Protocol of the Session on March 5, 2013

(Lachen bei der SPD)

Wir haben hier einen Gesetzentwurf, der zur Abstimmung steht. Ich wundere mich, warum von Ihnen kein Antrag dazu kommt,

(Ulrike Gote (GRÜNE): Erste Lesung, Frau Kollegin!)

wenn Sie so intensiv darüber nachgedacht haben.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

− Dann warten wir doch einmal ab, was Sie uns in den Ausschüssen noch so zu bieten haben.

Vielen Dank, Frau Kollegin Guttenberger. − Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Streibl. Bitte sehr.

Sehr geehrter Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier nicht um Feiertage, sondern es geht um die stillen Tage. Die Frage ist: Brauchen wir stille Tage in einer Gesellschaft, die immer säkularer und immer pluraler wird? Ist es gut, dass wir diese stillen Tage haben?

Ich sage Ja. Wir brauchen diese stillen Tage. In einer Gesellschaft, die immer funktionaler, immer schneller wird, in der von den Mitgliedern dieser Gesellschaft immer mehr Leistung abverlangt wird, in der immer mehr von Burn-out gesprochen wird, ist es wichtig, dass es diese Haltepunkte im Jahr gibt. Es ist wichtig, dass eine Gesellschaft auch zur Ruhe kommen, man sich selbst reflektieren und über sich selbst nachdenken kann. Diese stillen Tage sind auch eine Chance für jeden Einzelnen, auch für die Familien, sich wieder einmal selbst zu pflegen und zu sich selbst zu finden. Aber es gibt natürlich Leute, die auch vor der Stille Angst haben, weil sie damit nicht mehr umgehen können.

(Zuruf der Abgeordneten Petra Guttenberger (CSU))

- Ja, wenn Sie reden, dann ist es nie still, verehrte Kollegin.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die stillen Tage, meine Damen und Herren, liegen nicht unbedingt in der Verantwortungsträgerschaft der Kirchen, sondern es ist eine eindeutig staatliche Regelung aufgrund des Feiertagsgesetzes. Wir sind diejenigen, die das zu regeln haben. Wir haben uns hier zu positionieren und müssen auch Regelungen schaffen.

Vorhin sind die christlichen Feiertage angeführt worden, aber der Volkstrauertag beispielsweise ist ein stiller Tag. Er hat mit den Kirchen ganz und gar nichts

zu tun, sondern er ist ein Tag, der aus dem Schicksal unserer Geschichte kommt und der auch heute noch aktuell ist, wenn wir an Opfer von Gewalt, Verfolgung und Vertreibung denken. Wenn wir an unsere Soldaten in Afghanistan denken, ist das auch ein Tag, der heute seine Aktualität und seine Berechtigung hat. Es ist berechtigt, dass ein Volk an seine Opfer denkt und dass man sich hier besinnt.

Die Frage ist natürlich, wann so ein stiller Tag beginnen soll: um 0 Uhr, um 2 Uhr, um 3 Uhr, um 5 Uhr? Das ist das, worum es jetzt hier geht. Es gibt einen Vorschlag der Staatsregierung, den Beginn auf 2 Uhr festzulegen. Das ist vielleicht ein "Kompromiss", aber 2 Uhr ist ein Zeitpunkt, der völlig willkürlich gesetzt ist. Es gibt keinen sachlichen Grund für diese 2-Uhr-Regelung. Auch die Gesetzesbegründung liefert diesen sachlichen Grund nicht. Mit der gleichen Begründung wie für 2 Uhr könnte ich auch die Forderung des Hotel- und Gaststättenverbandes - Dehoga - übernehmen und sagen: 3 Uhr. Das wäre ein weitergehender Antrag, der vielleicht zu mehr Befriedung führen würde; denn die Festlegung auf 2 Uhr beendet die Diskussion um die stillen Tage und die Tanzverbote mitnichten.

Sie haben gesagt, das Ausgehverhalten der Bevölkerung habe sich verändert. Ja, das ist so. Aber dann kann man nicht ungefähr um 2 Uhr, wenn die Party erst so richtig losgeht, sagen: Jetzt drehen wir den Saft ab! − Das ist dann auch der falsche Zeitpunkt.

(Unruhe)

Wenn Sie diesen Schritt gehen wollten, müssten Sie es natürlich erweitern und noch mehr verlängern. Aber man befürchtet, dass das der schleichende Ausstieg aus den stillen Tagen ist. Hier besteht die Ansicht, dass man sagen muss: Wehret den Anfängen! − Hier wäre ein klares Bekenntnis dieses Hauses sicherlich auch wünschenswert.

Insofern muss man die Diskussion in den Ausschüssen abwarten, um zu erfahren, was für Argumente für die eine oder andere Uhrzeit noch kommen, was für Überlegungen da sind. Wenn man hier nach einem gesellschaftlichen Kompromiss sucht, halte ich den Vorschlag des Kollegen Maget für zielführend, der da lautet: Machen wir doch eine Anhörung, holen wir uns die gesellschaftlichen Gruppierungen hierher ins Haus und hören wir uns an, was sie dazu zu sagen haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

So kann man, wenn man denn einen Kompromiss will, einen tragfähigen Kompromiss finden, mit dem man auch wirklich den Bedürfnissen unserer Gesell

schaft in Bayern gerecht wird. Aber mit einem Gesetz, das im Grunde ein bisschen weder Fisch noch Fleisch ist, helfen wir weder den stillen Tagen noch denen, die Tanzveranstaltungen besuchen wollen, denn mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würden Tanzveranstaltungen auch eingeschränkt. Damit ist niemandem gedient. Die Diskussion geht dann weiter, es wird weiter abgeschafft, und letztlich können wir die stillen Tage vergessen.

Daher glaube ich, dass es für uns in dieser Zeit einer immer stärkeren Inanspruchnahme unserer Bürgerinnen und Bürger − Arbeitnehmer müssen ja auch bis in die Nacht arbeiten − wichtig ist, dass wir diese Oasen der Ruhe und der Besinnung haben, gerade um uns in unserer bayerischen Heimat auf unsere Werte und auf unsere Traditionen besinnen zu können, dass wir also hier auch im Brauchtum und in den Traditionen stehen und diese pflegen können. Daher sollten wir uns überlegen, ob wir eine solche Anhörung durchführen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege. Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich nun Dr. Martin Runge ans Mikrofon bitten. Herr Dr. Runge, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Vorschlag zur Verkürzung der Schutzzeit in der Nacht zu stillen Tagen − wohlgemerkt, nur in der Nacht zu manchen der sogenannten stillen Tage − um zwei Stunden jetzt in der Ersten Lesung ist unseres Erachtens nicht unbedingt der Aufregung und der Rede wert. Deswegen war es das jetzt auch schon mit meiner Rede. Selbstverständlich stellen wir uns gerne der Debatte in den kommenden Ausschussberatungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank. Für die FDP-Fraktion ergreift nun Tobias Thalhammer das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut Ding braucht Weile.

(Zurufe von der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Wir haben in der Koalition lange um einen vernünftigen Kompromiss gerungen. Wir haben die Vor- und die Nachteile abgewogen. Es war unserem Koalitionspartner sehr wichtig, dass am Wesensgehalt des Schutzes des stillen Tages nicht gerüttelt wird. Unserer Meinung nach beginnt ein Tag mit dem Aufstehen

und folglich nicht um Mitternacht; das war uns wichtig. Wir haben im Übrigen darauf verwiesen, dass es früher nicht so war, dass ab 1 Uhr ein Tanzverbot galt, sondern dass bei vielen stillen Tagen früher erst zur sogenannten Besenstunde Schluss war. Das war dann 5 Uhr in der Früh. Ich glaube, damals ist die christliche Kultur bei uns in Bayern auch nicht untergegangen.

Wir haben jetzt eine Lösung gefunden, mit der wir veränderten Lebensbedingungen entsprochen haben und veränderten Bedürfnissen junger Leute nachgekommen sind. Es spricht auch für einen modernen Staat, für ein modernes Land, wie wir es hier mit dem Freistaat Bayern haben, dass man den Bedürfnissen von jungen Menschen angemessen Rechnung trägt. Ich glaube, wir haben einen Kompromiss gefunden, mit dem alle leben können.

Ich gebe zu, dass 2 Uhr nicht meine Wunschvorstellung war. Wir hätten das Tanzverbot ruhig auf einen späteren Zeitpunkt festlegen können.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Das ändert sich mit der Zeit! - Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

- Hören Sie lieber zu, dann lernen Sie vielleicht etwas.

Zu dem, was die SPD hier am Redepult vorgetragen hat, muss ich sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das war mehr als scheinheilig. Wenn sogar die Kirchen mit ihrer mehr als 2000-jährigen Tradition mit diesem Entwurf mitgehen, dann sind Sie noch konservativer als die Kirchen.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD, den FREI- EN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Ich werde vielen Tanzlokalbetreibern die Haltung der SPD sagen. Das hört sich nämlich hier ganz anders an als vor Ort, vor allem in urbanen Gebieten. Ich werde die Haltung der SPD entsprechend zitieren. Aber jetzt hören Sie einmal zu, dann können Sie vielleicht noch etwas lernen, wenn Sie der Gastronomie entsprechende Ratschläge geben oder Wirtschaftseinschränkungen veranlassen wollen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Von Ihnen kann man relativ wenig lernen!)

Es geht hier nicht nur um die Diskotheken, es geht auch um unglaublich viele Bars, Bistros, Pubs, die um Mitternacht genauso davon betroffen sind.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sagen Sie doch, was Sie wollen, gesellschaftspolitisch!)

Im November hatten wir drei Wochenenden am Stück, an denen es für die Gastronomie und für das Ausgehverhalten der Menschen keine Möglichkeit gab. Da hat das nämlich um 12 Uhr Freitagnacht geendet. Es durfte in keinem Bistro mehr Stimmungsmusik gemacht werden. Die Umsatzzahlen sind eingebrochen. Die Leute mussten nach Hause gehen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Völlige Freigabe?)

Am nächsten Tag durften gerade die Bistros bis Mitternacht am Samstag kein Geschäft machen, keine Stimmungsmusik spielen, weil auch noch der Schutz des stillen Tages wirksam war. Mit dem Schutz eines stillen Tages wurden also zwei Ausgeh-Abende beschnitten. Ich glaube nicht, dass das im Interesse des Schutzes des stillen Tages ist.

Man kann darüber streiten, ob man das auf 2 Uhr oder 3 Uhr festlegen möchte oder ob man das vielleicht, wie es früher in Bayern auch üblich war, um 5 Uhr machen möchte. Aber ich glaube, dass viele Menschen draußen nicht einsehen werden, warum Politiker immer meinen, dass sie den Menschen vorzuschreiben haben, wie sie zu leben haben. Ich möchte nicht, dass wir allen Bürgerinnen und Bürgern des Landes staatlich vorschreiben, wann sie zu trauern und wann sie sich zu freuen haben. Ein staatlich oktroyiertes Innehalten kann zumindest ich nicht aushalten.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): So ein Schmarrn!)

Vielen Dank, Herr Kollege Thalhammer. Kollege Meyer hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.

Herr Kollege Thalhammer, darüber, ob 2 Uhr richtig ist, und über die Vor- und Nachteile wurde schon ausgiebig diskutiert. Mir geht es darum: Bitte hören Sie auf, die Kirchen als Kronzeugen für Ihren Entwurf zu benennen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)