Protocol of the Session on January 29, 2013

Danke, Herr Dr. Wengert. Für die CSU hat sich Graf von und zu Lerchenfeld zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Dieser Dringlichkeitsantrag sollte schon einmal hier im Plenum behandelt werden. Er wurde an den Ausschuss verwiesen. Dort wurde er ausführlich behandelt.

Ich könnte nun darauf verweisen, dass für den ersten Teil dieses Antrags EU-Recht gilt und dass sich derzeit eine Konferenz der Staatssekretäre mit den zu erwartenden Auswirkungen der Urteile des BFH bzw. des Europäischen Gerichtshofes befasst. Ich könnte darauf hinweisen, dass der zweite Teil des Antrags Bundes- und Landesrecht widerspricht. Ich könnte mich auch noch dafür ereifern, dass die SPD Ausnahmen im Umsatzsteuerrecht fordert, obwohl sie die Koalition in Berlin für solche Entscheidungen an den Pranger stellt. Aber die späte Stunde, die großartige Zuschauerkulisse, die wir auf der Tribüne sehen können, und das große Presseinteresse veranlassen mich, auf die Ausführungen des Kollegen Weidenbusch im Ausschuss zu verweisen und Ihnen, sehr geehrte Kollegen, die Ablehnung dieses Antrags zu empfehlen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich danke Graf von und zu Lerchenfeld. Für die FREIEN WÄHLER hat sich Herr Hanisch zu Wort gemeldet. Danach spricht Frau Kamm für das BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber wir heute diskutieren, ist eine Konsequenz aus

der Liberalisierung, die wir in dieser Form für die kommunale Daseinsvorsorge niemals wollten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wer will für die Schulturnhalle, wenn er sie mietet, Mehrwertsteuer zahlen? Kein Verein! Das zahlen letztlich unsere Vereine, das zahlen diejenigen, die ehrenamtlich für die Allgemeinheit tätig sind. Meine Damen und Herren, wollen wir für Kindergartenleistungen Mehrwertsteuer erheben? Ich glaube, darauf kann nur die richtige Antwort sein: Das wollen wir, zumindest wir FREIEN WÄHLER und die SPD, die den Antrag gestellt hat, nicht!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Es ist mit Verlaub nicht so, dass das gottgegeben und gottgewollt ist. Deswegen müssen wir etwas dagegen tun. Vorhin sind zwei Ansatzmöglichkeiten aufgezeigt worden. Das eine ist der Befreiungstatbestand, den der Gesetzgeber in sein Gesetz hineinnehmen kann, und die zweite Möglichkeit ist die, dass wir den Anwendungsbereich dieser BFH-Entscheidung begrenzen. Auch hier ist der Bundestag gefordert.

Das wären zwei Möglichkeiten, um das zu verhindern, was hier droht, meine Damen und Herren. Da können wir uns zehnmal dahinter verstecken, dass es vom europäischen Recht und von europäischen Gesichtspunkten ausgeht, aber an der Basis ist es wohl nicht zu verantworten. Es führt zu höheren Belastungen beim Bürger, es führt zu höheren Belastungen für unsere Kommunen.

Stellen Sie sich das einmal vor: Die gesamte interkommunale Zusammenarbeit, wenn es um Investitionsgüter geht, wenn es um Mehrzweckhallen geht, wird infrage gestellt, weil überall diese Mehrwertsteuer erhoben werden muss. Das wollen wir nicht, noch dazu unter dem Gesichtspunkt, dass der Gesetzgeber den Kommunen verpflichtend auferlegt, für jedes Kind ab Vollendung des ersten Lebensjahres einen Krippenplatz und ab Vollendung des dritten Lebensjahres einen Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen. Wenn das für die Kommunen eine Pflichtaufgabe ist, dann kann man nicht argumentieren, dass auch ein Privater diese Aufgabe erfüllen könne. Das, meine Damen und Herren, tut er vielleicht in München, aber niemals im ländlichen Raum.

Deshalb sind wir vehement dagegen, dass diese Mehrwertsteuer hier durchschlägt. Wir unterstützen diesen Antrag − wir haben selbst schon einen ähnlichen Antrag gestellt -, weil wir glauben, dass der Bundesgesetzgeber die Möglichkeiten hat, das zu unter

binden. Deshalb muss konsequenterweise von der Bayerischen Staatsregierung hier über den Bundesrat eingegriffen werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Hanisch. Für das BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN spricht Frau Kamm. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wenden uns klar gegen die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand. Wir möchten die Staatsregierung bitten, dies auch zu tun. Wie Herr Kollege Hanisch beschrieben hat, haben wir die Situation, dass wir der Bürokratie Tür und Tor öffnen, wenn erst einmal Kommunen, die ihre kommunalen Gebäude an Vereine vermieten, Mehrwertsteuer erheben müssen, und wenn die interkommunale Zusammenarbeit letztlich mit der Mehrwertsteuerpflicht belastet wird. Städte und Gemeinden müssten ihr gesamtes Leistungsspektrum und sämtliche Vertragsbeziehungen überprüfen sowie eine Vielzahl von Verträgen ändern. Letztlich käme überhaupt nichts dabei heraus, kein Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger ist in Sicht.

Zur interkommunalen Zusammenarbeit ist noch zu sagen, dass der Freistaat Bayern den Kommunen empfiehlt, sich stärker auf interkommunale Zusammenarbeit zu konzentrieren. Die demografische Entwicklung zwingt viele Kommunen auch dazu, besser zusammenzuarbeiten, um die kommunalen Leistungen möglichst günstig zu erbringen. Da kann es nicht sein, dass man die interkommunale Zusammenarbeit erschwert und die Kommunen dann nicht einmal die Unterstützung der Staatsregierung erfahren, um zu helfen, diese Überlegungen quasi zu beenden und eine gute Lösung für die Kommunen zu finden. Das kann doch wirklich nicht wahr sein, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf des Abgeordneten Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU))

- Wieso? Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie diesen Antrag ablehnen wollen. Das heißt, Sie haben gesagt, dass Sie die Bitte der Kommunen, sie von der Umsatzsteuerpflicht zu befreien, nicht unterstützen wollen. Das haben Sie doch gerade gesagt. Sie können natürlich sehr gern diesem Antrag zustimmen. Dann würde ich diese Behauptung sofort zurücknehmen und Sie loben. Aber momentan kann ich das nicht, wenn Sie dem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN − Zuruf des Abgeord- neten Alexander König (CSU))

- Was heißt hier bindendes EU-Recht, Herr Kollege? Vielleicht sollten Sie sich zunächst um den Sachverhalt kümmern. Es gab ein Gerichtsurteil, das im Übrigen erst im Herbst dieses Jahres schriftlich veröffentlicht werden wird. Man kann es also in dieser Form heute noch nicht auswerten, und es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Organisationen und auch einige Länderfinanzminister, die zumindest erwirkt haben, dass bis zum Jahr 2014 Bestandsschutz für die Kommunen herrscht. Sie sehen also, es wurde bereits gehandelt. Man könnte mehr tun. Denn es ist nicht so, dass es hier nur ein bindendes EU-Recht gäbe, sondern es gibt auch ein zu klärendes EU-Recht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Kollegin. Für die FDP hat nun Kollege Barfuß das Wort. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesfinanzhof entschied am 19. September 2012, dass der Betrieb kommunaler Kindertagesstätten dem Grunde nach − ich betone: dem Grunde nach − körperschaftsteuerpflichtig ist. Ich habe mir ähnlich wie mein Kollege Dr. Wengert angesehen − so wie er beim CDU-Minister nachgeschaut hat, habe ich beim SPD-Minister nachgeschaut −, was dazu geltend gemacht worden ist.

Frau Präsidentin, ich zitiere jetzt mit Ihrer Genehmigung den Finanzminister des Landes Brandenburg, Herrn Dr. Helmuth Markov. Die Parteizugehörigkeit dürfte bekannt sein. Er sagt:

Die strenge Steuerpflichtthematik, die der Bundesfinanzhof jetzt angewandt hat, werden wir wohl akzeptieren müssen.

Das ist zunächst ein rein pragmatisches Verhalten. Er fügt hinzu:

Das heißt aber nicht, dass auch Steuern anfallen werden.

(Zuruf von der SPD)

Herr Kollege, Sie haben offensichtlich die gleiche Seite aufgeschlagen wie ich. Ich sage als ehemaliger Bürgermeister genau wie du, lieber Paul: Unsere Kindergärten sind Lichtjahre davon entfernt, kostendeckend zu arbeiten. Im Gegenteil, wir müssen aus der Stadtkasse regelmäßig zuschießen.

Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten. Bezüglich der Mehrwertsteuer frage ich alle ehemaligen Bürgermeister hier im Hohen Hause, ob wir nicht bereits Ge

sellschaften begründet haben, damit wir die Vorsteuer abziehen dürfen. Wir haben sehr wohl gesehen, dass wir mehrwertsteuerpflichtig sind.

(Christine Kamm (GRÜNE): Sie haben aber keine Kindergärten gegründet und die Mehrwertsteuer zugegeben! - Volkmar Halbleib (SPD): So ist es!)

Das hat doch damit nichts zu tun, Frau Kollegin, darauf komme ich gleich noch zurück.

Ich habe davon gesprochen, dass wir gesellschaftliche Gründe haben. Das heißt, wir gehen nach einem unglaublichen Opportunitätsprinzip vor. Wo es uns gefällt, sagen wir, lieber Bund, da wollen wir gern mehrwertsteuerpflichtig sein, und wo es uns nicht gefällt, wollen wir es nicht sein.

Nun hat der Bundesfinanzhof aber etwas ganz anderes entschieden. Ich zitiere ihn hier nicht ganz ohne Logik, denn er hat auf den sonst von Ihnen so sehr hoch geschätzten Gleichheitsgrundsatz abgehoben und gefolgert:

Das Betreiben von Kitas ist nicht der öffentlichen Hand eigentümlich und vorbehalten. Die kommunalen Kitas stehen in einem Anbieter- und Nachfragewettbewerb mit den privaten Trägern. Von daher gibt es keinen Grund, die kommunalen Träger steuerlich zu bevorzugen.

Was sagt nun der Deutsche Städtetag dazu? Ich zitiere den mir bekannten Stefan Articus, den du genauso kennst, lieber Paul. Er sagt:

Das Urteil des Finanzhofes bestätigt die gängige Verwaltungspraxis. Sprich: Es fallen keine Steuern an.

Also, meine lieben Freunde, solange das so ist, dürfen wir die Leute nicht verwirren, sondern wir müssen aufpassen, dass wir insgesamt keine Mehrwertsteuer bekommen. Das ist richtig.

(Volkmar Halbleib (SPD): Dazu sollte unser Antrag dienen!)

Aber wir müssen uns dann auch entscheiden. Wenn wir sie nie wollen, Herr Kollege Halbleib, können wir nicht so schizophren sein zu sagen, wenn sie uns passt, wollen wir sie, und wenn sie uns nicht passt, dann wollen wir sie nicht.

(Volkmar Halbleib (SPD): Bei der Körperschaftsteuer sind das zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte!)

Herr Kollege, die Körperschaftsteuer fällt nur dem Grunde nach an. Nennen Sie mir doch einen Kinder

garten in kommunaler Hand, der Gewinn macht. Nur dann, wenn er Gewinn macht, fällt auch die Steuer an.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie wissen, dass allgemeine Beistandsleistungen mehrwertsteuerpflichtig sind!)

Machen Sie doch die Leute hier nicht irre. Mit anderen Worten: Ihr Antrag ist entbehrlich und in der Sache abzulehnen.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Alexander König (CSU): Das ist richtig!)

Danke, Herr Professor Barfuß. Für die Staatsregierung hat sich Herr Staatssekretär Pschierer zu Wort gemeldet. Bitte sehr.