Protocol of the Session on May 10, 2007

Herr Minister, zunächst kann ich bestätigen, dass der Chef von Audi gesagt hat, er habe die Strukturdebatten satt. Aber können Sie sich vorstellen, dass es in Bayern diese Debatten auch deswegen gibt, weil hier die Bildungspolitik Lücken aufweist und vieles nicht richtig läuft?

(Zuruf von der SPD)

Genau. Es gibt keine Gesamtkonzeption. Sie haben gesagt, sicherlich bleibe nicht jeder Standort erhalten. Wie können Sie das mit den Zielsetzungen des Landesentwicklungsprogramms, mit der Entwicklung ländlicher Regionen vereinbaren? Es sollen etwa 600 bis 700 der insgesamt 1000 Hauptschulen Ganztagsschulen werden. Trifft dies zu, und wenn ja, warum? Es würde mich interessieren – auch Sie haben schon einige Zahlen genannt – , ob es sich um Klassen oder um Schulen handelt; da ist sicherlich ein großer Unterschied. Wie viele zweizügige Hauptschulen gibt es nach Ihren Vorstellungen, die für die Umstellung geeignet sind? Denn wenn ich richtig gelesen habe, kommen hierfür nur einige wenige Schulen in Be

tracht. Kann es sein, dass damit diese einzügigen Hauptschulen auf Dauer gefährdet sind? Wie viele Hauptschulen werden am Ende übrig bleiben? Es würde mich auch interessieren, ob eine Änderung der Schulträgerschaft für die Hauptschulen, zum Beispiel von den Gemeinden hin zu den Landkreisen, geplant ist.

Herr Kollege, wir bekommen mit der Zeit Probleme.

Ich beginne mit den Zahlen: Wir haben derzeit etwa 1000 Hauptschulen, davon sind 700 zwei- und mehrzügig; 300 Hauptschulen sind einzügig. Unser Prinzip ist, die Ganztagsschule in gebundener Form anzubieten, damit sich Eltern und Schüler dafür entscheiden können. Das heißt in der Konsequenz, bei einer einzügigen Hauptschule werde ich das nicht leisten können, wenn Eltern dabei sind, die sich anders entscheiden wollen. Deshalb wird der Ausbau schwerpunktmäßig an den zwei- und mehrzügigen Hauptschulen beginnen.

Es kann natürlich auch sein, dass sich dann – auch da werden wir mit einigen Schulen einsteigen –, wenn sich zwei oder drei einzügige Hauptschulen zusammentun und sagen, wir bieten in unserem Umkreis an einer Schule das Ganztagsangebot an, die Eltern natürlich entscheiden können, die Schüler gehen dort hin oder nicht. Das ist die Frage eines Verbundsystems, das notwendig ist, um letztendlich die Freiwilligkeit aufrechterhalten zu können.

Es sind natürlich keine Klassen gemeint, sondern Schulen, wo wir einsteigen und sukzessive entsprechende Angebote aufbauen wollen, zum Beispiel beginnend in der fünften Klasse und darauf aufbauend. Manche Gemeinden wollen auch mit der siebten Jahrgangsstufe beginnen und darauf ein Ganztagsangebot aufbauen. Es gibt auch einen Antrag, der besagt, ich will nur in Jahrgangsstufe neun ein Ganztagsangebot anbieten, um im letzten Jahr nochmals richtig zu powern. Das ist eine Entscheidung, die die Schule gemeinsam mit der Kommune treffen muss. Wir werden die Konzepte ausarbeiten und sehen, ob es inhaltlich, aber auch von den Voraussetzungen einer Schule her so umsetzbar ist.

Es ist im LEP – Landesentwicklungsprogramm – nicht wortwörtlich enthalten, aber die Hauptschule ist eine weiterführende Schule. Im LEP steht nicht, dass in jeder Ortschaft eine Hauptschule sein muss. Das müssen Sie im LEP nachlesen. Es ist im LEP genau dargelegt, wo weiterführende Schulen notwendig sind, und die Hauptschule ist eine weiterführende Schule.

Ob sich eine Änderung der Schulträgerschaft ergibt, wird sicher nicht vom Landtag allein entschieden – auch nicht vom Minister –, sondern kann nur gemeinsam mit den Kommunen entschieden werden. Wenn Landkreistag und Gemeindetag sagen, wir würden eine Änderung gerne mitmachen und eine solche vorschlagen, wird man darüber diskutieren. Aber die Konzeption der Hauptschulreform macht keine Änderung der Schulträgerschaft notwendig. Es könnte aber bei Fragen der Schülerbeförderung durchaus hilfreich sein, dafür gemeinsam mit meh

reren Kommunen oder im Landkreis eine Regelung zu fi nden.

Herr Kollege Strobl, lassen Sie mich auch auf die Konzeption der SPD eingehen. Im Januar hat die SPD-Fraktion in Irsee beschlossen, zu differenzieren bei Übertritten nach der vierten Jahrgangsstufe in ein Gymnasium, in eine Realschule und in eine sogenannte Regionalschule. Dann kam im Februar oder März ein neues Gutachten heraus.

(Zurufe von der CSU: Hört, hört!)

Dann hat die SPD wieder umgeschwenkt und gesagt, jetzt machen wir sechs Jahre und differenzieren nach der sechsten Klasse Gymnasium und Regionalschule. Der Klarheit wegen wird uns wahrscheinlich im Juni von der SPD-Fraktion ein neues Konzept vorgelegt, im September wieder ein Konzept und im Dezember vielleicht ein fünftes Konzept.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Aber inhaltlich haben Sie noch keine einzige Aussage getroffen. Sie diskutieren nur über Strukturfragen und schieben das Ganze hin und her, ohne auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler einzugehen.

(Beifall bei der CSU)

Nochmals eine Nachfrage: Herr Kollege Strobl.

Mich würde interessieren, wer die Kosten der Schülerbeförderung übernimmt, wenn sich Hauptschulen zusammentun. Sind Sie bereit, hierfür zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen? Sie berufen sich in Bezug auf die Mittel immer auf den Bayerischen Landtag. Soweit mir bekannt ist, haben Sie hier eine Zweidrittelmehrheit. Sie hätten es somit in der Hand, Ihre Fraktion dazu zu bringen, dass für die Bildung mehr Geld zur Verfügung gestellt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schaffen Sie das nicht? Oder versuchen Sie das nicht? Sie können sich auf jeden Fall nicht immer auf den Bayerischen Landtag berufen; denn Sie haben hier, wie gesagt, die Mehrheit.

Herr Staatsminister.

Noch einmal: Ich habe nur deutlich gesagt, dass das Haushaltsrecht beim Bayerischen Landtag liegt. Das heißt, wenn im Bayerischen Landtag die Verhandlungen über den Haushalt stattfi nden, wird abgestimmt. Natürlich werde ich mehr Investitionen fordern. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheitsfraktion diesem Wunsch nach mehr Mitteln entsprechen wird. Nur: Eine Ministerbefragung ist keine Haushaltsdebatte. Also müssen wir warten, bis die Haushaltsdebatte stattfi ndet.

Ich werde mehr Mittel fordern. Das Kabinett unterstützt meine Pläne. Aber letztlich fi ndet hier die Abstimmung über den Haushalt statt. Ich denke, da sind wir uns einig. Die Vorschläge werden von mir kommen und sich im Haushaltsentwurf der Staatsregierung niederschlagen. Aber die Abstimmung darüber wird hier stattfi nden.

Zur Schülerbeförderung: Wenn sich Kommunen einigen und einen Verbund bilden, muss die Schülerbeförderung natürlich intern geregelt werden. Wenn es sich um einen Schulverbund handelt, ist es auch jetzt so, dass die Gesamtkosten zusammengezählt und dann durch die Anzahl der Schüler geteilt werden; so entstehen die Kosten. Es kann also zum Vorteil der Schülerinnen und Schüler die eine oder andere zusätzliche Beförderung notwendig sein. Diese Fragen betreffend die Schülerbeförderung werden dann in den Verhandlungen entweder zwischen den Kommunen oder zwischen den kommunalen Spitzenverbänden, der Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion geklärt werden.

Ich gehe davon aus, dass über die Schülerbeförderung – wenn Sie das gemeint haben – zunächst einmal keine Konnexitätsforderungen abzuleiten sind. Ich bin auch sehr froh darüber, dass der Chef des Gemeindetages, Herr Dr. Brandl – am ersten Tag waren Sie nicht da, aber Herr Kollege Pfaffmann –, deutlich gemacht hat, es gehe um die Schülerinnen und Schüler. Die Konnexität dürfe nicht als Konnexitätsgeißel ausgelegt werden, um alles Mögliche zu verhindern, so die Aussage des Gemeindetags. Ich habe darauf geantwortet, ich begrüße das sehr, aber es müsse darum gehen, dies in fairen Verhandlungen mit den Gemeinden gemeinsam zu schultern, und ich habe viel Vertrauen, dass wir im Gemeindetag einen sehr verlässlichen Partner haben.

Zweiter Beitrag aus der CSUFraktion und damit letzte Wortmeldung: Herr Kollege Stahl.

Herr Staatsminister, Sie haben für Ihre Aussage in Ingolstadt, wir müssten loslassen, sehr viel Beifall bekommen. Sie meinten damit, dass das Kultusministerium, die Regierung, alle, nach unten delegieren müssten, dass hier auch die Schulen selbst Verantwortung übernehmen und zum Gelingen der Hauptschulreform beitragen müssten. Mich hat auch beeindruckt, wie ein Bub bei der Diskussion gesagt hat, er wünsche sich, dass seine Eltern am Erziehungsunterricht mehr Anteil nähmen. Wie können wir mehr tun und erreichen, dass die Eltern die Hauptschule akzeptieren und hier am Schulleben begeistert teilnehmen?

Herr Staatsminister.

Herr Kollege Stahl, ich habe versucht, deutlich zu machen, dass es „die Hauptschule“ nicht gibt. Die Hauptschulen sind im Hinblick auf ihre Größe, ihre Sozialstruktur und ihre Umgebung unterschiedlich strukturiert. Deshalb wird es keine Lösung geben können, die für jede Hauptschule identisch ist. Für das Ministerium, für die Regierung und für die Schulaufsicht heißt das, dass zunächst akzeptiert werden muss, was sich vor Ort entwickelt hat. Wenn es in

den Rahmenplan passt, muss alles dafür getan werden, die Fortführung dieser Entwicklungen zu ermöglichen. Die Schulen vor Ort sind sehr weit. Ich habe bei vielen Gesprächen und Besuchen exzellente Entwicklungsschritte festgestellt. Wir müssen aber auch deutlich machen, dass mehr Selbstständigkeit auch mehr Verantwortung bedeutet. Wenn ein Schulleiter eine Entscheidung trifft, muss er für diese Entscheidung auch einstehen. Er kann nicht sagen, dass das irgendjemand so gewollt hätte. Das „Loslassen“ und das „Zulassen“ sind sicherlich wichtige Punkte.

Das zweite Thema ist die Elternarbeit. Dieses Thema ist mit Schwierigkeiten verbunden, die sich in den verschiedenen Schularten unterschiedlich darstellen. Wir führen gemeinsam mit der Stiftung „Bildungspakt“ einen Modellversuch durch, der von Herrn Prof. Dr. Sachers begleitet wird. Dieser Modellversuch heißt „Vertrauen in Partnerschaft“ und damit werden neue Wege der Zusammenarbeit und der Elternarbeit ausprobiert und evaluiert. Wir wollen diesen Modellversuch in die Fläche bringen. Entscheidend wird sein, dass Eltern, wenn sie mitarbeiten, als Erziehungspartner wahrgenommen und ernst genommen werden. Außerdem muss alles getan werden, Eltern zu ermuntern, ihren Beitrag zu leisten. Ich kann das nicht über ein Gesetz regeln. Ein solches Gesetz müsste strafbewehrt sein. Das wäre aus meiner Sicht kontraproduktiv. Wir müssen die Eltern rechtzeitig abholen und ihnen Angebote machen, damit sie ihrer Erziehungsverantwortung gerecht werden. Manche Schulen sind hier bereits sehr weit. Wir dürfen es nicht zulassen, dass alles, was in der Gesellschaft nicht mehr gut funktioniert, auf die Schule abgeschoben wird. Nach wie vor wird eine Elternpfl icht und eine Elternverantwortung gegeben sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um dies rüberzubringen, wird es notwendig sein, in der Kommunikation die Chancen, die für Hauptschüler in Bayern gegeben sind, deutlich zu machen. Ich betone noch einmal: 20 % der Hauptschüler machen bereits jetzt die Mittlere Reife. Ein Viertel dieser Schüler tritt danach auf die Fachoberschule über und erwirbt dort die Hochschulzugangsberechtigung, oder sie gehen in den Beruf und fi nden dort ihren Weg. Wir müssen deutlich machen, dass der Bildungserfolg nicht anhand der Übertrittszahlen zum Gymnasium zu messen ist. Der Bildungserfolg zeigt sich am Ende eines Bildungsganges. Ich sage deutlich: Der Handwerksmeister hat genauso Bildungserfolg wie der Student. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das müssen wir deutlich machen.

(Beifall bei der CSU)

Keine Frage: Wir brauchen als Gesellschaft mehr Akademiker, wir brauchen mehr Forscher und Entwickler und wir brauchen mehr Naturwissenschaftler. Wenn wir aber nicht über genauso exzellente Fachkräfte in unseren Industrieunternehmen, in unseren Handwerksbetrieben und in den kleinen und mittelständischen Unternehmen verfügen, werden wir kein Produktionsstandort mehr sein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Elite gehört nicht nur derjenige, der als Forscher tätig ist. Zur Elite muss auch der Handwerker gehören, der Ihren Wagen repariert. Wenn dieser Wagen nicht sauber repariert wird,

bauen Sie einen Unfall. Das müssen wir in der Gesellschaft deutlich machen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

(Beifall bei der CSU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, zweier ehemaliger Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 24. April verstarb Herr Johann Tauber im Alter von 86 Jahren. Hans Tauber war von 1970 bis 1986 Mitglied des Bayerischen Landtags; er vertrat für die Fraktion der CSU den Stimmkreis Fürth-Land. Hans Tauber war ein Kommunalpolitiker mit großem Engagement. 42 Jahre lang amtierte er als Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Obermichelbach, zu deren Ehrenbürger er bereits 1973 ernannt wurde. Seine kommunalpolitische Kompetenz, seine Volksverbundenheit wie auch seine breite Erfahrung auf wirtschaftspolitischem Gebiet brachte er in den 16 Jahren seines Wirkens als Landtagsabgeordneter in die Arbeit des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden sowie des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr ein.

Am 28. April verstarb Herr Dr. Heinz Pollwein im Alter von 87 Jahren. Dr. Heinz Pollwein gehörte dem Bayerischen Landtag von 1982 bis 1990 an – als Stimmkreisabgeordneter von Passau-West in der Fraktion der CSU. Auch Dr. Heinz Pollwein hatte seine politischen Wurzeln in der Kommunalpolitik. Er war schon lange vor seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter Kreisrat, Vorsitzender seiner Kreistagsfraktion und Stellvertretender Landrat des Landkreises Passau. Aufgrund seines Berufes – Heinz Pollwein war promovierter Zahnarzt – war er ein geschätztes Mitglied des Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik sowie des Landesgesundheitsrats.

Der Bayerische Landtag wird den beiden Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren.

Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch einige Glückwünsche aussprechen. Am 30. April feierte Herr Kollege Staatsminister Dr. Thomas Goppel einen runden Geburtstag. Er hat über Jahrzehnte die bayerische Landespolitik in verschiedenen Aufgabenfeldern mit geprägt.

Jeweils einen halbrunden Geburtstag feierten am 26. April Frau Kollegin Renate Ackermann und am 8. Mai Herr Kollege Florian Ritter.

Heute hat Herr Kollege Reinhold Strobl Geburtstag. Ich gratuliere allen Genannten und wünsche ihnen alles Gute für den weiteren Lebensweg.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (Drs. 15/7023) – Zweite Lesung –