Protocol of the Session on May 10, 2007

Ein weiterer Aspekt des Entwurfs ist die Beteiligung der Gefangenen an den Kosten. Damit wird einem Grundsatz Rechnung getragen, der schon im geltenden Strafvollzugsgesetz des Bundes gilt, nämlich dass das Leben im Vollzug dem Leben in Freiheit angeglichen werden soll.

Besonders im Jugendstrafvollzug halte ich die Sozialtherapie für unbedingt erforderlich. Zum einen wissen wir, dass ein Großteil der jungen Gefangenen deutliche Defi zite in erzieherischen und sozialen Fragen hat. Diese Rückstände müssen wir während des Vollzugs aufarbeiten. Zum anderen sind junge Gefangene noch am ehesten erzieh- und formbar, sodass das hier investierte Geld

mit Sicherheit am besten angelegt ist. Hier dürfen wir nicht sparen; denn gerade ein nicht-therapierter junger Gewalttäter hat ein enormes Potenzial, um nach seiner Entlassung gravierende Straftaten zu begehen. Gerade bei einem jungen Straftäter sind aber auch die Chancen am größten, dass wir ihn wieder auf den richtigen Lebensweg zurückführen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf gehe ich den Weg konsequent weiter, den ich bereits 2005 in der Jugendstrafanstalt Neuburg-Herrenwörth mit der Einrichtung eines Jugendtherapiezentrums eingeschlagen habe, ohne dass wir damals schon eine gesetzliche Verpfl ichtung dazu gehabt hätten. Selbstverständlich wird der Entwurf im Jugendteil auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht. Zur Stärkung der familiären Kontakte beispielsweise wird die gesetzliche Mindestbesuchszeit erhöht. Damit legen wir nur konsequent im Gesetz nieder, was in der Praxis zum großen Teil bereits Realität ist.

Der Gesetzentwurf der Staatsregierung unterscheidet sich deutlich von Vorschlägen der früheren Bundesregierung, die aussahen wie die Hausordnung eines Heimes für Schwererziehbare. In unserem Entwurf steht im Mittelpunkt, dass die jungen Gefangenen konsequent gefordert und bei entsprechender Mitarbeit auch gefördert werden. Dazu gehört, dass junge Gefangene vorrangig eine Ausbildung machen müssen oder aber arbeiten.

Dazu gehört aber auch, dass die Bediensteten bei Disziplinarvergehen konsequent durchgreifen.

Alles in allem handelt es sich um ein Gesetz aus der Praxis für die Praxis. Dabei haben wir uns nicht von irgendwelchen Ideologien leiten lassen, sondern wir haben danach gefragt, wie wir in dem engen fi nanziellen Korsett, in dem wir unsere Qualitäten dennoch steigern wollen, das Thema Sicherheit weiter verbessern und dabei gerade den jungen Gefangenen auch eine Chance bieten können, eine Chance für den Ausstieg aus der Kriminalität und für eine straffreie Zukunft. Das Ergebnis wird nach meiner Überzeugung Vorbildfunktion auch für die anderen Bundesländer haben. Ich bitte Sie herzlich um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Kollege Schindler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns in dieser Legislaturperiode mit dem Thema Strafvollzug befassen. Ich verweise darauf, dass der jetzt vorliegende Gesetzentwurf eine Folge der Föderalismusreform des letzten Jahres ist, und ich verweise auch darauf, dass ich und meine Fraktion nach wie vor der Meinung sind, dass es ein Fehler war, die Gesetzgebungszuständigkeit speziell für den Strafvollzug zu zersplittern. Denn es kommt jetzt genau so, wie es zu befürchten war, dass es nämlich in Zukunft 16 verschiedene Gesetze für den Strafvollzug geben wird, obwohl es einen engen sachlichen Zusam

menhang zum materiellen Strafrecht und zur Strafprozessordnung gibt.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist aber auch die Folge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Jahr zum Thema Jugendstrafvollzug. Und da muss ich, sehr verehrte Frau Staatsministerin, klarstellen, dass diese Entscheidung gegen die Stellungnahme der Staatsregierung ergangen ist. Die Staatsregierung hat damals in dem Verfahren ausdrücklich ausgeführt, dass sie ein eigenes Jugendstrafvollzugsrecht nicht für erforderlich hält.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Insofern wundert es mich schon, dass Sie jetzt sagen, das Bundesverfassungsgericht sei Ihren Vorstellungen gefolgt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dem Gesetzentwurf handelt es sich um eines der größeren Gesetzgebungsvorhaben in dieser Wahlperiode. Dementsprechend sorgfältig müssen wir das Thema behandeln, und es wird sicherlich auch eine Anhörung im zuständigen Ausschuss stattfi nden müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch hinzufügen, dass ein moderner Strafvollzug, den wir alle wollen – das habe ich Ihren Worten entnommen, Frau Ministerin – nicht zum Nulltarif zu haben sein wird, sondern dass er Geld kosten wird. Deshalb wird es weiterhin unsere Aufgabe bleiben, den Fehlbestand an Mitarbeitern im Strafvollzug abzubauen. Nun nehmen wir zur Kenntnis, dass Sie beabsichtigen, neue Stellen zu schaffen. Wären Sie den Vorschlägen der SPD von vor zehn oder fünf Jahren gefolgt, müsste jetzt nicht ein Fehlbedarf gedeckt werden.

(Beifall bei der SPD)

Ein Kombigesetz, also ein Gesetz, das sowohl den Vollzug der Freiheitsstrafe an Erwachsenen als auch die Jugendstrafe und die Sicherungsverwahrung in einem einzigen Gesetz regelt, halten wir nicht für erforderlich, weil sich – das wird ja auch immer wieder betont – das Strafvollzugsgesetz alles in allem bewährt hat und gemäß Artikel 125 a des Grundgesetzes auch weiterhin in Kraft bleiben kann. Außerdem trägt ein Kombigesetz – das ist noch wichtiger – den Besonderheiten des Jugendstrafvollzugs nicht ausreichend Rechnung. Wir haben deshalb ein eigenständiges Gesetz für den Jugendstrafvollzug vorgelegt, um damit die Abkoppelung des Jugendstrafvollzugs vom allgemeinen Vollzug zu verdeutlichen.

Meine Damen und Herren, mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf, bei dem ich nicht verhehlen will, dass er auch sehr gute Ansätze enthält, verabschiedet sich die Staatsregierung aber von fundamentalen Wertungen des bisherigen Strafvollzugsgesetzes. Ich meine damit den Vorrang der Resozialisierung.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Gesetzentwurf tritt an die erste Stelle des Strafvollzugs der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Das wiederholen Sie dann auch in Bezug auf den Jugendstrafvollzug. Ich will überhaupt nicht bestreiten und keinen Zweifel aufkommen lassen, dass selbstverständlich der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten auch eine Aufgabe des Strafvollzugs ist. Aber wer das bisherige Verhältnis zwischen Resozialisierung und der weiteren Aufgabe des Schutzes der Allgemeinheit umkehrt, bringt damit zum Ausdruck, dass er die Resozialisierung nicht mehr als vorrangig bewertet, wie es im Strafvollzugsgesetz bisher der Fall ist.

(Beifall bei der SPD)

Man müsste jetzt auch über weitere Themen reden – dafür fehlt mir leider die Zeit –, bei denen Sie sich vom bisherigen Strafvollzugsgesetz verabschieden. Ich denke da an den im bisherigen Gesetz genannten Vorrang des offenen Vollzugs vor dem geschlossenen Vollzug. Das ist keine ideologische Frage, sondern es geht ausschließlich um die Frage, wie wir es schaffen, die Rückfallquote möglichst gering zu halten.

Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie auf empirische Erkenntnisse verweisen, wonach Therapien, aber auch Formen des offenen Vollzugs eher geeignet sind, die Rückfallhäufi gkeit zu vermindern, als der strikt geschlossene Vollzug. Wenn das so ist, gibt es überhaupt keinen Grund, das Regel-Ausnahmeverhältnis in diesem Gesetzentwurf umzukehren.

Ich muss leider zum Schluss kommen und kann nur noch stichwortartig sagen, dass wir es auch nicht für richtig halten, dass der Wohngruppenvollzug weiterhin nur als Kann-Vorschrift geregelt wird.

Abschließend möchte ich Folgendes klarstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wenn wir ein modernes Strafvollzugsgesetz speziell für jugendliche Straftäter wollen, wird das Geld kosten. Wir brauchen qualifi zierte Mitarbeiter im Jugendstrafvollzug und müssen bereit sein, die Konzepte des Vollzugs immer wieder zu überprüfen und dann zu ändern, wenn sich herausstellt, dass sie die erhofften Wirkungen nicht entfalten.

Ich möchte es an dieser Stelle nicht versäumen, den Mitarbeitern im Strafvollzug ausdrücklich für ihre Arbeit zu danken, die sie unter teilweise schwierigen Bedingungen leisten. Ich sichere eine sorgfältige Beratung dieses Gesetzentwurfs zu und hoffe, dass am Schluss wirklich ein modernes Strafvollzugsgesetz für Bayern steht.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Kollege Welnhofer.

Herr Präsident, Hohes Haus! Ich denke, es ist heute ein Tag der Freude für den Bayerischen Landtag,

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

nicht, weil der Strafvollzug etwas Erfreuliches wäre. Es ist nicht erfreulich, dass es so etwas gibt und geben muss, aber erfreulich ist, so meine ich, dass der Bayerische Landtag heute die Gelegenheit hat, ein erstes großes Gesetz nach der Föderalismusreform des vergangenen Jahres in Erster Lesung zu behandeln. Ich denke, dass es richtig war, die Kompetenz für den Strafvollzug auf die Länder zu übertragen, auch wenn das gerade in der Vergangenheit vielfach und auch heute wieder kritisiert worden ist - zu Unrecht, wie ich meine; denn seit jeher wurde der Strafvollzug von den Ländern umfassend gestaltet: Organisation, Personal, Gebäude, Sachbedarf und auch die Gesamtverantwortung für den Vollzug waren schon immer Sache der Länder. Lediglich die Regeln für den Strafvollzug waren Bundesangelegenheit, und dafür gibt es nach meiner Überzeugung überhaupt keinen triftigen Grund. Verantwortung und Regelungskompetenz gehören zusammen. Im Zweifel sollte für einen Föderalisten, also für einen bayerischen Parlamentarier, ohnehin gelten: Landeskompetenz hat im Zweifel Vorrang.

Die Revitalisierung des bundesdeutschen Föderalismus hat begonnen mit neuen Chancen für die Länder. Leistungsfähige Länder wie Bayern können und werden sie nutzen. Das Bayerische Strafvollzugsgesetz ist nur ein erster, wenn auch ein bedeutender erster Schritt. Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Zentralstaat. So steht es im Grundgesetz. Das Leben in Deutschland ist vielgestaltig und unterschiedlich. Und warum, meine Damen und Herren, sollten die staatlichen Regelungen weniger vielgestaltig und unterschiedlich sein? -

Föderalismus bedeutet schließlich auch Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortung für unsere Heimat Bayern.

Ich darf noch einmal an Roman Herzog erinnern. Er hält es für falsch – ausdrücklich für falsch –, wenn Einheitlichkeit als Wert an sich gesehen wird. Er hält es auch für falsch, davon auszugehen, dass die höhere Ebene immer auch die höhere Problemlösungskompetenz hat. Er sagt:

Das Gegenteil ist richtig. Der Leitwert in einem freiheitlichen Gemeinwesen heißt Vielfalt. Vielfalt ist produktiv.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Subsidiarität!)

So weit Roman Herzog.

Ich danke dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz, insbesondere natürlich der Ministerin, aber auch allen ihren Mitarbeitern, für die Mühe, die sie sich mit diesem Entwurf gemacht haben. Es ist, wie ich denke, etwas Gutes dabei herausgekommen. Genauso danke ich wie mein Vorredner allen, die im Vollzug Verantwortung tragen.

Wir wollen im Strafvollzug keineswegs alles über Bord werfen; denn vieles hat sich bewährt. Aber wir wollen und werden neue Schwerpunkte setzen. Dazu gehört eines, was schon von meinem Vorredner angesprochen worden ist, was wir aber ganz anders sehen. Für uns hat der Schutz der Allgemeinheit höchste Priorität. Dann kommt die Resozialisierung. Strafvollzug soll auch Resozialisie

rung bringen, aber eben nur auch, und in erster Linie den Schutz der Bevölkerung.

(Franz Schindler (SPD): Aha!)

Das gilt auch für den Jugendstrafvollzug. Wir sehen überhaupt nicht ein, warum es ein Fehler sein soll, den Jugendstrafvollzug in den allgemeinen Strafvollzug formell zu inkorporieren. Warum soll das nicht in einem Regelungswerk gut gemacht werden können, wenn es, was notwendig ist, spezielle Vorschriften, Sondervorschriften, abweichende Vorschriften für den Jugendstrafvollzug gibt?

Meine Damen und Herren, wer die berechtigten Sicherheitsinteressen der Bevölkerung ernst nimmt, stellt Schutz und Resozialisierung wenigstens gleichberechtigt nebeneinander. Ich persönlich gebe dem Schutzgedanken sogar den Vorrang, denn der Bürger hat Anspruch darauf, dass er vor Straftätern geschützt wird.

Unbestritten – ich sage es heute noch einmal – ist, dass die gelungene Resozialisierung der beste Schutz ist. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass Resozialisierungsfähigkeit und Resozialisierungswilligkeit häufi g fehlen.

Auch der offene Vollzug als Regelform ist meines Erachtens ein Irrweg. Überlegen wir doch: Wer kommt überhaupt ins Gefängnis? Das sind ja nicht die leichten Fälle. Da gibt es zunächst die Bewährungsstrafe. Absitzen muss der Wiederholungstäter oder derjenige, der schwere Straftaten begangen hat. Der aber hat zunächst einmal im offenen Vollzug nichts verloren. Er muss sich erst bewähren.

Herr Kollege.

Ich bin gleich so weit, Herr Präsident.

Insgesamt sagen wir: Realitätsfremden Vorstellungen werden wir nicht folgen, einer vernünftigen, an der Vollzugswirklichkeit orientierten Vorstellung, wie die Staatsregierung sie hat, aber sehr wohl. Die gemachten Vorschläge werden wir sorgfältig prüfen, und wir sind auch für weitere Vorschläge offen. Allerdings werden bei der Beurteilung die Prinzipien gelten, die ich gerade genannt habe.

(Beifall bei der CSU)

Letzte Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl.