Protocol of the Session on February 4, 2009

Für uns steht außer Frage, dass die Verantwortung für die Unterbringung und die Überprüfung der Gefangenen in Guantánamo in einem rechtsstaatlichen Verfahren bei den USA liegt. Da liegt die Priorität. Ich sage auch, und das möchte ich nicht missverstanden wissen: Das ist eine Chance für die neue US-Regierung, einen rechtsstaatlichen Neuanfang zu machen. Dem sollten wir nicht entgegentreten.

(Beifall bei der CSU)

Diese Chance sollten wir der US-Regierung und Hillary Clinton, die ausdrücklich gesagt hat, dass kein Ersuchen gestellt wird, geben. Ich sehe für diesen Antrag keinerlei Rechtsgrundlage oder Notwendigkeit. Wir sind der Ansicht, dass wir uns dann, wenn wir ein entsprechendes Ersuchen vorliegen haben, vom Innenminister berichten lassen, damit wir entscheiden können. Deshalb werden wir unserem Antrag zustimmen und die Anträge der SPD und der GRÜNEN ablehnen.

Frau Bause, Sie stellen hier immer in den Raum, es gebe 17 uigurische Gefangene, gegen die nichts vorliege.

(Zuruf von den GRÜNEN: So ist es!)

Frau Kollegin Guttenberger, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Pohl?

Nein, ich möchte meine Rede jetzt zu Ende führen.

Sie sagen, das wären absolut unschuldige Damen und Herren. Herr Rinderspacher sagt, das muss man erst einmal überprüfen. Ich muss schon fragen: Was gilt denn jetzt? Wir müssen uns auch vor der Annahme hüten, es wären nur Damen und Herren - ausschließlich Herren - in dem Lager, die zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren. Es ist hier sicher von Unschuldigen und nicht Unschuldigen auszugehen, aber festzustellen, wer unschuldig ist und zu Unrecht festgehalten wird, ist Sache eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Wir werden unserem Antrag zustimmen, weil wir der Ansicht sind, in erster Linie sind die USA zuständig. Sollte es ein Ersuchen geben, wird es einen Bericht geben, und wir werden eine Entscheidung treffen. Damit ist das Thema von unserer Seite ausreichend diskutiert.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin, bitte bleiben Sie noch einen Moment am Rednerpult. Herr Kollege Pohl hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Sie haben das Wort, Herr Kollege.

Frau Guttenberger, ich bin der Meinung, dass es hier um das Schicksal von Menschen geht und nicht darum, dass wir die amerikanische Innen- oder Außenpolitik bewerten und von einem neuen Anfang sprechen. Das steht uns als Abgeordneten nicht zu.

Frau Guttenberger, bitte.

Herr Kollege Pohl, die Außenministerin der Vereinigten Staaten von Amerika hat deutlich gemacht, dass sie keine Anfrage an die Bundesrepublik Deutschland oder ein anderes Land in diesem Zusammenhang richten wird. Daraus schließe ich, dass sich die USA durchaus in der Lage sehen und auch willens sind, ihre Probleme selbst zu lösen.

(Bernhard Pohl (FW): Das war nicht Gegenstand meiner Zwischenbemerkung!)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Dr. Andreas Fischer für die FDP-Fraktion das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir hier erleben, ist in Wahrheit tatsächlich eine traurige Stunde des Parlaments.

Eine traurige Stunde des Parlaments aber deswegen, weil von beiden Seiten Parteipolitik gemacht wird und von beiden Seiten verhindert wird, dass wir eine Lösung in der Sache finden.

(Zurufe von der SPD)

Deshalb möchte ich damit beginnen, worin wir uns alle einig sind. Das sind drei Aspekte. Der erste Aspekt ist das Gefangenenlager in Guantánamo. Das Gefangenenlager war nicht nur mit unserem Verständnis von einem modernen Rechtsstaat nicht vereinbar; es war ein Schandfleck für die USA und für die gesamte westliche Wertegemeinschaft.

(Beifall bei der FDP)

Wir begrüßen deshalb die Absicht der neuen US-Regierung, dieses Lager aufzulösen. Es ist ein wichtiger Schritt für die USA, wieder in die Wertegemeinschaft zurückzukehren.

(Beifall bei der FDP)

Der zweite Aspekt besteht darin, dass die USA als das Land die Verantwortung für dieses Lager tragen, das es eingerichtet hat. Deshalb ist es - ich glaube, darin sind wir alle einig - zunächst Sache der USA, Sorge zu tragen, was mit den Menschen passiert, die unschuldig dort Zeit verbringen mussten und gefoltert wurden.

Zum dritten Aspekt habe ich ebenfalls allgemeinen Konsens festgestellt. Es geht darum, dass wir in Bayern kein Risiko für die innere Sicherheit eingehen und nur solche Menschen aufnehmen wollen, die unschuldig sind. Es geht nicht um al-Qaida-Kämpfer. Es geht um Menschen, die unschuldig in Lagern verbringen mussten, die gefoltert wurden. Da ist ein Symbol wichtig.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der SPD)

Das zeigt aber auch, worum es uns geht. Es geht uns um ein Symbol. Der ursprüngliche Antrag der SPD, der im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen behandelt wurde, sah vor, die Bayerische Staatsregierung aufzufordern, alle 17 uigurischen Gefangenen aufzunehmen und dies ohne internationale Lösung, quasi im Alleingang.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die Unschuldigen!)

Einem solchen Alleingang haben wir nicht zugestimmt. Wir halten ihn auch nicht für angemessen. Es ist nicht Sache Deutschlands und Bayerns, hier vorzupreschen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Deshalb haben wir Ihre Formulierung eingebracht!)

Es freut mich deshalb, dass die SPD auf meine Anregung hin zwei wesentliche Verbesserungen aufgenommen hat. Zum einen legt sich der SPD-Antrag nicht mehr auf eine bestimmte Zahl von Gefangenen fest, zum anderen betont er, dass die Lösung im Rahmen einer internationalen Lösung erfolgen muss. Das ist wesentlich mehr als eine bloße redaktionelle Änderung. Ich freue mich, dass die SPD ihre ursprüngliche Auffassung geändert hat.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Eben nicht parteipolitisch!)

Ich sage aber klar, die SPD hat nicht das Recht, sich als asylpolitisches Gewissen aufzuspielen. Ich erinnere an den Fall Kurnaz, wo die SPD verhindert hat, dass jemand nach Deutschland zurückkehren kann, obwohl es viel mehr Gründe gab, ihn in Deutschland aufzunehmen, weil er vorher in Deutschland gelebt hat.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, uns wird klar, worum es geht. Es geht um das Symbol, dass sich Bayern als Teil einer Wertegemeinschaft an einer Lösung beteiligt und bereit ist, Menschen zu helfen, die unschuldig Opfer geworden sind.

Herr Kollege, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Eine Zwischenintervention im Nachhinein gerne; eine Zwischenfrage nicht, weil die Zeit nicht reicht.

Wenn es darum geht, Menschen konkret zu helfen, werden wir uns unserer Verantwortung bewusst sein.

Der neue Antrag beinhaltet einige Änderungen. Er stellt im Gegensatz zum SPD-Antrag klar, dass die primäre Verantwortung bei den USA liegt. Das steht ausdrücklich drin. Er geht über den SPD-Antrag hinaus, weil er sich nicht auf uigurische Volkszugehörige beschränkt, sondern alle unschuldigen Personen mit umfasst.

(Franz Maget (SPD): Um Gottes willen!)

Und er stellt zum dritten klar - in diesem Punkt sind wir mit dem Koalitionspartner einig -, dass im Augenblick noch kein konkreter Anlass besteht. Ich sage aber auch ganz klar: Die Berichtspflicht ist weniger als ich mir persönlich gewünscht hätte. Die FDP hätte sich gewünscht, dass in einem solchen Antrag steht, dass dann, wenn die konkrete Anfrage gestellt wird, wir Menschen aufnehmen werden. Das ist die Position der FDP, an der wir nachdrücklich festhalten.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD - Zuruf des Abgeordneten Franz Maget (SPD))

Für uns ist es keine Frage, dass zu dem Zeitpunkt, wo das Thema tatsächlich aktuell wird - im Augenblick ist es noch nicht aktuell -, die FDP wissen wird, wo ihre Verantwortung für Menschlichkeit und Menschenrechte liegt.

(Beifall bei der FDP - Zurufe der Abgeordneten Ul- rike Gote (GRÜNE) und Markus Rinderspacher (SPD))

Die Leute kommen nicht einen Tag früher raus, weil wir einen Antrag beschließen. Da würden wir uns in die eigene Tasche lügen.

(Beifall bei der FDP - Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Warum haben Sie dann einen Änderungsantrag gemacht?)

Uns geht es darum, klarzumachen, dass wir für ein Symbol stehen. Das ist das Symbol, wenn die Anfrage gestellt wird, weiß die FDP-Fraktion, dass sie für die Menschenrechte einsteht. Den Antrag können wir mittragen, weil wir in der Koalition eine klare Linie vertreten werden, sobald es um eine konkrete Aufnahme geht.

(Beifall bei der FDP - Ulrike Gote (GRÜNE): Unglaublich! - Markus Rinderspacher (SPD): Sie können Ihren eigenen Antrag nicht mehr mittragen!)

Die FDP-Fraktion - darauf lege ich Wert - wird sich in Zukunft genau so wie heute für Menschlichkeit, für Menschenrechte und für Freiheit aussprechen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): In Zukunft! - Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Um mehr als ein Symbol geht es auch in Ihrem Antrag nicht.

(Beifall bei der FDP)