Nun bin ich beim Europäischen Parlament. Da wurde gestern beschlossen, dass die Banken fünf Prozent Eigenkapital hinterlegen müssen - ich drücke es in vereinfachter Form aus - für das Zeug, das sie an verbrieften Krediten raushandeln. Das ist einfach viel zu wenig. Es muss eine höhere Quote hineingeschrieben werden.
Ein letzter Gedanke dazu, der mir gerade so einfällt. Wir müssen klar sagen: Weg mit den Zweckgesellschaften in der jetzt gelebten Form, nämlich nur um Bilanzen zu
verschleiern und Zahlen zu verschleiern, um vorgegebene Eigenkapitalhinterlegungen umgehen zu können.
In dem zuletzt eingegrenzten Kapitel für Finanzmarktaufsicht und Finanzmarktregulierung sowie in der Sozial- und in der Wirtschaftspolitik sind wir alle gefordert - der Bayerische Landtag, der Bundestag aber auch die Organe der Europäischen Union -, umzusteuern. Kollege Förster hat einiges zu den sozialen Anforderungen gesagt. Die mag und kann ich bedauerlicherweise nicht mehr wiederholen. Ich konfrontiere Sie, geschätzte Frau Ministerin Müller, Herr Seehofer und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, mit einem Zitat eines Parteifreundes, eines Landtagskollegen, der zurzeit aber nicht im Saale ist. Der Kollege Herrmann hat in der "Freisinger Zeitung" gesagt - Kollege Magerl hat mir diese Ausgabe dankenswerterweise gleich gegeben -: Die Vision ist, dass Europa endlich sozial statt marktorientiert denkt. Das ist das, was der Kollege Förster kritisch hinterfragt hat und wozu ich jetzt auch kritische Fragen gestellt habe. Es heißt, endlich einmal sozial zu denken statt immer nur marktorientiert zu denken und zu handeln. Dahin müssen wir kommen.
Wir GRÜNE bekennen uns als überzeugte Europäer zur europäischen Integration. Selbstverständlich erlauben wir uns immer wieder, den einen oder anderen Punkt kritisch zu betrachten, vielleicht auch sehr kritisch zu betrachten. Wir alle, so meine ich, sollten in der Richtung arbeiten, dass Europa noch sozialer wird, dass Europa noch demokratischer wird und dass es noch transparenter wird. Wir hoffen, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.
Danke, Herr Kollege. Für die FDP-Fraktion wurde uns Frau Dr. Bulfon gemeldet. Sie stehen schon hier am Pult. Ich bitte Sie um Ihren Wortbeitrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchertribüne, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach so viel Polemik von Frau Pauli möchte ich jetzt wieder zu etwas mehr Sachlichkeit zurückkehren.
Wir Europäer machen sieben Prozent der Weltbevölkerung aus, deshalb können wir die gegenwärtige Krise nur gemeinsam bewältigen.
Europas Wirtschaft gerät zunehmend in Turbulenzen. Der Europäische Haushaltskommissar Almunia sagte am Montag: Wir erleben die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Jetzt ist auch Europa selbst Opfer der Finanzkrise geworden. Aber es gibt auch Zuversicht und Hoffnung. Gerade jetzt in der Krise erweist sich Europa als Glücksfall. Hätten wir Europa nicht, wir hätten es jetzt erfinden müssen.
Die Europäische Zentralbank hat in dieser kritischen Situation Augenmaß bewiesen und die Zinsen gesenkt. Europa erweist sich in der Krise als Stabilitätsanker. Aus der Finanzkrise ist keine Währungskrise geworden. Wir müssen gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Das ist das Ziel auch und gerade der FDP. Aber der Test ist noch nicht bestanden. Die Europäische Union muss auch und gerade in dieser Krise geschlossen und entschlossen handeln. Sie muss an ihren Grundsätzen festhalten. Auch darin sind wir uns einig. Es darf keinen Rückfall in überwunden geglaubtes Denken, in Protektionismus, in Abschottungspolitik und in Subventionswettläufe geben.
Machen wir uns nichts vor. Staatliche Eingriffe setzten den falschen Rahmen. Wer die Marktwirtschaft für die Finanzkrise verantwortlich macht, verwechselt Ursache und Wirkung.
Am Beginn der Krise standen staatliche Eingriffe in den US-Immobilienmarkt. Die Menschen passten sich den politisch falschen Rahmenbedingungen an. Der Markt für massenhaft faule Kredite war geboren, die skrupellosen Geschäftemachern erlaubten, Gewinne in die eigene Tasche zu wirtschaften, und damit wurden die Risiken der Allgemeinheit aufgebürdet. Die Risiken wurden sozialisiert und die Gewinne individualisiert. So kann eine soziale Marktwirtschaft nicht funktionieren.
Im Wege der Refinanzierung landeten die Kreditrisiken bei deutschen Banken, und das Politikversagen setzte sich in einer unzureichenden Bankenaufsicht diesseits des Atlantiks fort. Hierfür trägt die Bundesregierung die politische Verantwortung. Wir Liberale wissen: Kein Markt funktioniert ohne klare Regeln. Deswegen brau
Die Bundesminister Lafontaine, Eichel und Steinbrück haben nicht gehandelt. Jetzt muss neues Vertrauen geschaffen werden. Die gegenwärtige Krise erfordert ein gemeinsames Vorgehen sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene. Die gegenwärtige Krise ist eine Herausforderung für das zwischen essenzieller Solidarität und nationalem Egoismus zerrissene Europa. Das ist gleichzeitig auch eine Chance für uns.
Das gilt auch für Europa, wenn wir diese Krise bewältigen wollen. Deshalb hat sich beim Frühjahrsgipfel auch der Europäische Rat mit dieser Frage auseinandergesetzt. Er will die Realwirtschaft stützen und die funktionierenden Finanzmärkte wieder herstellen. Er trifft auch Maßnahmen für die Arbeitnehmer und auch er sieht diese Krise in einem globalen Zusammenhang.
Unsere Botschaft ist eindeutig: Europa muss einig und entschlossen sein. Dann können wir den Kampf, der jetzt auf uns zukommt, auch gewinnen. Wir haben in den letzten Monaten schon viel erreicht und müssen jetzt eng zusammenarbeiten, um Spareinlagen und erschwingliche Kredite zu sichern.
Der Maßnahmenplan der EU-Kommission versucht, das Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen. Die 27 Staaten geben in diesem Jahr ungefähr 3,3 % des Bruttoinlandsproduktes der EU für Programme zur Wachstumsförderung aus. Die Kommission ruft dazu auf, klare Grundsätze für weitere Maßnahmen zu beschließen, darunter die Unterstützung des freien Handels, eine Wirtschaft mit geringem Kohlenstoffdioxidausstoß und mehr Haushaltsdisziplin.
fürchtungen aufkommen lassen, dass die EU-Länder dem Protektionismus verfallen könnten. Deshalb gab es auch einen ersten informellen Gipfel am 1. März. Es besteht große Sorge, dass die Arbeitslosenquote bis zum Jahr 2010 die 10-%-Marke erreichen könnte. Da muss man natürlich gegensteuern. Es geht für Europa nicht mehr um Worte, sondern um Taten.
Deshalb möchte ich ganz konkret werden: Was muss in dieser Krise nun getan werden? Erstens geht es um die Währung. Wir brauchen eine stabile Währung. Den Amerikanern muss gesagt werden, dass sie sich an unserer Währungspolitik orientieren sollen und keine Schulden planen sollen. Wir brauchen diese stabile Währung.
Zweitens geht es um offene Märkte. Das Schlimmste, was wir in dieser Situation machen könnten, wäre, uns abzuschotten. Wir verkaufen unsere guten Produkte in die ganze Welt. Würden wir aus protektionistischen Gründen unsere Märkte schließen, dann würde das dazu führen, dass auch andere ihre Märkte schließen. Das wäre ganz schlecht für uns, denn es hieße, dass wir unsere Autos, Maschinen, Anlagen, einfach alles, was wir ins Ausland verkaufen, nicht mehr in andere Märkte verkaufen könnten.
Das wäre schlecht für uns, schlecht auch für die Arbeitsplätze und ganz schlecht für Europa. Deshalb darf es keinen Subventionswettlauf geben. Wenn die Franzosen jetzt ihre Autoindustrie mit Geld stützen, dann sagen die Italiener: Wir müssen unsere Autoindustrie auch stützen, und Deutschland sagt: Wir müssen Opel finanziell unterstützen. Das halte ich nicht für richtig.
Wir können die Fehler, die die Autoindustrie in den letzten Jahren gemacht hat, indem sie Fahrzeuge produzierte, die die Bevölkerung nicht kaufen wollte, jetzt nicht mit Steuergeldern ausgleichen. Ich halte es für einen Fehler, wenn wir jetzt mit Geldern der Steuerzahler die Fehler der Industrie ausbessern. Wir müssen darauf achten, dass es zu keinem Wettbewerb der Subventionen innerhalb Europas kommt.
Wir denken natürlich an die gemeinsame Zukunft Europas und werden diese weiterverfolgen. Die Europäische Union ist eine einmalige Erfolgsgeschichte. Wir müssen daran denken: 500 Millionen Menschen aus 27 Ländern mit 23 Sprachen und unterschiedlichen Kulturen leben friedlich unter einem großen Dach, können reisen ohne Visum und Reisepass, zahlen größtenteils mit der gleichen Währung und profitieren vom gemeinsamen Binnenmarkt. Diese Einheit in Vielfalt gilt es zu festigen.
Gleichzeitig ist es aber an der Zeit, die im Laufe der Zeit entstandenen Spielregeln des Zusammenlebens in der großen europäischen Familie zu überprüfen. Wir brauchen eine schlanke, aber auch starke EU. Wir brauchen eine schlanke EU, wenn sie in Sachen Bürokratie überbordet, wenn sie Richtlinien erlässt, die niemand brauchen kann. Dafür tritt auch der Bayerische Landtag ein. Gerade wir im Europaausschuss beschäftigen uns jetzt sehr stark mit der Subsidiaritätskontrolle, wo wir Nein sagen zu viel europäischer Bürokratie.
Aber Europa muss auch stark sein. Es muss stark sein, wenn es darum geht, gemeinsam zu handeln, wenn einzelne Mitgliedsstaaten nicht die Möglichkeit haben, Wirkung nach außen zu entfalten. Es geht dabei zum Beispiel um die europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Hier ist es sehr sinnvoll, dass wir im neuen Lissabon-Vertrag eine Vertretung haben, die Europa nach außen repräsentieren wird. Wir werden einen gemeinsamen "Außenminister" haben, auch wenn er nicht so genannt werden darf, der Europa repräsentieren wird, und das ist gut so. Europa wird ein Gesicht bekommen.