Protocol of the Session on November 6, 2012

(Lachen bei der CSU)

Es geht genau darum, Unrecht auch Unrecht zu nennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will das in dem für mich zumindest teilweise unlogischen Beitrag vom Kollegen Pohl jetzt nicht auseinanderziehen.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Weil er Ihnen nicht ins Konzept passt!)

Es ist aber tatsächlich so: Es ist Unrecht gewesen und es muss als Unrecht benannt werden, als nichts anderes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde es unglaublich, dass eine Partei, die sich Partei der Bürgerrechtler und Bürgerrechtlerinnen nennt, diesem Antrag nicht zustimmt. Ich glaube und hoffe, wir sind uns alle einig, dass das, was der § 175 besagt hat, Unrecht war und nichts anderes, dass es Unrecht war, sexuelle Handlungen zwischen Männern als gesetzwidrig abzustempeln. In Deutschland hat der § 175 des Strafgesetzbuchs seit 1872 jede Art der erotischen Begegnung zwischen zwei Männern mit Strafe belegt. Nach einer Lockerung in den 1920erJahren wurde er 1935 verschärft, und diese verschärfte Form galt dann in der Bundesrepublik bis 1969. Der gesamte Paragraph ist erst 1994 vollständig abgeschafft worden, also vor 18 Jahren. Das müssen wir uns einmal vorstellen. Tatsächlich ist erst vor 18 Jahren gesagt worden: Es ist nicht Unrecht, wenn Männer miteinander schlafen, wenn Männer miteinander Sex haben. Es leben immer noch Männer, die wegen dieses Paragraphen verhaftet wurden. Diesen Männern muss jetzt endlich Recht geschehen; sie müssen Rehabilitierung erfahren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darum geht es, um nicht mehr und nicht weniger. Es geht nur darum, dass diese Männer rehabilitiert werden. Ein demokratischer Rechtsstaat beweist seine Stärke eben dadurch, dass er Fehler der Vergangenheit in Gesetzgebung und Rechtsprechung korrigiert und den Opfern seiner Irrtümer Recht widerfahren lässt. Es bleibt ein Skandal, dass in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin Männer mit dem Stigma leben müssen, vorbestraft zu sein, weil sie schwul sind. Nur weil sie schwul sind, gelten sie als vorbestraft.

Nun ist es genau zu der Bundesratsinitiative gekommen, die auch angenommen wurde. Auf Antrag der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg und NordrheinWestfalen ist die Bundesregierung aufgefordert worden, Urteile und Entschädigungen ernsthaft zu prüfen. Das gibt Hoffnung für die Männer, die zu Unrecht verurteilt wurden. Es fehlt ein Signal aus diesem Landtag, dass dies Unrecht war. Wir müssen auch hier einen Beschluss fassen, der ausdrückt, dass § 175 Unrecht war, nichts anderes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Andere Landtage haben das hinbekommen, und zwar einstimmig. Ich nenne Sachsen-Anhalt und Hessen.

Dort gibt es auch eine schwarz-gelbe Regierung, liebe Kollegen und Kolleginnen von den Schwarz-Gelben.

(Zuruf von der CSU: Gott sei Dank!)

Auch Berlin hat es einstimmig hinbekommen zu sagen: Das ist Unrecht. Dort wurde im Landtag ein entsprechender Beschluss einstimmig verabschiedet. Berlin und Hamburg haben hierzu einstimmige Beschlüsse gefasst. Deswegen geht es darum, heute in diesem Landtag ein Signal zu setzen, auch wenn das Thema im Bundesrat sozusagen schon durch ist, und tatsächlich zu sagen: Wir wollen das als Unrecht bezeichnen, statt, liebe Kollegen und Kolleginnen von der FDP, nur schöne Reden bei CSDs zu schwingen. Unrecht muss auch als Unrecht bezeichnet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Kollege Dr. Andreas Fischer von der FDPFraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist gar keine Frage: § 175 und § 175 a des Strafgesetzbuches, die einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt haben, sind weder mit unserem Menschenbild noch mit unserer Werteordnung in irgendeiner Form vereinbar. Es ist gut, dass die Strafbarkeit homosexueller Handlungen erwachsener Menschen 1969 aufgehoben wurde und dass 1994 auch die unterschiedlichen Schutzaltersgrenzen beseitigt wurden. Trotzdem stellt sich die Frage, wie man mit den Menschen verfährt, die in der Nachkriegszeit Opfer der Justiz geworden sind. Als Jurist lernt man, dass man Gleiches gleich, aber Ungleiches ungleich behandelt. Deswegen stellt sich schon die Frage, ob es ein Wertungswiderspruch ist, wenn diejenigen, die unter dem Nationalsozialismus verurteilt wurden, rehabilitiert werden, während die, die in der Bundesrepublik Deutschland verurteilt worden sind, nicht rehabilitiert werden. Ich warne davor, die beiden Fälle einander gleichzusetzen.

Man kann nicht die Rechtsprechung einer totalitären Gewaltherrschaft und die der jungen Bundesrepublik in einem Atemzug nennen. Das passt nicht. Es passt nicht einmal dann, wenn die den Urteilen zugrunde liegenden Vorschriften dieselben waren. Man kann das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit nicht mit demjenigen der Diktatur vergleichen. Wer dies tut, verharmlost Diktatur und Gewaltherrschaft. Man muss sich auch fragen, ob Vorgänge von damals durch die Brille von heute betrachtet werden können. Natürlich galten zwischen 1945 und 1969 andere Werte, weshalb Vorfälle unter Strafe gestellt wurden, die heute kein Mensch mehr für strafwürdig hält, die nach keinem Gesetz mehr an

geklagt werden. Kuppelei und Ehebruch sind angesprochen worden. Ich erinnere aber auch an die körperliche Bestrafung von Kindern. Für uns sind solche Strafen heute unvorstellbar, in der Nachkriegszeit wurden sie aber sogar in den Schulen vollzogen.

Deshalb meine ich, dass man die Vergangenheit nicht durch die Brille von heute betrachten sollte. Deswegen werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Staatsregierung darf ich nun das Wort an Frau Dr. Beate Merk weiterreichen.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Vieles, was heute in der Debatte gesagt worden ist, ist absolut richtig. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik haben deutsche Gerichte Tausende Männer für etwas bestraft, was heute für uns alle selbstverständlich ist. Sie wurden dafür bestraft, dass sie ihre Homosexualität gelebt haben. 1969 wurde der zentrale Tatbestand des Strafgesetzbuchs aufgehoben. Endgültig beseitigt - wir haben es heute schon gehört - wurden Sondervorschriften für Homosexuelle im Strafrecht sogar erst 1994. Es ist keine Frage, diese Verurteilungen widersprechen unserem heutigen Rechtsverständnis. Mehr noch: Wir blicken beschämt auf diese Urteile zurück. Wir können kaum glauben, dass Homosexualität in unserem Land so lang als kriminelles Unrecht angesehen werden konnte. Den grundsätzlichen Wunsch nach Rehabilitation kann ich daher sehr gut verstehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muss aber auch sehen, dass diesem Wunsch bereits, soweit es ging, entsprochen worden ist. Der Deutsche Bundestag hat - das wurde bereits gesagt - im Jahr 2000 einstimmig und in aller Deutlichkeit die Fortgeltung der Straftatbestände nach 1945 bedauert. Er hat ausdrücklich anerkannt, dass homosexuelle Bürger hierdurch in ihrer Menschenwürde verletzt worden sind. Daher stellt sich die Frage, was mit dem heutigen Antrag noch erreicht werden soll. Die Antragsteller sagen es nur indirekt, indem sie auf die parallele Bundesratsinitiative Berlins verweisen. Herr Schindler, dort steht im Klartext, dass die formelle Aufhebung der einschlägigen Strafurteile sowie eine daraus resultierende Entschädigung von der Bundesregierung ernsthaft zu prüfen sind. Es geht also doch um die Aufhebung von Urteilen. Dazu haben die Kolleginnen und Kollegen mit sehr viel Anstrengung schon versucht, deutlich zu machen, was Sache ist. Wir können gerichtliche Urteile nicht aufheben. Genauso wenig konnte es auch der Deutsche Bundestag. Der Deut

sche Bundestag hat 2009 entsprechende Anträge der GRÜNEN und der Linkspartei abgelehnt, und dies auch mit den Stimmen der SPD, Herr Schindler. Der Grund dafür war, dass unser Grundgesetz und das Gewaltenteilungsprinzip dem widersprechen.

Ich möchte noch einmal auf den Beschluss hinweisen, den das Bundesverfassungsgericht 2006 getroffen hat. In diesem Beschluss ging es um die Legitimität der Aufhebung nationalsozialistischer Urteile. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss betont, dass die Generalkassation formell bestehender Strafurteile durch den Gesetzgeber in einem Rechtsstaat nur dann möglich ist, wenn besondere Rechtfertigungsgründe dafür bestehen. Eine Generalkassation verstößt dann nicht gegen das Gewaltenteilungsprinzip und das Rechtsstaatsgebot, wenn die Urteile zur Förderung eines Unrechtsregimes gegen den elementaren Grundgedanken der Gerechtigkeit verstießen oder wenn sie auf Bestimmungen beruhten, die gravierendes Unrecht verkörperten und daher offenbares Unrecht darstellten. Unter diesen Voraussetzungen können Urteile kassiert werden. Urteile, die von Institutionen gefällt wurden, die wie zum Beispiel der Volksgerichtshof zwar als Gerichte bezeichnet wurden, die aber aufgrund ihrer Stellung und ihrer Aufgabe keine Organe einer unabhängigen Recht sprechenden Gewalt waren, werden nicht als richterliche Entscheidungen gewertet, sagt das Bundesverfassungsgericht.

Diese Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, sind nicht erfüllt. Die Gerichte der Bundesrepublik haben Recht umgesetzt, auch wenn wir dieses Recht aus unserer heutigen Sicht als nicht in Ordnung empfinden. Vielleicht hätten wir es auch aus damaliger Sicht als nicht in Ordnung empfunden. Die Gerichte haben aber Recht angewandt, das der demokratisch gewählte Deutsche Bundestag bewusst in Geltung gelassen hat und dessen Gültigkeit das Bundesverfassungsgericht selbst bekräftigt hat.

Wir halten die damaligen Gesetze für falsch. Wir halten auch die darauf beruhenden damaligen Urteile für falsch. Wir können aber den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland nicht unterstellen, dass sie bis 1969 Teil eines Unrechtsregimes gewesen sind. Wir können ihnen nicht unterstellen, dass sie die Bezeichnung Justiz nicht verdient haben. Ich darf den SPDBundestagsabgeordneten Dr. Dressel zitieren, der in der Bundestagsdebatte am 21. Januar 2009 Folgendes ausgeführt hat:

Es ist weder Aufgabe des Deutschen Bundestages noch Aufgabe der Bundesregierung, Urteile aufzuheben. Und das ist gut so. Wir sind keine

Superrevisionsinstanz. Zum Glück haben wir unabhängige Gerichte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das Gleiche gilt für den Bayerischen Landtag. Das Gleiche gilt für die Bayerische Staatsregierung. Deswegen können wir dem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wie schon verkündet wurde, wurde eine Abstimmung in namentlicher Form beantragt. Die Urnen stehen an den üblichen Stellen, an den Ausgängen und hier vorne. Ich eröffne die Abstimmung. Fünf Minuten sind dafür vorgesehen. Bitte werfen Sie Ihre Stimmkarten ein.

(Namentliche Abstimmung von 15.09 bis 15.14 Uhr)

Ich schließe die Abstimmung. Wir stellen das Ergebnis, wie üblich, außerhalb des Plenarsaales fest und geben es Ihnen so schnell wie möglich bekannt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Kathrin Sonnenholzner, Sabine Dittmar u. a. und Fraktion (SPD) Beitritt des Freistaats Bayern zum Netzwerk gentechnikfreier Regionen in Europa (Drs. 16/12788)

Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass die SPD-Fraktion hierzu namentliche Abstimmung beantragt hat.

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Natascha Kohnen für die SPD-Fraktion, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir möchten mit Ihnen heute noch einmal über das Thema "grüne Gentechnik" diskutieren. Abgesehen von der FDP sind wir uns hier im Hohen Hause in der Ablehnung der grünen Gentechnik im Freiland einig. Das ist gut so. Zweifel und offene Fragen bleiben bei der ablehnenden Haltung der CSU in einem Punkt. Sie wollen dem Netzwerk gentechnikfreier Regionen in Europa nicht beitreten. Warum? - Sie begründen das mit dem

Argument, Bayern sei zwar gentechnikanbaufrei, aber nicht gentechnikfrei.

(Dr. Otto Bertermann (FDP): So ist es!)

So wurde das zumindest kürzlich von Herrn Pachner im Ausschuss vorgetragen. Herr Pachner, natürlich ist Bayern nicht gentechnikfrei; sonst müssten unzählige Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler ihre Arbeit im Labor einstellen; denn dort findet Gentechnikarbeit statt. Eine Anmerkung richte ich an die FDP. Sie sehen daran, dass wir nicht forschungsfeindlich sind. Ich selbst komme aus der Gentechnikforschung.

Wir reden jetzt aber nicht vom Labor, sondern vom Ackerbau; denn die Charta der gentechnikfreien Regionen Europas beinhaltet die Ablehnung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen in den Regionen, die dieser Charta beitreten. Sie als CSU in Bayern lehnen das ab, machen aber in Bayern etwas Gegensätzliches. So wurde der Landkreis München, mein eigener Stimmkreis, neben 29 anderen bayerischen Kommunen mit dem Logo "Gentechnikanbaufreie Kommune" ausgezeichnet, und zwar von niemand anderem als von Umweltminister Huber selbst. Ich frage Sie ganz offen: Wie geht das denn? 200 Kommunen in Bayern sind gentechnikanbaufrei. Im Freistaat Bayern geht das, in Europa soll das nicht gehen. Herr Pachner, entweder Sie klären das auf, oder ich gehe davon aus, dass die CSU eine gespaltene Persönlichkeit hat, oder - das liegt nach diesem Wochenende nahe - es handelt sich um einen Kuhhandel mit der FDP, die dem Ganzen nicht zustimmen möchte.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Clau- dia Stamm (GRÜNE))

Herr Pachner, kann es sein, dass hinter Ihrer Ablehnung der gentechnikfreien Regionen Europas das steckt, was Ihre Jugendorganisation, die JU, in ihrem Positionspapier "Landwirtschaft - eine Branche mit Zukunft" wie folgt beschreibt - ich zitiere: "Um am Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein, müssen die bürokratischen Hürden bei der Zulassung gentechnikveränderter Pflanzen zurückgefahren werden". Herr Pachner, jetzt bin ich höchst gespannt. Es wäre schön, wenn Sie sich zu dem, was Sie im Freistaat machen, auch in Europa bekennen würden, FDP hin oder her.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die CSU-Fraktion erteile ich das Wort nun Herrn Kollegen Pachner.

(Harald Güller (SPD): Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit!)