Was Sie am Anfang gesagt haben, Herr Sinner, ist richtig. Wenn das Aufkommen höher wird, als es war, dann kann man über eine Beitragssenkung nachdenken. In Ihrem Antrag steht das so aber nicht drin. Darin steht, Ziel sei die generelle Beitragssenkung für den Einzelnen und für die Wirtschaft. So kann man das einfach nicht formulieren.
Danke, Frau Kollegin Gote. Als Letzter hat sich Herr Staatsminister Kreuzer zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ein Dringlichkeitsantrag sollte eigentlich konkrete und eilige Punkte aufgreifen, Herr Kollege Piazolo. Entweder kommt dieser Antrag zu spät, denn dieses Hohe Haus hat bereits eine zeitnahe Evaluierung mit der Zustimmung zum Staatsvertrag unter Nennung konkreter Punkte beschlossen, dies ist also schon geschehen, oder er kommt zu früh, denn noch liegen die Zahlen nicht in ausreichendem Umfang vor, um konkrete Schritte für eine Änderung zu beschließen.
Wir sind uns einig, dass die Rundfunkanstalten Möglichkeiten haben, Unregelmäßigkeiten bei der Beitragserhebung oder konkrete Härtefälle zu regeln. Sie tun dies meines Erachtens in Bayern. Auch der Intendant des Bayerischen Rundfunks hat dies mehrfach öffentlich bekundet. Ich fordere auch ausdrücklich dazu auf, gegen diese Dinge sofort vorzugehen, um Ungerechtigkeiten, die nicht sein müssen, zu vermeiden. Sie aber fordern etwas, was nicht durchführbar ist. Denn niemand wird auf einer Grundlage von null Daten in Verhandlungen zur Veränderung des Rundfunkstaatsvertrages treten, Herr Piazolo. Sie betrei
ben hier reinen Populismus. Sie springen auf einen Zug, Sie sehen, dass ein gewisser Unmut herrscht, und das wollen Sie mit einer vollkommen unrealistischen Forderung politisch ausnutzen.
Herr Piazolo, Sie erwecken den Eindruck, als hätten ein paar Wildgewordene von heute auf morgen, ohne vorher darüber nachzudenken, ein System der Gebührenerhebung eingeführt. Herr Piazolo, Sie haben gesagt: Sie haben das erst eingeführt, und hinterher versuchen Sie, die Konsequenzen zu bedenken. Dies haben Sie gesagt, und das weise ich entschieden zurück. 16 Bundesländer haben mit den Experten über Jahre hinweg zusammengearbeitet. Sie haben Beispielrechnungen durchgeführt, um ein gerechtes System zustande zu bringen. Es war erstens ein gemeinsames Ziel, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufrechtzuerhalten und auch künftig gerecht zu finanzieren. Zweitens geht es um Geräteunabhängigkeit, weil die Geräteerfassung nicht mehr in die heutige Zeit passt. Drittens war auch Ziel, das neue System nicht für eine Gebührenerhöhung zu nutzen, sondern mit der Reform Gebührenneutralität zu wahren. Der Freistaat Bayern hat viele Vorschläge in diese Verhandlungen eingebracht, die teilweise auch aufgegriffen worden sind, sonst hätten wir noch mehr Gebührentatbestände. Ich sage auch, dass wir uns bei verschiedenen Dingen, beispielsweise der Nichterfassung von Zweitwohnungen, nicht durchsetzen konnten. Dies ist von den anderen Ländern nicht mitgetragen worden. Es ist also sehr lange seriös und sehr gründlich verhandelt worden, um das jetzige Ergebnis zu erreichen.
Trotzdem, meine Damen und Herren, ist es natürlich nicht verwunderlich, dass es Startschwierigkeiten gibt. Wenn rund 41 Millionen Teilnehmerentgeltkonten umgestellt werden müssen, dann führt dies natürlich zu Schwierigkeiten in einzelnen Bereichen. Deswegen ist es richtig, dass dies genau beobachtet wird. Neben dem Ausgleich von Härten durch die Rundfunkanstalten müssen wir jetzt eine vernünftige Datengrundlage schaffen, um verschiedene Fakten zu klären.
Die erste Frage ist: Ist das System wirklich gebührenneutral? Wenn wir feststellen, dass die Umstellung zu Gebührenerhöhungen führt, müssen wir selbstverständlich, wie Kollege Sinner es gerade angedeutet hat, handeln; denn das war nicht der Sinn der Umstellung.
Die zweite Frage ist: Führt das neue System bei einzelnen Gebührenzahlern bzw. Beitragszahlern zu nicht vertretbaren Gebührensteigerungen im Verhält
nis zur vorherigen Situation? Wir wollen natürlich nicht, dass jemand, der ordnungsgemäß bezahlt hat, jetzt das Zehn-, Zwanzig-, Dreißigfache der ursprünglichen Teilnehmergebühr bezahlt. Dies wird bei der Evaluierung überprüft. Ziel der Evaluierung ist − die Vereinbarung können Sie nachlesen − eine gerechte Verteilung der Lasten auf den Schultern sowohl privater als auch nicht privater Zahlungspflichtiger. Wir werden also sehr wohl überprüfen, ob das Gebührenaufkommen stimmt und ob die Lasten auch gerecht verteilt sind.
Ich sage aber auch: Wir müssen bei Ausnahmetatbeständen Vorsicht walten lassen; denn es ist leider wie immer: Wenn man das überdehnt, dann trifft es die übrigen Gebührenzahler umso stärker, wenn man das Gebührenaufkommen insgesamt auf gleicher Höhe halten will.
All dies muss geprüft werden. Im Frühjahr 2014 werden belastbare Zahlen vorliegen. Dann werden wir entschlossen handeln und die verschiedenen Maßnahmen, die ich angesprochen habe, ergreifen. Erstes Ziel ist die Gebührenneutralität, zweites Ziel ist, keine ungerechtfertigte außergewöhnliche Belastung einzelner Beitragszahler zu verursachen. Das ist der Maßstab, den wir anlegen müssen, wenn wir die Evaluierung vornehmen.
Meine Damen und Herren, wir stehen natürlich zu unserem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir fordern von ihm Qualität. Nur dadurch sind Gebühren gerechtfertigt. Die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss gerade im Bildungsauftrag und im Informationsauftrag die Qualität eines privaten Anbieters übersteigen. Ansonsten bräuchten wir hierfür keine Gebühren zu verlangen. Wir müssen natürlich auch fordern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Mittel effizient einsetzt und es in Zukunft nicht zu unzumutbaren Gebührensteigerungen für die Menschen in diesem Land kommt. Auch hierfür müssen wir sorgen. Wir haben unsere Aufsichtsgremien, und auch die Parlamente sind selbstverständlich dafür da. Diese Umstellung bedeutet also auch Verpflichtung zur Qualität, aber auch Verpflichtung zum effizienten Mitteleinsatz der Rundfunkanstalten. Dies müssen wir von den Rundfunkanstalten fordern.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir werden so schnell wie möglich handeln. Ich denke, dass wir im Jahr 2014 bereits entscheidend weiterkommen können. Die Ziele sind, wie gesagt, Beitragsstabilität und eine gerechte Verteilung der Lasten auf die Betriebe und auf die Bürgerinnen und Bürger. Ich bin sicher, dass wir dies erreichen können. Mit Populismus kommen wir hier nicht weiter. Dies ist vielmehr ein schwieriger, ein
ernster Vorgang, den wir wirklich so schnell wie möglich abarbeiten müssen, um dann die Härten auszuräumen und zu noch besseren Ergebnissen zu kommen. - Vielen Dank.
Danke, Herr Staatsminister Kreuzer. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Herr Professor Dr. Piazolo gemeldet.
Erstens, Herr Staatsminister, verstehe ich die Aufgeregtheit nicht ganz. Wenn Sie sich unseren Antrag durchlesen, sehen Sie, wie vorsichtig er formuliert ist. Frau Sandt von der FDP sagte, dieser Antrag sei vorsichtig formuliert. Sie sprechen jetzt von Populismus. In dem Antrag steht auch nichts von Nachverhandlungen. Das wird nur immer behauptet.
- Ja, schwammig. − In dem Antrag ist die Rede davon, eine entsprechende Nachbesserung der Rundfunkgebührenerhebung einzusetzen. Das ist genau das, was Sie jetzt beschrieben haben. Genau das fordern wir: eine entsprechende Nachbesserung der Rundfunkgebührenerhebung einzusetzen.
Gestehen Sie mir zweitens zu, dass ich in meinem Beitrag nicht von einer wild gewordenen Regierung gesprochen habe, sondern dass das jetzt Ihre Selbstbeschreibung gewesen ist? Ich habe dieses Adjektiv nicht verwendet.
Herr Professor Piazolo, wenn ich mich aufrege, sieht das ganz anders aus. Nur zu Ihrer Beruhigung: Dieses Maß ist noch längst nicht erreicht.
Sie haben nicht "wild gewordene Regierung" oder "wild gewordene Beteiligte", so wie ich es formuliert habe, gesagt, sondern Sie haben gesagt, hier sei etwas zusammengeschrieben worden, von dem niemand gewusst habe, welche Auswirkungen es habe, und jetzt wollten sie einmal schauen, was dabei herauskommt, und es in ein paar Jahren wieder korrigieren. Würde man so handeln, wäre man wirklich wild geworden. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass nicht so, sondern verantwortungsbewusst gehandelt worden ist.
Noch etwas. In Ihrem Antrag steht wenig, aber Sie haben viel gesagt. Sie müssen sich natürlich auch an dem messen lassen, was Sie gesagt haben. Darauf
bin ich eingegangen. Sie haben sehr wohl von der schnellsten Aufnahme von Verhandlungen gesprochen, auch wenn das nicht drinsteht.
Insgesamt sage ich Ihnen: Ein solches Vorgehen ist populistisch, und das lehne ich ab. Sie dürfen glücklich sein, dass Sie für nichts Verantwortung tragen, und ich hoffe, dass es so bleibt, Herr Professor Piazolo.
Danke, Herr Staatsminister Kreuzer. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Daher können wir die Aussprache schließen und zur Abstimmung schreiten. Dazu werden die Anträge getrennt. Ich bitte Sie, sich daran zu erinnern, dass die Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/15725 in namentlicher Form erfolgen soll. Vorab möchte ich die Dringlichkeitsanträge der FREIEN WÄHLER und der SPD-Fraktion zur Abstimmung stellen.
Zunächst stimmen wir über den Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER ab. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/15704 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. − Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und der SPD sowie Frau Dr. Pauli (fraktionslos). Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. − Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? − Eine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt worden.
Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/15724, also dem Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. − Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und Frau Dr. Pauli (fraktionslos). Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. − Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Stimmenthaltungen? − Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt worden.
Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung des Dringlichkeitsantrags auf Drucksache 16/15725. Wir haben heute schon mehrfach geübt. Sie finden alles an den üblichen Plätzen. Sind drei Minuten ausreichend, oder sollen lieber fünf Minuten für die Abstimmung vorgesehen werden?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzte Chance. Fünf Sekunden. Fünf − vier − drei − zwei − eins − null. Der Abstimmungsvorgang ist abgeschlossen. Es wird am bekannten Ort ausgezählt, und Sie erhalten dann das Ergebnis zur Kenntnis.
Bevor wir zum nächsten Dringlichkeitsantrag kommen, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Will, Klein, Thalhammer und Fraktion (FDP) sowie der Abgeordneten Georg Schmid, Freller, Eisenreich und anderer und Fraktion (CSU) betreffend "Pflichtwiederholung muss auch zukünftig als letzte Konsequenz erhalten bleiben", Drucksache 16/15723, bekannt: Mit Ja haben gestimmt 97, mit Nein haben gestimmt 41, Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen worden.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unabhängige Aufklärung des Polizeiübergriffs auf eine junge Münchnerin in der Polizeiinspektion 21 in München-Au (Drs. 16/15705)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Alexander König, Dr. Florian Herrmann u. a. und Fraktion (CSU), Dr. Andreas Fischer, Jörg Rohde, Julika Sandt und Fraktion (FDP) Aufklärung des Vorfalls vom 20. Januar 2013 in der PI München 21 (Au) (Drs. 16/15726)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erste hat sich Frau Tausendfreund für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte sehr.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorfall in der Münchner Polizeiinspektion 21 in der Au hat dem Ansehen der Polizei schwer geschadet.
Er muss vollständig aufgeklärt und auch parlamentarisch aufgearbeitet werden. Geklärt werden müssen in diesem konkreten Fall vor allem folgende offenen Fra
gen und Unstimmigkeiten: Wie konnte es zu dieser massiven Eskalation kommen? Was genau ist in der Zelle abgelaufen? Wurde die Schwerverletzte ohne Notversorgung alleine gelassen, bis der Rettungsdienst kam? Warum wurden die internen Ermittlungen nicht sofort aufgenommen, sondern erst nach fünf Tagen, als die Frau Anzeige erstattet hat?
Parlamentarische Aufarbeitung heißt für mich, dass wir ernsthaft prüfen, welche Konsequenzen aus diesem Fall zu ziehen sind. Wir müssen Deeskalationsstrategien besser trainieren. Wir müssen die Fehlerkultur bei der Polizei fördern. Professor Joachim Kersten von der Polizeihochschule in Münster hat sehr detailliert Umstrukturierungen und eine andere Sichtweise innerhalb der Polizei gefordert. Er hat strukturelle Änderungen bei der Aufklärung von möglichem Fehlverhalten, Änderungen zur Vermeidung von Übergriffen und eine wissenschaftliche Aufarbeitung von Widerstandshandlungen auf der einen Seite und Fälle möglicher Polizeigewalt auf der anderen Seite in ihrer Wechselwirkung gefordert.