Sie müssen aufpassen: Die „Deutsche Presseagentur“ spricht heute von der „voraussichtlich letzten“ Regierungserklärung von Herrn Stoiber.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle haben vor Kurzem gesehen, wie sich Tony Blair im englischen Unterhaus verabschiedet hat. Auch er musste wegen verlorenen Vertrauens – wie Sie, Herr Dr. Stoiber – seinen Hut nehmen. Er hat dies aber als Staatsmann getan, mit Souveränität, mit Charme, mit Humor und mit dem notwendigen Maß an Selbsteinschätzung und Selbstkritik.
Herr Ministerpräsident, diese Chance hätten Sie auch gehabt. Sie haben sie aber nicht genutzt, sondern stattdessen den engen CSU-Horizont gewählt, das kleine politische Karo, voller Selbstgerechtigkeit für sich und Häme für die anderen.
(Beifall bei der SPD – Jürgen Dupper (SPD): Das ist der Unterschied zwischen Landesliga und Champions-League!)
Richtig, Herr Kollege Dupper. Das ist vielleicht der Unterschied zwischen Landesliga und Champions-League. Das kann schon sein.
Jeder hätte Verständnis gehabt, wenn dabei die Bilanz einer vierzehnjährigen Regierungszeit gezogen worden wäre.
Wir hätten dabei durchaus das eine oder andere positiv vermerken können. Das war aber keine Bilanz einer Regierung, sondern das war ein Arbeitsprogramm für die Zukunft von einem Mann, der immer noch nicht begriffen hat, dass er bei dieser Zukunft nicht mehr dabei sein wird. Es ist fast traurig, das so sagen zu müssen.
Dass ein Ministerpräsident zu diesem Zeitpunkt, ein Ministerpräsident, der von seinen eigenen Leuten gestürzt worden ist,
eine solche Rede hält, zeigt im Grunde genommen vor allem eines: Es zeigt, dass Herr Stoiber wenig Vertrauen in die Tatkraft und in die Kompetenz seiner designierten Nachfolger hat.
Deutlicher als heute hätten Sie nicht zeigen können, was Sie von Günther Beckstein und Erwin Huber halten – nämlich gar nichts. Das zeigen Sie mit jeder Faser Ihrer politischen Arbeit in den letzten Wochen und Monaten. Wenn Sie außer Haus sind, darf keine Kabinettssitzung stattfi nden, damit sie Herr Beckstein ja nicht leiten kann.
Wenn übermorgen Beckstein in der CSU-Fraktion aufs Schild gehoben werden soll, wird dieser Vorschlag nicht von Ihnen kommen; das sei doch zu viel verlangt, haben Sie erklären lassen.
Wenn Herr Huber Steuersenkungen vorschlägt, wird er von Herrn Stoiber umgehend in den Senkel gestellt. In Moskau habe ich der Zeitung entnehmen können, Herr Huber, Herr Stoiber habe für Sie besondere Spitzen parat gehabt. Den Investivlohn, den Sie der Presse gegenüber darstellen wollten, hat Ihnen Herr Stoiber am gleichen Tag im Interview vorweggenommen. Das „Handelsblatt“ schreibt dazu – ich zitiere –, es wäre nicht das erste Mal, dass Stoiber seinen einstigen Ziehsohn Huber hintenrum eine mitgibt.
Weiter schreibt das „Handelsblatt“: In Wahrheit aber, so sagt man in der Partei – Ihre ist gemeint –, habe er Huber und Beckstein ihre Rollen bei seinem Sturz nachhaltig übel genommen. Und nicht nur das: Er halte die beiden für die Aufgabe, das bundespolitische Gewicht der CSU zu wahren, schlicht für zu provinziell.
Das ist Ihre Meinung zu Ihren Nachfolgern. Was Sie über Ihre Nachfolger denken, hätten Sie eindrücklicher gar nicht bestätigen können.
Stoiber nimmt heute hier Rache für Kreuth. Er sagt: Euch zeige ich es noch einmal und diktiere die Hausaufgaben, die ihr in den nächsten Jahren erledigen müsst.
dieser Regierungserklärung gegenüber Ihren designierten Nachfolgern. Sie geben Ihnen Arbeitsvorgaben für die Zukunft. Herrn Beckstein legen Sie gewissermaßen politische Fußfesseln an, damit er weiß, was er in den nächsten Monaten zu tun hat.
Herr Stoiber ist der Meinung, dass er ein Vermächtnis ohne geeignete Erben hinterlässt. Deswegen sagen wir: Ja, es stimmt; Sie haben sogar Recht: Mit Beckstein und Huber ist für Bayern sogar noch ein Rückschritt gegenüber Ihrer Politik zu erwarten.
Meine Damen und Herren, was war das heute, als Sie so frenetisch Beifall geklatscht haben? War das Scheinheiligkeit oder Erleichterung,
oder war es beides? Herr Beckstein hat noch Glück gehabt, dass er auf der Regierungsbank nicht immer Beifall zu klatschen brauchte, sonst hätte er auch noch seiner eigenen Demütigung Beifall zollen müssen.
ist auch nach der heutigen langen Rede des Ministerpräsidenten leider unbeantwortet geblieben. Warum, heißt die Frage. Warum eigentlich, wenn alles so toll und gut ist und wir überall Spitze sind und kein Fehler gemacht wurde und in diesem Land Bayern alles in Ordnung ist, warum muss er dann gehen, meine Damen und Herren? Würden Sie uns das bitte einmal erklären, ein einziges Mal?
Wir würden es gerne verstehen. Schauen wir uns doch bei Ihren Vorgängern um, warum diese gehen mussten; vielleicht fi nden wir dort ein Beispiel. Herr Streibl musste aufgrund einer Skandalgeschichte gehen. Das haben Sie besser gemacht. Sie haben sich damals im letzten Moment als Teil des Amigosystems die Hände in Unschuld gewaschen und später für alle Skandale der CSU-Regierung Sündenböcke gefunden, die für Sie bluten mussten.
Das haben Sie besser gemacht. Ich will dann auch kurz einige der Opfer benennen, weil wir auch eine Bilanz ziehen wollen. Ich möchte aber vorher kurz auf die drei Oppositionspolitiker zu sprechen kommen, die Sie auch erwähnt haben. In der Tat: Albert Schmid und Renate Schmidt waren, wie das bei uns so üblich ist, hervorragende Fraktionsvorsitzende.
Sie waren und sind auch gut bei ihren folgenden Aufgaben. Verspotten lassen müssen sich die beiden von Ihnen gewiss nicht, Herr Ministerpräsident, gewiss nicht.
(Lachen bei der SPD – lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Engelbert Kupka (CSU): Und was hat es genutzt? – Susann Biedefeld (SPD): Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!)
Es ist doch so; ich kann doch nichts dafür. Das ist die Wahrheit. Der Wahrheit muss man gerecht werden. Herr Dr. Stoiber, schön, dass Sie auch noch auf Ihren neuen Freund, den früheren Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN, Manfred Fleischer, zu sprechen gekommen sind. Er ist in der Tat zur CSU gewechselt; das stimmt. Sie wollten ihn dann sogar zum Bürgermeister Ihrer Heimatstadt Wolfratshausen machen. Er hätte aber lieber bei den GRÜNEN bleiben sollen; denn das ist gründlich schiefgegangen. In Wolfratshausen regiert nämlich ein Sozialdemokrat, Herr Dr. Stoiber,
und nicht Ihr Freund von den GRÜNEN und jetzt von der CSU. Sie reden von der einzigen Volkspartei CSU, obwohl in Ihrem eigenen Rathaus ein Sozialdemokrat Bürgermeister ist. Das ist doch lächerlich, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Jetzt kommen wir aber zu den Opfern, wie ich Ihnen versprochen habe. Da haben wir Herrn Alfred Sauter, die Zukunftshoffnung aus Schwaben – er ist jetzt leider nicht mehr da. 1998 musste er für Stoiber wegen einer 100-Millionen-Pleite der Wohnungsbaugesellschaft LWS gehen. Was hat er damals zu Ihrem Verhalten gesagt, Herr Dr. Stoiber, als Sie ihm über Handy gekündigt haben?