Protocol of the Session on July 17, 2013

Der Generalbundesanwalt hat einem der Mitangeklag ten Haftverschonung angeboten, um ihn aussagewillig zu machen. Vielleicht hätte eine Kronzeugenregelung weitergeholfen.

Ich bitte um Nachsicht. Ich will den gemeinsamen Frieden nicht stören. Mein Bauchgefühl hat mir ge sagt: Es muss Mittäter in Nürnberg geben. Im Unter suchungsausschuss habe ich detailliert erläutert, warum. Ich hatte das sichere Bauchgefühl, aber kei nerlei Beweise dafür, dass es Mittäter in Nürnberg geben muss, die frei herumlaufen. In allen europä ischen Ländern wüssten wir, mit wem die Täter in den letzten sechs Monaten telefoniert haben. Die Vorrats datenspeicherung ist in Europa verbindlich, nur in Deutschland nicht. Ich wüsste gerne: Haben Frau Zschäpe und die Täter in den letzten Monaten mit je mandem in Nürnberg telefoniert? Und mit wem? Das wäre vielleicht wichtig.

Dieser Fall bedrückt mich. Trotzdem glaube ich, dass ich mehr getan habe als jeder andere in vergleichba rer politischer Verantwortung in Deutschland. Trotz dem ist das Ergebnis negativ.

(Beifall bei der CSU, der FDP und den FREIEN WÄHLERN)

Damit ist der Ta gesordnungspunkt 26 erledigt.

(Unruhe)

Hat noch jemand eine Erklärung?

(Wortmeldung des Abgeordneten Franz Schindler (SPD))

Wir haben die Aussprache geschlossen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Er darf nach der Ge schäftsordnung eine Gegenrede zur persönlichen Erklärung machen!)

Dann machen Sie auch eine Erklärung nach § 112 der Geschäftsordnung. Dann erteile ich Ihnen zu die ser Gegenrede das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die persönliche Anmerkung des früheren Ministerpräsidenten und Innenministers gibt Anlass, kurz dazu Stellung zu nehmen:

Es wird anerkannt, dass Sie ganz offensichtlich der Einzige waren, der dieses Bauchgefühl hatte. Es ist schade, dass viele andere Innenminister – eigentlich alle anderen Innenminister – die Möglichkeit eines ausländerfeindlichen Hintergrunds der Mordanschläge vorschnell ausgeschlossen haben. Das wird aus drücklich anerkannt.

Anerkannt wird auch, dass Sie sich bemüht haben, Klarheit zu erlangen und immer wieder nachgefragt haben; das ergibt sich aus den Akten. Anerkannt wird auch, dass Sie sich auch in der Frage der Zuständig keit bemüht haben, gegenüber dem BKA Klarheit her beizuführen, und dass letztlich auch die größte je aus gesetzte Belohnung organisiert worden ist. Das wird anerkannt und ist von allen auch so gesehen worden.

Dennoch, Herr Dr. Beckstein, hat all das nicht zum Er folg geführt. Ist es dann nicht legitim, die Frage zu stellen, wer hierfür die politische Verantwortung trägt? Das wird nicht der Hausmeister des Innenministe riums sein. Wenn jemand Verantwortung trägt, dann natürlich die politische Spitze des Hauses. Wer denn sonst? Dabei bleibt es auch.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN)

Wir müssen nicht auf Überlegungen zurückgreifen, was geschehen wäre, wenn es damals eine Vorrats datenspeicherung gegeben hätte. Eine solche hat es damals in keinem europäischen Land gegeben. Wenn es sie jetzt geben würde, würde das auch nichts mehr helfen. Es hilft auch nichts, darauf hinzuweisen, was gewesen wäre, wenn es eine Kronzeugenregelung gegeben hätte. Das hilft uns überhaupt nichts. Mehr Sinn gibt es, darüber nachzudenken, was geschehen wäre, wenn unsere Behörden fitter gewesen wären, als sie es waren, und sie mehr unternommen hätten, um die Spur, die Sie als Bauchgefühl schon hatten, angemessen zu verfolgen. Das andere muss Speku lation bleiben. Ich wollte das gesagt haben, um die Verhältnisse zurechtzurücken.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nach der erfolg ten Gegenrede zur Erklärung von Herrn Dr. Beckstein schließe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 26.

Wir schulden Ihnen noch ein Ergebnis einer namentli chen Abstimmung, nämlich zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Rinderspacher, Wörner, Pfaffmann und anderer und Fraktion der SPD zur Änderung des Bay erischen Wohnraumförderungsgesetzes auf der Drucksache 16/16468: Es haben 63 Abgeordnete mit Ja gestimmt, 86 mit Nein. Es gab keine Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Wir beginnen nun mit der Mittagspause. Nach der Mit tagspause folgt dann um 13.15 Uhr der Schlussbe richt des Untersuchungsausschusses zum Fall Mol lath. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit. Wir sehen uns dann gleich wieder.

(Unterbrechung von 12.33 bis 13.17 Uhr)

Die Mittagspause ist beendet. Sie, die hier sind, wissen das. Ich gehe davon aus, dass auch die Kolleginnen und Kollegen, die noch im Haus unterwegs sind, wieder in den Ple narsaal kommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Schlussbericht des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens bayerischer Justiz- und Finanzbehörden, der zuständigen Ministerien, der Staatskanzlei und der politischen Entscheidungsträgerinnen und träger im Zusammenhang mit der Unterbringung

des Herrn Gustl Mollath in psychiatrischen Einrichtungen und mit den Strafverfahren gegen ihn und im Zusammenhang mit dem Umgang mit den von Herrn Mollath erstatteten Strafanzeigen (Drs. 16/16555) (Drs. 16/17741)

Ich eröffne die Aussprache. Vorweg darf ich sagen, dass im Ältestenrat eine Redezeit von 30 Minuten pro Fraktion vereinbart wurde. Der Vorsitzende des Unter suchungsausschusses erhält zusätzlich zehn Minuten Redezeit für allgemeine Ausführungen über den Un tersuchungsausschuss.

Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Vorsit zenden des Untersuchungsausschusses, Herrn Kolle gen Dr. Florian Herrmann. Ich darf darauf hinweisen, dass alle Fraktionen damit einverstanden sind, dass Herr Kollege Herrmann seinen Bericht mit der Aus sprache verbindet. Er hat damit eine Redezeit von 40 Minuten. Frau Dr. Pauli hat ebenfalls gebeten, sich bei der Aussprache zu Wort melden zu dürfen. Sie hat zehn Minuten beantragt. Von den Fraktionen wurde vereinbart, ihr eine Redezeit von fünf Minuten einzu räumen. Das wollte ich vorweg sagen. Herr Kollege Dr. Herrmann, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine elf Wochen hat es nach der Einsetzung des Un tersuchungsausschusses zum Fall Mollath gedauert, bis dieser am 9. Juli seinen Schlussbericht verab schiedete. Elf Wochen waren eine äußerst knappe und dicht gedrängte Zeit, in der der Untersuchungs ausschuss eine effiziente, intensive und gründliche Arbeit geleistet hat. Zehn Sitzungen haben stattgefun den, in denen 26 Zeugen teilweise mehrfach persön lich vernommen wurden. Die politische Spitze des Justizministeriums wurde ebenso gehört wie frühere und jetzige Ermittlungsbeamte. Auch Herr Mollath selbst hatte Gelegenheit, dem Ausschuss seine Sicht weise darzustellen. Weitere sieben Zeugen und ein Sachverständiger wurden aus Zeitgründen schriftlich vernommen, sodass der Untersuchungsausschuss in nur zweieinhalb Monaten insgesamt 34 Personen be fragt hat.

Zugleich wurden dem Untersuchungsausschuss von den beteiligten Ministerien und Behörden 96 Akten sowie eine Vielzahl zusätzlicher Schreiben übersandt, die alle sorgfältig studiert wurden. Über 50 umfangrei che Fragen aus sechs Themenkomplexen konnten so beantwortet werden.

Der Abschluss des Untersuchungsausschusses noch vor Ende der Legislaturperiode war nur möglich, weil die Fraktionen im Ganzen genommen kollegial zu

sammengearbeitet haben. Dafür ein herzliches Dan keschön an alle Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Mein Dank gilt darüber hinaus auch den Fraktionsmi tarbeiterinnen und –mitarbeitern, den Ministerialbeam ten, dem Landtagsamt und nochmals ganz ausdrück lich dem Stenografischen Dienst, die uns alle durch ihre Unterstützung die Abarbeitung des umfangrei chen Fragenkatalogs binnen so kurzer Zeit ermöglicht haben. Nicht zuletzt danke ich auch den Medien für die Begleitung und Berichterstattung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Fraktionen haben der Einsetzung des Untersuchungsausschus ses zugestimmt. Wir wollten damit eine intensive Auf arbeitung der dem Fall Mollath zugrunde liegenden Verwaltungsvorgänge ermöglichen. Dies ist uns auch gelungen.

Einen zentralen Punkt möchte ich doch eingangs vo ranstellen: Der Untersuchungsausschuss konnte und durfte sich nicht in Gerichtsverfahren einmischen. Nur Gerichte sitzen in Deutschland über Gerichte zu Ge richt. Das in unserer Bayerischen Verfassung und im Grundgesetz verankerte Prinzip der Gewaltenteilung verbietet es uns als Parlament, in die Unabhängigkeit der Justiz einzugreifen, in der die Gerichte ihre Ent scheidung finden. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in unserem freiheitlichen System ein hohes Gut. Das zeigt uns nicht nur ein Blick in andere Staaten, son dern auch in unsere eigene Geschichte.

Ob Herr Mollath zu Unrecht oder zu Recht von unab hängigen Gerichten in ein psychiatrisches Kranken haus eingewiesen wurde, ob es gerechtfertigt ist oder nicht, dass er dort auch nach über sieben Jahren noch untergebracht ist, konnte und durfte deshalb durch den Untersuchungsausschuss nicht bewertet werden. Nun kann man sich natürlich die Frage stel len, warum es dann überhaupt einen Untersuchungs ausschuss braucht, wenn dieser zu der zentralen Frage, zu der für die Bürgerinnen und Bürger brenn enden Frage, keine Stellung nehmen kann. – Die Ant wort darauf ist ganz einfach: Weil wir wissen wollten, ob es seitens der Ermittlungsbehörden, also der Staatsanwaltschaft und der Finanzbehörden, sowie des Justizministeriums Versäumnisse gegeben hat, die im Ergebnis dazu beigetragen haben, dass Herr Mollath seit 2006 untergebracht ist.

Drei Themenkomplexe waren dabei von wesentlicher Bedeutung. Nicht hinnehmbar wäre es erstens gewe sen, wenn es eine Verschwörung zum Nachteil von Herrn Mollath gegeben hätte. - Es gab aber keine Verschwörung. Es gab keine Verschwörung von Ban ken, seiner damaligen Ehefrau, Medizinern, Politik

und Justiz zu seinem Nachteil. Es gab kein Komplott, wonach Herr Mollath hätte weggesperrt werden sol len, weil er Schwarzgeldverschiebungen in Milliarden höhe aufdecken wollte. Der Fall des Herrn Mollath, also das Strafverfahren gegen Herrn Mollath und die Anzeigen von Herrn Mollath, waren für die Staatsan wälte und Steuerprüfer aus damaliger Sicht Fälle wie viele andere auch.

Insbesondere die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus war keineswegs von Anfang an quasi geplant. Vielmehr ergaben sich Hinweise auf die mög licherweise eingeschränkte oder fehlende Schuldfä higkeit des Herrn Mollath erst im Laufe der Hauptver handlung vor dem Amtsgericht Nürnberg. Der Amtsrichter hat pflichtgemäß die psychiatrische Unter suchung von Herrn Mollath angeordnet, weil er auf grund seines eigenen Eindrucks von Herrn Mollath Hinweise dafür hatte, dessen Schuldfähigkeit könnte eingeschränkt sein.

Eine unbotmäßige Einflussnahme des Vorsitzenden Richters Brixner vom Landgericht Nürnberg-Fürth, das im weiteren Verlauf für den Fall zuständig wurde, gab es ebenfalls nicht. Das Telefonat zwischen Herrn Brixner und dem Finanzamt kam auf Initiative des Steuerfahnders zustande. Es hat den Fahnder mögli cherweise in seiner Einschätzung bekräftigt, nicht wei ter zu ermitteln, keinesfalls war es aber eine Einfluss nahme dahin gehend, Ermittlungen gegen den Willen des Fahnders einzustellen.

Eine unbotmäßige Einflussnahme der Strafverfol gungsbehörden untereinander oder der Staatsregie rung auf den Fall Mollath hat ebenfalls nicht stattge funden. Also nochmals: Es gab keine Verschwörung. Ich betone das deshalb, weil seitens der Opposition mittlerweile gesagt wird, dies sei auch nie behauptet worden. Zur Erinnerung verweise ich hier aber auf den Fragenkatalog des Ausschusses, vor allem auf den Fragenkomplex V und nicht zuletzt auf die Ple nardebatte hier im Hause am 15. Dezember 2011, in der Sie, Herr Kollege Streibl, gesagt haben:

Des Weiteren gibt es eine eidesstattliche Versi cherung eines Richters, der sagt, dass Weisun gen oder Anordnungen aus der Politik gekommen seien.

Hier muss aufgeklärt werden.

Das war Ihr Ausgangspunkt und Ihr Vorwurf. Genau das konnten wir im Ausschuss aber vollständig aus räumen. Das sollten Sie, sehr geehrter Herr Kollege, nun auch einmal einräumen. Sonst hätten wir uns nämlich die Arbeit im Ausschuss sparen können.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Es wäre zweitens ein Fehler gewesen, wenn die Er mittlungsbehörden in nicht akzeptabler Weise den An zeigen des Herr Mollath nicht nachgegangen wären. Sämtliche Sachentscheidungen von Staatsanwälten und Steuerfahndern waren aber fachlich nachvollzieh bar und juristisch vertretbar. Bei sämtlichen Vorgän gen wurde der übliche Geschäftsgang beachtet. Das heißt, die Anzeigen und Schreiben des Herrn Mollath wurden gelesen, bearbeitet und ordentlich geprüft. Es handelte sich nicht um außergewöhnliche Vorgänge. Die Staatsanwaltschaft und die Finanzbehörden haben weder die Anzeigen noch das 106-seitige Kon volut des Herrn Mollath ignoriert oder einfach wegge legt. Sie haben die Dinge sehr wohl geprüft, obwohl sie ihnen teilweise wirr vorgekommen sind.

Keiner der zahlreichen damit befassten Beamten konnte aufgrund der in den Jahren 2003 bis 2006 vor handenen Erkenntnisse und Ermittlungsmöglichkeiten einen Anfangsverdacht oder einen Anlass für weitere Ermittlungsmaßnahmen erkennen. In den verschiede nen Schreiben von Herrn Mollath fanden sich aus der Sicht der Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaf ten in diesen Jahren gerade keine konkreten Anhalts punkte für Straftaten. Es ist eben auch ein Grundsatz des Rechtsstaates, dass die Staatsanwaltschaft nur dann Ermittlungsverfahren einleiten darf, wenn ein Anfangsverdacht besteht. Niemand von uns würde es für gutheißen, wenn beispielsweise Hausdurchsu chungen bei ihm durch die Staatsanwaltschaft vorge nommen würden, nur weil man in einer ominösen Täter- und Zeugenliste aufgeführt wurde.

Natürlich wäre auch ein anderer, vielleicht ein offensi verer Ermittlungsansatz der Behörden vorstellbar ge wesen. Es gibt aber keinen Königsweg, keine einzig richtige Vorgehensweise in der Juristerei. Es gibt kein Schwarz und Weiß. Meist gibt es nur: vertretbar oder nicht vertretbar. Damit kommt man übrigens der Le bensrealität in jedem einzelnen Fall am nächsten.

Für die Beurteilung der Verfahrensweise darf man nicht den Fehler machen, die heutige Wissenslage mit den damals vorliegenden Kenntnissen der Ermitt lungsbehörden gleichzusetzen. Man muss die Vor gänge vielmehr aus Ex-ante-Sicht betrachten. Wenn man eine Ex-ante-Sichtweise für die Sachentschei dungen anlegt, müssen diese deshalb als vertretbar eingestuft werden. Ein Fehlverhalten kann man daher nicht feststellen. Das gilt übrigens auch für den viel zi tierten Bericht der Innenrevision der HypoVereinsbank - HVB - aus dem Jahr 2003 und den Umgang mit ihm.