Protocol of the Session on July 4, 2007

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kollegin Stierstorfer hat einen Bewusstseinswandel für Familien gefordert. Ich würde sagen, es wäre an der Zeit, dass der Bewusstseinswandel bei der CSU einkehrt.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Bravo!)

Sie halten nämlich noch immer ein absolut überkommenes Familienbild hoch.

(Zuruf von der CSU: Was?!)

Aus diesem überkommenen Familienbild entspringt Ihr überkommenes Landeserziehungsgeld. Sie halten es ebenso wie bei der „Herdprämie“ damit, dass Sie Frauen zu Hause am Herd halten und nicht fördern wollen – an Ihrer Entrüstung sehe ich, dass es stimmt –, damit auch Frauen ebenso, wie es für Männer selbstverständlich ist, berufstätig sein können. Sie belohnen das Zuhausebleiben, und Sie behindern die Berufstätigkeit. Das ist kein moderner Familienentwurf. Sie geben mit Ihrem Zuckerl Landeserziehungsgeld – als mehr kann ich das überhaupt nicht bezeichnen – keinen Anreiz für Familien, sich für Kinder zu entscheiden. Denn was passiert denn, wenn eine Frau oder ein Paar 150 Euro ein halbes Jahr bekommt? Frau Stierstorfer, Sie haben vollmundig davon gesprochen, dass Sie damit das ungeborene Leben schützen wollen. Das ist absolut lächerlich. Wissen Sie, wie lange man für seine Kinder sorgen muss? Mindestens 20 Jahre lang. Und da geben Sie ein halbes Jahr lang 150 Euro. Dass Sie nicht über sich selber lachen müssen, ist verwunderlich.

Frau Kollegin Ackermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Scharfenberg?

Aber mit Freuden, Frau Kollegin Scharfenberg.

Liebe Frau Ackermann, ist es eigentlich der Wahrheitsfi ndung dienlich, wenn Frau Stierstorfer als Regensburger Kreisrätin, also meine Kollegin im Kreistag, sagt, dass es ein relativ gutes Krippenangebot gibt, im Landkreis Regensburg aber dieses Angebot nur 3 % beträgt? Was ist davon und von der Familienpolitik der CSU eigentlich zu halten?

Das ist nach meiner Auffassung typisch für die Argumentationsweise und Scheinheiligkeit, die bei der CSU auf diesem Gebiet herrscht. Sie versucht, den Leuten vorzutäuschen, dass Sie etwas für sie tut, nimmt es ihnen in Wirklichkeit aber mit der anderen Hand wieder weg, wie Kollegin Strohmayr eben

nachgewiesen hat. Das Landeserziehungsgeld, das ohnehin ein untaugliches Mittel ist, sinkt auch noch. Dann auch noch so zu tun, als wollte sie für das Wohl der Familie etwas erreichen, ist unverfroren.

Frau Kollegin Ackermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weidenbusch?

Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Kollegin, würden Sie uns bitte sagen, wie viele Damen Sie im Landkreis Regensburg persönlich ungefähr kennen?

Herr Weidenbusch, ich glaube, dass es nicht darum geht, Damen zu kennen,

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuruf von der CSU: Wie viel Damen?)

sondern darum, Familien zu fördern. Da haben Sie etwas verwechselt.

(Zurufe von der SPD und von der CSU)

Herr Weidenbusch, wir wollen dieses Thema nicht vertiefen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich glaube, dass Sie dem Parlament bei diesem Thema mit dieser Zwischenfrage nur unwesentlich weitergeholfen haben.

(Heiterkeit)

Vielleicht können wir uns jetzt wieder der Frau Kollegin Ackermann widmen und die Heiterkeit etwas reduzieren. Bitte schön, Frau Kollegin.

Dies ist ein ernstes Thema. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss durch ganz moderne Konzepte gefördert werden. Da ist Ihr Modell veraltet. Die Gesellschaft entwickelt sich weiter – ich weiß nicht, ob Sie das schon bemerkt haben –, die CSU nicht. Ich würde aber trotzdem nicht so weit gehen wie Sie und Frau Kollegin Strohmayr und die CSU dafür in die hinterste Ecke stellen; denn die moderne Pädagogik sagt uns, dass auch Kinder, die etwas langsamer lernen, integriert werden müssen, und das halten wir auch bei der CSU so.

(Zurufe von der SPD)

Wir brauchen einen fl ächendeckenden Ausbau von Kinderkrippen. Vor allem müssen wir die Kinderkrippen gut ausstatten. Es geht nicht darum, Kinder aufzubewahren

oder wegzuräumen, sondern darum, Kinder zu bilden. Dazu muss man auch Geld in die Hand nehmen und die Einrichtungen richtig ausbauen. Dann leisten Sie einen Beitrag zur Integration. Dann leisten Sie einen Beitrag zur Sprachförderung, und dann leisten Sie einen Beitrag zur frühkindlichen Bildung. Sie nehmen alle diese Worte ständig in den Mund, sind aber nicht bereit, die dafür wirklich wirksamen Mittel zu ergreifen, sondern Sie fl üchten in ein Bezuschussungssystem, das völlig wertlos ist und obendrein ein falsches Familienbild transportiert.

(Aha, aha! bei der CSU – Zurufe von der CSU)

Es geht noch weiter. Auch die von Ihnen geforderten Pfl ichtvorsorgeuntersuchungen U 5 und U 6 gehen in die falsche Richtung. Auch da setzen Sie wieder auf Bestrafung und Kontrolle. Das machen Sie so gerne, bringt aber nichts.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Vor allem viel zu spät! – Weitere Zurufe von der SPD)

Wenn Sie den Familien helfen wollen, dann helfen Sie ihnen bitte durch Beratung und durch Prävention. Lassen Sie sie nicht alleine! Begleiten Sie sie von Geburt des Kindes an und stellen Sie dafür auch das notwendige Personal ein! Sorgen Sie dafür, dass man in Beratungsstellen keine Wartezeit von acht Wochen hat! Sorgen Sie auch dafür, dass Jugendämter tatsächlich einschreiten können, wenn es Problemfälle gibt, damit sie nicht aus Personalmangel darauf verweisen müssen, dass im Moment niemand vorbei kommen und man das Ganze vielleicht auch schriftlich erledigen kann. – All das muss abgebaut werden.

Die Pfl ichtuntersuchung hilft uns keinen Schritt weiter; denn in dem Zeitraum zwischen der U 6 und der U 7 kann ein Kind verhungern, ohne dass Sie es merken. Das habe ich Ihnen schon öfter gesagt. Deshalb brauchen die Eltern eine ganz andere Unterstützung als Ihre komischen Kontrollmechanismen, die mit Bestrafung verbunden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CSU)

Krippen betrachten Sie als Notlösung. Wir sehen Krippen als Chance. Wir wissen, dass es wichtig ist, Kinder im frühkindlichen Alter entsprechend zu bilden. Es ist erwiesen, dass es hirnphysiologisch bestimmte Entwicklungsfenster gibt, die nur im frühkindlichen Alter zu erreichen sind. Wenn diese Fenster geschlossen sind, kommt jegliche Förderung zu spät.

Mit Ihrer Familiengefühlsduselei werden Sie den Kindern nicht weiterhelfen. Werden Sie deshalb den Anforderungen der Gesellschaft endlich gerecht! Hören Sie mit Ihrem Krippentrauerspiel auf und bauen Sie in Bayern Kinderkrippen fl ächendeckend aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat sich für die Staatsregierung Herr Staatssekretär Heike zu Wort gemeldet. Herr Staatssekretär, bitte.

(Engelbert Kupka (CSU): „Familiengefühlsduselei“, so ein Wort habe ich in Debatten noch nie gehört!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Familiengefühlsduselei“, das war schon etwas weit unter der Gürtellinie.

(Beifall bei der CSU)

Das war sicherlich eine freudsche Fehlleistung. Sie haben am Anfang einen schönen Satz gesagt, nämlich – ich weiß nicht, ob es jeder Kollege gehört hat –, sie wünscht sich bei der CSU einen „Bewusstseinsmangel“. Frau Kollegin, das sehen Sie völlig falsch.

(Zuruf von den GRÜNEN:...wandel!)

Sie haben es wahrscheinlich anders gemeint, aber so kam es an.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das haben Sie falsch gehört!)

Dann haben es wohl mehrere falsch gehört. Aber das ist jetzt für mich eigentlich völlig unwichtig. Wichtig ist für mich vielmehr, dass ich den Eindruck habe, bei der Opposition ist es nicht um die Familie, sondern zunächst einmal darum gegangen zu jammern, zu meckern und zu mäkeln. Und was mich zweitens eigentlich noch mehr enttäuscht, ist, dass es nur um mehr Geld geht, aber nicht um irgendwelche tatsächlichen Änderungen.

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Ackermann?

Bitte.

Herr Staatssekretär, gestehen Sie mir zu, dass alleinerziehende Mütter mit zusätzlich 150 Euro im Monat kein Kind aufziehen können? Schildern Sie mir bitte, wie Sie in Bayern die Wahlfreiheit verwirklichen wollen, wenn man auf einen Krippenplatz mehrere Monate warten muss.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Und die Preise zu hoch sind!)

Herr Staatssekretär, bitte.