Den ausgeglichenen Haushalt haben wir uns 1998 vorgenommen und 2006 erreicht. 1998 sind wir mit dieser zentralen Ansage vor die Bürgerinnen und Bürger Bayerns getreten, 2002 und 2003 genauso. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir für diese und andere Positionen eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gewonnen haben, die sich hinter uns stellt, nicht hinter Sie.
Der ausgeglichene Haushalt ist ein Wendepunkt. Er hat natürlich Einfl uss auf die Diskussion in der Kommission zur Föderalismusreform II. Es gibt ein Umdenken in Deutschland insgesamt dahin gehend, dass man nicht mehr aus
geben soll, als man einnimmt. Ich übergebe – das sage ich mit einem gewissen Stolz – an meinen Nachfolger den mit weitem Abstand solidesten Haushalt aller Länder in Deutschland.
Unsere Finanzpolitik steht für Nachhaltigkeit und für Generationengerechtigkeit. Wir leben nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen; denn die Schulden von heute schnüren als Zinsen und Tilgungslasten von morgen künftigen Generationen die Luft ab. Nachhaltige Entwicklung – Sustainable Development – gilt nicht nur für den Umweltbereich, sondern genauso für die Finanzpolitik.
Das haben Sie von der Opposition im Gegensatz zu Ihren Kollegen in anderen Ländern noch immer nicht begriffen.
Wenn wir in der Vergangenheit so wie Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen oder in Niedersachsen gewirtschaftet hätten, dann müssten wir heute jeden zehnten Euro unserer Einnahmen für Zinsen ausgeben. Das würde Jahr für Jahr 2 Milliarden Euro mehr nur für den Schuldendienst oder umgekehrt 2 Milliarden Euro weniger für Investitionen in die Zukunft unseres Landes bedeuten. Man muss sich einmal die Schiefl age in Deutschland ansehen. Herr Kollege Carstensen sagt mir, er habe einen Landeshaushalt in Höhe von 8 Milliarden Euro, aber 1 Milliarde Euro Zinsen zu zahlen. Auch Bayern muss 1 Milliarde Euro Zinsen zahlen, hat aber ein Haushaltsvolumen von 36 Milliarden Euro. Das muss man sich einmal vorstellen: Wären wir in einer vergleichbaren Situation wie Schleswig-Holstein, dann müssten wir 4 Milliarden Euro Zinsen jährlich zahlen. Wir könnten dann natürlich bei Weitem nicht so in die Zukunft investieren, wie wir das gegenwärtig machen und künftig machen wollen. Das ist für mich am Ende der entscheidende Maßstab.
Für mich ist eines sicher: Ohne die Vorreiterrolle Bayerns beim ausgeglichenen Haushalt, ohne die politische Diskussion, die wir dazu angestoßen haben, wäre die „Neuverschuldung Null“ in anderen Ländern, beim Bund und in den Verhandlungen zur Föderalismusreform II kein Thema. Der Weg zur „Neuverschuldung Null“ war nicht leicht. Wir haben uns weiß Gott nicht nur Freunde gemacht, ich im Besonderen nicht.
Wir mussten Reformen durchführen, die oft schmerzhaft waren. Ich weiß nur zu gut: Es war vor allen Dingen für die Mitglieder der Mehrheitsfraktion, der CSU-Fraktion, nicht einfach, die Menschen in Bayern auf diesem unbequemen Weg mitzunehmen. Ohne das Durchhaltevermögen der Mehrheitsfraktion und der Staatsregierung wären wir nicht da, wo wir heute sind. Es gab auch bei uns Diskussionen und schmerzliche Entscheidungen.
Ich sage im Nachhinein ein herzliches Dankeschön. Damals, 2004, gab es eine Diskussion über 16 Stunden in der CSU-Landtagsfraktion über entscheidende Punkte des Haushalts. Am Ende stand ein einstimmiger Beschluss. Das zeigt die Politikfähigkeit, die notwendig ist, um auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen, wenn sie langfristig Erfolg garantieren.
Wir halten weiter Kurs. Kurs halten heißt zum einen, dass „Neuverschuldung Null“ die oberste Richtschnur bayerischer Finanzpolitik bleibt, und zum anderen: Angesichts der guten Steuereinnahmen werden wir Schulden zurückzahlen und so die Zinsbelastung weiter senken. Das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt voll unsere Linie, indem es eine wirksame Schuldenbremse für den öffentlichen Haushalt fordert. Das, was das Bundesverfassungsgericht zu Artikel 115 des Grundgesetzes sagte, lautete doch: Artikel 115 erreicht nicht das Ziel einer generationengerechten Finanzpolitik. – Einen deutlicheren Wink mit dem Zaunpfahl als das Bundesverfassungsgericht kann man eigentlich nicht geben.
Der ausgeglichene Haushalt hat für mich noch eine andere Bedeutung. Wer zu viele Schulden hat, ist abhängig. Ich will, dass Bayern niemals von anderen Ländern oder vom Bund abhängig wird. Ich will ein kraftvolles, ein eigenständiges Bayern, das die Zukunft selbst in die Hand nimmt und gestaltet und das immer die notwendigen Gestaltungsräume hat. Mit der Wiedervereinigung sagten viele politische Auguren Bayern einen drastischen Bedeutungsverlust voraus. Wenn Deutschland größer und „östlicher“ werde und durch die Osterweiterung die Bedeutung der Nationalstaaten in der EU wachse, so eine damals weit verbreitete Meinung, würden die Rolle und der Einfl uss Bayerns zwangsläufi g schrumpfen. Da spielte natürlich bei dem einen oder anderen auch ein Stück Hoffnung oder ein Stück Schadenfreude mit. Was ist aus dieser Voraussage geworden?
Nichts. Unter dem Strich gilt heute: Bayerns Stimme hat weiter Gewicht. Sein Gewicht in Deutschland und in Europa ist sogar noch gewachsen. Das ist der Erfolg unserer gemeinsamen Politik.
Mitte der Neunzigerjahre haben wir die Diskussion über den Wettbewerbsföderalismus angestoßen, den Sie von der Opposition kritisiert haben, und beharrlich auf eine Stärkung des Föderalismus in Deutschland hingearbeitet. Der lange Atem hat sich ausgezahlt. 2006 ist die Föderalismusreform I mit einer klaren Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern und vor allem mit mehr Kompetenzen für Bayern und damit auch für diesen Landtag in Kraft getreten. Ich schätze alle diejenigen, die daran mitgearbeitet haben, auch die Enquete-Kommission – ich nenne Herrn Kollegen Welnhofer –, und alle Maßnahmen, die der Landtag entwickelt hat. Ich möchte hier an dieser Stelle in meiner letzten Regierungserklärung aber auch ausdrücklich dem Amtschef der Bayerischen
Staatskanzlei, Herrn Dr. Schön, und der Rechtsabteilung der Staatskanzlei herzlich danken. Ohne deren Kompetenz
und ohne deren Engagement hätten wir die Föderalismusreform nicht unter Dach und Fach gebracht, vor allen Dingen nicht unter ein so bayerisches Dach.
Ich habe Verständnis dafür, dass Sie Zwischenrufe machen und mit manchem nicht einverstanden sind. Nur, ich sage Ihnen ganz offen: Ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit wäre schon angebracht; denn die Föderalismusreform I war das Bohren eines unheimlich dicken Brettes. Darum müssen wir auch bei der Föderalismusreform II ansetzen. Das ist kein Selbstläufer.
Der Wandel der Welt schlägt natürlich auch auf Bayern durch. Dem muss sich Bayern stellen. Globalisierung und Europäisierung sind auch Entgrenzungsprozesse, die den Menschen unmittelbar treffen.
Die Menschen wollen in einer globalisierten Welt nicht austauschbar werden. Sie wollen nicht in einer globalen, multikulturellen Anonymität verschwinden. Sie wollen unverwechselbar bleiben. Die Menschen erkennen: Nicht multikulturelle Entgrenzung, sondern kulturelle Identität hält ein Gemeinwesen zusammen.
Kulturelle Identität gibt Selbstbewusstsein; Eigenständigkeit macht eine Gesellschaft zweifellos stabiler und krisenfester gegenüber Zeitströmungen. Für mich steht fest: Die Pfl ege von Geschichte und Kultur stärkt unsere bayerische Identität. Deswegen haben wir unsere Technologieprogramme sehr bewusst durch die Förderung von Kunst, Kultur und Geschichte begleitet, um unserem Land und seinen Menschen Halt, Identität und Stabilität zu geben. Meine Damen und Herren, ich nenne hier nur das Museum für die Sammlung Schäfer in Schweinfurt.
Ich nenne außerdem das Museum der Phantasie in Bernried, das dem Expressionismus in Bayern einen Platz gegeben hat. Ich nenne außerdem die Pinakothek der Moderne in München und das Museum für Design in Nürnberg, das erste staatliche Museum außerhalb Münchens. Ich erinnere an die Erhebung des Nürnberger Theaters zum Staatstheater und die Erhebung der Bamberger Symphoniker zur Staatsphilharmonie. Ich verweise schließlich
auf den Kulturfonds Bayern mit 150 Millionen Euro aus Privatisierungserlösen. Mit den Zinserträgen fördern wir eine Vielzahl kultureller Projekte, gerade im ländlichen Raum.
Meine Damen, meine Herren, es gibt das Wort: Die Leistung einer Generation bemisst sich nicht nach der Ernte, sondern nach der Aussaat. In Wirklichkeit trifft immer beides zusammen. Sehen wir einmal von den Kriegszeiten, den Krisenzeiten und den Katastrophen ab. Wir konnten erben und ernten, was viele Persönlichkeiten vor uns – insbesondere Alfons Goppel und Franz Josef Strauß – in ihrer Zeit zusammen mit dem Fleiß der damaligen Generationen gesät haben. Wir sehen schon jetzt die Früchte der Offensive Zukunft Bayern und der Hightech-Offensive. Ich hoffe sehr, dass die Menschen im Jahr 2020 ernten werden, was der Fleiß der Menschen, die Tüchtigkeit der Unternehmen, der Erfi ndergeist der Wissenschaft und eine gute Politik heute säen.
Bayern 2020 bedeutet, dass wir auch in diesen Zeiten unter den besten fünf Regionen in Europa sein wollen. Mit Bayern 2020 wollen wir zeigen, dass Bayern die Mittel, die Ideen und die politische Kraft zur Zukunft hat. Bayern 2020 steht eigenständig, kraftvoll, stark und weltweit angesehen da. Bayern 2020, Tradition und Fortschritt bilden weiterhin eine unvergleichliche Symbiose. Bayern 2020 ist beste Bildung für unsere Kinder, Arbeit für die Menschen in unserem Land, sozialer Zusammenhalt in den Bezirken und Regionen.
Meine Damen, meine Herren, ich wünsche uns allen alles Gute und Gottes Segen. Ich wünsche der neuen Staatsregierung unter Günther Beckstein Glück, Fortune, Erfolg und dass sie alle Chancen nutzt, die sich ihr bieten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sinne sage ich: Gott mit dir, du Land der Bayern.
Ich sehe auf eine vierzehnjährige Regierungszeit als Ministerpräsident zurück. Ich habe mit der Mehrheitsfraktion, der CSU-Fraktion, viele Impulse gesetzt. Die CSU-Fraktion ist stark. Ich wünsche mir, dass sie stark bleibt und dass sie immer in dieser Stärke Politik gestalten kann. Dass dies so bleibt, liegt an uns. Die Opposition tut alles dafür, dass es so bleibt. In diesem Sinne: Herzlichen Dank.
(Standing Ovations und lang anhaltender Beifall bei der CSU – Häufi ge Bravo-Rufe bei der CSU – Lebhafte Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: Der Herr Sinner klatscht!)
Meine Damen und Herren, ich bitte wieder um Ihre Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. Meine Damen und Herren, aus Ihren Reihen gab es soeben empörte Zwischenrufe, weil das Kabinett klatscht. Ich denke, in dieser Situation kann man einmal großzügig sein. Ich kann das in diesem Augenblick aufrichtig verstehen.
Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 60 Minuten vereinbart. Entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat haben alle Fraktionen dieselbe Redezeit wie der Minister
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hoffentlich haben Sie jetzt nicht zu lange und zu begeistert geklatscht. Sie müssen vermeiden, dass der Herr Ministerpräsident den falschen Schluss daraus zieht und vielleicht doch noch bleibt.
Sie müssen aufpassen: Die „Deutsche Presseagentur“ spricht heute von der „voraussichtlich letzten“ Regierungserklärung von Herrn Stoiber.