Protocol of the Session on February 4, 2009

erörtern. Das ist eine Sache, die die Kollegen mit ihrem Gewissen vereinbaren müssen.

(Beifall bei den Freien Wählern, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Streibl. Das Wort erhält jetzt der Herr Innenminister Herrmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir waren uns einig, wir sind uns offensichtlich immer noch einig, dass Guantánamo nach unserem Menschenrechtsverständnis eine indiskutable Einrichtung ist. Ich denke, wir sollten zunächst einmal nach wie vor feststellen, dass wir gemeinsam froh darüber sind, dass die neue amerikanische Regierung die Einrichtung schließen will, weil sie in der Tat zu dem, was uns in der westlichen Wertegesellschaft, auch in der NATO, mit unseren Aliierten verbindet, nicht passt. Es ist höchste Zeit, dass Guantánamo geschlossen wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Zweitens. Natürlich ist aber auch klar, dass Guantánamo nicht eine Einrichtung nur zur Inhaftierung von Unschuldslämmern ist. Vielmehr ist, denke ich, auch unbestreitbar - ich hoffe, dass wir uns auch darin einig sind -, dass in Guantánamo im Moment eine Vielzahl von Leuten festgehalten wird, die unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt waren oder dessen verdächtig sind. Das heißt trotzdem, dass sie nach unserem Verständnis Anspruch auf ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren haben und dass sie nicht ohne richterlichen Beschluss festgehalten werden können. Klar ist aber auch, dass eine ganze Menge an Leuten davon höchst gefährlich ist.

(Beifall bei der CSU - Franz Maget (SPD): Allgemeinplätze!)

Das sage ich auch vor dem Hintergrund, dass die USA in den letzten zwei Jahren bereits ein paar Gefangene freigelassen haben, nachdem sie sie für unschuldig erklärt haben. Inzwischen wissen wir aber, dass einige dieser Freigelassenen - nicht alle - wieder bei al-Qaida terroristischen Aktivitäten nachgehen. Das ist auch Realität. Deshalb sage ich ganz klar:

(Franz Maget (SPD): Was denn?)

Wenn jemand die Prüfung einzelner Fälle für unzumutbar hält, dann ist das grober Unfug. Natürlich muss jeder einzelne Fall untersucht werden.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Franz Maget (SPD): Wer sagt das?)

- Frau Bause hat vorhin erklärt, es sei unzumutbar, die Leute einer nochmaligen Einzelfallprüfung zu unterziehen.

(Widerspruch der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE) - Franz Maget (SPD): Sie hat das Gegenteil gesagt!)

- Frau Bause, dann habe ich Sie vorhin falsch verstanden. Es tut mir leid, vielleicht habe ich es vorhin bei der ständigen Unruhe falsch verstanden.

Es ist umso erfreulicher, wenn wir uns einig sind, dass wir jeden einzelnen Fall sorgfältig überprüfen müssen. Es freut mich auch, wenn die Opposition so viel mehr weiß als ich. Nach den Anträgen im Münchner Stadtrat und hier im Landtag wissen einige aber offenbar schon ganz genau, wer unschuldig ist. Sie scheinen es schon zu wissen, bevor eine solche Überprüfung stattgefunden hat. Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Sie hatten offensichtlich die Überprüfung schon durchgeführt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Seien Sie einmal nicht so garstig zu Seppi Schmid! - Franz Maget (SPD): Seppi Schmid sagt: Aufnehmen!)

Ich diskutiere mit Ihnen hier im Landtag und entnehme Ihren Beiträgen, dass Sie die Einzelfallprüfung offenbar schon durchgeführt haben und wissen, wer unschuldig ist. So ist doch Ihr Antrag zu verstehen. So ist doch das zu verstehen, was Sie am letzten Donnerstag erzählt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so kann ich als Innenminister die Verantwortung für die Sicherheit der Menschen in Bayern nicht wahrnehmen. Den Menschen in Bayern bin ich zunächst verpflichtet. Wir sind der Sicherheit der Menschen in Bayern verpflichtet, selbstverständlich auch den Menschenrechten weltweit, und dafür setzen wir uns auch ein.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das möchte ich einmal sehen!)

Meine Damen und Herren, völlig klar ist doch, dass die Verantwortung für die Menschen in Guantánamo vorrangig bei den Vereinigten Staaten von Amerika liegt. Wenn dieses Thema in den Landtag gebracht wird, muss dies heute auch eindeutig festgestellt werden. Ich sehe da überhaupt keinen Dissens zwischen den Koalititionspartnern. Ich habe in der vorletzten Woche "Die Zeit" gelesen. Dort hieß es:

FDP-Chef Guido Westerwelle ist ebenso wie Schäuble gegen eine deutsche Zusage zur Aufnahme von entlassenen Guantánamo-Häftlingen.

Wörtlich heißt es - Zitat:

Die USA sind verantwortlich für die Folgen ihres menschenrechtswidrigen Verhaltens, sagte er. Die entlassenen Häftlinge müssten in ihre Heimatländer geschickt werden. Wo das aus rechtsstaatlichen Gründen nicht möglich sei, müssten die USA einen sicheren Aufenthalt ermöglichen, sagte Westerwelle.

(Beifall bei der CSU)

So ist die Situation.

(Markus Rinderspacher (SPD): Frau LeutheusserSchnarrenberger ist Ihnen wohl wurscht!)

Der Kollege Dr. Hoyer, früher Staatsminister im Auswärtigen Amt, hat am Freitag im Deutschen Bundestag wörtlich erklärt:

Zur Zurückgewinnung der Glaubwürdigkeit gehört, dass die USA selbst die Verantwortung für das Unrecht übernehmen, das sie den Insassen von Guantánamo Bay angetan haben. Sie müssen und wollen zeigen, dass sie zu einer Kurskorrektur in der Lage sind, dass sie Fehler eingestehen können und hierfür die Verantwortung übernehmen. Ich finde übrigens: Das, was wir von der Entwicklung der letzten zwölf Monate in den Vereinigten Staaten lernen können, ist die Fähigkeit unserer amerikanischen Freunde zur Selbstkorrektur und zur Wiederbesinnung auf die besten amerikanischen Tugenden und Traditionen.

Das schließt die Möglichkeit eines Aufenthalts der entlassenen Gefangenen in den Vereinigten Staaten und entsprechende Entschädigungen ein. Verantwortung abzuwälzen wäre nur ein Teilerfolg. Das entspricht nicht dem Geist, in dem Präsident Obama seine Präsidentschaft begonnen hat. Deswegen finde ich eine pauschale Angebotspolitik oder eine Übernahmeangebotsüberbietungspolitik daneben.

Für uns Liberale ist klar: Die Vereinigten Staaten sind hier selber in der Pflicht.

So Dr. Hoyer am vergangenen Freitag im Deutschen Bundestag. Ich kann nur sagen: Das ist in der Tat völlig richtig. Das muss auch die Grundlage unserer weiteren Arbeit sein.

Klar ist, dass es Häftlinge gibt, die gefährlich sind. Ich unterstelle, dass wir uns im Hohen Haus darüber einig sind, dass Leute, die gefährlich sind, nicht in unser Land einreisen dürfen. Darin besteht ein Grundkonsens.

Auf der anderen Seite gibt es Leute, die unschuldig sind, oder auch solche, bei denen die Schuld oder Unschuld nach wie vor nicht geklärt ist.

Ich habe es zuvor schon angesprochen. Die USA haben selbst schon die Erfahrung gemacht, dass sie Leute freigelassen haben, die sie für ungefährlich gehalten haben, die sich aber jetzt wieder bei al-Qaida tummeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen, die sich aus sicherlich guten Gewissensgründen sehr deutlich positioniert haben, folgendes sagen: Wenn die amerikanische Regierung bei dem einen oder anderen in Guantánamo tatsächlich davon überzeugt ist, dass er unschuldig und ungefährlich ist, frage ich mich, was den neu ernannten amerikanischen Verteidigungsminister und den neu ernannten amerikanischen Justizminister daran hindert, diese Menschen noch heute Abend aufs Festland der USA zu fliegen und sie freizulassen. Können Sie mir erklären, warum die amerikanische Regierung jemand, der völlig unschuldig ist, nicht noch heute in den USA auf freien Fuß setzt?

(Beifall bei der CSU - Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Vielleicht wollen die gar nicht dorthin!)

Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass man eine Reihe von Leuten nicht in ihr Heimatland schicken kann. Darin sind wir uns völlig einig. Erklären Sie mir aber einmal, warum es den Amerikanern nicht möglich ist, jemand, den sie für völlig unschuldig und ungefährlich halten, heute noch in Amerika auf freien Fuß zu lassen. Das ist doch die Realität, meine Damen und Herren. Die Amerikaner sehen sich nicht dazu in der Lage, die Gefangenen in den USA auf freien Fuß zu setzen. Sie wissen aber ganz genau, wen wir sofort morgen in Bayern einreisen lassen können. Merken Sie nicht, wie absurd das ist, was Sie hier erzählen?

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön!

(vom Redner nicht autori- siert) Herr Staatsminister Herrmann, eine Frage: Können Sie sich für den Fall, dass Sie unschuldig und ungefährlich sind, aber menschenrechtswidrig in einem fremden Land über Jahre hinweg festgehalten und möglicherweise gefoltert worden sind, vorstellen, dass Ihnen der Sinn nach nichts anderem steht, als in diesem Land Ihre Zukunft verbringen zu wollen? Können Sie sich das vorstellen?

(Zurufe von der CSU - Josef Miller (CSU): Der Steinmeier war ganz begeistert!)

Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Können Sie sich auch vorstellen, dass selbst Menschen, die nicht den Rest ihres Lebens in den USA verbringen wollen, trotzdem dankbar wären für jeden Tag, den sie früher in Freiheit verbringen könnten, und dass sie es nicht ablehnen würden, wenn sie noch heute abend in Florida oder in Arizona auf freien Fuß gesetzt würden? Darin stimmen Sie mir doch sicher auch zu. Reden wir doch ganz nüchtern darüber.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Bause, Sie haben die große Gemeinde von Uiguren in Bayern, vor allem hier im Großraum München, angesprochen. Sie waren sich nicht zu schade, sich innerhalb von drei Minuten selbst diametral zu widersprechen. Allem, was Sie über die uigurische Gemeinde gesagt haben, stimme ich völlig zu. Das ist doch der beste Beweis dafür, wie weltoffen und tolerant Bayern seit vielen Jahren ist. Die Uiguren sind doch nicht von ungefähr nach Bayern gekommen. Sie fühlen sich hier wohl und fühlen sich auch von uns gut behandelt.

(Beifall bei der CSU)

Das ist die Realität. Das haben wir bewiesen, und das widerspricht allen ihren törichten Erzählungen über die Ausländerpolitik des Freistaates Bayern. Menschen, die unschuldig verfolgt werden und die wegen politischer Verfolgung nicht mehr in ihrer Heimat leben können, haben wir Aufnahme gewährt. Das werden wir auch in Zukunft in vergleichbaren Fällen tun. Sie haben selbst bestätigt, dass sich diese Menschen hier wohlfühlen. Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Uiguren wie hier in Bayern, und die Menschen fühlen sich wohl. Und lieber Herr Streibl, ich habe sonst ja großen Respekt, aber vielleicht merken Sie selbst an dem Beispiel, wie so manches danebenlag, was Sie zum Schluss mit großer Theatralik ausgeführt haben.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, gestern war der Bundesaußenminister bei der amerikanischen Außenministerin in Washington zu Gast. Das State Department hat auf die Homepage die wörtliche Wiedergabe der Äußerungen bei der anschließenden Pressekonferenz gestellt. In den ersten Statements haben sie gar nichts dazu gesagt. Bei den Nachfragen der Journalisten ist dann auch gefragt worden, ob Guantánamo auf der Agenda stand. Dann sagte Hillary Clinton unter anderem:

Its not timely for us to come to Germany or any country with any specific request yet.

Es ist nicht die Zeit für uns, auf Deutschland oder irgendein anderes Land mit einer spezifischen Bitte zuzukommen.

(Zuruf von der CSU: Hört, hört!)