Protocol of the Session on May 7, 2009

Vielen Dank, Herr Kollege. Jetzt darf ich dem Kollegen Kreuzer das Wort erteilen. - Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir unterhalten uns nicht zum ersten Mal über das Thema. Es war vielmehr schon eine streitige Auseinandersetzung, als wir dies so beschlossen haben. Wir haben uns kürzlich im Verfassungsausschuss zu der Thematik ausgetauscht und sind hier einfach rechtlich unterschiedlicher Auffassung.

Vollkommen klar ist, dass Spiegelbildlichkeit und die anderen Verfassungsgrundsätze gewahrt werden müssen. Dies schreibt die Verfassung vor, und dies ist auch nach dem Demokratieprinzip zwingend erforderlich.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Eben!)

Die Frage ist hier nur: Ist dieser Gestaltungsspielraum durch diese Ausschusszusammensetzung überschritten worden? - Ich kann nur sagen, dass sich die CSUFraktion zusammen mit der FDP-Fraktion - sonst wäre es so nicht gegangen - Gedanken darüber gemacht hat, wie die Ausschussgröße zu gestalten ist.

(Zuruf des Abgeordneten Bernhard Pohl (FW))

Wir haben uns von dem Gedanken an die Arbeitsfähigkeit des Parlaments leiten lassen. Wir müssen sehen, dass wir fünf Fraktionen haben. Wir haben eigentlich mit Ausnahme eines einzigen Ausschusses, nämlich des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes, zwei Ausschussstaffeln, sodass ein normaler Abgeordneter bei dem Parlamentsbetrieb hier nur zwei Ausschüssen angehören kann. Ansonsten gibt es Überschneidungen, wenn man jetzt vom Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes absieht. Somit muss die Ausschussgröße so festgelegt werden, dass die Fraktionen dies insgesamt schaffen können. Auf der anderen Seite muss trotzdem der Aufgabenumfang eines Ausschusses berücksichtigt werden. Hier sind wir eben dann zu der Auffassung gekommen: Der Haushaltsausschuss muss der größte sein; das war er auch schon in der letzten Periode. Wir haben zwei Ausschüsse, nämlich den Innenausschuss und vor allem auch den Umweltausschuss, die aufgrund der Aufgabenverteilung größer sein sollten als die anderen. Der Umweltausschuss hat ja zusätzliche Aufgaben bekommen. So ist diese Ausschussgröße und die gerade Zahl der Ausschusssitze entstanden.

Meines Erachtens, meine Damen und Herren, gibt es keine Blockademehrheit. Entweder hat man eine Mehrheit oder man hat keine.

(Beifall bei den Freien Wählern - Bernhard Pohl (FW): Genau!)

Eine "Blockademehrheit" ist eine Wortschöpfung, meine Damen und Herren, die insgesamt so natürlich falsch ist und nicht passt. Wenn wir von der Spiegelbildlichkeit her denken, haben wir bei dieser Zahl eine möglichst enge Annäherung zwischen Opposition und Regierungsparteien; die von Ihnen gewählte Verteilung ergibt stärkere Abweichungen in diesem Bereich. Sie sagen also: Wenn ich von der Zusammensetzung des Plenums stärker abweiche, ist dies mehr verfassungsgemäß als eine geringere Abweichung. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass der CSU-Fraktion hier nur zwei

Sitze zur Mehrheit fehlen. Dies sind zwei zu wenig, aber dies sind eben nicht viel zu wenig. Wir haben aber auch in diesen Ausschüssen keine Mehrheit.

Wir sind also der Auffassung, dass wir den Gestaltungsspielraum so genutzt haben, wie es verfassungsgemäß möglich ist und wie die Arbeitsfähigkeit des Parlaments gewährleistet ist. Wir wissen auch - das sage ich ganz klar -, dass in 99,9 % aller Fälle mit ganz wenigen Ausnahmen eine Entscheidung sowieso im Plenum herbeizuführen ist, sodass es überhaupt nichts nutzt, wenn eine große Fraktion im Ausschuss eine andere Entscheidung herbeiführen würde. Jede Entscheidung muss im Plenum bestätigt werden, und hierfür braucht man immer eine zweite Fraktion; normalerweise oder praktisch in allen Fällen braucht man den Koalitionspartner. Somit wird die Angelegenheit mit dem Ausdruck "Blockademehrheit" völlig überbewertetet. Sie spielt in der praktischen Folge der Politikgestaltung keinerlei Rolle, wie Sie selbst wissen.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Spiegelbildlichkeit! Spiegelbildlichkeit!)

Wir halten deswegen diese Verteilung für rechtlich nicht zu beanstanden. Der Landtag hat hier einen Gestaltungsspielraum, eine Organisationshoheit. Dass man dies anders auch machen kann und dass dies rechtlich zulässig wäre, will ich nicht bestreiten. Dies ist nicht die Frage bei dem Gerichtsverfahren. Die Frage ist vielmehr, ob dies hier rechtswidrig ist. Wir sind der Auffassung, dass es dies nicht ist. Ich bitte deshalb, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, den Beschluss des Verfassungsausschusses zu bestätigen, dass nämlich der Antrag unbegründet ist und dass zum Vertreter des Landtags der Abgeordnete Kreuzer bestellt wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Um das Wort hat Kollege Professor Dr. Piazolo gebeten. - Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kreuzer, Sie haben das Problem im Grunde genommen in einem einzigen Satz auf den Punkt gebracht: Entweder man hat eine Mehrheit oder man hat keine. Die CSU hat keine Mehrheit.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD - Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Richtig! Jawohl! Thomas Kreuzer (CSU): Auch im Ausschuss!)

Im Ausschuss haben Sie zumindest die Möglichkeit der Blockade. Nun, auch das haben wir erläutert, gibt es natürlich - das wollen wir hier gar nicht mit Schaum vor dem Mund diskutieren - verschiedene Rechtsprinzipi

en: Die Spiegelbildlichkeit ist erwähnt worden, das Mehrheitsprinzip und natürlich das Selbstorganisationsrecht des Parlaments. Diese drei rechtlichen Prinzipien stehen hier im Feuer. Die Frage ist: Wo ist das Prä? Das ist sicherlich einfach zu erklären. Wenn die CSU in einem 16er-Ausschuss 9 Abgeordnete hätte, würde das sicherlich nicht dem Mehrheitsprinzip entsprechen, auch nicht dem Erfordernis der Spiegelbildlichkeit. Das Selbstorganisationsrecht wäre ebenfalls nicht gewahrt. Wenn wir als Freie Wähler 9 Sitze hätten, wäre es genauso fehlerhaft.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das wäre vielleicht ein bisschen mehr Abweichung!)

- Das wäre noch mehr Abweichung; da stimme ich Ihnen natürlich zu. Aber es wäre auch nicht ungerechter.

Jetzt ist also die Frage, und darum streiten wir, ob das gewählte Verfahren, die gewählten Sitze diesem Verfahren entsprechen oder widersprechen. Da besteht, das hatten Sie auch erwähnt, ein Rechtsproblem. Aber in der Folge Ihrer Rede sind Sie dann nur auf tatsächliche Fragen eingegangen. Ich verstehe nicht ganz, warum gerade die CSU mit diesen tatsächlichen Problemstellungen Schwierigkeiten hätte. Denn wenn es so käme, wie die Opposition es möchte, wäre es ja nur eine Person mehr im Ausschuss, und die käme nicht von Ihnen. Insofern ist dieses tatsächliche Problem sicherlich keines der CSU.

(Harald Güller (SPD): Darüber machen schon wir uns einen Kopf!)

- Darüber können wir uns den Kopf zerbrechen. Wir haben da mit Sicherheit keine Probleme, weil wir alle in der Opposition fleißige Abgeordnete haben, die locker auch noch ein bisschen mehr arbeiten können.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Wir sind der Auffassung, dass eine Gruppierung, die im Plenum nicht mehr die absolute Mehrheit hat, auch nicht die Hälfte der Sitze in einem Ausschuss besetzen kann. Das entspricht nicht der Spiegelbildlichkeit. Dass man darüber streiten kann, ist uns auch klar. Deshalb sind wir zu Gericht gegangen. Wir haben gemeinsam Klage beim Verfassungsgerichtshof eingereicht. Wir stehen dem positiv gegenüber. Wir sehen natürlich auch, dass man - das ist vor Gericht immer so - auch unterliegen kann. Aber deshalb fordern wir den Landtag auf, dass er unseren Antrag für begründet hält. Ich würde da unsere Fraktion vertreten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tausendfreund. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Bayerischen Verfassung heißt es in Artikel 2 Absatz 2 ganz einfach: "Mehrheit entscheidet". Es steht dort nicht, dass eine Sperrminorität vorgesehen ist. Sie müssen diese nicht einmal Blockademehrheit nennen, sondern man kann sich auf den Begriff der Sperrminorität einigen. Das Ergebnis bleibt das gleiche: Ohne die CSU geht in den Ausschüssen nichts.

Dies widerspricht dem Mehrheitsprinzip. Die Größe der Ausschüsse ist gegenüber der letzten Legislaturperiode ohne Not geändert worden. Weil man gern klare Mehrheitsverhältnisse möchte, ist es auch eher ungewöhnlich, dass man eine gerade Zahl von Ausschussmitgliedern hat. Die Pattsituation, die entstehen kann, ist willkürlich und ohne Not gewählt worden. Dass es sich hier nicht nur um eine theoretische Debatte handelt, hat die Abstimmung im Rechts- und Verfassungsausschuss zum Antrag zur Aufnahme der Guantánamo-Flüchtlinge gezeigt. Einziger Grund für die Wahl der Ausschussgröße ist die Absicherung der Mehrheit der CSU gegenüber einem eventuell aufmüpfigen Koalitionspartner. Dieser Koalitionspartner hält dafür auch noch den Steigbügel. Im Ergebnis haben wir eine Verzerrung der Mehrheitsverhältnisse im Landtag, die sich in den Ausschüssen nicht widerspiegeln.

Was die Entscheidungskompetenz der Ausschüsse anbelangt, kann ich mich der Auffassung von Herrn Kollegen Güller anschließen. Er hat einige Beispiele genannt. Im Haushaltsausschuss geht es um die Grundstücks- und Beteiligungsangelegenheiten. Die Petitionen kann man zwar ins Plenum hochziehen, aber in der Regel sind die Ausschüsse abschließend tätig. Daneben gibt es die Eilsachen. Besonders erwähnen möchte ich die Arbeit der Untersuchungsausschüsse. Die einzelnen Schritte, die im Untersuchungsausschuss stattfinden, kann man nicht einfach auf das Plenum übertragen, weil die Untersuchungsausschüsse nach den Regeln der Strafprozessordnung funktionieren. Weiter haben wir den Zwischenausschuss zu beurteilen, der zwischen den Legislaturperioden, wenn kein Parlament existiert, monatelang sämtliche Entscheidungen trifft, die sonst der Landtag zu treffen hat. Die Ausschüsse haben also eigene Informations-, Kontroll-, Untersuchungs- und Entscheidungskompetenzen.

Die Sacharbeit findet in den Ausschüssen statt. Im Plenum sind die Redezeiten begrenzt. Wenn man Dinge ausführlich diskutieren will, dann findet die Debatte im Ausschuss statt. In der Realität sind die Entscheidun

gen schon festgezurrt, bevor die jeweiligen Punkte ins Plenum kommen.

Wir haben das Gebot der Proportionalität und das Prinzip der Spiegelbildlichkeit zu beachten. Wir sind als Landtag auch gehalten, das Optimierungsgebot zu beachten. Das bedeutet, wenn es eine optimale Lösung für die Größe der Ausschüsse gibt, muss diese Lösung auch gewählt werden. Unseres Erachtens sind die Grenzen des Willkürverbots hier überschritten. Die Klage ist nach unserer Auffassung begründet. Ich schließe mich dem Antrag des Kollegen Güller an, den Kollegen Schindler als Beauftragten ins Rennen zu schicken. Wir werden diesem Vorschlag zustimmen. Ich bin guten Mutes, dass wir mit unserer Klage durchdringen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Dr. Fischer.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Herr Dr. Fischer!)

- Entschuldigen Sie, Herr Dr. Fischer.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Bei der Frisur könnte es schon sein! Der sieht aus wie Frau Sem!)

- Das war ein Fehler von mir. Ich war gerade etwas abwesend.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Ausführungen einige grundsätzliche Bemerkungen vorausschicken. Herr Kollege Güller, Sie haben es gesagt: Es geht hier nicht um eine politische Bewertung der Ausschussgrößen, sondern um die Frage der Verfassungsmäßigkeit, und auf die Diskussion dieser Frage sollten wir uns beschränken. Weiter möchte ich meinen Ausführungen vorausschicken, dass die FDP-Fraktion von der gewählten Ausschussgröße nicht profitiert, aber durch sie auch nicht benachteiligt wird. Das heißt, wir sehen das Thema sachlich und werden auch entsprechend entscheiden.

Nun zur verfassungsrechtlichen Beurteilung selbst einige Worte. Der Grundsatz ist - das stellt auch die Klageschrift der Fraktionen der SPD, der GRÜNEN und der Freien Wähler ausdrücklich fest - die Autonomie des Landtags. Die Bayerische Verfassung trifft gerade keine Regelung, wie die Ausschüsse besetzt werden müssen. Der Grundsatz in der Bayerischen Verfassung wird aber durch zwei wesentliche Gesichtspunkte eingeschränkt: zum einen durch das Spiegelbildlichkeitsprinzip, zum anderen durch das Mehrheitsprinzip.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Pohl?

Eine Zwischenintervention am Ende meiner Rede gestatte ich gern, aber keine Frage jetzt.

Das Spiegelbildlichkeitsprinzip besagt, dass die Zusammensetzung der Ausschüsse möglichst nah an der Zusammensetzung des Plenums sein muss. Das bedeutet, dass die Abweichung - das weist die Klageschrift sehr schön nach - umso kleiner ist, je größer die Ausschüsse sind. Daraus lässt sich also keinerlei Rückschluss ziehen, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Es bleibt also das Mehrheitsprinzip. Hier ist schon sehr schön gesagt worden, die Mehrheit muss die Mehrheit bleiben. Mathematisch ist es so, dass 50 % keine Mehrheit sind. Die Mehrheit sind über 50 %.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Rechnen: Eins!)

50 % sind auch im Ausschuss keine Mehrheit. Die CSUFraktion hat auch im Ausschuss keine Mehrheit. Sie hat nicht die Kraft zur positiven Gestaltung. Das ist das Entscheidende.

(Harald Güller (SPD): Gegen sie kann aber nichts entschieden werden!)

Deswegen bleibt es hier bei der Autonomie. Der entscheidende Gesichtspunkt ist aber ein anderer. Der entscheidende Gesichtspunkt ist, dass nahezu jede Frage auch gegen den Willen der Regierungsfraktionen hier im Plenum hochgezogen werden kann. Meine Damen und Herren, die heutige Debatte ist das beste Beispiel dafür. Sie haben das Thema der Ausschussbesetzung ins Plenum hochgezogen und können bei fast jedem anderen Thema genauso verfahren.