Sie versuchen so zu tun, als ob Sie sich um die Vertretung der deutschen Interessen in Europa kümmern würden. Dazu muss man aber Sachpolitik machen und mehr politische Antworten auf offene Fragen geben. Weil Sie das nicht tun, reiht sich Ihr Antrag leider ein in die vielen roten Linien, die immer weiter wandern und auch wieder verschwinden. Sie gehen den Problemen nicht auf den Grund, Sie setzen sich nicht mit der Situation auseinander, sondern Sie tun so, als könnte man hier beim Gestern stehen bleiben. Aber so kommen wir in Europa nicht weiter.
Danke, Frau Kollegin Kamm. − Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Söder das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als der Euro eingeführt wurde, war der Grundsatz, dass der Euro so stabil sein soll wie die DMark. Dieser Eckpfeiler des Euro hat übrigens dazu geführt, dass der Euro nach dem Dollar die zweitgrößte Leitwährung der Welt ist und nach wie vor auch bleibt, auch gegenüber dem Renminbi und dem Yen. Der Grundsatz der Stabilität ist der entscheidende Leitsatz.
Die EZB hat sich in Europa zu einer zentralen Steuerung weiterentwickelt. Sie ist eine Art große, starke Superbehörde geworden. Sie behält nicht nur die Aufgabe, die sie bislang schon hatte, nämlich die Geldwertstabilität zu gewährleisten, sondern sie wird künftig auch große Teile der Bankenaufsicht für die systemrelevanten Banken übernehmen. Der Grundauftrag jedoch war, die D-Mark-Kultur zu erhalten, nämlich die Geldwertstabilität.
ohne Begrenzung Staatsanleihen aufzukaufen, hat zu einer Grundsatzdebatte geführt, und es wurde gefragt, ob dieses Verfahren überhaupt vom Mandat der EZB gedeckt war. Das Bundesverfassungsgericht wird das noch ausdrücklich würdigen. Im Übrigen, Herr Aiwanger, ist eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof möglich. Wirtschaft, Geld, Experten − in allen Bereichen hat es ebenfalls skeptisch hinterfragt, ob der Auftrag, der eigentlich zu erfüllen ist, gilt. Dies ist auch die entscheidende Frage, warum wir heute über das Stimmrecht sprechen. Denn bleibt der alte Auftrag der reinen Geldwertstabilität, ist das Prinzip "one member − one vote" relativ einfach machbar; der Grundauftrag ist dann zu erfüllen.
So war es übrigens auch bei der Bundesbank mit den Landeszentralbanken, die dahinter standen. Wenn sich aber das Mandat ändert, was derzeit zu befürchten steht − denn die Selbsternennung zur Ausweitung der Anleihekäufe, meine Damen und Herren, ist schon eine Veränderung −, und ich Staatsanleihen kaufe, die von vornherein auf dem Markt keine Abnahme finden, das heißt, einen relativ geringen Wert haben, ich aber einen hohen Wert dafür einsetze und den Austausch mache, ist es de facto eine Vermengung von Geld- und Fiskalpolitik und damit eine Herausforderung von Inflation, vielleicht nicht gleich, aber langfristig. Dies sehen jedenfalls Ökonomen und Experten als Grundlage der Debatte über dieses Mandat.
Das wiederum ist für uns die Grundlage zu fragen: Wenn sich das Mandat ändert, dann müssen wir eine Anpassung vornehmen, wer darüber entscheidet, zumal bei der Frage der Anleihenkäufe die Deutsche Bundesbank dagegengestimmt hat, überstimmt wurde und keine Möglichkeit hatte, etwas dagegen zu tun. Einem Land, das mit 27 % am meisten haftet, meine Damen und Herren, muss die Frage erlaubt sein, ob es okay ist, wenn man überstimmt wird.
Zum Vergleich: Der IWF, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein Strukturfonds, bei dem über Geldausgaben entschieden wird. Beim IWF, wie bei allen anderen vergleichbaren Strukturen, geht es nach der Einlage: Wer am meisten einzahlt und wer am meisten haftet, hat entsprechend gewichtet auch die Stimmanteile. Das ist genau das, was wir an dieser Stelle auch wollen. Wir sagen: Es kann nicht sein, dass derjenige, der am meisten haftet, dieselbe Einflussnahme hat wie Malta oder Zypern.
Meine Damen und Herren, deshalb sagen wir: Es muss sich die Stimmgewichtung ändern, und zwar grundlegend.
Der Vorschlag, den wir machen, ist in zweierlei Hinsicht vernünftig: Bei einem anstehenden Rotationsverfahren im EZB-Rat ist es unerlässlich, dass derjenige, der am meisten haftet, immer dabei ist. Vertrauen ist gut, Kontrolle und Mitbestimmung sind besser. Die Vorstellung, dass Deutschland als Land mit der höchsten Haftung an einem solchen Prozess nicht beteiligt ist, ist absurd. Deshalb ist ein ständiges Stimmrecht wichtig.
Wir sagen, Herr Aiwanger: Wir wollen diese 75-Prozent-Entscheidungen analog der Verteilung der Haftung. Dieser Vorschlag ist für Deutschland super, denn wir haben einen Haftungsanteil von 27 %. Das heißt: Wir haben eine Sperrminorität.
Das heißt: Andere können viel bestimmen, aber wir haben eine Sperrminorität. Das ist der eigentliche, intellektuelle Grund für diese Vorgabe. Deswegen glauben wir, dass der Ansatz, den wir hier wählen, richtig ist: Wir wollen die Stimmgewichtung ändern und an eine veränderte Mandatspolitik anpassen, um Deutschland als größten Haftungsträger angemessen zu repräsentieren. Richtig ist auch, zweitens, dafür zu sorgen, dass Deutschland immer, und zwar dauerhaft, auch bei einer weiterentwickelten, auch bei einer größer werdenden Eurozone stimmberechtigt ist.
Drittens würden wir bei einer solch wuchtigen Frage erreichen, dass wir immer eine Sperrminorität haben. Das ist, glaube ich, wichtig. Denn dann könnten sich die anderen, Herr Aiwanger, zwar zusammenschließen − das würde ihnen aber nichts nützen, wenn Deutschland eine Sperrminorität hat.
Herr Halbleib, Sie haben gesagt, die SPD habe eine klare Haltung in der Finanzpolitik. Bei den Euro-Fragen sei eine klare Position erkennbar. Das stimmt. Die Sozialdemokratische Partei hat in der Frage der Stabilität des Euro durch den Beschluss der Finanzministerkonferenz, in der mehrheitlich SPD-Finanzminister sind, bis auf den heutigen Tag immer klar zum
auch nicht in erster Linie, obwohl sie im Deutschen Bundestag mitgestimmt hat, den ESM. Vielmehr ist, war und bleibt die Grundsatzfrage, dass die Sozialdemokraten in Deutschland und Europa fordern, dass die Antwort auf die Schuldenkrise heißt, die Schulden zu teilen und Eurobonds einzuführen.
Wir aber, meine Damen und Herren, bleiben bis auf den heutigen Tag der festen Überzeugung, dass Eurobonds der falsche Weg sind. Wir wollen nicht, dass Schulden geteilt werden, sondern wir wollen, dass jeder seine Schulden selber zahlen muss. Das ist unser Ansatz.
(Beifall bei der CSU - Markus Rinderspacher (SPD): Sparen Sie sich doch die Beleidigung; wir sind doch nicht im Festzelt!)
− Also, wenn Sie es als Beleidigung empfinden, dass ich über Sie sage, dass Sie einen Beschluss gefasst haben, Herr Rinderspacher, sage ich Ihnen: Herr Adam hat über Sie und die SPD schon Schlimmeres gesagt.
Ich jedenfalls glaube, dass der Antrag, den wir heute beschließen, richtig ist. Er ist ein wichtiges Signal für die Geldwertstabilität des Euros. Ich bedanke mich bei den beiden Fraktionen; Herr Klein hat gesagt, er sei dem Vorschlag von Herrn Brüderle gefolgt; ich war mit meinem Vorschlag sogar ein bisschen eher dran. Beide Fraktionen reklamieren Vater- und Mutterschaft für sich; deswegen ein herzliches Dankeschön.
Herr Söder, dazu habe ich zwei Fragen. Sie haben recht, dass die deutsche Sperrminorität von 27 % greifen würde, wenn die anderen so dumm wären, zu unterschreiben. Hoffen wir’s. Aber Sie stünden bei positiven Entscheidungen, für die Sie eine Dreiviertelmehrheit bräuchten, vor der Notwendigkeit, Länder wie Italien und Spanien mit ins Boot zu holen. Sie können also zwar auf der einen Seite einiges verhindern, aber es geht auch um positive Entscheidungen, für die man eine Dreiviertelmehrheit
braucht. Wenn die anderen 30 % nicht mitgehen, haben Sie eben diese Mehrheit nicht. Wie beurteilen Sie diese Situation? Oder sagen Sie, es ist wichtiger, eine Sperrminorität zu haben, als Mehrheiten zu bekommen?
Die zweite Frage: Was spricht dagegen, jetzt zu klagen, anstatt jahrelang zu hoffen, dass die anderen unterschreiben? Schließlich tun sie es dann doch nicht. Klagen Sie doch wie beim Länderfinanzausgleich!
Zu Ihrer ersten Frage: Es ist aus meiner Sicht relativ eindeutig, dass die Sperrminorität die anderen zwingt, mit uns einen Sachverhalt von vornherein zu regeln, wenn sie Mehrheiten wollen. Das ist in diesem Fall das Wichtige. Sie haben gesehen, dass Herr Weidmann im EZB-Rat überstimmt wurde; das wurde zum Teil lustig kommentiert mit großen Feierarien in anderen Ländern Europas. Ich glaube, dass Stimmrechtsänderungen im EZB-Rat die Kultur im EZB-Rat grundlegend ändern würden. Wir wollen auch keine Überforderung der anderen. Es wäre doch absurd, zu sagen, Deutschland müsste allein eine Dreiviertelmehrheit haben. Das wollen wir nicht; das wäre absurd. Bei jedem Fonds, bei jeder Anlage, bei jeder Geldstelle hat derjenige, der am meisten haftet, auch in gleicher Weise das Stimmrecht.
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie wären aber trotzdem handlungsunfähig, wenn Italien und Spanien nicht mittun!)
− Nein, da bin ich relativ sicher, dass dann die Handlungsoption automatisch folgen würde. Wir können an dieser Stelle nicht überstimmt werden.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich glaube, es hat durchaus Sinn, hier die Entscheidung des Verfassungsgerichts abzuwarten. Denn das Verfassungsgericht wird uns, glaube ich, auch was die Frage der Staatsanleihen betrifft, gute verfassungsrechtliche, juristische Argumente geben, die es abzuwarten gilt. Danach kann man dann entscheiden, was man tut. Die gesamte Republik wartet auf diese Entscheidung, auch die Ökonomen. Deshalb macht es auch juristisch und unter dem Gesichtspunkt der Effektivität mehr Sinn, das zu tun.
Beim Länderfinanzausgleich ist es etwas anderes. Da gab es keine andere Entscheidung. Wir haben jetzt die Debatte geführt. Wir freuen uns auf die Debatte hier im Landtag, weil wir wissen wollen, wie jeder einzelne dazu steht, wie es im Übrigen auch in Hessen und Baden-Württemberg der Fall ist. Wir haben schon
gehört, wie ihr dazu steht, aber auch, wie andere dazu stehen. Das wird noch eine lustige, muntere Debatte werden. Aber in der anderen Frage bleiben wir dabei, erst die Entscheidung des Verfassungsgerichts abzuwarten. Dann schauen wir mal, ob die Argumente reichen.
Danke, Herr Staatsminister. Es kommt noch eine weitere Zwischenbemerkung des Kollegen Halbleib. Bitte schön.
Herr Staatsminister, bleiben wir doch kurz bei der Frage: Was sind die deutschen Interessen? Ich stelle zunächst einmal fest, dass der Vertreter der CSU im Deutschen Bundestag, der Kollege Michelbach, bei der Befragung von Herrn Draghi gesagt hat, der Beschluss, den Sie vorhin massiv kritisiert haben, hat zur Stabilität beigetragen. Das ist der Punkt. Sie haben vorher deutlich gemacht, dass die Vertretung der deutschen Interessen ganz anders wahrgenommen werden muss. Wir merken jetzt, dass die Ruhe und die Stabilität, die wir bekommen haben, auf diesem Beschluss beruhte. Das war der erste Punkt, die deutschen Interessen.
Zweitens. Ich glaube schon, dass man sich mit dem Auftrag der EZB befassen muss, und ich glaube, dass die Geldwertstabilität nicht ohne Finanzmarktstabilität erreicht werden kann. Das ist doch klar. Insbesondere bei Vertretern Ihrer Partei und auch bei Ihnen persönlich kann ich nicht akzeptieren, dass der Finger auf die EZB zeigt − so wurde bisher verfahren −, dann aber alle aus den Versammlungssaal hinausgehen und die Hände zum Himmel heben: Hoffentlich macht die EZB diese Art der Politik noch möglichst lang so weiter! So wurde nämlich miteinander umgegangen.
Last not least glaube ich, dass es nicht im deutschen Interesse liegen kann, deutlich zu machen, dass wir eine Sonderstellung bekommen wollen und dass Deutschland eine Blockadestimme bekommen will. Wenn das deutsches Interesse sein soll, frage ich mich, Herr Kollege Seehofer, warum Sie im Deutschen Bundestag keine Entschließung der Regierungsfraktionen herbeigeführt haben und warum Sie nicht dafür gesorgt haben, dass das die Position der deutschen Bundesregierung ist. Vertritt die Bundesregierung nicht die deutschen Interessen? Vertreten die Fraktionen der CSU, CDU und FDP im Deutschen Bundestag nicht die deutschen Interessen? - Es ist doch klar, dass hier ein populistisches Manöver ausgetragen werden soll statt in den entscheidenden Institutionen, dem Deutschen Bundestag und der deutschen Bundesregierung.
Ich teile Ihre Auffassung nicht, und zwar bei der Frage nach dem deutschen Interesse teile ich Sie grundlegend nicht. An anderer Stelle haben Sie hier im Landtag immer wieder darauf hingewiesen, dass es elementar ist, dass wir keinen einzigen Cent deutschen Steuergelds zurückfordern müssen, wenn es um die Landesbank geht. Dafür habe ich Verständnis; darum kämpfen wir gemeinsam. Man kann aber schlecht sagen, dass wir in Bayern um jeden Euro, um jeden Cent kämpfen müssen, dass es aber dann keine Verantwortung mehr gibt, wenn es um Milliarden, um weitaus höhere Beträge auf internationaler Ebene geht.