Protocol of the Session on April 25, 2007

Außerdem haben gestern knapp 50 engagierte kompetente Umweltgruppen die Klimaallianz gegründet. Sie fordern einen Ausstieg aus der hochriskanten Atomenergienutzung durch die möglichst schnelle Abschaltung der Atomkraftwerke bei gleichzeitig strenger sicherheitstechnischer Überwachung und gegebenenfalls notwendiger Nachrüstung der Atomkraftwerke in der verbleibenden Restlaufzeit. Wer etwas von Klimaschutz versteht, legt die Verlängerung von Restlaufzeiten oder den Bau neuer Atomkraftwerke ad acta. Lesen Sie unseren Antrag.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Der Anteil der Atomenergie ist marginal. 2,5 % Anteil hat die Atomenergie am Energieendverbrauch. Selbst wenn Sie 40 % Atomkraftwerke dazu bauen, liegt der Anteil gerade einmal bei 2,9 %. So hat es die Internationale Energieagentur ausgerechnet. Sie wissen genau, dass die Einsparpotenziale bei Strom und bei Wärme zwischen 20 und 80 % betragen. Damit retten wir das Klima, aber nicht mit einem gigantischen Ausbau der Atomenergie. Mit diesem würden wir zusätzliche ungelöste atomare Risiken schaffen, bis hin zu den terroristischen Risiken, die wir seit dem September 2001 als reale Restrisiken kennen gelernt haben. Das ist Fakt.

Sie singen immer das Hohelied der Versorgungssicherheit. Sie wissen aber auch, dass Uran so begrenzt ist wie die fossilen Energieträger.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Noch mehr!)

Noch mehr; es kommt auf die unterschiedlichen Berechnungen an. Sie müssen auch daran denken, dass Atomkraftwerke eine Planungs- und Bauzeit von 20 Jahren haben. Damit können Sie das Klima nicht retten. Wir haben ein schmales Zeitfenster. Wir brauchen mehr Energieeffizienz, mehr Energieeinsparung und mehr erneuerbare Energien. Wenn Sie mir mit verlängerten Laufzeiten kommen, muss ich Ihnen sagen, das ist unsinnig.

(Christian Meißner (CSU): Was spricht dagegen?)

Unser Antrag richtet sich gegen die Verlängerung der Laufzeiten und auf die Beibehaltung des Atomausstiegs. Und dem können Sie heute zustimmen.

(Henning Kaul (CSU): Warum?)

Weil das atomare Risiko und das terroristische Risiko bis hin zum Atomwaffenbesitz von unsicheren Staaten zu groß ist. Zweitens sind alte Atomkraftwerke per se ein technisches Risiko.

(Henning Kaul (CSU): Jetzt kommt das wieder! – Ludwig Wörner (SPD): Das ist der Reflex eurer Ideologie! – Christian Meißner (CSU): Das ist doch eure Ideologie!)

Wir haben jedes Jahr über 100 meldepflichtige Ereignisse in Atomkraftwerken in Deutschland. Durchschnittlich laufen die Atomkraftwerke 22 Jahre. Sie wollen die Laufzeit einfach auf 40, 50 oder 60 Jahre verlängern.

(Henning Kaul (CSU): Wo haben Sie das denn her?)

Die durchschnittliche Laufzeit beträgt weltweit 22 Jahre, und das mit Recht, denn nach 30 Jahren ist ein Reaktorkern verbraucht. Hohe Korrosion, chemische Aggressivität, hohe Temperaturen und hoher Neutronenbeschuss sind ein immenses technisches Risiko. – Lieber Herr Kaul, ich verstehe Ihre Zwischenrufe nicht, weil Sie dauernd dazwischenreden und nuscheln. Melden Sie sich zu Wort und reden Sie nach mir, das wäre besser.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf ein weiteres möchte ich hinweisen. Es gibt in Europa keine Atomrenaissance. Das ist eine reine PR-Erfindung. Beispielsweise wurden letztes Jahr in Europa acht Atomkraftwerke stillgelegt, darunter vier in Großbritannien. In den Jahren 2004 bis 2006 wurden in Europa 15 Atomkraftwerke endgültig stillgelegt. Nur eines wird in Finnland neu gebaut. Auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Von einer Renaissance kann überhaupt nicht die Rede sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außerdem ist Atomstrom durch erneuerbare Energien ersetzbar. Wir haben jetzt in Deutschland zwei Atomkraftwerke abgeschaltet, nämlich in Stade und in Obrigheim. Diese Atomkraftwerke haben pro Jahr sieben Milliarden Kilowattstunden produziert. Die derzeitige Stromproduk

tion aus erneuerbaren Energien liegt bei über 70 Milliarden Kilowattstunden.

(Christian Meißner (CSU): Das ist aber eine Milchmädchenrechnung!)

Das ist das Zehnfache. Allein der Zuwachs an Stromproduktion war im letzten Jahr höher als die Stromproduktion aus diesen zwei stillgelegten Atomkraftwerken pro Jahr.

(Thomas Kreuzer (CSU): Warum werden dann in jeder Ecke neue Kohlekraftwerke gebaut?)

Warum werden neue Kohlekraftwerke gebaut? – Weil die Kohleländer wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen und Hessen dies wollen. So sieht es doch aus. In den Ländern, in denen die CDU regiert, wollen die Ministerpräsidenten das voran bringen. Sie sind im Zangengriff der Atomlobby und der Kohlenlobby und noch dazu mit der Automobilindustrie verheiratet. So schaut doch Ihr Klimaschutz aus. Das wollen wir ganz klar sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen sollen unter CDU-Regierungen die neuen Kohlekraftwerke entstehen. Das ist Ihre Politik.

Ich darf auf eine neue Studie des Wuppertal Instituts und auf eine neue Studie von Greenpeace und EUtech verweisen. Beide sind im März veröffentlicht worden. Das Wuppertal Institut hat ganz klar ausgeführt, dass Atomenergie weder in Bezug auf den Klimaschutz noch in Bezug auf die Versorgungssicherheit wie auch auf die Wirtschaftlichkeit und die Wettbewerbsfähigkeit brauchbar ist. Die Atomkraftwerke sind eine Investitionsbremse für die Wirtschaft. Genau das müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen. Jeder billig und riskant produzierte Strom verhindert die notwendigen Investitionen in Einsparmöglichkeiten und in erneuerbare Energien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Atomkraftwerke sind überdies eine Innovationsbremse. Wenn Sie es mir nicht glauben, lesen Sie bitte die Studie des renommierten Wuppertal Instituts vom März 2007 mit dem Titel „Kernenergie im energiepolitischen Zieldreieck von Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.“

Noch etwas: In der Studie von Greenpeace und EUtech wurde untersucht und festgestellt, dass wir bis 2020 sowohl 24 % Strom einsparen als auch die Treibhausgase um 40 % reduzieren können, dass wir keine neuen Kohlekraftwerke brauchen und dass wir aus der Atomenergie bis 2015 aussteigen können. Das sind Zielvorstellungen. Die würde ich als ehrgeizig beurteilen. Diese Ziele sind bei dem derzeit technischen Standard auch erreichbar, aber nicht mit einer CSU, die die Megaherausforderungen dieses Jahres und dieses Jahrzehnts nicht zur Kenntnis nimmt. Seit 20 oder 30 Jahren ist klar, dass wir Klimaschutz brauchen. Mit einer CSU, die unfähig und feige ist, die entscheidenden politischen Ziele anzustreben

und Taten umzusetzen, ist das leider nicht machbar. Sie haben die Chance, unserem Antrag zuzustimmen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Bernhard?

Nein, alle dürfen dann selber reden, denn das geht alles auf meine Redezeit.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Fragen stören! – Zurufe von der CSU: Sie haben doch genügend Zeit!)

Klimaschutz ist nur ohne Atomenergie umsetzbar. Das sollte auch die CSU endlich zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sagen Sie klar Nein zur Verlängerung der Restlaufzeiten und zum Neubau von Atomkraftwerken. Ziehen Sie eine ehrliche Bilanz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wörner, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zwei Vorbemerkungen machen. Man sollte sich nicht in allzu dünne Luft begeben, weil einem, das weiß man vom Bergsteigen, sonst die Luft ausgeht und das Denken erschwert wird. Entsprechend ist das Ergebnis des Zugspitz-Gipfels. Das kann man nachlesen.

(Christian Meißner (CSU): Deshalb bleiben Sie in München! – Henning Kaul (CSU): Ist das Ihre Diagnose?)

Herr Kaul, das sagt jeder vernünftige Höhenarzt. Nur Sie wissen es nicht, weil Sie Ingenieur sind.

(Henning Kaul (CSU): Hier gibt es aber unterschiedliche Aussagen!)

Die zweite Bemerkung: Sie hätten viel Geld und Kommissionen sparen können, wenn Sie all die Ergebnisse, die in der Enquete-Kommission erarbeitet wurden, mit uns umgesetzt hätten. Dann bräuchten wir keinen Klimagipfel und viele andere Dinge auch nicht. Die Enquete-Kommission hat viel Geld gekostet. Darin vertreten waren anerkannte Wissenschaftler, die Sie und wir bestellt haben. Diese haben uns gesagt, was zu tun ist. Was haben Sie daraus gemacht? – Sie haben Zeit verspielt, anstatt im Interesse des Klimas, der Menschen und unseres wunderschönen Landes Bayern zu handeln. Das ist besonders ärgerlich. Heute jagt ein Gipfel den anderen. Das Ergebnis ist mehr als mager. Wir können nur hoffen, dass es ähnlich geht wie mit der Henzler-Kommission, nämlich dass Herr Prof. Graßl Ihnen sagen wird, wie es geht, und dass Sie dann endlich begreifen, worum es geht. Sie haben bisher nicht begriffen, worum es geht.

(Zuruf des Abgeordneten Henning Kaul (CSU))

Sie rennen immer noch Ihrem ideologischen Fetisch Kernkraft nach, wie die kleinen Buben mit der Trommel hinter der Blechmusik.

Kolleginnen und Kollegen, unser Antrag wurde gestellt, weil die Nutzung der Kernenergie kein Beitrag zum Klimaschutz ist. Das wissen Sie. Die Bilanz ist katastrophal, wenn man den Weg von der Urangewinnung bis zum Endlager betrachtet. Über die Endlager müssen wir uns wegen der neuesten Erkenntnisse gesondert unterhalten.

(Zuruf des Abgeordneten Henning Kaul (CSU))

Ich verweise auf Asse II.

Langfristig ist auch Kohle kein Ersatz für Kernenergie.

(Engelbert Kupka (CSU): Nicht einmal kurzfristig!)

Kohlekraftwerke sind aber besser, weil sie effizienter sind. Herr Kaul, Sie als Ingenieur müssten wissen, dass Kernkraftwerke schon deshalb Unfug sind, weil nur 35 % des Energieeinsatzes genutzt werden können.