Protocol of the Session on February 21, 2013

Das heißt, der Länderfinanzausgleich ist völlig unabhängig von der Ausgabenpolitik. Sie erwecken einen völlig falschen Eindruck. Von den Ausgabenzuwächsen in den letzten zehn Jahren ergeben die Statistik und die Tatsachen ein völlig anderes Bild, als Sie es hier erwecken wollen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie versuchen hier, einen Zusammenhang zwischen der parteipolitischen Couleur einer Regierung und dem Länderfinanzausgleich herzustellen.

Schauen Sie sich doch einmal die Verschuldung in Sachsen an, schwarz-gelb regiert. Sachsen ist mit Sicherheit bei der Verschuldung vorbildlich, aber Sachsen, schwarz-gelb regiert, erhält aus dem horizontalen Länderfinanzausgleich − Umsatzsteuer- und Länderfinanzausgleich im engeren Sinne − zusammen 3,3 Milliarden Euro, fast so viel wie Berlin. Das ist doch die Wahrheit − schwarz-gelb regiert! Das hat doch nichts zu tun mit den parteipolitischen Konstellationen.

Schauen Sie sich an, was Hessen im Bereich Verschuldung durch Ihre Parteifreunde, insbesondere der FDP macht; das dürfte doch einmal interessant sein. Hessen hat 2011 − schwarz-gelb regiert − 2,2 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung gehabt. 2012 waren es immerhin noch 2 Milliarden Euro, 2013 noch etwa 1,8 Milliarden Euro. Das ist doch die Wahrheit. Die schwarz-gelbe Regierung ist massiv in die Nettoneuverschuldung gegangen.

Jetzt komme ich zu einem Land, das Gott sei Dank seit dieser Woche anders regiert wird. Niedersachsen − bisher schwarz-gelb regiert − erhält seit zehn Jahren Länderfinanzausgleichsleistungen. Die Nettoneuverschuldung in Niedersachsen beträgt 2,3 Milliarden Euro jeweils in den Haushaltsjahren 2009 und 2010. 2011 waren es immerhin noch 2 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung, und auch 2012 war sie deutlich über 1 Milliarde Euro. Darauf müssten Sie Ihre Anstrengungen konzentrieren, anstatt Nebelkerzen zu werfen, die mit dem Länderfinanzausgleich überhaupt nichts zu tun haben.

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Unglaublich!)

Sie können Wahlkampf machen, wie Sie wollen, aber an Daten und Fakten kommen Sie nicht vorbei. Im horizontalen Länderfinanzausgleich − der Finanzkraftausgleich zwischen den Bundesländern − gibt es zwei Säulen: Die eine ist der Umsatzsteuerausgleich, der die Finanzkraft ausgleicht, und die andere ist der Finanzausgleich im engeren Sinne. Beide Säulen zusammen ergeben den horizontalen Länderfinanzausgleich. Man muss beide Säulen betrachten, sonst täuscht man die Bürger und sich selbst. Wenn man beide Säulen betrachtet, wird klar, dass NordrheinWestfalen seit Jahr und Tag Geberland ist und auch 2012 mit über 2 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich horizontal eingezahlt hat. Was Sie hier sagen, ist Volksverdummung hoch drei. Sie erwecken einen völlig falschen Eindruck.

(Alexander König (CSU): Abgeordneter von Rheinland-Pfalz wäre richtig für Sie!)

Auch Rheinland-Pfalz hat 2012 300 Millionen Euro eingezahlt, ähnlich wie Hamburg. Sie haben genau das Gegenteil erklärt. Korrigieren Sie sich, täuschen Sie nicht dieses Parlament und die bayerische Öffentlichkeit. Kehren Sie zur Wahrheit zurück! Das kann man Ihnen nur sehr empfehlen.

(Zuruf von der CSU: Sie verkaufen die Steuer- zahler!)

Schauen wir uns die Nehmerländer an. Es ist klar, dass Berlin im Länderfinanzausgleich im engeren Sinne 3,3 Milliarden Euro an Zahlungen bekommt. Sachsen bekommt eine knappe Milliarde Euro.

Beim Umsatzsteuerausgleich bekommt Sachsen 2,3 Milliarden Euro und Berlin 277 Millionen Euro. Unter dem Strich − das bitte ich einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen − erhält Sachsen, das seit eh und je schwarz-gelb regiert wird, mit 3,3 Milliarden Euro fast so viele horizontale Ausgleichsmittel wie Berlin, und auch pro Kopf liegen die Länder sehr nahe beieinander. Sie werfen Nebelkerzen, Sie machen falsche Aussagen. Kehren Sie zur Wahrheit zurück beim Länderfinanzausgleich, dann können wir schnell auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

(Beifall bei der SPD)

Zum Thema Solidarität: Der horizontale Länderfinanzausgleich, der zwischen den Bundesländern geleistete Finanzausgleich, ist definitiv ein West-Ost-Ausgleich. Das Gesamtvolumen im horizontalen Länderfinanzausgleich beträgt etwa 14,5 Milliarden Euro. Die ostdeutschen Bundesländer erhalten hiervon 13,4 Milliarden Euro; das heißt über 92 % gehen in den West-Ost-Ausgleich. Man muss sagen, dass der Länderfinanzausgleich, so wie er von Edmund Stoiber ausgehandelt wurde, diesen West-Ost-Ausgleich ganz stark nach vorne gerückt hat. Wenn man zwischen Berlin und Sachsen differenziert, die beide fast die gleiche Summe aus dem horizontalen Länderfinanzausgleich bekommen, wirft das ein völlig falsches Licht auf diesen Ausgleich.

Sie tun so, als hätten Sie ein Konzept für die Korrektur des Länderfinanzausgleichs. Das ist aber nicht so. Sie haben diesem Hohen Haus keine einzige Zeile vorgelegt, wie die Staatsregierung, wie die Fraktionen von FDP und CSU ganz konkret die gesetzlichen Grundlagen für den Länderfinanzausgleich ändern wollen. Sie reden mittlerweile von drei Konzepten. Kollege Klein hat hier ganz andere Punkte genannt. Im Eckpunktepapier der beiden Staatsregierungen Hessen und Bayern steht etwas ganz anderes, was

die Punkte anbetrifft. Auch das gemeinsame Konzept der Unionsfraktionen zeigt einen Riesenunterschied zwischen dem, was Sie hier erzählen, und dem, dem Kollege Lerchenfeld zugestimmt hat, insbesondere auch, was einen vernünftigen Reformansatz angeht. Wir waren die Ersten in diesem Landtag, die thematisiert haben, dass dieser Länderfinanzausgleich, was die Anreizwirkungen und die Mechanismen betrifft, korrekturbedürftig ist.

Sie haben diesen Länderfinanzausgleich verhandelt und beschweren sich jetzt über Ihr eigenes Regierungshandeln. Die Opposition wird zu dieser fatalen Tatsache die Hand nicht reichen. Den Länderfinanzausgleich vernünftig zu reformieren, ist Ihre Verantwortung. Sie haben mit dem Länderfinanzausgleich Bayern in diese Situation gebracht. Diese Verantwortung müssen Sie selbst tragen.

(Beifall bei der SPD - Harald Güller (SPD): Bravo!)

Danke schön, Herr Kollege. Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich Gäste auf der Ehrentribüne des Bayerischen Landtags herzlich begrüßen. Ich begrüße die Delegation der Haushalts-Arbeitskommission des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China.

(Allgemeiner Beifall)

Die Gruppe unter Leitung von Frau Feng Shuping hält sich derzeit zu politischen Gesprächen in Europa auf und informiert sich unter anderem bei uns in Bayern über die Themen Haushaltsaufstellung, Haushaltsdurchführung und Haushaltskontrolle.

(Allgemeiner Beifall)

Sehr geehrte Frau Feng Shuping, ich heiße Sie und Ihre Delegation herzlich willkommen und wünsche Ihnen einen angenehmen und informativen Aufenthalt hier bei uns im Bayerischen Landtag.

(Allgemeiner Beifall)

Als nächster Redner hat Kollege Mannfred Pointner von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf namens des Haushaltsausschusses − das hat mir der Vorsitzende erlaubt − auch unsere Gäste aus China begrüßen. Wir hatten ja schon mehrere Gespräche. Ich hoffe, dass Sie aus dieser Diskussion für Ihre Tätig

keit in China auch etwas mitnehmen können, was ich bis jetzt bezweifle.

(Heiterkeit des Abgeordneten Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU))

Herr Kollege Klein, Sie haben heute gesagt, dass Sie dieses Thema vor zweieinhalb Jahren, im Oktober 2010, mit Ihrem Gutachten in dieses Hohe Haus gebracht haben. Wir von den FREIEN WÄHLERN haben damals schon gesagt: Wenn es so ist, dass dieser von der Regierung ausgehandelte Finanzausgleich verfassungswidrig ist, dann sollen Sie klagen. Wir werden diese Klage unterstützen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab- geordneten Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU))

Das, was damals im Bundestag und im Bundesrat beschlossen wurde und dem Sie zugestimmt haben, ist zum Nachteil von Bayern. Das muss man feststellen. Deshalb sollten Sie klagen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Unserer Meinung nach ist dieser Länderfinanzausgleich reformbedürftig. Man muss auch die Umsatzsteuervorauszahlung mit einbeziehen, auch die Ergänzungszuweisungen gehören dazu.

Es gibt nur noch drei Geberländer, der Rest sind mehr oder weniger Nehmerländer. Das jetzige System ist nicht anreizgerecht, weder für die Geberländer noch für die Nehmerländer; denn keines von ihnen hat Interesse, mehr Steuern einzunehmen. Bayern hat als Geberland kein großes Interesse, mit mehr Beamten in der Steuerverwaltung mehr Steuern einzunehmen, weil es einen Großteil davon an die Nehmerländer abgeben müsste. Bei den Nehmerländern ist es umgekehrt: Wenn sie mehr Steuern einnehmen, dann bekommen sie weniger aus dem Finanzausgleich. Deswegen ist eine Änderung notwendig. Das System ist auch deshalb nicht anreizgerecht, weil die Nivellierung sehr nahe an der Hundertprozentgrenze ist. Wenn man alles mit einrechnet, kommt man im extremen Fall auf 99,7 %. Das hängt davon ab, wie weit die einzelnen Länder unter dem Durchschnitt liegen. Das muss geändert werden. Offenbar sind die Verhandlungen, soweit sie geführt worden sind, erfolglos gewesen. Das ist verständlich, weil der Finanzausgleich bis 2019 gilt. Die Nehmerländer haben kein Interesse daran, in Verhandlungen etwas herzugeben. Also werden wir diese Klage unterstützen.

Wir müssen zwei Dinge eindeutig herausstellen: Wer hat das damals vereinbart, und wer hat diese Gesetze damals, 2001, beschlossen? Das war die CSU

Staatsregierung im Bundesrat, und es war natürlich auch die CSU im Bundestag, die die Hand für diese Regelung gehoben hat. Es hat zwar geheißen, es habe eine Verbesserung gegeben; aber wenn ich in die Statistik schaue, kann ich das eigentlich nicht erkennen. Im Jahr 2004 hat der Freistaat 2,3 Milliarden Euro in den horizontalen Finanzausgleich eingezahlt, im Jahr 2005 − damals ist das in Kraft getreten − waren es 2,234 Milliarden Euro. Es geht also um 64 Millionen Euro.

Wenn man weiter in die Statistik schaut, sieht man, dass zum Beispiel im Jahr 2008 der gesamte Finanzausgleich über 8 Milliarden Euro betragen hat. Das war ein höherer Betrag, als wir ihn jetzt haben. Allerdings war damals die Verteilung unter den Ländern noch etwas anders. Damals hat das weitaus kleinere Hessen, das nur ungefähr die Hälfte der Einwohnerzahl von Bayern hat, 2,4 Milliarden Euro getragen, während die Bayern 2,9 Milliarden Euro getragen haben. Man muss also bei der Frage, wie sich die Situation entwickelt hat, schon bei der Wahrheit bleiben und die Kirche im Dorf lassen.

Deshalb habe ich auch kein Verständnis dafür, dass Sie so lange gewartet haben und erst jetzt, ein halbes Jahr vor der Wahl, Klage einreichen wollen in der Gewissheit, dass vor dem Wahltag keine Entscheidung erfolgt und dass Sie das im Wahlkampf verwenden können. Im Zivilrecht gibt es den Rechtssatz "Venire contra factum proprium." Das bedeutet: Wer etwas zurückverlangt, was er zuvor vereinbart hat, wird scheitern. Im öffentlichen Recht, bei den Normen, gilt das nicht. Ich sehe also durchaus eine Problematik. Dennoch ist es richtig, und wir werden es unterstützen und heute Nachmittag zustimmen, wenn es darum geht, dass Sie die Klage einreichen; denn wir wollen sehen, was bei dem herauskommt, was Sie im Jahr 2001 vereinbart haben. Man muss auch darüber nachdenken, welche Konsequenzen es hätte, würde das für verfassungswidrig erklärt.

Noch ein Punkt, weil vorhin gesagt worden ist: Den vertikalen Finanzausgleich lehnen wir ab. − Wir tun das auch. In Ihrem Konzept sind durchaus einige Dinge enthalten, die wir auch unterstützen würden. Künftig soll ja mehr vom Bund unterstützt werden. Ein Ausgleich über Berlin wäre natürlich auch vertikal, Herr Kollege. Das ist richtig. Aber das könnten wir mittragen.

Noch einmal: Reichen Sie die Klage ein. Wir werden sehen, was dabei herauskommt, und dann auch entsprechende politische Konsequenzen ziehen. − Danke schön.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. Als Nächster hat Herr Kollege Eike Hallitzky von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte sehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Aktuellen Stunde reden wir im Prinzip darüber, warum der Länderfinanzausgleich bescheuert ist und warum eine Klage dagegen mindestens genauso bescheuert ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abgeordneten Isabell Zacharias (SPD))

Stellen wir uns doch einmal vor, der kommunale Finanzausgleich in Bayern wäre so organisiert wie der Länderfinanzausgleich. Die Städte und Landkreise in Bayern würden einen Vertrag schließen, demzufolge die unterschiedliche Finanzkraft der einzelnen Regionen durch direkte Zuflüsse der reichen Regionen kompensiert würde. Ich höre Sie schon, all die lokalen Söders und Kleins aus Aschaffenburg, Erlangen, dem Speckgürtel um München, aus den einnahmestarken Regionen, die sich gerade in Wahljahren mit wachsendem Wehklagen weigern würden, arme, aber sexy Wahlkreise wie Freyung, Wunsiedel oder Hof zu unterstützen − Hof insbesondere natürlich deshalb, weil Sie sich dort auch noch einen unsinnigen Flughafen leisten. − Berlin lässt grüßen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Thomas Hacker (FDP): Sie leben in der Vergangenheit, Herr Hallitzky! In Hof waren Sie anscheinend noch nie!)

Der Landkreis Starnberg würde sich umso mehr weigern, weil nach Lage der Dinge Besserung nicht in Sicht ist. Ganz gleich, wie Wunsiedel sich abstrampelt, es wird niemals die durchschnittliche Finanzkraft der bayerischen Kreise erreichen. Döhler-Land bleibt Nehmerland auf Jahrzehnte. Das wissen Sie auch.

Die Unterschiede zwischen den Bundesländern, was die Finanzkraft angeht, sind sogar noch größer. Die Ostländer haben eine originäre Finanzkraft von rund 50 % bis 60 % des Bundesdurchschnitts, BadenWürttemberg, Bayern und Hessen von rund 120 % bis 130 %. Bei dieser auseinanderklaffenden Einnahmesituation darauf zu setzen, dass über die freiwillige Solidarität der reichen Geberländer ein Konzept erarbeitet wird, kann nicht funktionieren. Ja, es ist − dies ist ein handelsübliches Zitat von Kretschmann − "bescheuert", den Auftrag aus Artikel 107 des übrigens auch in Bayern geltenden Grundgesetzes, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen, über einen Ausgleich zwischen den Ländern zu regeln. Deswegen fordern wir eine Vertikalisierung des Ausgleichs. Darüber können wir

uns unterhalten, aber das ist ein Element unseres Konzepts,

(Beifall bei den GRÜNEN)