Protocol of the Session on June 21, 2007

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nochmals zu dem Ausspruch von Frau Stewens, es werde keinen Cent mehr kosten: Hätten Sie die Menschen in den dezentralen Wohnungen, die sie sich selbst gesucht haben, belassen, dann müsste der Freistaat nicht für die Unterbringung bezahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das wäre viel billiger!)

Hätten Sie Ihnen nicht vor Jahren die Arbeit weggenommen, wie das bei vielen Äthiopiern und anderen Staatsangehörigen geschehen ist, dann würden diese Menschen selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Sie müssten sie nicht mit Ihren jämmerlichen Essenspaketen versorgen. Aber Sie verfolgen damit natürlich eine vollkommen andere Absicht. Sie haben die Absicht, die Menschen so darzustellen, als würden sie dem Staat zur Last fallen. Das müssten sie nicht. Sie könnten für sich selbst sorgen. Sie zwingen sie in diese Abhängigkeit, Sie zwingen sie in diese Armut.

Die Landtagsfraktion der GRÜNEN hat sich in den letzten Monaten angesehen, was es bedeutet, in diesen Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen. Wir haben nämlich quer durch Bayern Gemeinschaftsunterkünfte besucht, angeschaut und mit den Leuten geredet. Wir haben dazu einen Bericht verfasst, aus dem ich zitiere: „Leben in der Gemeinschaftsunterkunft heißt: Gemeinschaftstoiletten und -duschen in oftmals sehr desolatem Zustand, eine minimal ausgestattete Gemeinschaftsküche, lediglich Kochplatten, kein Herd mit Backofen; gegebenenfalls ein Aufenthaltsraum oder ein Raum zur Hausaufgabenbetreuung; ein Zimmer für maximal vier Personen; ein Zusammenleben mit unterschiedlichsten, möglicherweise auch untereinander verfeindeten Ethnien.“

Ich füge an: Wenn es hier zu Konfl ikten kommen sollte, wäre wieder ein beliebtes Vorurteil bestätigt worden. Das ist nicht schlecht; denn damit kann man gut Politik machen. Ich zitiere weiter: „Hinzu kommt die Abhängigkeit von den Verwaltern oder Heimleitern, die, selbst äußerst schlecht bezahlt, darüber verfügen, in welcher Baracke man untergebracht wird, ob man ein zweites Zimmer belegen darf, ob Besucher empfangen werden können, ob man ein weiteres Möbelstück im Zimmer aufstellen darf oder nicht.“ – Wenn das eine menschenwürdige Unterbringung ist, heiße ich ab sofort Hans.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Statt die Gemeinschaftsunterkünfte zu schließen und zur dezentralen Unterbringung zurückzukehren, wird die Kasernierung in Gemeinschaftsunterkünften de jure auf andere Zielgruppen ausgeweitet. So sollen jetzt die geduldeten Flüchtlinge mit einem Bleiberecht auf Probe und die Opfer von Frauenhandel künftig ebenfalls in den bekanntlich nicht mehr ausgelasteten Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Das ist auch deshalb besonders perfi de, weil diese Menschen teilweise schon Wohnungen hatten. Jetzt müssen sie in die Gemeinschaftsunterkünfte zurück. Wie das auf die Betroffenen wirkt und wie sehr das eine effektive Arbeitssuche befördert, können Sie sich sicher vorstellen.

Wir wissen auch, warum Sie das machen: Der Wahlkampf hat begonnen. Dieser Wahlkampf geht zulasten der ausländischen Mitbürger. Sie dürfen Ihren Wahlkampf ruhig machen, aber ohne uns.

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Hans Ger- hard Stockinger (CSU): Das sowieso!)

Die Aussprache ist geschlossen. Herr Kollege Volkmann möchte eine Erklärung nach § 112 Geschäftsordnung abgeben. Ich darf daran erinnern, der Redner darf nur Angriffe zurückweisen, die in der Aussprache gegen ihn geführt wurden oder eigene Ausführungen berichtigen. Er darf keine Anträge mit seiner Erklärung verbinden.

Herr Präsident, ich möchte kurz zu der Aussage des Herrn Unterländer Stellung nehmen, der mir unterstellt hat, ich müsste zugeben, dass es sozialen Missbrauch gebe. Dazu möchte ich sagen: Herr Kollege Unterländer, das habe ich nicht nur nie bestritten, sondern das war mir immer klar. Selbstverständlich gibt es in diesem Bereich auch sozialen Missbrauch. Darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Ich stelle jedoch fest, es ist eine absolute Katastrophe, wenn Sie dieses Problem anhand des Missbrauchs lösen wollen. Deshalb muss ich Sie fragen – –

Herr Kollege Volkmann, Sie steigen wieder in die Sachdebatte ein. Es geht ausschließlich um die Zurückweisung inhaltlicher Angriffe gegen Ihre Person.

Ich weise die Ausführungen des Herrn Unterländer mit aller Deutlichkeit zurück. Ich hätte dies gern mit größerer Deutlichkeit unterstrichen.

Damit ist dieser Punkt abgeschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Es wird so verfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Abstimmung über Anträge etc., die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Auch niemand. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Antrag der Abg. Bärbel Narnhammer, Hans-Ulrich Pfaffmann, Franz Schindler u. a. (SPD) „Individuelle Förderung statt individueller Daten“ (Drs. 15/6535)

Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN hierzu namentliche Abstimmung beantragt

haben. Ich eröffne nun die Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten. Das Wort hat Frau Kollegin Narnhammer.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Präsident hat gerade die namentliche Abstimmung angekündigt. Uns ist dies sehr wichtig, weil gerade Kolleginnen und Kollegen aus der CSU-Fraktion im Rechtsausschuss bewiesen haben, dass sie durchaus Sympathie für unseren Antrag haben.

Kolleginnen und Kollegen, wie Sie vielleicht wissen, wird im Rahmen der Kultusministerkonferenz über die Einführung eines nationalen Bildungsregisters diskutiert. Da die Bayerische Staatsregierung bekanntermaßen emsig und gerne Daten von Bürgerinnen und Bürgern sammelt wie ein Eichhörnchen Nüsse für den Winter, hat sie die Individualerfassung von Schülern, Schülerinnen und Lehrern bereits fast umgesetzt.

In der Beantwortung meiner Schriftlichen Anfrage zu diesem Thema heißt es, ich zitiere: „Das Individuum verschwindet gleichsam in der großen Menge der anonymisierten Datensätze und kann momentan auch nicht über die Jahre hinweg in seinem Bildungsverlauf verfolgt werden.“ Ich betone: momentan. Das bedeutet, der Weg geht in die Richtung eines eindeutigen Merkmals zur Identifi kation von Schülern und Schülerinnen. Entsprechend erhofft sich das Kultusministerium mit einer Schüler-ID, die Bildungsberichterstattung um neuartige Analysemöglichkeiten zu erweitern.

Kolleginnen und Kollegen, ich frage mich allerdings, was das für einen Nutzen haben soll. Alle einschlägigen Studien – ich nenne nur einmal Pisa, Timss und den Isb-Bildungsbericht – zeigen doch klar auf, woran das bayerische Schulsystem krankt. Wir haben eine zu frühe Differenzierung der Schüler und Schülerinnen nach der vierten Jahrgangsstufe. Wir haben eine zu geringe Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schularten und eine zu große Abhängigkeit der Bildungschancen von der fi nanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern. Wir haben eine Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund, einen Unterrichtsausfall wegen des dramatischen Lehrermangels und fehlende Ganztagsangebote.

(Beifall bei der SPD)

Ich könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Dazu reicht die Zeit nicht!)

Richtig, dazu reicht die Zeit nicht. Um diese Tatsachen zu bestätigen, brauchen wir keine Schüler-ID. Wir brauchen Taten, um diese Missstände zu beseitigen.

(Beifall bei der SPD)

Die Erfassung und Speicherung individueller Daten unter einer Schüler-ID schafft nun einmal gläserne Schüler und Schülerinnen. Ihre Bildungskarriere, ihre Herkunft und ihr

wirtschaftlich-sozialer Hintergrund werden lückenlos dokumentiert. Dies widerspricht nicht nur dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, es birgt in ganz großem Maße auch die Gefahr des Missbrauchs. Je mehr Datenbestände existieren, umso größer ist das Risiko, dass sie in falsche Hände geraten. Gelegenheit macht Diebe, leider auch hier.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb wollen wir mit unserem Antrag die Einführung einer Schüler-ID verhindern. Wir fordern die Staatsregierung auf, sich im Rahmen der Kultusministerkonferenz gegen die Einführung eines nationalen Bildungsregisters auszusprechen. Spätestens seit der Föderalismusreform hat der Bund bei der schulischen Bildung allenfalls noch eine kosmetische Funktion. Weshalb, frage ich mich, soll dann auf Bundesebene ein riesiger Datenfriedhof errichtet werden, wenn die Handlungskompetenz fehlt? –

(Beifall bei der SPD)

Die Mitglieder der Mehrheitsfraktion in diesem Hause sprechen immer wieder gern und ausführlich vom Bürokratieabbau. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, nehmen Sie diesen Anspruch auch einmal ernst. Bauen Sie nicht ein neues bürokratisches Instrument auf Bundesebene auf, das dort völlig nutzlos ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich freue mich darüber, dass genau aus diesem Grund Herr Kollege König im Rechtsausschuss sein hohes Maß an Sympathie für unseren Antrag bekundet hat.

(Zurufe von der SPD: Oha!)

Ich freue mich auch darüber, dass der Rechtsausschuss unseren Antrag einstimmig angenommen hat.

Kolleginnen und Kollegen, in der Bevölkerung nimmt das Unbehagen über die ausufernde staatliche Überwachung zu. Ausgehend vom Elternbeirat des Gymnasiums Grafi ng wurden bayernweit Unterschriften für eine Petition gegen diese Schüler-ID gesammelt. Fast 21 000 Bürgerinnen und Bürger haben diese Eingabe unterzeichnet. Ich appelliere deshalb an Sie: Nehmen Sie die Sorgen der Eltern ernst. Kolleginnen und Kollegen von der Mehrheitsfraktion, wachen Sie auf am heutigen Tag des Schlafes

(Renate Dodell (CSU): Das klingt ja wie beim Apostel Paulus!)

und stimmen Sie wie unsere Kolleginnen und Kollegen im Verfassungsausschuss unserem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner: Herr Kollege Rüth.

Herr Präsident, Hohes Haus! Der SPD-Antrag eröffnet uns heute die Möglichkeit, über

das Thema Datengewinnung für die Bildungsstatistik öffentlich zu diskutieren, darüber zu informieren, mögliche Vorurteile auszuräumen und klarzustellen, dass bei allen Entscheidungen zu diesem Thema der Datenschutz für die CSU-Fraktion an erster Stelle steht.