Protocol of the Session on May 10, 2007

Sie haben mich gefragt. Jetzt hören Sie wenigstens zu, was ich antworte.

Herr Professor Fauser hat – zumindest das müssen Sie zur Kenntnis nehmen –, gesagt, dass diese Konzeption der Hauptschulreform das Beste ist, was es in Deutschland gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das hat er deutlich gesagt. Er hat es in allen Bereichen gelobt als das Beste und die innovativste Entwicklung, die er in Deutschland kennt. Das war die Aussage von Professor Fauser. Er hat dazu erklärt, er hat gesagt, er ist etwas skeptisch, ob die Hauptschule dadurch wirklich gehalten werden kann.

Das war kein Jubelkongress, sondern ein Arbeitskongress. Es ist doch selbstverständlich, dass man auf einem Arbeitskongress auch kritische Stimmen hört. Aber die Voraussetzung dafür, dass die Schüler etwas davon haben, ist nicht eine Strukturdebatte,

(Beifall bei der CSU)

sondern die inhaltliche Konzeption.

Ich werfe Ihnen Folgendes vor: Sie haben überhaupt kein Konzept und diskutieren nur über Strukturen.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Das ist eine Frechheit! Das stimmt überhaupt nicht!)

Sie haben keine Konzeption für die Schülerinnen und Schüler und schwafeln von Strukturreformen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sie haben doch keine Konsequenzen gezogen!)

Ich sage Ihnen: Werfen Sie einen Blick auf vergleichbare Staaten in Europa mit Gesamtschulsystemen. Schauen Sie nach Frankreich, schauen Sie nach England, dann werden Sie feststellen, dass die Schülerinnen und Schüler, gerade die schwachen, die Zeche Ihrer Politik zahlen. Das ist genau das Thema.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Und jetzt? Wer zahlt jetzt die Zeche?)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es mir in erster Linie darum, den Schülerinnen und Schülern die Zukunftsperspektive zu geben, die notwendig ist. Schauen Sie sich in ganz Deutschland um. Die besten Chancen aller Hauptschüler haben die bayerischen Hauptschüler. Sie haben bessere Chancen als die Schüler, die an Ihren Gesamtschulen sind und zu den schwächeren zählen. Das ist ein Fakt, den Sie zur Kenntnis nehmen müssen.

(Beifall bei der CSU)

Unser Auftrag ist es nicht, permanent über Strukturen zu diskutieren, sondern für die Schülerinnen und Schüler etwas zu tun.

Ich greife ein Wort des Personalchefs von Audi auf. Er hat beim Kongress gesagt, es sollten alle wissen, dass er von einer anderen politischen Farbe kommt, dass er SPDMann ist, dass er Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat von Wolfsburg war, dass er über die Gewerkschaftslinie kommt. Er hat gesagt – Herr Strobl, Sie haben es gehört –, er habe diese Strukturdebatten satt. Es geht um die Kinder. Da müssen wir etwas tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Wenn Sie die Hauptschule abschaffen, haben Sie immer noch den Hauptschüler. Sie haben Schülerinnen und Schüler, die ein Recht haben, und wir haben die Pfl icht, alles zu tun, damit ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz gesteigert werden und damit sie die Möglichkeit haben, in einem sehr durchlässigen System, wie es in Bayern besteht, bis ganz nach oben zu kommen, sei es über die Fachoberschule oder über die Meisterausbildung. Nehmen Sie die jungen Menschen ernst, und versuchen Sie nicht immer, etwas schlecht zu reden, was viel besser ist, als Sie es wahrnehmen wollen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Nochmals Frau Kollegin Tolle.

Ich weise das natürlich zutiefst empört zurück, Herr Minister. Die GRÜNEN haben ein Konzept, das das Kind in den Mittelpunkt stellt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Würden Sie die Kinder in den Mittelpunkt stellen, dann hätten wir nicht solche Umstände, wie sie neulich wieder in der Zeitung standen, dass nämlich ein Rektor eine Schule schließen musste, weil er keine Lehrer hatte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich frage Sie aber jetzt etwas anderes. Ihre Pläne zur Hauptschulreform enthalten aus meiner Sicht keine Antwort auf den demografi schen Wandel. Wie lautet Ihre Antwort auf den demografi schen Wandel, der in manchen Regionen bis zu 30 % ausmacht?

Ich möchte Ihnen auch sagen, dass eine Schriftliche Anfrage von mir ergab, dass Sie seit 2004 ein Drittel der vorhandenen Hauptschulen geschlossen haben. Können Sie hier und heute ausschließen, dass es künftig nicht zu einer ähnlich großen Schließungswelle kommen wird? Können Sie unter Berücksichtigung der Ihnen bekannten Zahlen hier und heute ausschließen – ich muss Ihnen sagen, wenn Sie keine Bestandsgarantien aussprechen, habe ich große Befürchtungen –, dass es zu einer Hauptschul-Konzentrationswelle kommen wird?

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Reinhold Strobl (SPD))

Herr Staatsminister.

Die von Ihnen angesprochene Schließung von Hauptschulen erfolgte im Zuge der Umwandlung der Teilhauptschulen I als selbstständige Einheiten in Einheiten einer gesamten Hauptschule. Es ist dabei keine Schule geschlossen worden, sondern die Standorte sind zum Teil an Standorte verlagert worden, an denen sich bereits die Klassen 7 bis 9 befanden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Es gibt keine „Hauptschule I“ in den Klassen 5 und 6, und es gibt keine „Hauptschule II“ in den Klassen 7 bis 9. Vielmehr bilden diese Klassen eine Einheit. Beim Kongress wurde ausdrücklich bestätigt, dass sich eine Hauptschule als Einheit der Klassen 5 bis 9 sehen, sich entwickeln und ein Schulprogramm gestalten muss, weil es ganz schwierig ist, wenn an einer Hauptschule Schüler aus vier, fünf oder gar sechs Teilhauptschulen I in die siebte Klasse kommen. Dort wird es ein halbes Jahr dauern, bis sich die Schüler neu organisiert haben, und erst dann wird man mit der Förderung beginnen können.

Zum zweiten Thema der demografi schen Frage. Einen bestimmten Rückgang der Schülerzahlen werden wir erst in den nächsten Jahren zu spüren bekommen. Deshalb ist es unter dem Schlagwort „loslassen und zulassen“ ein großer Baustein zu sagen: Wir müssen vor Ort mit den Kommunen Lösungen fi nden, damit in Verbundsystemen Standorte möglichst erhalten bleiben, bei denen aber auch die Qualität an erster Stelle steht. Niemand wird uns dafür loben, dass die Hauptschule vor Ort bleiben durfte, wenn die Qualität nicht vorhanden ist. Für die Schülerinnen und Schüler ist es wichtig, dass die Qualität der Hauptschule mit dem Förderangebot und mit allen Möglichkeiten gegeben ist.

(Beifall bei der CSU)

Die große Aufgabe ist es, die Qualität zu sichern, um dann gemeinsam mit den betroffenen Kommunen Wege zu suchen, wie man Standorte möglichst erhalten kann, wie man die Standorte im Verbundsystem sichern kann. Es wird aber keine Garantie von mir geben können, dass jeder jetzt bestehende Standort erhalten wird. Ich sage Ihnen auch, warum.

Derzeit ist die Situation an unseren Schulen – ich nehme einmal Grund- und Hauptschule zusammen – so, dass über 42 % der Klassen weniger als 20 Schüler haben. Kein Minister wird sich als Verantwortlicher hier herstellen und sagen können, dass es in dem einen oder anderen Fall nicht so sein wird, dass die Klassenstärken von 15 oder 16 Schülern auf 12 oder 13 Schüler zurückgehen. Das kann niemand garantieren, und das will ich hier auch nicht garantieren, weil es nicht ehrlich wäre. Unser Auftrag ist es, die Qualität zu defi nieren und dann zu schauen, wie wir vor Ort – da gibt es Unterschiede in städtischen und in ländlichen Gebieten, im stadtnahen Bereich und im peripheren Bereich – Strukturen schaffen können, damit die Schülerinnen und Schüler die bestmögliche Bil

dung und Ausbildung an unseren Hauptschulen bekommen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Prof. Dr. Waschler.

Herr Präsident, Herr Staatsminister, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer den Hauptschulkongress verfolgt hat, weiß, dass dort in der Tat einhellige Zustimmung zum „Qualitätsprodukt bayerische Hauptschule“ festzustellen war. Meine Frage, Herr Staatsminister: Wie sehen Sie die Möglichkeiten im zeitlichen Ablauf, diese überwältigende Zustimmung – auch vonseiten der Wirtschaft, von den Kammern – aus dem öffentlichen Raum in die Gestaltung der Schule, in die Profi lierung der Schule mit einzubringen? Worin sehen Sie die Prioritäten? Wenn wir all das nehmen, was wir als Wichtigstes anerkennen, nämlich die Förderung der Talente der Schülerinnen und Schüler – wo sehen Sie hier die bayerische Hauptschule, und worin sehen Sie die Perspektiven für die Zukunft?

Herr Staatsminister.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es ist in der Tat richtig, dass wichtige gesellschaftliche Gruppen, – ich sage: nahezu jede wichtige gesellschaftliche Gruppe – die Initiative unterstützen und die Inhalte mittragen, ganz gleich, ob das die IHK oder die Handwerkskammer ist, ob das der Gemeindetag oder der Städtetag ist, ob das die Elternverbände oder die Lehrerverbände – mit Ausnahme der GEW – sind oder ob das beispielsweise Audi ist, neben BMW eine weitere Premiummarke mit hohem Exportanteil, die wir in Bayern haben.

Nur damit es noch einmal deutlich wird: Die Firma Audi hat im gewerblichen Bereich 58 % aller Lehrstellen mit Hauptschülern besetzt. Diese sind kein Rest, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern garantieren, dass dieses Unternehmen weltweit erfolgreich ist. Das ist auch die Leistung der Fachkräfte, die über die Hauptschule kommen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Nun zur weiteren Entwicklung. Zu Beginn der Initiative haben Kultusministerium und Wirtschaft gemeinsam versucht darzulegen: Was ist Ausbildungsreife? Was müssen junge Menschen mitbringen, damit sie eine Ausbildung erfolgreich abschließen können? Hieraus ist ein Katalog entstanden, in dem festgelegt ist, was in den Kernkompetenzen Rechnen, Lesen und Schreiben, aber auch in der Fremdsprache notwendig ist, was hinsichtlich der Sozialkompetenzen und was hinsichtlich des Arbeitsverhaltens und darüber hinaus im Hinblick auf die Persönlichkeitsbildung notwendig ist. Dieser Katalog geht an die Schulen. Damit haben die Schulen natürlich auch die Zielbestimmung, wo sie eigentlich mit jedem Schüler hinkommen sollen.

Was die Gestaltungen betrifft, so läuft in diesem Schuljahr die Modularisierung an 23 Schulen. Wir werden evaluieren. Alles, was sich als positiv erweist, wird ab dem nächsten Schuljahr den anderen Schulen zur Verfügung gestellt. Der Schulversuch läuft drei Jahre, was heißt, spätestens zum Schuljahr 2009/2010 wird es fl ächendeckend für alle Hauptschulen möglich und notwendig sein, nicht nur den Lehrplan für den Lehrer zu haben, sondern davon abgeleitet für den einzelnen Schüler individuelle Lernbausteine zu schaffen.

Mit der Profi lbildung starten wir im kommenden Schuljahr. Etwa 20 Schulen, die verschiedene Möglichkeiten haben – Profi ltag oder Konzentration auf ein Profi l –, werden wissenschaftlich begleitet werden. Hierbei werden wir zwei Jahre lang verschiedene Wege erproben. Ebenfalls ab dem Schuljahr 2009/2010 soll die Profi lbildung fl ächendeckend an unseren Hauptschulen erfolgt sein.

Der dritte Block betrifft die Ganztagsschule. Ich habe schon gesagt, dass wir diesen Bereich in Schritten von jeweils circa 100 ausbauen wollen. Mein Ziel ist es, bis zum Schuljahr 2010/2011 oder 2011/2012 diese Angebote in Bayern fl ächendeckend zu haben. Hinzu kommt der Ausbau der Fachlehrerausbildung, eine zusätzliche Ausbildungsstätte für Förderlehrer, damit wir auch genügend qualifi ziertes Personal haben, um die Ganztagsschule realisieren zu können. Denn ich will nicht, dass wir zu wenig gut geschultes pädagogisches Personal im Ganztagsangebot haben. Der Schwerpunkt in den gebundenen Ganztagsschulen werden die Lehrkräfte sein.

Es wird aber darüber hinaus auch offene Ganztagsschulen geben. Ich gehe davon aus, dass wir auch Mischformen entwickeln werden, damit die gebundene Schulform nicht nur im städtischen Bereich, sondern auch im ländlichen Raum angeboten wird und sich die Schülerinnen und Schüler bestmöglich entwickeln können.

Nächster Beitrag: Herr Kollege Strobl.

Herr Minister, zunächst kann ich bestätigen, dass der Chef von Audi gesagt hat, er habe die Strukturdebatten satt. Aber können Sie sich vorstellen, dass es in Bayern diese Debatten auch deswegen gibt, weil hier die Bildungspolitik Lücken aufweist und vieles nicht richtig läuft?