Aber Europa muss auch stark sein. Es muss stark sein, wenn es darum geht, gemeinsam zu handeln, wenn einzelne Mitgliedsstaaten nicht die Möglichkeit haben, Wirkung nach außen zu entfalten. Es geht dabei zum Beispiel um die europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Hier ist es sehr sinnvoll, dass wir im neuen Lissabon-Vertrag eine Vertretung haben, die Europa nach außen repräsentieren wird. Wir werden einen gemeinsamen "Außenminister" haben, auch wenn er nicht so genannt werden darf, der Europa repräsentieren wird, und das ist gut so. Europa wird ein Gesicht bekommen.
Wo noch? Mir ist es natürlich ein besonderes Anliegen, dass Europa bürgerfreundlicher wird, dass man die Maßnahmen, die Europa trifft, auch besser versteht. So ist ein Glühbirnenverbot nicht unbedingt sinnvoll, um die Bürger in Deutschland für Europa zu begeistern. Hier regiert Europa einfach zu stark in die privaten Haushalte hinein. Es gab noch nicht einmal eine Beteiligung des Europäischen Parlaments. Insofern ist das kontraproduktiv für Europa.
Europa soll spürbare Verbesserungen für die Bürger bringen. Es gibt auch eine Strategie dahinter: die Lissabon-Strategie. Bis zum Jahr 2010 soll die EU zum weltbesten Lebensraum für die Menschen in Europa werden.
Deswegen begrüßen wir es ausdrücklich, dass sich der Tschechische Senat jetzt zum Lissabon-Vertrag bekannt hat. Der Lissabon-Vertrag ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Krise macht Europa populärer. Selbst in Irland wird diese Chance genutzt, um endlich den dringend benötigten Lissabon-Vertrag umzusetzen.
Wir als FDP sind dafür, dass die Europäische Union demokratischer, verständlicher und handlungsfähiger wird. Wir halten deshalb an den Zielen des LissabonVertrages fest, denn er enthält die wesentlichen Elemente für eine grundlegende Reform der Union: eine erhebliche Stärkung des Europäischen Parlaments, verbesserte Mitsprache- und Kontrollmöglichkeiten der nationalen Parlamente, also sowohl des Landtags hier in Bayern als auch des Bundestags, eine besser koordinierte EU-Außenpolitik - darauf bin ich bereits eingegangen - und effizientere Entscheidungsmechanismen. Hier geht es um die doppelte Mehrheit. Endlich wird die EU handlungsfähiger. Das war die ganze Zeit nicht machbar. Jetzt ist der EU-Vertrag, wie wir mitbekommen haben, auf einem sehr guten Weg.
Für Liberale zentral ist die Demokratisierung der gemeinsamen Innen- und Justizpolitik. Der Vertrag von Lissabon bezweckt, die Rechtsgrundlage der EU zu reformieren und zu ersetzen. Hierdurch soll den seit Beginn der Europäischen Einigung vor fast 60 Jahren eingetretenen Veränderungen insbesondere im Zuge der letzten großen Erweiterungsrunde um insgesamt zwölf neue Staaten auf nun 27 Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden. Damit soll Europa handlungsfähig bleiben und zugleich demokratischer werden. Die Rolle der nationalen Parlamente ist klar definiert. Bürgerbegehren auf europäischer Ebene werden ermöglicht. Das alles würde zur Annäherung der EU an die Bürger führen.
Wichtig ist vor allem der Reformprozess, und das ist ein ganz entscheidender Schritt; denn würde die EU selbst einen Antrag stellen, damit die Türkei in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen wird, würde der Antrag abgelehnt mit der Begründung: keine Demokratie. Ich möchte es wiederholen: Würde die Europäische Union einen Antrag stellen und um Aufnahme der Türkei bitten, so würde dieser Antrag abgelehnt werden, weil die demokratischen Voraussetzungen nicht gegeben sind. So wurden bisher immer mehr Kompetenzen auf die Gremien der EU übertragen, ohne dass die Strukturen demokratischer geworden sind. Gleichwohl
stellt der Vertrag von Lissabon aus unserer Sicht eine Verbesserung der derzeitigen vertraglichen Grundlage der EU dar.
Ich möchte an dieser Stelle auf die Chancen für Europa eingehen. Europa darf europäisch bleiben, wenn es um die Sprachen geht. Wir wollen, dass die Sprachenvielfalt in der Europäischen Gemeinschaft erhalten bleibt.
Wir unterstützen auch die Donauinitiative der Staatsregierung. Wir halten diese Initiative für eine Möglichkeit, die Chancen für Bayern bietet. Ich will auch noch einmal gerade auf die Chancen in der Forschung hinweisen, insbesondere was das EU-Forschungsrahmenprogramm angeht. Hier sind immerhin 64 Milliarden Euro zu erhalten, und das ist für die deutsche und bayerische Forschungslandschaft von großem Interesse.
Zu guter Letzt geht es um den Türkei-Beitritt, der auch innerhalb unserer Fraktion heiß diskutiert wird. Seit dem 3. Oktober 2005 verhandelt die Europäische Union mit der Türkei über einen möglichen EU-Beitritt. Um es klar zu sagen: Ich halte diese Verhandlungen für einen Fehler - nicht, weil sich die Türkei in vielen gesellschaftlichen Eigenschaften wie etwa der Religion vom Rest Europas unterscheidet. Dies ist für viele Liberale - anders als für viele Konservative - kein entscheidendes Argument. Ich glaube aber, dass derzeit weder die Türkei für einen Beitritt zur Europäischen Union noch umgekehrt die Union für einen Beitritt der Türkei reif ist.
Letzteres gehört ebenfalls zu den Kopenhagener Kriterien, was vielfach vergessen wird. Es geht dabei nicht darum, der Türkei die Türe vor der Nase zuzuschlagen, sondern darum, jenseits des Beitritts eine vernünftige Perspektive für die EU und die Türkei zu finden, die realisierbar und akzeptabel ist.
statt die Probleme aufzuschieben und das Land möglicherweise erst in einigen Jahren durch eine negative Entscheidung vor den Kopf zu stoßen.
Aktuell gilt: Wir müssen Europa gemeinsam meistern. Alle Verantwortlichen stehen hier in der Pflicht. Deutschland war immer stark, wenn alle zusammengehalten haben, angefangen vom Wiederaufbau nach dem Krieg bis hin zum Aufbau des vereinten Deutschlands. Diese Stärke müssen wir auch in Europa beweisen. Deshalb gilt in der aktuellen Krise: Gemeinsam handeln, gemeinsam sind wir stark.
Frau Kollegin Kamm hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Frau Dr. Bulfon, Sie dürfen dann darauf nochmals zwei Minuten erwidern.
Frau Dr. Bulfon, es war aufgrund der sich widersprechenden Argumente manchmal schwierig zuzuhören. Sie sagen, man solle der Türkei die Türe nicht zuschlagen, solle ihr aber gleich sagen, dass sie nicht beitreten könne. Das passt nicht zusammen. Ebenso war es bei Ihren Ausführungen zu den Finanzmärkten.
Sie haben dabei beklagt, dass es für die Finanzmärkte zu wenige Rahmenbedingungen gebe. Das ist wohl wahr, von der FDP hört man aber meistens das Gegenteil. Können Sie mir daher bitte eine einzige Initiative der FDP, beispielsweise im Bundestag oder im Europäischen Parlament, nennen, um hier die Finanzmärkte besser zu regulieren?
Zum Beitritt der Türkei möchte ich sagen, da habe ich mich klar geäußert: Damit, dass wir der Türkei die Türe nicht vor der Nase zuschlagen sollen, wollte ich sagen, dass wir keine Hoffnungen wecken wollen. Wir wollen vielmehr klar sagen: Wir fühlen uns derzeit als Europäische Union auch überfordert und sollten jetzt erst einmal unsere Krise bewältigen, um dann den Blick nach vorne zu richten. Insofern halte ich jetzt eine Diskussion über einen möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union für eine Geisterdiskussion. Das kommt derzeit nicht in Frage, aber meines Erachtens eben nicht aus kulturellen Gründen, sondern deshalb, weil es für die Europäische Union derzeit zu viel wird.
Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, Kolleginnen und Kollegen! Fast alle haben es schon gesagt: Europa steht für Frieden, Freiheit, Demokratie, wirtschaftliche Prosperität, Wohlstand und auch für Solidarität. Damit ist Europa das Erfolgsmodell einer Wertegemeinschaft, die auf der gemeinsamen christlichen Kultur basiert. Wir profitieren alle davon, und die Menschen wissen das auch. Die Menschen wissen um die Vorteile des riesigen Binnenmarktes, des Euros, der Zoll- und Reisefreiheit usw. Trotzdem identifizieren sich nur wenige Menschen bewusst und ausschließlich positiv mit dem Begriff "Europa".
was ein gewisses Licht auf das Verständnis von parlamentarischer Demokratie wirft. Ich will das schon ansprechen, weil es nicht das erste Mal ist, dass dies passiert.
Die Menschen identifizieren sich auch deshalb mit dem Begriff "Europa" nicht nur positiv, weil Europa aus der Sicht der Menschen auch für Zentralisierung steht.
Die Menschen merken, dass immer mehr Vorschriften zentral aus Europa kommen und ihr Leben bestimmen.
Europa steht auch für Bürokratisierung. Die Menschen merken, dass Europa immer mehr und tiefer in ihr Leben eingreift.
Und: Die Menschen fragen sich, wo dieses Europa, diese Entwicklung endet, und welche Risiken für sie selbst mit einer möglichen zusätzlichen Erweiterung unserer heutigen Europäischen Gemeinschaft verbunden sind.
Die CSU nimmt diese Bedenken sehr ernst. Wir setzen uns dafür ein, dass weniger Entscheidungen in europäischen Institutionen zentralistisch getroffen werden. Kollege Dr. Runge hat auch das Beispiel der kommunalen Daseinsvorsorge angesprochen, das wir bekanntermaßen genauso sehen. Wir haben uns mit Erfolg für das Subsidiaritätsprinzip auf europäischer Ebene eingesetzt. Dass dieses Prinzip zum Tragen gekommen ist, geht nicht unwesentlich auf uns zurück. Wir sind zudem im Bereich Entbürokratisierung tätig. Ich erinnere auch an die Tätigkeit unseres langjährigen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber, der hier einen großen und vielfach noch unterschätzten Beitrag leistet.
Natürlich müssen wir die Ängste der Menschen bezüglich der weiteren Ausgestaltung unseres Europas sehr ernst nehmen. Deshalb treten wir, die CSU, zunächst einmal für eine Konsolidierung und Vertiefung der Beziehungen in der bestehenden Europäischen Union ein. Wir warnen dringend davor, das Erweiterungstempo der letzten Jahre fortzusetzen.
Wir treten für klare Grenzen ein. Frau Professor Männle hat bereits angesprochen, warum wir keine Möglichkeit eines Beitritts der Türkei zur Europäischen Union sehen, weil dafür nämlich nicht die notwendigen kulturellen und historischen Wurzeln vorhanden sind. Ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Freien Wähler hier offensichtlich anderer Meinung sind. Die Ausführungen von Frau Kollegin Pauli zeigen, dass die Freien Wähler offensichtlich der Meinung sind, die Türkei sollte Mitglied der Europäischen Union werden. Es wäre schon interessant, wenn Sie uns das näher erläutern könnten, weil die Menschen draußen das sehr gerne wissen würden.