Protocol of the Session on June 26, 2007

Wenn man den Text liest, kann man das wirklich nicht anders verstehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt bewusst auf eine Übertreibung oder eine durchaus berechtigte wertende Darstellung verzichtet. Wer bei diesen Schilderungen nicht wenigstens ein mulmiges Gefühl bekommt, der muss ein merkwürdiges Verhältnis zum freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Hochschulen – gerade die Hochschulen –, der Wissenschaftsraum und der Forschungsraum leben von der Internationalität, und deshalb müssen gerade die Hochschulen von Freiheit und Liberalität geprägte weltoffene Räume sein. Ich bin sehr froh, dass sich die Hochschulen von diesem Ansinnen, so mit dem Verfassungsschutz zusammenzuarbeiten, distanziert haben und dass diese E-Mail zurückgenommen und zurechtgerückt wurde. Ich habe allerdings vergeblich darauf gewartet, dass sich der Wissenschaftsminister in die Bresche wirft und die Hand über seine Hochschulen hält.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Er hätte dafür sorgen müssen, dass die Freiheit der Wissenschaft, die Freiheit des gemeinsamen Forschens, Lernens und Lehrens verteidigt wird.

Wenn unsere Befürchtungen, die wir mit dieser sogenannten Sicherheitssensibilisierung verbinden, nicht zutreffen würden, hätten Sie dies leicht mit einem Bericht an den Landtag klarstellen können. Dass Sie diesen einfachen Bericht verweigern, muss uns misstrauisch machen, und es macht uns misstrauisch. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie haben jetzt die letzte Chance,

diesen Eindruck zu widerlegen und ein bisschen Licht in diese unangenehme Geschichte zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Martin Neumeyer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Politik, und es gibt Schlagwortpolitik. Sie machen mit diesem Antrag Schlagwortpolitik und wundern sich, wenn die Menschen politikverdrossen werden.

(Beifall bei der CSU)

Wir sagen – wie die Innenministerkonferenz anlässlich ihrer Tagung in Nürnberg im Herbst – ganz klar: Sensibilisierung ist an den Hochschulen, den Studienkollegien und an Institutionen im Umfeld der Hochschulen notwendig. Sensibilisierung bedeutet aufpassen, genau hinhören und genau hinschauen. Das gilt für jede Bedrohung, von links, von rechts sowie für die Bedrohung durch den Islamismus. Sie sprechen in Ihren Berichten vom „Generalverdacht“. Wir sprechen von einer „generellen Vorsorge“, von einer Vorsorge im Sinne sicherheitsorientierter Maßnahmen.

Grundlage für Ihren Antrag war ein Artikel vom Mai 2007 über ein Gespräch der Verfassungsschützer mit einer Kanzlerin an einer Universität. Anlass hierfür war der versuchte Terroranschlag auf Regionalzüge in Deutschland. Gott sei Dank ist nichts passiert. Sie reden vom „Überwachungsstaat“ und vom „Klima der Bespitzelung“. Wir sagen jedoch Ja zu einer verstärkten Aufmerksamkeit zum Schutze unserer Bürgerinnen und Bürger.

Sie sprechen vom „Misstrauen gegenüber muslimischen und ausländischen Studentinnen und Studenten“. Wir setzen Vertrauen in alle ausländischen Studentinnen und Studenten, denen es um Wissen und um Bildung geht. Das sind die Unterschiede.

Fakt ist, dass die sogenannten Kofferbombenbauer im studentischen Umfeld bereits durch Gewalttätigkeit aufgefallen sind. Fakt ist aber auch, dass ein Attentäter am 11. September 2001 ein Mitglied der Hamburger TerrorZelle war.

Manche Mitstudenten werden wissen, was passieren soll oder diskutiert wird, halten es aber nicht für notwendig, dies zu melden, oft aus Gleichgültigkeit, falsch verstandener Solidarität oder sogar Sympathie. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Verhalten kann auch tödlich sein.

Wir müssen wissen, wer sich sicherheitsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten aneignet. Sensibilisierung bedeutet nicht Generalverdacht, kein Misstrauen, keine Überwachung, keine Bespitzelung und keinen Angriff auf die Wissensfreiheit, sondern stellt auf die Verantwortung der Hochschulen bei der Prävention zum Schutz vor Terror ab.

Was ist falsch an der Aufforderung zu erhöhter Sensibilität? – Lesen Sie nicht die Zeitung? – Hören Sie nicht, was los ist? – Wenn Sie einmal einen Vortrag von Frau Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann lesen, den sie vor Verfassungsschützern in Thüringen zum Thema „Kirche und Universität“ gehalten hat, dann würden Sie es verstehen. Ich darf dazu ein Zitat bringen: Es gibt zwei Gründe, warum Hochschulen für Islamisten interessant sind; zum einen als Ausbildungsstätte für ihren Führungskader, zum anderen zur Einfl ussnahme auf die Studierenden, insbesondere auf die muslimischen Studenten und gegebenenfalls zur Anwerbung. Das sind die Fakten.

Fakt ist auch, dass es an Universitäten in Deutschland islamistisch geprägte Gruppen gibt. Das reicht von der türkischen Nurcus über die Milli-Görös-Anhänger und die Muslimbrüder, die ein Anhängsel, nämlich den sogenannten islamischen Bund Palästina haben, bis zur Hizb ut Tahrir, die Befreiungspartei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mitglieder dieser Gruppen schließen sich zu Studentenvereinigungen zusammen. Mittlerweile gibt es auch die erste islamische Zeitung, die „Dunja“. Das war früher eine unabhängige Zeitung, mittlerweile ist sie jedoch in den Händen von Milli-Görös. Eine Sensibilisierung ist in allen Bereichen notwendig, nicht nur an den Hochschulen. Sie ist notwendig für die Sicherheit unserer Bürger.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Rupp.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Neumeyer, was Sie gerade ausgeführt haben, ist keine Begründung dafür, diesem Berichtsantrag nicht zuzustimmen. Sie haben kein Argument geliefert, das gegen einen Berichtsantrag spricht, sondern Sie haben nur auf eine Sensibilisierung hingewiesen, die notwendig sei. Ich fi nde es äußerst irritierend, dass Sie diesem Berichtsantrag nicht zugestimmt haben. Offensichtlich haben Sie etwas zu verbergen; denn der Berichtsantrag würde mehr Klarheit in diese Angelegenheit bringen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Neumeyer, Sie haben ausgeführt, weshalb Studierende und Beschäftigte an den Universitäten sensibilisiert werden sollten. Darüber können wir uns einigen. Allerdings gilt dies nicht für die Inhalte, die hier dargelegt wurden. Ein Kriterium war nämlich zum Beispiel „Bruch im Lebenswandel“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele von uns haben auch Brüche in ihrem Lebenswandel gehabt. Ich stelle es infrage, dass dies der richtige Anhaltspunkt für eine Sensibilisierung ist. Ganz spannend fi nde ich das Kriterium „Beschäftigung mit einschlägiger Literatur“. Diese einschlägige Literatur haben wir offensichtlich an unseren Hochschulbibliotheken. Entschuldigung, sollen die Bücher dort stehen, damit man sich nicht damit beschäftigt, oder warum werden sie angeschafft?

(Beifall bei der SPD)

Das sind sehr seltsame Kriterien. Ich halte es für notwendig, hier Licht ins Dunkel zu bringen und zu klären, welche Zusammenarbeit stattfi nden soll, was abgesprochen wurde und welche Aufträge gegeben wurden. Wir müssen klären, was tatsächlich an den Hochschulen passieren soll.

Ich dachte, dass die Staatsregierung in dieser Frage nichts zu verbergen hätte. Anscheinend hat sie aber einiges zu verbergen. Ich lehne es ab, muslimische Studierende unter Generalverdacht zu stellen, wie das hier anklingt. Das können sich unsere Hochschulen überhaupt nicht leisten. Ich bin der Meinung von Frau Kollegin Gote: Unsere Hochschulen müssen für Liberalität und Weltoffenheit stehen. Unsere Hochschulen müssen auch mit Menschen anderen Glaubens zusammenarbeiten. Diese Menschen müssen die Möglichkeit haben, bei uns zu studieren und bei uns einiges kennenzulernen, was im Verhältnis zu anderen sinnvoll und wünschenswert ist.

Man sollte nicht mit derartigen Kriterien versuchen, an unseren Hochschulen ein Klima der Bespitzelung zu schaffen. Ich bitte Sie, darüber noch einmal nachzudenken. Dass Berichtsanträge, die sehr neutral gefasst sind, abgelehnt werden, ist nicht die Gepfl ogenheit dieses Hauses.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Dr. Goppel ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich freue mich über die Gelegenheit, die Missverständnisse auszuräumen, die aus der Diskussion über einen sicherlich einfachen, aber deswegen nicht mit großem Hintergrund versehenen Antrag entstanden sind. Der Verfassungsschutz ist – entgegen der Annahme mancher hier mitredenden Damen und Herren – ein Organ dieses Rechtsstaates. Er ist ein Organ dieses Rechtsstaats, das nicht generell unter Verdacht steht, sondern das wir damit beauftragen, darauf zu achten, dass in unserem Land kein Unrecht geschieht.

Solange Sie nur wissen, dass ein Brief geschrieben worden ist, in dem ein paar Dinge aufgezählt sind, auf die geachtet werden soll, gibt es keinen Grund, den Verfassungsschutz so zu hinterfragen, wie Sie das tun. Sie tun gerade so, als ob der Verfassungsschutz eine radikale Organisation in diesem Lande wäre. Ich habe keine Angst vor der Berührung mit dem Verfassungsschutz. Er gehört zur Sicherung unseres Staates.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben gefragt, wie wir die Sicherheitslage an Bayerns Hochschulen bewerten. Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Ich bewerte sie positiv; denn bis jetzt haben wir dank der Politik, die wir machen, auch noch keinen der Studierenden bei uns entdecken und verzeichnen müssen, die in anderen Ländern sehr wohl genau bei diesen Nachfragen hätten Aufschluss geben können, wenn rechtzeitig

gefragt worden wäre. Es ist so, in Kiel und in Hamburg hat es ein paar eingeschriebene Studierende gegeben, bei denen es notwendig war, zu hinterfragen. Das hat der Verfassungsschutz einmal mehr eingefordert.

Zur Frage, wann welche Maßnahmen von wem ergriffen wurden: Der Verfassungsschutz, für sich genommen eine rechtsstaatliche Organisation, ist tätig geworden und hat als solche einen Brief an die Hochschulen geschrieben und gebeten, zu sagen, wo man in der Zukunft nachfragen kann. Was daran verwerfl ich ist, möchte ich gerne wissen. Ich möchte gerne wissen, was daran verwerfl ich ist, wenn ein Rechtsorgan des Staates fragt, wen es an der Hochschule fragen kann, wenn es eine Frage hat. Das möchte ich gerne wissen, das haben Sie nicht begründet, deshalb kann ich es Ihnen auch nicht beantworten. Ich kann nur feststellen, dass nichts veranlasst ist.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Wir wollen doch bloß einen Bericht!)

Ich sage es Ihnen doch jetzt.

Weiter haben Sie gefragt, welche Hochschulen in die Maßnahmen einbezogen worden sind. Der Verfassungsschutz schreibt, wie es auch zu seinem Metier gehört, dass an den Hochschulen Maßnahmen ergriffen worden sind, die er für richtig hält. Der Innenminister kann Ihnen dazu Auskunft geben, wenn Sie es im Einzelnen wissen wollen. Ich bin nicht für den Verfassungsschutz verantwortlich. Es hat sich herausgestellt, dass es keinerlei Folgen aus diesem Schriftverkehr gegeben hat. Insoweit brauche ich und kann ich nicht berichten.

Eine weitere Frage war, wie die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Hochschulen organisiert ist. Dazu gibt es keine Organisation, sonst hätte der Verfassungsschutz nicht schreiben und fragen müssen, ob es jemanden gibt, mit dem er korrespondieren kann. Wenn es eine Organisation gäbe, bräuchte er nicht zu fragen. Diese Frage beantwortet sich also von selbst.

Welche weiteren Maßnahmen geplant sind, hängt davon ab, welche Anforderungen dazu gestellt werden. Bis jetzt sind keine gestellt. Wenn welche gestellt sein sollten, wird Sie der Verfassungsschutz ebenso wenig unterrichten wie bisher. Wenn dabei Fehler passieren, werden wir gemeinsam hinterher sein, dass sie sich in der Zukunft auf jeden Fall nicht wiederholen. Ich gehe allerdings bei der Sorgsamkeit des Verfassungsschutzes davon aus, dass sich diese Fehler, die Sie vermuten, nicht ergeben.

Ihre Vermutungen sind gegenüber unserem eigenen staatlichen Gebilde nicht sehr freundlich. Sie unterstellen jedem, der insgesamt in seiner eigenen Einstellung Rechtsbrüche nachvollzogen und dabei Probleme bekommen hat und den wir dabei vielleicht entdecken, dass er ein sehr viel größeres Recht auf Freiheit hat als jeder der Bürger, die nicht beeinträchtigt werden sollen. Genau dies wird bei uns in Bayern nicht Gegenstand der Diskussion sein. Es wird nicht der Einzelne verdächtigt. Es wird nicht dem Einzelnen unterstellt, dass er dem Anderen etwas Übles tut, wenn er wissen will, wo Rechtsbrüche stattfi nden. Bei uns wird auch nichts über Vorgänge, die

nicht stattgefunden haben, berichtet, nur weil Sie gerne möchten, dass daraus etwas konstruiert wird.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Rupp hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Minister Goppel, ich fi nde es erstens sehr anmaßend, wenn Sie hier sagen, dass Ihre Politik dafür sorgt, dass die Sicherheitslage so gut ist, und wenn Sie im gleichen Atemzug sagen, die Universitäten in Kiel und in Hamburg achten nicht darauf, sondern nehmen es billigend in Kauf, dass derartige Studierende an ihren Hochschulen sind. So haben Sie sich geäußert. Ich betrachte dies als eine Zumutung gegenüber dem Land Schleswig-Holstein und gegenüber der Hansestadt Hamburg. Das ist mit der dortigen Hochschulpolitik mit Sicherheit nicht intendiert. Ich bin davon überzeugt, dass auch in diesen Ländern genau darauf geachtet wird, dass dort keine künftigen Terroristen ausgebildet werden.

Zweitens macht es mich wirklich misstrauisch, dass Sie auf einen Berichtsantrag, der dem Verfassungsschutz erst einmal gar nichts unterstellt, sagen, dass nichts organisiert sei und der Verfassungsschutz nach freiem Gutdünken entscheide, mit wem er wie kooperiere. Das empfi nde ich schon als problematisch; denn das Wissenschaftsministerium müsste zumindest wissen, wer an den Hochschulen tatsächlich zur Kooperation angeregt wird bzw. wer diese Kooperation leisten soll.

(Abgeordneter Herbert Ettengruber (CSU) meldet sich zu Wort)

Bitte, Herr Ettengruber.

Der Verfassungsschutz handelt nicht nach eigenem Ermessen, sondern nach gültigen Rechtsgrundlagen. Halten Sie den Kampf gegen den Extremismus und gegen den Terrorismus für keine wichtige Angelegenheit? Nehmen Sie billigend in Kauf, dass potenzielle Täter unschuldige Opfer durch Bomben zerreißen? Das ist es, was man sehen muss!