Protocol of the Session on July 18, 2012

(Beifall bei der CSU)

Bitte schön, Herr Kollege Hallitzky.

Sehr geehrter Kollege Graf von und zu Lerchenfeld, zur ersten Behauptung sage ich Nein. Das war die Frage, ob ich Ihnen genauso viel zutraue wie Herrn Kretschmann.

Zur zweiten Behauptung sage ich zum Teil Ja. Es waren die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmerinnen und Unternehmer Bayerns. Sie haben noch etwas gesagt; dem würde ich so nicht zustimmen.

(Zuruf von der CSU: Und die Arbeitgeber?)

- Die Unternehmerinnen und Unternehmer und die Bürgerinnen und Bürger. Dazu gehören eigentlich alle.

(Zurufe von der CSU: Und die CSUler?)

- Auch CSUler gehören dazu. Auch GRÜNE gehören dazu. Vielleicht können wir die semantischen Fragen hinterher im Privatgespräch klären.

(Oliver Jörg (CSU): Wollen Sie sich nicht entschuldigen?)

Drittens. Alle sagen, dass der Finanzausgleich reformiert werden muss. Ich werfe Ihnen nur vor, dass Sie klagen und kein Konzept haben. Sie behaupten, dass Sie verhandeln, haben aber kein Konzept. Über was denn, wenn Sie nicht wissen, was Sie wollen, abgesehen davon, dass Sie weniger zahlen wollen? Das ist kein Konzept.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben heute den Antrag gestellt, dass Sie Ihr Konzept vorlegen sollen. Das werden Sie ablehnen, weil Sie gar kein Konzept haben. Sie können nichts vorlegen. Es ist aber Ihre verdammte Pflicht, das zu erledigen.

(Unruhe)

Ich würde Sie bitten, bei Ihren eigenen Leuten, bei Herrn Söder oder bei wem auch immer, nachzubohren und zu erkunden, warum da nichts weitergeht.

Erlauben Sie mir noch die Anmerkung: Herr Präsident, ich nehmen den leisen Tadel gerne an. Ich habe aber das Wort "blöd" nur aus der Veröffentlichung von Herrn Söder zitiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD - Lebhafter Widerspruch bei der CSU - Oli- ver Jörg (CSU): Das lassen wir so nicht stehen!)

Nächster Redner ist Herr Kollege Halbleib. Ihm folgt Herr Kollege Pointner.

(Zurufe von der CSU - Unruhe)

Ich bitte um Aufmerksamkeit. Herr Kollege Halbleib, bitte schön.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller verbalen Kraftprotzerei an diesem Podium bei dem Thema ist schon erstaunlich, dass die CSU so nervös ist, was die Reaktionen während der Plenardebatte zeigen.

(Lachen bei der CSU)

Das verstehe ich auch gut; denn unstrittig ist doch, dass wir als Landtag - für die SPD-Fraktion gilt das seit 2008 - immer wieder, auch in Anträgen dokumentiert, eine Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs gefordert haben. Wir haben immer gesagt, dass wir Ausgleichsmechanismen mit dem Ziel der Reduzierung der bayerischen Belastungen brauchen und dass wir auch eine Korrektur von Fehlanreizen im Länderfinanzausgleich brauchen. Beim gegenwärtigen System sind sowohl Geber- als auch Nehmerländer mit falschen Anreizstrukturen konfrontiert. Es fehlen die Anreizstrukturen, um Steuereinnahmen vernünftig zu generieren.

(Beifall bei der SPD)

Es ist unstrittig und eine von uns immer wieder vorgetragene Forderung, dass diese Neuregelung in Angriff genommen werden muss.

Herr Graf von und zu Lerchenfeld, was Sie in drei Punkten hier vorgetragen haben, trifft Sie selbst am stärksten. Sie stellen mit der Klage doch Ihre eigene Regierungspolitik in Verantwortung der CSU in Frage. Wer trägt denn dafür die Verantwortung, dass der Länderfinanzausgleich so ist, wie wir ihn heute kritisieren und wie Sie ihn verfassungsgerichtlich angreifen wollen? - Die Verantwortung dafür trägt die CSU in diesem Hause und in ihrer Verantwortung im Bundesrat. Wenn Sie hier monieren, ist das eine Selbstanklage der CSU. Das ist eine Klage der CSU gegen die CSU wegen Selbstschädigung des Freistaates Bayern, nichts anderes.

(Widerspruch bei der CSU - Unruhe)

Es ist schon eine historisch einmalige Situation, dass der Ministerpräsident des Freistaates Bayern gegen ein Gesetz klagen will, das er in namentlicher Abstimmung im Bundestag selbst mit beschlossen hat.

(Georg Schmid (CSU): Neue Lage, neue Entscheidung!)

Sie können sich von Ihrer Verantwortung nicht lossprechen, indem Sie solche Schauspiele im Wahlkampfaktionismus darbieten. Das ist ein Desaster für Ihre eigene Politik. Sie waren es, die geschlafen haben und die bis zu dieser Stunde dem Bayerischen Landtag keine einzige Zeile eines Konzepts vorgelegt haben, wo und wie Sie den Länderfinanzausgleich korrigieren wollen. Diese Art und Weise des Umgangs mit diesem Thema ist nicht akzeptabel. Wenn hier jemand Pawlowsche Reflexe zeigt, dann sind Sie es: Sie legen kein Konzept vor und sagen immer wieder, wir müssen den Finanzausgleich korrigieren. Bitte

sagen Sie der Bevölkerung in Bayern, wo und wie Sie den Länderfinanzausgleich korrigieren wollen; dann können wir vernünftig darüber reden. Bisher haben Sie das nicht getan.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN - Georg Schmid (CSU): Wir wollen nicht mehr so viel zahlen! So einfach ist das!)

Herr Ministerpräsident, liebe Regierungsfraktionen der CSU und der FDP, warum haben Sie bisher kein Konzept vorgelegt? Diese Frage ist nicht beantwortet, und sie bleibt auch unbeantwortet.

Ich will jetzt auf einige Knackpunkte Ihrer Strategie des Umgangs mit diesem schwierigen Thema eingehen. Herr Ministerpräsident und sehr geehrte Staatsregierung, Sie haben den Landtag bis zu dieser Stunde nicht darüber informiert , welche Änderung Sie anstreben und aufgrund welchen Vorschlags - jetzt wird es ganz spannend - Sie welche Gespräche mit welchem Ergebnis mit den anderen Bundesländern geführt haben und welche Regelungen des Finanzausgleichs Sie ganz konkret mit welcher Begründung für verfassungswidrig halten. Keine Antwort von Ihnen! Sagen Sie uns, wie und mit welcher Begründung Sie die Erfolgsaussichten einer Verfassungsklage einschätzen und welches Risiko Sie bei einer abschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes für die Interessen Bayerns sehen. Welche Risiken sehen Sie, wenn vom Bundesverfassungsgericht zwar keine abschlägige Entscheidung, aber eine den Einfluss Bayerns schwächende Entscheidung kommt? Haben Sie diese Risiken abgewogen? Dem Hohen Hause haben Sie bis heute keine einzige Zeile zur Abschätzung dieser Risiken vorgelegt.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt muss man doch einmal fragen, warum Sie eine Verfassungsklage zum gegenwärtigen Zeitpunkt für zielführend halten, nachdem doch die jetzt von Ihnen angegriffene Regelung des Länderfinanzausgleichs gerade nach einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zustande kam. Mir erschließt sich diese Logik nicht. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, die Wahrnehmung bayerischer Interessen anders zu verstehen als Sie. Es ist keine Wahrnehmung bayerischer Interessen, wenn die Staatsregierung gegen eine Regelung klagt, die sie erstens selbst ausverhandelt, beschlossen und als gut für Bayern beschrieben hat, und wenn, zweitens, die gemeinsame Interessenwahrung der Geberländer durch die gegenwärtige Vorgehensweise der Staatsregierung gefährdet wird und wenn, drittens, durchsichtige parteipolitische und wahltaktische Manöver die Dis

kussionen und Entscheidungen über eine Verfassungsklage bestimmen. Die Staatsregierung hat doch stets betont - auch das halte ich für einen Fehler -. Bayern sei das reichste und beste Land und habe keinerlei offene landespolitische Baustellen. Das wird den Reformprozess und das Verständnis der anderen Länder dafür nicht wecken.

Abschließend stelle ich fest: So, wie die offiziellen und inoffiziellen Stellungnahmen der Staatsregierung im Augenblick aussehen, besteht die Gefahr, dass wir den horizontalen Länderfinanzausgleich überhaupt und damit einen wichtigen Baustein des Föderalismus infrage stellen. Ich fordere Sie daher von dieser Stelle aus auf, endlich ein überzeugendes Reformkonzept vorzulegen. Das sind Sie dem Landtag und den Bürgerinnen und Bürgern bisher schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Wir beauftragen Sie heute, endlich mit dem ernst zu machen, was Sie stets im Munde führen, nämlich die Interessen Bayerns konsequent mit einem vernünftigen Konzept zu verfolgen. Das sollen Sie endlich mit mehr Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft tun, die Ihnen im Augenblick fehlen. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass erst eine neu formierte Staatsregierung, eine Reformkoalition, dieses Thema für Bayern angeht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN - Widerspruch bei der CSU)

Halt, noch einen Moment, Herr Kollege Halbleib. Uns liegt noch eine Meldung zu einer Zwischenbemerkung vor. Bitte, Herr Kollege Steiner.

Herr Kollege, stimmen Sie mir darin zu, dass es wesentlicher Bestandteil und wesentlicher Grundsatz der Regelungen zum Länderfinanzausgleich war, dem ganz klar auch Bayern zugestimmt hat, dass die Zahlungen Hilfe zur Selbsthilfe sind? Stimmen Sie mir darin zu, dass die Nehmerländer mit diesem Geld ihre Haushalte in Ordnung zu bringen und Strukturen zu schaffen haben, damit sie endlich auf eigenen Füßen stehen können? Stimmen Sie mir darin zu, dass Bayern in der Zeit, als es Nehmerland war, dieser Verpflichtung in hervorragender Weise nachgekommen ist, während Länder wie Berlin vertragswidrig handeln und den laufenden Betrieb über den Länderfinanzausgleich finanzieren, ohne auch nur daran zu denken, zu sparen oder die Strukturen zu verbessern?

Stimmen Sie mir zu, dass man im Privatrecht - im BGB - ein solches Verhalten als Vertragsverstoß, vielleicht als Wegfall der Geschäftsgrundlage werten

würde und dass so etwas gegen Treu und Glauben verstößt? Stimmen Sie mir zu, dass Bayern jetzt handeln muss, weil Ihre Finanzabenteurer, wie zum Beispiel Herr Wowereit, der nicht einmal die Finanzmittel hat, um seine Müllabfuhr und seinen ChristopherStreet-Day zu bezahlen, jetzt Geld rausschmeißen, das wir in Bayern dringend brauchen würden? Wir dürfen diesen Politabenteurern, die momentan ganz Europa mit Schulden in den Abgrund stürzen, das Feld nicht überlassen.

(Beifall bei der CSU - Alexander König (CSU): So viel Wahrheit auf einmal ist schwer zu ertragen!)

Bitte, Herr Kollege Halbleib.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Steiner, Sie konnten das nicht sehen, aber Ihr Fraktionsvorsitzender hat insbesondere beim letzten Teil Ihrer Frage das Gesicht sichtlich gekrümmt. Ich vermute, dass dies mit Ihren unhaltbaren Aussagen zusammenhängt. Ich möchte ein paar Bemerkungen machen: Wenn etwas gegen Treu und Glauben verstößt, ist es die Art und Weise, wie Sie mit dem Länderfinanzausgleich umgehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ihr Problem ist doch, dass der damalige Ministerpräsident Dr. Stoiber und der jetzige Ministerpräsident Seehofer diesem Länderfinanzausgleich, der erst ab 2005 gegriffen hat, zugestimmt haben. Sie haben ihn hier im Bayerischen Landtag als Erfolg und als gute Lösung für Bayern gepriesen. Jetzt wollen Sie aus puren wahlkampfpopulistischen Gründen diese Verantwortung nicht mehr wahrnehmen.

(Georg Schmid (CSU): Ihr Problem ist, dass Sie keine bayerischen Interessen vertreten!)

Sie machen der Bevölkerung ein X für ein U vor. Das ist Ihr Problem.