Die Politik ist aber heute ganz klar mitverantwortlich für die beruflichen Veränderungen, die sich durch die Entscheidung für ein Kind für eine Frau ergeben und für die finanziellen Veränderungen, die sich dadurch für eine Familie ergeben. In diesem Kontext sehen wir das Landeserziehungsgeld. Ich möchte zu dieser Gesetzesänderung drei Bemerkungen machen:
Erstens. Ich halte es für erbärmlich, wie hier ein Gesetz, das in der Sache gut und positiv ist, geändert wird. Zunächst wurde das Gesetz als juristisch korrekt befunden. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass es nicht korrekt war. Menschlich war dieses Gesetz jedoch noch nie korrekt; und christlich war
es schon gar nicht. Ein solches Gesetz wurde von der Christlich-Sozialen Union verantwortet. Ich muss Ihnen vorhalten, dass dieses Gesetz mit dem Menschenbild, für das Sie stehen, nicht zu vereinbaren war.
Zweitens. Die FREIEN WÄHLER unterstützen das Landeserziehungsgeld und diese Gesetzesänderung. Mütter in Bayern haben dadurch im Anschluss an den Bezug von 14 Monaten Elterngeld die Möglichkeit, bis zum 20. Lebensmonat des Kindes zu Hause zu sein. Eines möchte ich jedoch gleich an die Adresse der Ministerin sagen: Wir unterstützen nicht, dass im Anschluss daran ein Betreuungsgeld ausgezahlt wird. Denn spätestens, wenn das Kind 20 Monate alt ist, müssen die Frauen, die arbeiten müssen oder wollen, eine echte Möglichkeit haben, sich zwischen einer Betreuung außerhalb oder innerhalb der Familie zu entscheiden. Das Betreuungsgeld ist hier der verkehrte Weg. Erst wenn wir flächendeckend über qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsmöglichkeiten verfügen, können wir über andere Familienförderungen sprechen.
Drittens. Frau Ministerin, ich bitte Sie: Investieren Sie bitte in die Altersversorgung von Müttern, die sich entscheiden, bei ihrem Kind zuhause zu bleiben, damit diese Frauen nicht von Altersarmut betroffen werden. Priorisieren Sie bitte das Familiensplitting. Das ist vordringlicher als das Betreuungsgeld.
Der Gesetzänderung stimmen wir zu. Sie kommt jedoch zu spät. Moralisch ist es nicht zu rechtfertigen, dass sie erst jetzt kommt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Anlass für die heutige Gesetzesänderung ist die Tatsache, dass das bisherige Gesetz verfassungswidrig ist. Was ist passiert? Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. Februar 2012 das existierende Gesetz über das Landeserziehungsgeld für verfassungswidrig erklärt; denn nach Artikel 1 dieses Gesetzes sind Ausländer aus Nicht-EU-Staaten vom Bezug des Landeserziehungsgeldes ausgeschlossen.
Dieser Ausschluss aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Frau Staatsministerin Haderthauer hat elegant versucht, sich um die Erkenntnis herumzumogeln, dass dieses Gesetz verfassungswidrig war. Ich muss
sagen: Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts war eine schallende Ohrfeige für den Freistaat Bayern, aber auch eine schallende Ohrfeige für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof.
Denn der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die beanstandete Regelung noch im Jahr 2007 für vereinbar mit der Bayerischen Verfassung erklärt nach dem Motto: Das Motiv einer gezielten Förderung der Landeskinder ist vereinbar mit der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht sieht das ganz anders. Es sagt: Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie ist nicht auf Deutsche beschränkt. Recht hat er.
Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts wird vom Bundessozialgericht, vom Deutschen Landkreistag, vom Deutschen Familiengerichtstag und vom Deutschen Juristinnenbund geteilt. Alle sind sich darin einig: Das ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Es ist beschämend, dass die Bayerische Staatsregierung und der Bayerische Verfassungsgerichtshof erst durch die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts korrigiert werden mussten und jetzt eingewilligt haben, das Gesetz zu ändern; denn es gibt keinen sachlichen Grund für die Koppelung von Staatsangehörigkeit und Familie für einen Anspruch. Vielmehr ist das Ausdruck einer grundsätzlich - das ist leider immer noch so - integrationsfeindlichen Politik der CSU. Das widerspricht auch den Sonntagsreden, bei denen immer und immer wieder die Bedeutung der Familie hervorgehoben wird. Ich habe dabei nicht gehört, dass es wirklich nur um die Bedeutung der deutschen Familie geht; es geht doch um die Bedeutung der Familie an sich. Daher ist es nur sinnvoll, die bislang nicht bezugsberechtigten Familien genauso zu fördern wie bayerische oder deutsche Familien.
Doch auch der vorliegende Entwurf produziert neue Ausschlüsse. Der Anspruch auf Landeserziehungsgeld gilt nämlich nicht für Menschen mit Aufenthaltsgenehmigungen zum Zwecke des Studiums oder zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung, er gilt nicht für zeitlich befristete Beschäftigungserlaubnisse, nicht für alle Menschen mit Duldung usw. Auch nach der Nachbesserung sind wieder viele Menschen vom Bezug des Landeserziehungsgeldes ausgeschlossen. Das halten wir nicht für einen gangbaren Weg zur Förderung von Familien.
Deshalb ziehen wir daraus nach wie vor den Schluss: Weg mit dem Landeserziehungsgeld! Wir haben das von Anfang an gesagt, weil wir nicht glauben, dass den Familien damit geholfen werden kann. Den Familien kann durch den Ausbau einer funktionierenden Infrastruktur geholfen werden.
Seit Einführung des Landeserziehungsgeldes sind da 2,6 Milliarden reingeflossen, und im Nachtragshaushalt sind dafür wieder 82 Millionen eingestellt. Hätte man das gesamte Geld von Anfang an in den Ausbau von Infrastruktur für Familien und von Krippen gesteckt, hätte man heute nicht das Problem, dass Bayern beim Ausbau der Krippen weit hinterherhinkt und den gesetzlichen Anspruch bis 2013 wahrscheinlich nicht erfüllen kann.
Fazit: Weg mit dem Landeserziehungsgeld! Es war verfassungswidrig, schränkt Familien immer noch ein und dient nicht dem Ausbau der frühkindlichen Bildungsinfrastruktur.
Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fakten sind bekannt. Das Landeserziehungsgeld ist eine freiwillige Leistung des Freistaates Bayern. Es war klar, dass natürlich der Schwenk kommen musste, das Landeserziehungsgeld habe nicht dazu beigetragen, dass die Kindertagesbetreuung ausgebaut werden konnte usw. Ich weiß aber, dass es für viele Familien eine sehr wichtige Maßnahme ist und dass viele, vor allem sozial schwächere Familien diese Maßnahme sehr dankbar annehmen.
Es stimmt, dass das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, das Bayerische Landeserziehungsgeld ist verfassungswidrig, weil es bestimmte Menschen- und Bevölkerungsgruppen ausgrenzt. Familien aus Drittstaaten konnten das Landeserziehungsgeld nicht beziehen. Dieses Versäumnis wird durch den Ihnen heute vorliegenden Gesetzentwurf korrigiert.
Ich freue mich, dass das Landeserziehungsgeld fast durchgehend - mit Ausnahme der GRÜNEN - nicht zur Disposition gestellt wurde, sondern dass alle sagen, sie würden es aufrechterhalten.
Wir als FDP werden diesen Entwurf in den Ausschüssen positiv begleiten. Ich gehe davon aus, dass das
Gesetz zum Schluss so geändert sein wird, dass zumindest der gravierendste Fehler des Ausschließens von Familien aus Drittländern korrigiert ist und dass das Landeserziehungsgeld für die Familien weiterhin eine feste Größe ist, auf die sie sich verlassen können.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 16/12317) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich darf hierzu Herrn Kollegen Gehring das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt kein ideales Übertrittsverfahren - das haben vor Kurzem auch die Kommentatoren der großen Münchner Zeitungen festgestellt -, weil der Zeitpunkt des Übertritts nach der vierten Klasse in Bayern zu früh ist und der frühe Übertritt der Situation der Kinder nicht gerecht wird. Deswegen brauchen wir Schulmodelle des längeren gemeinsamen Lernens.
Wir werden uns für solche Modelle einsetzen. Ich gehe davon aus, dass nach 2013 in Bayern Schulmodelle des längeren gemeinsamen Lernens verwirklicht werden.
Wir haben jetzt aber die Problematik des Übertritts und werden sie noch eine Weile haben. Die Situation der Kinder nach der vierten Klasse ist eines der Kernthemen der bayerischen Bildungspolitik. Hier kumulieren die Probleme des bayerischen gegliederten Schulwesens in ganz besonderer Weise. Der Druck auf die Eltern und vor allem auf die Kinder ist sehr groß und wird sehr stark wahrgenommen. Der Übertritt mit einem bestimmten Notendurchschnitt zu einem bestimmten Zeitpunkt missachtet die individuel
le Entwicklung der Kinder und wird ihnen nicht gerecht. Der Druck auf die Eltern und Kinder wird als sehr stark empfunden. Für immer mehr Schüler der dritten und vierten Klasse gibt es Nachhilfe, damit sie die Übertrittsnote schaffen. Diese Übertrittssituation beeinträchtigt ganz erheblich die Arbeit, die in den Grundschulen möglich ist und insbesondere in den Klassen 1 und 2 geleistet werden kann.
Deswegen haben sich in einer Umfrage des BLLV, des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, 90 % der Grundschullehrkräfte gegen das derzeitige Übertrittsverfahren ausgesprochen.
Ich weiß zwar, dass Sie jetzt mit den Aussagen bestimmter empirischer Bildungsforscher argumentieren werden, der Bayerische Bildungsbericht, Seite 215, macht aber sehr wohl deutlich, dass es von der sozialen und räumlichen Situation einer Schule in einer Großstadt abhängt, ob die Übertrittsquote 12 % oder 73 % beträgt. Die Herkunft entscheidet also, auf welche Schulart ein Kind geht.
Abgesehen davon funktioniert dieses Sortieren der Schülerinnen und Schüler auf unterschiedliche Schularten nicht besonders gut. Die Tatsache, dass nach einer angeblich leistungsgerechten Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die Schularten bis zu 30 oder 40 % der Schülerinnen und Schüler das Gymnasium wieder verlassen und auch ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler die Realschule wieder verlässt, zeigt, dass das System seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird.
Wir wollen daher mit unserem Gesetzentwurf Abhilfe schaffen. Wir wollen die Schullaufbahn vom Kopf auf die Füße stellen. Wir wollen das jetzige Verfahren durch ein Verfahren ersetzen, in dem Lehrerinnen und Lehrer ihre Schüler beobachten und beurteilen können, die Eltern beraten, und in dem dann die Eltern entscheiden, auf welche Schulart ihr Kind gehen soll. Übrigens machen das die meisten Bundesländer in Deutschland so. Baden-Württemberg hat das jetzt gerade eingeführt.
Uns ist dabei schon wichtig, dass sich die Lehrerrolle verändert. Lehrerinnen und Lehrer sollen künftig nicht
mehr diejenigen sein, die wasserdichte Noten machen müssen, die auch standhalten, wenn der Rechtsanwalt kommt - und das ist kein Einzelfall -, sondern Lehrerinnen und Lehrer sollen als pädagogische Experten tatsächlich die Entwicklung eines Kindes beobachten, differenziert beurteilen und die Eltern dann sinnvoll beraten. Deswegen wollen wir das Schulgesetz ändern. Es geht uns um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Eltern. Lehrkräfte sollten als pädagogische Fachleute für die Interessen des Kindes eintreten. Die Mitsprache der Eltern sollte im Sinne einer Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus stattfinden. Die Teilhabe der Eltern entspricht unserem Verständnis von Politik. Wir sollten die Menschen teilhaben lassen und sie nicht bevormunden.