Ich sehe auch keinen Verbesserungsbedarf. Wenn Sie, Herr Kollege Schindler, formulieren, jeder Vorschlag, der dem Parlament mehr Rechte gibt, sei ein guter Vorschlag, dann klingt das plausibel. Die Frage ist aber, ob der vorliegende Vorschlag tatsächlich dem Parlament mehr Rechte gibt oder vielmehr nur einzelnen Abgeordneten. Das – ich werde später noch darauf eingehen – halte ich für sehr bedenklich.
Ich möchte nicht alle Argumente, die schon vorgetragen worden sind, wiederholen. Im Wesentlichen geht es um drei Aspekte. Der eine ist die Frage der Zweidrittelmehrheit. Das ist ein Schutzrecht für die Opposition. Ich sehe keinerlei Begründung oder Anlass, das Schutzrecht für die Opposition abzuschaffen. Ich möchte betonen: Es hat in dieser Legislaturperiode nicht einen einzigen Fall gegeben, bei der diese Frage irgendeine Auswirkung gehabt hätte. Ich kann
mir einen solchen Fall auch für keine der kommenden Legislaturperioden vorstellen. Herr Kollege Pointner hat das ausführlich begründet.
Der zweite entscheidende Punkt ist die Frage der Einbeziehung von Mitarbeitern. Man muss klar sehen: Es geht bei dieser Geheimhaltung um den Schutz von Leben und Gesundheit von V-Leuten. Sie von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN wollen die V-Leute abschaffen. Noch ist das aber nicht so. Die Mehrheit in diesem Parlament will das wohl auch nicht. Solange wir V-Leute haben, ist alles, was den Kreis derer, die über geheime Informationen verfügen, erweitert, für diese Menschen gefährlich. Die Erweiterung stellt vielleicht sogar eine Gefahr für deren Leben und Gesundheit dar. Wenn Sie Mitarbeiter einbeziehen wollen, haben Sie mit einem Schlag statt sieben Personen, die etwas wissen, die doppelte Zahl. Das erhöht die Gefahr undichter Stellen; das liegt doch deutlich auf der Hand.
Damit komme ich zum dritten und letzten Punkt, und der ist entscheidend. Individualrechte sollen an die Stelle der Rechte des Gremiums treten. Das sei ein kleiner Beitrag zur Verbesserung der Kontrolle, hat Herr Kollege Schindler ausgeführt. Ich halte das aber nicht für einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Kontrolle, sondern für einen ausgesprochen gefährlichen Vorschlag. Solche Individualrechte passen nämlich nicht nur nicht in unser System, das dem Gremium und nicht dem einzelnen Mitglied ein Recht gibt, sondern es hat auch zwei ganz realistische Gefahren. Individualrechte können dazu führen, dass einzelne Mitglieder die Arbeit des Verfassungsschutzes erheblich erschweren, indem jeder parallel für sich arbeitet und nicht das Gremium als solches geschlossen. Das würde zu Bürokratie, Arbeitsbelastung und unnötigem Aufwand führen. Viel schlimmer ist für mich aber der zweite Punkt: Niemand kann ausschließen, dass Vertreter einer extremistischen Gruppierung auch hier im Bayerischen Landtag sitzen. Es ist schließlich nicht so, dass es kein deutsches Bundesland gäbe, wo das nicht der Fall wäre. Wir haben Länder, in denen rechtsextremistische Gruppierungen in den Landtagen sitzen, und wir haben die Situation, dass die Linke in Landtagen sitzt. Ich betone ausdrücklich: Ich möchte nicht, dass Individualrechte an Vertreter einer solchen extremistischen Gruppierung gehen, die dann die Möglichkeit haben, über ihre Rechte im Landtag die Arbeit des Verfassungsschutzes auszuspionieren. Das wäre gefährlich.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes soll dessen wichtige Arbeit kritisch bewerten, sie soll sie konstruktiv begleiten, aber sie soll sie bitte nicht blockieren. Es ist deshalb eine Art Transparenz als Selbstzweck abzulehnen, die lediglich der Behinderung des Verfassungsschutzes dient.
Die geplante weitgehende und damit aufwendige Protokollierungsvorschrift und der vom Gesetzentwurf vorgesehene Verzicht auf Geheimhaltung ohne qualifizierte Mehrheit zielen jedoch genau hierauf ab, zumal wenn im Vorhinein nicht klar ist, wie hinterher die Mehrheit über die Geheimhaltung entscheidet. Dann wird es schon schwierig, eine vernünftige Berichterstattung zu geben.
Ebenso fehl am Platz ist die beabsichtigte Individualisierung der Kontrollrechte zugunsten eines jeden einzelnen Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Dem Parlamentarischen Kontrollgremium obliegt die Kontrolle kollektiv, als Institution dieses Parlaments. Das mit der Einführung individueller Kontrollrechte der Gremiumsmitglieder verbundene Ansinnen, aus diesem Gremium faktisch einen auf Dauer angelegten Untersuchungsausschuss ohne konkreten Untersuchungsauftrag zu machen, kann nicht sinnvoll sein. Ich bitte Sie deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Wir kommen zur Abstimmung, wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab über den Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 16/12507. Der federführende Ausschuss empfiehlt die Ablehnung. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von CSU, FDP, der FREIEN WÄHLER und Frau Kollegin Pauli (fraktionslos). Enthaltungen? – Keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Joachim Hanisch u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) für ein Kommunales Wahlgesetz und zur Änderung der Bezirksordnung (Drs. 16/13723) - Zweite Lesung
Ich eröffne die Aussprache. Die Fraktionen haben sich eben auf eine Redezeit von fünf Minuten verständigt. Erster Redner ist Herr Kollege Pohl, der sich schon auf den Weg macht. Ihm folgt Herr Kollege Dr. Florian Herrmann. Herr Pohl, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegenstand unseres Gesetzentwurfes ist die Harmonisierung des Kommunalwahlrechts mit dem Bezirkswahlrecht. Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass im Bezirk als der dritten kommunalen Ebene mit einigen Besonderheiten analog zu den Vorschriften des Kommunalwahlrechts gewählt werden sollte. So wollen wir die fünfjährige Amtszeit des Bezirkstags beibehalten. Im Prinzip wollen wir das Gesetz an die Regelungen für die kommunale Ebene angleichen. Die größte Änderung ist vielleicht, dass wir den Bezirkstagspräsidenten als künftigen Bezirkspräsidenten direkt vom Volk wählen lassen wollen. Wir wollen den Bezirkstag mit Listen bezirksweit wählen lassen, und ähnlich wie im Kommunalwahlrecht wollen wir kumulieren und panaschieren. Des Weiteren wollen wir als Konsequenz aus der Reform der Stimmkreise und der Wahlkreise auf Landesebene den einzelnen Bezirken eine Mindestzahl an Bezirksräten zugestehen. Damit wollen wir vor allem die kleineren Bezirke nicht nur zahlenmäßig, sondern auch insgesamt aufwerten.
Nun werden Sie fragen: Warum machen die FREIEN WÄHLER das? Wo ist der große Gewinn? – Zunächst einmal gewinnt die Demokratie. Des Weiteren haben wir einen stärkeren Bezirkspräsidenten; denn er ist vom Volk gewählt. Schließlich, das sage ich ausdrücklich, ist dieser Gesetzentwurf ein erster Schritt dahin, wo wir in der nächsten Legislaturperiode hinwollen, nämlich zur Fusion der Regierungen mit den Bezirken oder zur Eingliederung der staatlichen Bezirksregierungen in die kommunalen Bezirke. Am Ende des Tages wird der Bezirkspräsident dann ähnlich wie der Landrat Chef der Staatsbehörde und der Bezirksbehörde sein.
Im Innenausschuss habe ich der Debatte entnommen: Sowohl bei der FDP als auch bei der SPD, teilweise
sogar bei der CSU, gibt es eine gewisse Sympathie für diesen Vorschlag. Sie sagen allerdings, Sie wollen das Konzept möglicherweise ganzheitlich abstimmen. Sie wollen also den großen Sprung insgesamt machen und halten nichts davon, schrittweise vorzugehen. Ich denke aber, man kann sehr wohl schrittweise vorgehen. Man kann diesen ersten Schritt tun und weitere Schritte folgen lassen.
Im Übrigen gibt es seit wenigen Tagen die Initiative einiger schwäbischer CSU-Bundestags- und Europaabgeordneter, die exakt in diese Richtung geht. Sie wollen jedenfalls in Schwaben so ein politisches Initiativgremium auf schwäbischer Ebene schaffen, zwar noch nicht gesetzlich verankert und möglicherweise in Form einer GmbH. Aber letztlich steckt der gleiche Gedanke dahinter. Wenn wir nämlich ein regionales Parlament haben, das für regionale Angelegenheiten zuständig ist, dann ist die Identität der eigenen Region stärker wahrnehmbar, dann werden die politischen Ziele stärker gebündelt, dann haben wir – und das ist ein großes Ziel der FREIEN WÄHLER – ein dezentraleres Bayern, das unabhängiger von der Zentrale in München ist und das im Sinne der Subsidiarität auch mehr Aufgaben vor Ort in der Region entscheiden und umsetzen kann. Die Aufgaben der Regierungen – auch das ist wichtig – werden dann von einem demokratisch legitimierten Behördenleiter, der als Bezirkspräsident gewählt ist, kontrolliert und überwacht.
Vielen Dank, Herr Kollege Pohl. Herr Dr. Herrmann, ich habe Sie schon angemeldet. Sie sind jetzt dran. Danach kommt Kollege Perlak. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kommunalwahlrecht hat uns in den letzten Jahren sehr intensiv beschäftigt. Wir haben uns mit vielen verschiedenen Vorschlägen, Regelungen und Ähnlichem auseinandersetzen müssen. Heute geht es um die Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der FREIEN WÄHLER. Kollege Pohl hat das eben ausgeführt. Leider ist der vorliegende Gesetzentwurf von den Vorschlägen, die uns bisher unterbreitet wurden, der unausgegorenste.
Ich habe das auch schon in der Ersten Lesung und im Ausschuss ausgeführt, sodass ich das nur kurz zusammenfassen möchte.
Zum einen wird es die vermutete Verringerung der Bürokratie dadurch nicht geben. Es werden sicherlich formal Gesetze zusammengefasst. Das ändert aber nichts daran, dass man trotzdem Regelungen für die verschiedenen Wahlen treffen muss, also insofern kein Mehrwert.
Außerdem sehen wir nach wie vor nicht, dass die jetzt fehlende Direktwahl des Bezirkstagspräsidenten ein demokratisches Defizit darstellen würde. Im Gegenteil, im Vergleich zu den anderen kommunalen Funktionsträgern, die in die staatliche Aufgabenerfüllung eingebunden sind, rechtfertigen die Aufgaben des Bezirkstagspräsidenten eben im Gegensatz zum Bürgermeister oder zum Landrat die Direktwahl nicht. Es würde auch zu einer Abwertung der einzelnen Bezirksräte führen, wenn sie plötzlich einen stärker legitimierten Bezirkstagspräsidenten vor sich sitzen hätten.
Höchst widersprüchlich ist die Absicht, einerseits die Modalitäten der Bezirkstagswahlen an die Landkreisund Gemeindewahlen anzupassen, nicht aber dann auch die Dauer der Wahlperioden. Dies führt nämlich dazu, dass sich Wähler bei der gleichzeitig stattfindenden Landtags- und Bezirkstagswahl zwei völlig unterschiedlichen Wahlsystemen ausgesetzt sehen würden, nur dann nach anderen Modalitäten. Ich halte die Menschen für intelligent genug, das alles zu überblicken, aber man muss es doch nicht unnötig komplizierter machen. Wenn man schon eine Wahl in gewohnter Weise an einem Tag durchführt, dann doch am besten auch nach dem gleichen Modus, zumal Sie den Modus gewaltig ändern würden.
Außerdem bringen die Regelungen, die Sie vorschlagen, insbesondere das reine Listenwahlrecht ohne Stimmkreise, keinen Mehrwert an Demokratie. Ganz im Gegenteil, es ist sogar ein Rückschritt, und zwar vor allem deshalb, weil die Repräsentanz gerade der ländlichen Bereiche nicht mehr so gewährleistet ist, wie das jetzt der Fall ist. Wenn ich das bezirksweit über Listen vorsehe, dann könnte die Wahl beispielsweise in Oberbayern durch die Landeshauptstadt, die unstreitig die meisten Einwohner hat, gewaltig dominiert werden.
Durch die Stimmkreise habe ich die Gewähr, dass jeder Raum entsprechend berücksichtigt wird. Insofern sehe ich den Vorschlag der FREIEN WÄHLER als demokratischen Rückschritt.
Die Beratungen im Ausschuss haben auch nichts Neues ergeben. Ganz im Gegenteil wurde uns bestätigt, dass auch die kommunalen Spitzenverbände und vor allem der Verband der Bezirke vom Vorschlag der
FREIEN WÄHLER nicht überzeugt sind. Ich bleibe daher bei meiner Empfehlung, den Gesetzesvorschlag hier abzulehnen. Ich bleibe auch bei meiner Bewertung, dass der Vorschlag weder ein Weniger noch ein Mehr an Demokratie bringt, sondern, wie ich schon beim ersten Mal gesagt habe, höchstens für ein Fünferl ein Durcheinand.
Danke schön, Herr Kollege. Nächster Redner ist Herr Kollege Perlak. Bitte schön. Danach spricht Frau Tausendfreund.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER hat schon in gewisser Hinsicht überlegenswert positive Ansätze. Bezirke in der Form, wie wir sie in Bayern haben, gibt es eben nur in Bayern. Insoweit besitzt der Gesetzentwurf dann einen gewissen Charme, wenn man das Wahlrecht aller drei kommunalen Ebenen in praktikabler, umsetzbarer Form einander angleichen könnte. Die Umsetzung allerdings würde eine Reihe ungelöster Fragen aufwerfen. Darüber haben wir übrigens im Innenausschuss und auch anlässlich der Ersten Lesung diskutiert.
Die dabei festgestellten Umsetzungsprobleme haben daher folgerichtig nicht nur des ungünstigen Zeitpunktes vor einer Wahl wegen, sondern auch der Abklärung einer Reihe weiterer offener Fragen wegen zu einer Ablehnung dieses Gesetzentwurfs geführt. Wenn ich mich recht erinnere, verehrter Herr Kollege Pohl, haben dabei selbst die Redner Ihrer Fraktion erkannt, dass es einer ausführlichen Bearbeitung bedürfte, die besser fraktionsübergreifend und ohne Zeitnot auf die nächste Wahlperiode verlegt würde.
Wenn Sie also diese Auffassung aufrechterhalten hätten, hätten wir uns heute diese Behandlung als einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt ersparen können. Aber offensichtlich wollen Sie Ihren Gesetzentwurf heute zur Abstimmung bringen. Daher will ich einige grundsätzliche Anmerkungen zu den Punkten machen, die uns eine Zustimmung nicht ermöglichen.
Selbst wenn man der Direktwahl des Bezirkstagspräsidenten mit der Angleichung von Wahlperioden Sympathien entgegenbrächte, bedürfte es hierzu entsprechender Übergangsbestimmungen. Diese sind allerdings in Ihrem Vorschlag nicht aufgeführt. Die Direktwahl des Bezirkstagspräsidenten wäre nur dann vorstellbar, wenn er mit vergleichbaren Befugnissen ausgestattet würde, wie sie beispielsweise Landräten oder Oberbürgermeistern zugeordnet sind. Bedenklich wäre es dann aber, dem amtierenden Regierungspräsidenten einen Bezirkstagspräsidenten mit solchen Befugnissen gewissermaßen entgegenzuset
zen. Außerdem steht zu befürchten, dass dann die Bezirksräte eine erhebliche Handlungseinschränkung erfahren würden. Der von Ihnen erwartete Bürokratieabbau kann so wohl nicht entstehen, weil gerade Ihr Vorschlag zu einer gravierenden Systemveränderung führt und einen hohen Regelungsbedarf erfordert.
Besonders gravierend erscheint mir noch die vorgeschlagene Änderung der Stimmkreise. Sie würde insbesondere zu einer starken Benachteiligung der ländlichen Räume führen, während in Ballungsräumen und Großstädten eine erhebliche Mandatsmehrung entstünde.
Also, eine arithmetische Überprüfung würde Sie feststellen lassen, dass das zum Beispiel bei Oberbayern, was ich jetzt anführen möchte, nicht zutrifft. Wenn man sich nämlich vorstellt, es müsste aus einer Liste in Oberbayern gewählt werden und München bliebe eingeschlossen, wären kleinere Orte bei einer Mandatsverteilung vergleichsweise chancenlos. Bayernweit würde wegen der Unterschiedlichkeit in der Besiedlungsdichte der einzelnen Regierungsbezirke eine ungleichgewichtige Struktur mit völlig unterschiedlichen politischen Ausprägungen und Folgewirkungen entstehen.
Herr Kollege Pohl, ich will es bei diesen wenigen stellvertretend angeführten Beispielen belassen. Eines sollte jedoch auch noch einmal angeführt werden, nämlich die Tatsache, dass alle Spitzenverbände das auch so gesehen haben wie wir und Ihrem Vorschlag nicht nähertreten würden.