Protocol of the Session on May 12, 2009

Der Aussage, dass Schülerinnen und Schüler wie alle Kinder und Jugendlichen, aber auch die Erwachsenen mehr Bewegung bräuchten, stimme ich zu. Sport und Bewegung muss man aber auch im gesellschaftlichen Kontext sehen und in eine Gesamtbetrachtung einbeziehen und darf nicht ausschließlich auf den Schulsport reduziert werden.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Schau Dich doch selbst an! - Heiterkeit - Alexander König (CSU): Das war unverschämt!)

Verehrter lieber Herr Vizepräsident, ich glaube, das gibt nachher einen gütigen Handschlag.

- Herr Kollege Dr. Gantzer, Sie können mich gerne herausfordern. Ich war aktiver Ringer, dann schauen wir mal, wer der Sportlichere von uns zweien ist und wer wen auf die Bretter schmeißt.

(Beifall bei der CSU)

Ob das nur von der Figur abhängt, lasse ich dahingestellt. Ich weiß aber, dass auch Sie gut fit sind.

Sport jedenfalls ist deutlich mehr als der Schulsport. Wir müssen die anderen Bereiche einbeziehen. Deswegen muss ich an dieser Stelle auch ansprechen, dass die Schule nicht alle gesellschaftlichen Defizite ausgleichen kann. Das ist hier so wie auch in anderen Bereichen. Zu glauben, dass Schule alleine die Defizite bei Sport und Bewegung ausmerzen könnte, funktioniert nicht. Es gibt viele gut gemeinte und gute Projekte. Deshalb ist es wichtig, dass die Ehrenamtlichen einbezogen werden und deren Arbeit nicht herabgewürdigt wird, wie das beim ersten Redebeitrag erfolgte, in dem nur noch die fachlich hoch qualifizierten, gut ausgebildeten Sportlehrer gewürdigt wurden und das, was die Übungsleiter und andere ehrenamtliche Kräfte machen, hintangestellt wird.

Es gibt die verschiedensten Initiativen, die über die Staatsregierung angeregt und initiiert wurden. Das sind "Bewegte Schule", das Modell "Sport nach 1", die Zusammenarbeit von Schule und Vereinen, "Voll in Form" und so weiter. Sie sind ganz wichtig. Noch wichtiger als Geld und die Anzahl der Sportstunden ist es, die Kinder und Jugendlichen im Sportunterricht heranzuführen und ihnen Freude und Spaß am Sport zu vermitteln, damit sie ihn nicht nur als lästige Anstrengung erfahren.

In der Grundschule gibt es den Sport als verpflichtenden Unterrichtsbestandteil. Alle Grundschullehrkräfte müssen die Grundqualifikation Sport haben. Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Qualitätssicherung und steigerung im Schulsport. Dazu zählt auch die fundierte Aus- und Weiterbildung der Sportlehrkräfte. Es war ein richtiges Signal, die Fachlehrerausbildung, die vor einigen Jahren abgeschafft wurde, wieder aufzunehmen, um eine vernünftige Mischung zwischen den akademischen Sportlehrern und den Fachsportlehrkräften zu gestalten. Das hilft uns beim Schulsport weiter.

Mich hat gewundert, dass das Thema "Vorrückungsfach" nicht angesprochen wurde.

(Zurufe von der SPD)

Ich will auf die Diskussion verweisen, die wir 2007 sehr ausführlich sowohl in den Gremien des Landessportbeirats als auch im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport geführt haben und die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CSU mehrheitlich entschieden, Sport nicht als Vorrückungsfach einzustufen. Es gibt sicherlich gute Gründe, das zu tun. Es gibt aber mindestens genauso oder qualifiziertere Gründe, Sport nicht als Vorrückungsfach einzustufen und damit diesem Fach eine weitere negative Belastung aufzubürden. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sollten lieber dazu beitragen, bei der geplanten Anhörung im Schul- und Wissenschaftssauschuss des Bayerischen Landessportbeirats die Diskussion aufzunehmen, die Erkenntnisse herauszufiltern und schließlich auch umzusetzen.

Insgesamt gesehen haben wir in den vergangenen Jahren deutliche Verbesserungen beim Schulsport erreicht. Auch wenn es immer wieder bestritten wird, wir sind auf einem guten Weg, und auf dem sollten wir miteinander weiter vorangehen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Kollege, in der Aktuellen Stunde sind keine Zwischeninterventionen zugelassen. - Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Dittmar.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bayerns Schüler brauchen mehr Bewegung, und das brauchen natürlich auch die Schülerinnen. Ich bin sehr dankbar, dass ich heute als Gesundheitspolitikerin und als Ärztin zu diesem wichtigen Thema sprechen darf.

Die Schüler von heute sitzen zu viel und bewegen sich zu wenig. Eine Bewegungsstudie auf der Basis von Tagebüchern, die von 2.000 Schülern im Alter von 8 bis 14 Jahren über 14 Tage geführt wurden, belegt: neun Stunden liegen, fünf Stunden stehen, neun Stunden sitzen und eine Stunde bewegen. Bei der Bewegung sind es 15 Minuten intensive Bewegung, also Sport. Das ist aus gesundheitlicher Sicht bedenklich, wenn nicht gar verhängnisvoll. Muskel- und Haltungsschäden, Defizite in der Reaktionsfähigkeit, in der Koordination, erhebliche psychosoziale Defizite, von Schlafstörungen bis zu kindlichen Depressionen, sind die Folge. Und eine knallharte Zahl: 10 % der Schulanfänger sind übergewichtig. Meine Damen und Herren, das sind zwei Millionen Kinder in Deutschland! 4 %, also 800.000 Kinder, sind fettleibig! Das heißt, diese Kinder wiegen mehr als 20 Kilogramm über dem Normalgewicht. Noch eine letzte Zahl, die aber meiner Meinung nach die bedenklichste ist: 8 % der übergewichtigen Jugendlichen haben bereits Diabetes mellitus Typ II

und leiden unter Bluthochdruck oder Wirbelsäulenschäden. Die Bedeutung und Tragweite dieser Zahlen für das persönliche Schicksal des einzelnen Kindes ist enorm: Die Kinder leiden unter einem erhöhten Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen. Die Kostenlawine, die sich aus den Folgeerkrankungen für unser Gesundheitssystem entwickelt, sind nicht Thema dieser Stunde. Sie werden sich fragen: Kranke Kinder, dicke Kinder, aggressive Kinder, unkonzentrierte Kinder was hat das mit Sport oder, besser gesagt, mit zu wenig Schulsport zu tun? - Ich sage Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen: sehr viel! Der Schulsport ist das einzige Bewegungsfach im schulischen Alltag. Bewegung aber ist für eine gesunde psychische und physische Entwicklung unserer Kinder elementar.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern)

Im Zeitalter des Internets, der PC-Spiele und des Chatrooms ist das eine echte Herausforderung für uns. Deshalb ist Prävention nötiger denn je. Gesundheitswissenschaftler und Sportwissenschaftler fordern daher nicht ohne Grund täglich eine Stunde Sport. Wissenschaftliche Untersuchungen haben belegt - das will ich hier nicht wiederholen -, dass regelmäßige Bewegung die Denk- und Konzentrationsfähigkeit erheblich steigert. Ein ganz wesentlicher Aspekt für mich aber, weshalb der Schulsport unverzichtbarer Bestandteil einer umfassenden Bildung und Erziehung ist, ist die Anforderung, dass er bei den Kindern und Jugendlichen die Freude an der Bewegung und an einem gemeinschaftlichen Sporttreiben weckt. Der Schulsport sollte die Einsicht vermitteln, dass sich kontinuierliche Bewegung, kontinuierliches Sporttreiben verbunden mit einer gesunden Lebensführung positiv auf die körperliche, soziale, emotionale und geistige Entwicklung auswirken.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern)

Der Schulsport, der Freude und Spaß macht, legt den Grundstein für eine lebenslange Begeisterung am aktiven Sport und ist die beste Prävention für unsere Zivilisationskrankheiten. Im Moment ist es aber so, dass der Schulsport diesen Anforderungen nicht gerecht wird. Nicht nur, dass er an Schwindsucht leidet, um im medizinischen Chargon zu bleiben. Damit meine ich: Der Schulsport umfasst zu wenige Stunden, und von diesen wenigen Stunden fallen auch noch zu viele aus. Nein, meine Damen und Herren, ich kann mich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass der Schulsport bei den Kindern und Eltern nicht die nötige Wertschätzung erfährt.

(Beifall bei der SPD)

Oft wurde ich während meiner ärztlichen Tätigkeit mit dem Wunsch konfrontiert, Sportbefreiungsatteste aus

wirklich hanebüchenen und fadenscheinigen Gründen auszustellen. Ich appelliere an dieser Stelle an die Sportlehrerinnen und Sportlehrer, die Sportstunden so attraktiv und motivierend zu gestalten, dass die Kinder gar nicht auf die Idee kommen, sich irgendwelche Befreiungsgründe auszudenken.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Freien Wähler)

Nicht der technisch perfekt ausgeführte Felgaufschwung am Reck. sondern die Freude am Sport in der Gemeinschaft ist das, was Lernziel sein sollte. Ich appelliere aber auch an die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, mit Sportbefreiungen sorgfältig und differenziert umzugehen.

Ich denke, ich habe die hohe Bedeutung und die hohe Verantwortung des Schulsports für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft deutlich gemacht. Eine Reduzierung oder der Ausfall von Schulsportstunden ist deshalb auch aus gesundheitspolitischer Sicht nicht hinzunehmen und aufs Schärfste zu kritisieren. Ich bin aber nach der Rede von Frau Sandt aus der FDP-Fraktion zuversichtlich, dass wir es interfraktionell schaffen werden, künftig an den bayerischen Schulen mehr Sportstunden zu haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Abschließend noch eine Bemerkung, meine Damen und Herren. Nicht nur Bayerns Schülerinnen und Schüler brauchen mehr Bewegung, laut Sozialbericht treiben auch über 45 % der Erwachsenen keinen Sport. Lassen Sie uns also Vorbild sein, lassen Sie uns Sport treiben.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und Abgeordne- ten der Freien Wähler)

Ich stelle fest, in der Debatte wird es immer sportlicher. Bitte schön, Herr Kollege Rüth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit heute weiß ich, warum die früheren Schülerinnen und Schüler von Herrn Kollegen Felbinger glücklich und froh sind, dass er im Bayerischen Landtag ist. Sie haben es satt gehabt, einen so bösartigen und negativ denkenden Lehrer vor sich zu haben.

(Unruhe bei den Freien Wählern und der SPD - Lachen bei Abgeordneten der CSU)

Was Sie hier abgeliefert haben, Herr Felbinger, das findet man im Bayerischen Landtag selten.

(Beifall bei der CSU - Dr. Thomas Beyer (SPD): Das ist unverschämt! Sie sind ein bösartiger Kollege! - Weitere Zurufe von den Freien Wählern und der SPD)

Meine Damen und Herren, Sport ist sozialer Kitt, Sport vermittelt Werte, Sport ist Freude am Wettbewerb, Sport bedeutet Ausdauer, Fairness und Disziplin.

(Anhaltende Unruhe bei den Freien Wählern und der SPD)

Sport stärkt soziale Kompetenzen, es gibt Siege und Niederlagen. Die jungen Menschen freuen sich am Sieg, doch sie müssen auch lernen, beim Mannschaftssport mit Niederlagen umzugehen. Spitzensport und Breitensport sind ein Plus für das gesellschaftliche Klima in Bayern. Sport verbindet Menschen aller Altersklassen, aller sozialen Schichten und, Herr Vizepräsident, im Sporttrikot sehen alle gleich aus, die einen weniger gut, die anderen besser.

(Zurufe von der SPD)

Bayern ist das Land des Sports, meine Damen und Herren. Der Freistaat ist der Partner des Sports und der Sportvereine. Wir haben auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Sportförderung auf hohem Niveau gehalten. Wir haben eine gute Partnerschaft zum BLSV. Dort sind 4,3 Millionen Mitglieder tätig. Wir haben dort 86.000 Übungsleiter, die von Freistaat Bayern gefördert werden. Auch hier spielt die Jugend eine besondere Rolle. Es ergibt den Faktor 10, um die jungen Menschen zu fördern.

Ich stimme Ihnen zu, meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass Sport betrieben wird. Das ist auch wichtig für das soziale Miteinander. Sport ist auch ein Thema im Hinblick auf die Gesundheit. Ein Großteil der Gesundheitskosten bundesweit entsteht deshalb, weil die Menschen zu wenig Sport treiben. Wenn Sie die Indizes des Freistaats Bayern heranziehen und mit allen anderen Bundesländern vergleichen, dann werden Sie sehen: Es gibt kein anderes Bundesland, das einen besseren Faktor hat als Bayern. Das gilt für die Hauptschulen, für die Realschulen und für die Gymnasien. Das sind die Fakten, meine Damen und Herren, und an denen kommen Sie nicht vorbei.

(Zurufe von der SPD)

Wir haben in Bayern hervorragende Sportanlagen. Das kommt daher, weil der Freistaat Bayern den Sport fördert, aber auch, weil sich viele Leute auf dem Land ehrenamtlich engagieren. Darauf können wir stolz sein.

Meine Damen und Herren, Kollege Wägemann hat das Kooperationsmodell "Sport nach 1" angesprochen. Ich

glaube, hier können wir von einer sogenannten Winwin-Situation sprechen. Es ist eine Nahtstelle zwischen Schule und Verein. Die Vereine kommen in die Schule, und die Kinder können über die engagierten Übungsleiter in die Vereine hineinschnuppern.

(Eva Gottstein (FW): Am Nachmittag haben die Übungsleiter doch gar keine Zeit! - Harald Güller (SPD): Das soll eine Win-win-Situation sein? Die Schüler haben keinen Sportunterricht, die Übungsleiter haben nachmittags keine Zeit und die Sportvereine haben kein Geld! - Weitere Zurufe von der SPD und den Freien Wählern)

Herr Güller, ich weiß, dass die schwäbischen SPD-Abgeordneten dieses Thema immer wieder hochziehen. Sie müssen aber auch realisieren, dass sich die Fakten verändert haben.

(Eva Gottstein (FW): In der Realität ist das nicht so!)

Wir haben die Mittel für den Schulsport verzehnfacht, und Sie diskutieren immer noch über Zahlen von vor zehn Jahren. Bitte seien Sie so gut und lesen Sie einmal die aktuellen Zahlen. Dann werden Sie vielleicht keine merkwürdigen Bemerkungen mehr machen müssen.

Meine Damen und Herren, der Staat fördert Kooperationsmodelle. Es gibt Stützpunktschulen. Wichtig ist, dass die Eltern mit einbezogen werden. Dafür gibt es besondere Sport-Elternabende. Wir brauchen die Eltern; denn sie sollen ihre Kinder unterstützen.