Protocol of the Session on April 25, 2007

(Ruth Paulig (GRÜNE): Sie sind doch in der Koalition und nicht wir!)

Ich habe langsam den Eindruck, ich werde trotz des Mikrofons nicht mehr verstanden. Das ist zur Kenntnis genommen, aber man muss nicht über jede Koalition glücklich sein.

Ich habe den Bundesumweltminister zitiert, aber was ist die Lösung der Opposition hier im Landtag? – Sie scheint nach dem Motto vorzugehen: Wenn mir die Klimabilanz nicht gefällt, dann wird sie eben frisiert. Wenn ich mit der Klimabilanz nicht einverstanden bin, exportiere ich das Problem. Wir haben vorvergangene Woche über die gute Lösung der Stadt München diskutiert. Die Stadt München sagt: Wir wollen das Klima schonen, indem wir unser Problem sozusagen nach Herne 5 in Nordrhein-Westfalen exportieren. Es heißt immer so schön, auch bei Kohlekraftwerken könne man Filtertechnologien einbauen, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Das kann man nicht. Nach meinen Informationen ist zum Beispiel bei Herne 5

in Nordrhein-Westfalen nicht einmal daran gedacht, die Technologie einzusetzen. Abgesehen davon – das ist allgemeine Auffassung – dauert es noch zehn bis fünfzehn Jahre, bis man bei Kohlekraftwerken eine entsprechende Technik einsetzen kann. 10 bis 15 Jahre. Und Sie reden immer vom Zeitfenster.

Was sagt der SPD-Vorsitzende? Er hat sich auch – sehr uninformiert – über die CO2-Bilanz von Kernkraftwerken geäußert; das ist einmalig, aber mittlerweile ist er kräftig zurückgerudert. Gerade wenn ich an die SPD denke, ist das aber ein Beweis für die Schlagwortpolitik, die Sie beim Klimaschutz offensichtlich bevorzugen. Tatsache ist: Pro Kilowattstunde trägt der CO2-Ausstoß bei Kernkraftwerken nur 1 % im Vergleich zu einem Braunkohlekraftwerk bei. Das sind Zahlen, bei denen die Argumente – ob die Zahlen Ihnen gefallen oder nicht – für sich sprechen.

Die Lösung, die Sie letztlich erreichen werden, weil auch im Grundlastbereich eine Versorgung erfolgen muss, wird sein: Wir importieren unseren Atomstrom aus Temelin; Hauptsache, in Deutschland wird der große Ausstiegskompromiss letztendlich realisiert.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Auch wenn Sie noch so viele Worte finden, Frau Kollegin Paulig, wird es dabei bleiben: International redet kein Mensch von einer Renaissance der Kernenergie, aber international wird etwas scheuklappenfreier über die Sache nachgedacht. Neben dem von Ihnen angesprochenen finnischen AKW sind derzeit weltweit 29 Meiler im Bau.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Ich rufe nur dazu auf, sich darüber Gedanken zu machen.

Diese Kernkraftwerke werden nach Bauplänen gebaut, hauptsächlich in Asien, die entsprechend den Standards in Deutschland, in Europa oder in den USA niemals genehmigungsfähig wären. Das bedeutet auf der anderen Seite: Wir müssen uns bei unserem Technologievorsprung, den wir bei sicheren Kernkraftwerken haben, zumindest über Laufzeitverlängerungen unterhalten dürfen. Am meisten in dieser Debatte ärgert mich, dass Sie ständig so tun, als würde etwas Neues geplant werden. Es geht darum, Laufzeiten der sichersten Kernkraftwerke der Welt im Interesse des Klimaschutzes zu verlängern. Anderswo – in den USA, in Großbritannien, in der Schweiz oder in Frankreich – denkt man wesentlich ideologiefreier darüber nach.

Ihre Argumentation halte ich insgesamt für verlogen. Ich kann das nicht anders sagen. Es geht um eine Verlängerung. Die Bevölkerung – ich glaube, das ärgert Sie so; ich verstehe das auch, weil Unsicherheiten vorhanden sind – will keinen neuen Meiler, aber ich habe das deutliche Gefühl, dass eine Mehrheit der Bevölkerung sagt: Wenn es im Sinne des Klimaschutzes ist und wir sichere Anlagen haben, können wir deren Laufzeiten verlängern. Ich mache Ihnen sogar einen Vorschlag: Wenn Sie einmal darüber nachdenken würden – Henning Kaul

hat das immer wieder deutlich gemacht –, könnten wir die Ersparnisse, die sich aus einer Laufzeitverlängerung ergeben, zum Beispiel für regenerative Energien nutzen. Darin könnte man investieren und die Wirtschaftlichkeit entsprechender Anlagen vorantreiben.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Ihr Lieblingskernkraftwerk Isar II läuft seit Inbetriebnahme nur – wenn überhaupt Meldungen notwendig waren – auf der untersten Stufe der internationalen Skala; es ist also sicherheitstechnisch unbedenklich. Ich verstehe nicht, warum Sie sich so zieren, zumindest darüber nachzudenken.

Prof. Dr. Vahrenholt – nur ein Beispiel, Chef von REpower; man kann ihn ruhig zitieren, immerhin war er ehemaliger SPD-Umweltsenator in Hamburg – sagt: Der Ausstieg aus der Kernenergie ist – dieser Satz gefällt mir gut – ein typisch deutscher Kurzschluss, der klimapolitisch, geopolitisch und wirtschaftspolitisch ein schwerer Fehler ist. Herr Vahrenholt sagt: Wir brauchen diese Energie für die Übergangszeit - um nichts anderes geht es –, damit wir wirtschaftlich bleiben können. Bei diesem Punkt bin ich ganz begeistert von Herrn Vahrenholt. Er ist meiner Meinung nach ein Sozialdemokrat, der die ideologische Kaderschulung überwunden hat. Für alle anderen bayerischen Sozialdemokraten und für die GRÜNEN gilt offensichtlich: Wir bleiben weiter in unserem ideologischen Hamsterrad. Wir lieben unsere Scheuklappen und wir bedienen unsere Klientel. Zufällig kommt alle Jahre noch vor dem Jahrestag von Tschernobyl ein anderer Antrag zur Kernenergie.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Ich sage Ihnen – wie eingangs schon –: Wir werden diese Anträge inbrünstig ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Bevor ich in der Rednerliste fortfahre, darf ich ganz herzlich ein ehemaliges Mitglied des Bayerischen Landtags, Herrn Landrat Grabner, begrüßen. Herr Landrat Grabner, herzlich willkommen bei uns im Bayerischen Landtag.

(Beifall)

Ich gebe das Wort an einen Vertreter der Staatsregierung. Bitte schön, Herr Staatsminister Dr. Schnappauf.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zwei Anträge der Oppositionsfraktionen zur Beratung. In diesen Dringlichkeitsanträgen wird die Staatsregierung von den GRÜNEN mit ganz offensichtlicher Süffisanz aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke nicht verlängert werden. Ähnlich ist der Inhalt des Antrags der Sozialdemokratischen Fraktion.

Beide Anträge führen dazu, dass die Klimadebatte auf die alte Schlacht um die Frage der friedlichen Nutzung der Kernenergie verengt wird. Das ist eine mehr als bedauerliche, ja schädliche Entwicklung, denn die jüngsten Berichte des IPCC im Auftrag der Vereinten Nationen, die in den letzten Tagen und Wochen die Welt erreicht haben, machen deutlich, dass die Erwärmung des Klimas schneller voranschreitet und intensiver ausfällt, als es uns die Wissenschaft noch vor Kurzem vorgetragen hat. Die Bundeskanzlerin und derzeitige Vorsitzende es Europäischen Rates hat deshalb bei der Weltwirtschaftskonferenz in Davos formuliert, dass die Energieversorgung und der Klimaschutz die größten Herausforderungen der Menschheit sind.

Das Thema steht jetzt auch auf der Tagesordnung der Weltpolitik zum ersten Mal ganz oben. Zum ersten Mal hat sich auch der UN-Sicherheitsrat damit befasst. Es hat Beschlüsse des Europäischen Rates mit erstmals verbindlichen Zielen zur CO2-Reduktion und zum Ausbau erneuerbarer Energien gegeben. In wenigen Wochen wird sich auch der G-8-Gipfel in Heiligendamm zusammen mit Schwellenländern wie China und Indien erstmals damit befassen.

Vor dem Hintergrund, dass die Klimaerwärmung von der Wissenschaft und der Weltpolitik völlig neu bewertet wird, fällt der Opposition nichts anderes ein, als die alten Schlachten einmal mehr ins Hohe Haus zu tragen.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Meißner hat in seinem Beitrag gezeigt, und auch Herr Kollege Kaul hat das durch seinen Zwischenruf vorhin deutlich gemacht, dass es gar nicht darum geht, neue Kernkraftwerke zu bauen. In dieser Frage wurde durch Sie, Frau Kollegin Paulig, ein völlig falscher Eindruck vermittelt. Die Diskussion, die wir führen, geht doch darum, Kernkraftwerke länger zu nutzen, als es der Atomkonsens vorsieht. In Bayern betreiben wir fünf Anlagen seit Mitte der 70er Jahre. Das bedeutet, seit rund 30 Jahren beziehen wir im Freistaat Strom aus Kernenergie, ohne dass es bisher auch nur einen einzigen Störfall gegeben hätte.

(Ludwig Wörner (SPD): Seid doch froh!)

Das heißt, wir haben hier eine Energiequelle, die praktisch kohlendioxidfrei Strom erzeugt und damit klimaverträglich zur Verfügung stellt. Zusammen mit der Wasserkraft sind wir in der Lage, rund 80 % unseres Strombedarfs kohlendioxidfrei zu erzeugen.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Frau Paulig und meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, im Grunde haben Sie sich mit den neuen Berichten von der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe für Klimaänderungen – IPCC – überhaupt noch nicht befasst.

(Lachen bei den GRÜNEN – Ruth Paulig (GRÜNE): Das ist doch das Allerletzte!)

Sie wiederholen Ihre alten Ansichten, ohne auf die neuen Herausforderungen neue und flexible Antworten zu geben.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Ich habe aus einem Gutachten vom März 2007 zitiert!)

Ich sage Ihnen, Kernenergie für sich allein rettet das Klima nicht, das behauptet auch niemand. Aber ohne Kernenergie haben wir keinen Chance, das Klima zu retten!

(Beifall bei der CSU – Ruth Paulig (GRÜNE): Das ist doch Dummheit!)

Letzten Endes, und das mache ich am Beispiel der Situation in Bayern deutlich, sieht die Sache doch wie folgt aus: Heute erzeugen wir 80 % des Stroms weitgehend kohlendioxidfrei. Wenn wir die zwei Drittel, die aus Kernstrom kommen, ersetzen, dann können wir das nur zu einem kleinen Teil aus erneuerbaren Energien tun. Ob das dann am Ende 16 %, 20 % oder 25 % sind, das ist völlig egal.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Ihr Kollege Sigmar Gabriel

(Ruth Paulig (GRÜNE): Das ist doch Ihr Kollege! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sie sind doch mit ihm in der Regierung!)

hat beim Treffen der Umweltminister in Düsseldorf vor wenigen Tagen ein flammendes Plädoyer für den Ausbau von Kohlekraftwerken gehalten. Ich habe hier einen Auszug aus seinem schriftlichen Redetext. Ich zitiere:

Deshalb brauchen wir Investitionen in moderne, hoch effiziente Öl-, Gas- und Kohlekraftwerke.

(Christian Meißner (CSU): Das ist doch nicht zu fassen! – Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Herr Wörner, das ist ein schriftlicher Redetext vom SPDBundesumweltminister Sigmar Gabriel. In der tatsächlich gehaltenen Rede hat er das sogar noch unglaublich ausgeschmückt und regelrecht auf die Tube gedrückt, dass wir jetzt Kohlekraftwerke bauen müssen. Er meinte sogar, wir bräuchten auch noch Öl- und Gaskraftwerke. Wenn wir die aber bauen, dann werden wir zusätzlich 30 bis 40 Millionen Tonnen an CO2-Ausstoß haben. Das konterkariert alle Klimaanstrengungen im Freistaat Bayern. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CSU – Christian Meißner (CSU): Dazu sagen die Erbsenzähler aber nichts! – Ruth Paulig (GRÜNE): Und was ist beim Emissionshandel los? – anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Die ganze Verlogenheit der Oppositionsfraktionen will ich an zwei weiteren Zitaten deutlich machen. Ich zitiere:

Unbeschadet unterschiedlicher Einschätzungen hinsichtlich der Verantwortbarkeit der Risiken der Kernenergie stimmen beide Seiten darin überein, dass die Kernkraftwerke und sonstige

kerntechnische Anlagen auf einem international gesehen hohen Sicherheitsniveau betrieben werden. Sie bekräftigen, dass dieses Sicherheitsniveau auch weiterhin aufrechterhalten wird.

Wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, ganz besonders aber von der Fraktion der GRÜNEN, wer dieses Zitat unterschrieben hat? – Es stammt von Jürgen Trittin.

(Henning Kaul (CSU): Hört, hört!)

Und auch für Sie, Herr Kollege Wörner, habe ich ein Zitat dabei, nämlich eines von Gerhard Schröder. Ich zitierte die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000, auch „Atomkonsens“ genannt. In diesem Konsens wird die Sicherheit der Anlagen ausdrücklich festgestellt. Ich zitiere noch einmal: „Auf einem international gesehen hohen Sicherheitsniveau – –.