Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Frau Stewens, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen sehr wohl, was im Gesetzentwurf steht. Wir wissen, dass Sonn- und Feiertage nicht abgeschafft werden. Uns ist bewusst, dass heute das christliche Abendland nicht untergehen wird. Trotzdem müssen wir bei der Bewertung eines Gesetzes überprüfen, ob es einen Fortschritt bringt und ob es einen Sinn macht. Wir sehen in diesem Gesetzentwurf weder Fortschritt noch Sinnhaftigkeit.
Wir halten diesen Gesetzentwurf schlichtweg für überflüssig und für einen schlechten Kompromiss. Ich verstehe, dass man in einer Koalition manchmal einen Kompromiss finden muss. Dann muss er aber vernünftig und plausibel sein. Das ist er nicht. Er ist nicht plausibel.
Frau Stewens, Sie haben mit keinem Wort erklärt, warum Sie für zwei Uhr eintreten. Warum nicht drei Uhr? Sie sagen, das Ausgehverhalten der jungen Leute habe sich geändert. Ich kann das nachvollziehen. Da haben Sie vollkommen recht. Wenn Sie diesem Umstand nachkommen wollen, müssen Sie für vier Uhr, fünf Uhr oder sechs Uhr eintreten, damit die Leute mit der S-Bahn nach Hause fahren können.
Haben Sie Herrn Kollegen Thalhammer nicht zugehört? Er hat es Ihnen erklärt. Das würde einen Sinn machen. Die Festlegung auf zwei Uhr macht überhaupt keinen Sinn. Das ist kein Kompromiss, sondern Nonsens.
(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Stellen Sie doch einen Änderungsantrag im Ausschuss und fordern Sie die Festlegung auf sechs Uhr!)
Man könnte auch sagen: Der stille Tag beginnt, wenn man aufsteht. Man kann abends ausgehen und der stille Tag beginnt am Morgen, wenn man aufsteht. Das hat Ihnen Herr Kollege Thalhammer bestimmt auch erklärt. Dies wäre sogar noch sinnvoll. Aber die Festlegung auf zwei Uhr macht überhaupt keinen Sinn. Sie tun hier etwas, was Sie besser bleiben lassen sollten, weil es Unfug ist.
Ich freue mich, dass Sie sich nicht auf das Votum der Kirchen berufen haben, anders als in der Ersten Lesung. In der Ersten Lesung haben wir noch gehört, die Kirchen würden mitziehen. Das stimmt eben nicht. Wir haben dazu eine Anhörung durchgeführt. Das Votum ist eindeutig. Sie haben nur beschwichtigt, weil Sie auch heute wieder gesagt haben, dass Sie nicht daran dächten, etwas scheibchenweise wegzunehmen. Dies sei jetzt definitiv der letzte Schritt.
Das ist doch ein Witz. Sie stellen sich hierher, schneiden eine dicke Scheibe ab und sagen: Scheibchenweise machen wir überhaupt nichts.
Im Augenblick sind Sie genau das, was Ihnen Herr Kollege Streibl vorgeworfen hat: Sie sind der Totengräber der stillen Tage. In der nächsten Legislaturperiode wird es genauso weitergehen. Wir sagen deswegen: Wehret den Anfängen. Wir machen da nicht mit, weil es keinen Sinn macht.
Jetzt zum zweiten Argument. Wir sind ebenfalls gegen die Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche. Wir halten es für einen falsch verstandenen Liberalismus, wenn man an Feiertagen, an stillen Tagen in dieser Art herumoperiert, wie Sie es jetzt tun. Wir haben schon in der Vergangenheit viel zu viel an Deregulierung und Liberalisierung durchgesetzt, was wir heute am liebsten wieder zurücknehmen würden. Deswegen meine ich, wir sollten dieses Argument gegenüber den Gaststätten- und Diskothekenbetreibern ernsthaft und offensiv vertreten. Gerade die Gaststätten und die Diskotheken leben davon, dass es eine strukturierte Wochenzeit gibt.
Die Gaststätten- und die Diskothekenbetreiber leben davon, dass es den Sonntag, das Wochenende und den Feiertag gibt. Dadurch können nämlich alle am Abend ausgehen. Das wollen wir nicht beschneiden. Wir wollen diese strukturierte Woche und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft erhalten. Bitte gefährden Sie diesen Zusammenhalt nicht. In der CSUFraktion gibt es eine Reihe von Personen, die so denken, wie ich jetzt rede. Vielleicht nehmen sie sich einmal die Freiheit, auch so abzustimmen, wie sie denken. Dann wäre uns allen geholfen.
Bitte bleiben Sie noch kurz, weil es eine Zwischenbemerkung des Kollegen Professor Bausback gibt, zu der ich ihm jetzt das Wort erteile.
Herr Kollege Maget, glauben Sie im Ernst, dass Ihnen jemand die Verteidigung der stillen Tage abnimmt, wo doch Ihre
Genossen in Bremen zusammen mit dem Koalitionspartner von den GRÜNEN Anfang dieses Jahres die stillen Tage in zwei Schritten komplett abschaffen? Glauben Sie im Ernst,
dass vor diesem Hintergrund irgendjemand in Bayern der Sozialdemokratie die Verteidigung der stillen Tage abnimmt? Ich kann Ihnen die Gesetzesvorlage Ihrer dortigen Genossen und den Gesetzesbeschluss zukommen lassen, wenn Sie wollen.
Ja, ich glaube das, weil wir in Bayern eine spezielle Kultur pflegen, und zwar alle miteinander, die sich wesentlich unterscheidet -
- Ach, Herr Kollege Freller, Sie wissen doch ganz genau, dass wir in einer ganzen Reihe von gesellschaftspolitischen Fragen -
- Herr Freller, seien Sie doch ehrlich. Sie wissen genau, dass wir in Bayern alle gemeinsam eine andere gesellschaftliche Kultur pflegen, was Feiertagsregelungen betrifft, was andere kirchenpolitische Fragen, was Fragen des Religionsunterrichts und vieles mehr betrifft. Da sind die Sozialdemokraten – und das überrascht mich eigentlich mehr – mittlerweile die zuverlässigeren Bündnispartner der christlichen Kirchen, als Sie es sind.
Das überrascht mich eigentlich. Sie sollten einmal darüber nachdenken, warum wir in Bayern zu diesen Auffassungen kommen. Ich bin 100-prozentig überzeugt, dass viele von Ihnen damit übereinstimmen. Sie müssen sich jetzt nicht zu einer Initiative der Sozialdemokratie bekennen, Herr Bausback; das verlange ich Ihnen gar nicht ab. Ich verlange Ihnen nur ab oder ich rate Ihnen oder ich bitte Sie, einem Gesetz, dem Sie innerlich auch nicht zustimmen wollen, die Zustimmung heute zu verweigern. Es passiert überhaupt nichts. Sie können das im November noch einmal auf die Tagesordnung setzen. Vielleicht haben wir hier dann eine ganz andere Konstellation, und dann können Sie ohne meine Beteiligung noch einmal darüber sprechen. Lassen Sie ihn heute aber nicht einfach
passieren, sondern lehnen Sie diesen Gesetzentwurf ab. Sie können doch auch einmal Rückgrat und Selbstbewusstsein zeigen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion der FREIEN WÄHLER stimmt diesem Gesetzentwurf bei einzelnen Ablehnungen und Enthaltungen größtenteils zu – dies nicht aus der Überzeugung, dass es um eine grundlegende und wichtige Regelung geht, sondern – das ist unser fester Wille – um einem Kompromiss zuzustimmen. Wie gut oder schlecht er ist, Herr Kollege Maget, mag dahin gestellt sein. Ich lege Wert auf die Feststellung – das sind meine Erfahrungen aufgrund der Ersten Lesung –, dass die Kirchen nicht Kronzeuge für die Regelung sind. Allenfalls liegt ein zähneknirschendes Hinnehmen des Kompromisses seitens der Kirchen vor. Die beiden Kirchen verweisen nicht zu Unrecht darauf, dass wir, abgesehen von der Frage, ob an Allerheiligen oder am Buß- und Bettag um 12.00 Uhr nachts oder um 2.00 Uhr nachts in der Diskothek Ruhe sein muss, vielleicht doch wichtigere Probleme haben,
Lieber Kollege Maget, wie sinnvoll die Ausweitung auf 2.00 Uhr ist, haben Sie schon angesprochen; das wurde diskutiert. Insoweit bin auch ich mir nicht sicher, ob die Verlegung auf 2.00 Uhr der allgemeinen Befriedung der Nachtschwärmer dient. Meine Damen und Herren, ein weiteres Nachhintenverlegen geht aber in der Tat nicht – da stimme ich auch der Kollegin Stewens zu.
Wir sind der Auffassung, dass mit 2.00 Uhr nachts der Kernbereich des geschützten Feiertages – ich füge hinzu: gerade noch – nicht verletzt ist. Nun ist es sicherlich sinnvoll, einen Tag als Zeitgröße für das Umrunden der Erde durch die Sonne, wenn man das geozentrische Weltbild nimmt, festzulegen. Ein Tag ist also sicherlich eine sinnvolle Einheit.
Dass aber der Tag genau um 0.00 Uhr nachts beginnt, ist für sich willkürlich. Da könnte man schon fra