Deutschland, um für eine bessere Bildung und eine bessere Zukunft der jungen Menschen in Deutschland zu streiken.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Dieser Bildungsstreik und die Aktionen, die diese Woche noch fortgeführt werden, sind ein Signal an uns Politiker. Sie sind auch ein Fingerzeig an die Mehrheit im Hause und an die Staatsregierung, damit sie zur Kenntnis nehmen, dass in Bayern eine andere Bildungspolitik notwendig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Darauf haben wir heute reagiert und diese Debatte beantragt, weil wir das Anliegen der jungen Menschen ernst nehmen. Wir hatten heute schon ein Gespräch zwischen den verantwortlichen Sprechern im Bildungsausschuss und Vertreterinnen und Vertretern der Studierenden und der Schüler. Der Landtag ist gut beraten, wenn er sich des Anliegens und der aktuellen Proteste annimmt. Wir in der Fraktion der GRÜNEN begrüßen die Forderungen der Studierenden und der Schüler. Wir teilen ihre Anliegen in vielen Punkten.

Ich möchte die Dimension der Proteste, die wir an der bildungspolitischen Front erleben, noch einmal deutlich machen. Wir haben die Streiks der Erzieherinnen und Erzieher, die Serie von Demonstrationen der Studierenden und nun die Bildungsstreiks. Das zeigt: In der Bildungspolitik brennt es an allen Ecken und Enden. Es gibt ein großes Bedürfnis der Betroffenen zu sagen: Politiker, macht eine andere Politik!

Wir haben einen Bundespräsidenten, der von einem Ruck in der Bildungspolitik spricht, vom Megathema, aber wenn man sich die Reformfähigkeit der Staatsregierung ansieht, kann man nur sagen, die ist nicht mega, sondern allenfalls minimal. Auch von einem Ruck ist bei der neuen Staatsregierung und dem neuen Minister nicht viel zu spüren, allenfalls von einem Ruckeln des Ministers, der die Reformen entweder nicht durchführen kann oder sich nicht traut, sie durchzuführen. Deswegen sind die Streiks auch nicht überflüssig oder von gestern, wie es vonseiten der FDP hieß, sondern notwendig und zu begrüßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was mir gestern bei den Kundgebungen in München und an anderen Standorten auffiel, war der hohe Anteil von Schülerinnen und Schülern, die an den Bildungsstreiks teilgenommen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben nicht für mehr schulfreie Tage oder mehr Ferien und weniger Schule gestreikt, sondern für mehr Bildung. Sie haben für eine bessere Bildung und eine andere Bildungspolitik gestreikt. Sie haben das getan im Wissen und in der Erwartung der disziplinarischen Folgen, die diese Streiks haben können. Es droht ihnen ein Verweis. Dass die jungen Leute trotzdem gestreikt haben, ist für mich und meine Fraktion ein Ausdruck von Zivilcourage.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sollten Respekt haben vor der Bereitschaft der jungen Leute, Grenzen zu überschreiten und die Folgen dafür in Kauf zu nehmen. Sie nehmen ihr Recht wahr, ihre Meinung zu äußern und sich zu versammeln. In

durchaus kreativen und auch witzigen Aktionen haben sie darauf aufmerksam gemacht, was faul ist und dringend reformiert werden muss. Die Jugendlichen schaffen sich ihr Forum, um der Öffentlichkeit und der Politik zu sagen, wie es um das Schulsystem bestellt ist und woran es fehlt. Deswegen wäre es ein Armutszeugnis für die Schulen, wenn sie mit einem Verweis reagierten und den Protest, das Ausdrucksmittel der jungen Leute, mit Schulschwänzen gleichsetzten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen unterstützen wir - vielleicht ist das eine Linie, die dieses Haus übernehmen kann - die Forderung des Landesschülersprechers der Gymnasien, der vorgeschlagen hat, dass über mögliche Sanktionen in den Schulforen an den Schulen entschieden werden soll. Das sind die Orte der Beteiligung, und ich denke, dort ist es möglich, eine adäquate Antwort zu finden. Vielleicht können wir uns dieser Forderung anschließen, die ich wichtig und gut finde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Forderungen sind bekannt. Wir brauchen eine Verbesserung der Situation im Kindergarten, eine bessere Aus- und Fortbildung sowie eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher. Wir brauchen kleinere Gruppen. Wir müssen weniger Druck im Bildungssystem haben. Wir müssen andere Schulformen finden. Wir brauchen den Ausstieg aus dem gegliederten Schulsystem und den Einstieg in ein neues, integratives Schulsystem, in ein längeres gemeinsames Lernen. Um diese Diskussion kommen wir nicht herum.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Staatsregierung denkt momentan über eine neue Hauptschulinitiative nach. Es heißt, man soll darauf warten. Ich hoffe, Sie denken noch und schlafen nicht schon. Ich bitte Sie, denken Sie grundsätzlich nach, machen Sie nicht die 157. Hauptschulinitiative, sondern gehen Sie endlich daran, eine Strukturveränderung des Schulsystems auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Eva Gottstein (FW): Wie in Hamburg!)

- In Hamburg, so sagt Frau Gottstein, ist das mit Schwarz-Grün möglich. Vielleicht geht so etwas auch in Bayern.