Ich nehme zur Kenntnis, dass Frau Justizministerin Merk zu unserem Gesetzentwurf auf Drucksache 15/7334 zur Regelung des Jugendstrafvollzugs in Bayern leider eine Pressemitteilung herausgegeben hat, welche die alten Haudrauf-Argumente enthält, anstatt sich wirklich damit auseinanderzusetzen. Das wäre besser gewesen, als in Totschlagmanier zu reagieren. Ich bedauere es sehr, dass die SPD, nachdem wir unseren Gesetzentwurf am 1. Februar eingereicht hatten, es nicht zulassen wollte, dass wir hier zu diesem Gesetzentwurf reden. Das können wir aber nachholen.
Frau Merk und die restlichen Mitglieder der Staatsregierung verkennen, dass es sich bei unseren Vorstellungen nicht um fi xe Ideen handelt, sondern um eine Ausformung dessen, was alle Fachverbände, die auch nur irgendwie mit dem Jugendstrafvollzug zu tun haben, seit Langem fordern.
Wegen der Kürze der Zeit – ich habe nur fünf Minuten Zeit für meine Ausführungen – möchte ich auf unsere Ausführungen beim Fachgespräch hinweisen und auf die Mindeststandards, die bereits vom DVJJ – der Deutschen
Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen – verteilt werden. Alle Fachleute, sämtliche Professoren, die mit dem Strafvollzug zu tun haben, angefangen von Prof. Dünkel über Prof. Kleinert, Prof. Dr. Kerner bis hin zu Prof. Pfeiffer und wie zum Beispiel die Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelferinnen sagen ganz klar, was im Jugendstrafvollzug stattfi nden muss. Mit Realitätsferne hat das überhaupt nichts zu tun.
Wir werden tatsächlich über einige Punkte noch einmal intensiv sprechen müssen. Unser Gesetzentwurf geht über die Forderungen der SPD etwas hinaus. Wir müssen auch deswegen darüber reden, weil der Gesetzentwurf der SPD einige Punkte enthält, zum Beispiel den Schusswaffengebrauch gegen Jugendliche – einmal dahingestellt, ob das außerhalb oder innerhalb der JVA ist –, die wir nach dem Beschluss Nummer 165 der Vereinten Nationen für äußerst bedenklich halten. Wenn wir wollen, dass Jugendliche straffrei bleiben, muss der Strafvollzug auf Empathieförderung anstatt auf reine Konditionierung setzen. Den Jugendlichen muss soziales Lernen anstatt bloßer Gehorsam, der ihnen nichts nützt, wenn sie entlassen werden, vermittelt werden. Es muss eine Belohnung innerhalb des Strafvollzugssystems geben, um zu motivieren.
Da stehe ich in vollem Widerspruch zu Herrn Welnhofer, der ausschließlich auf Repression setzt. Mit einem Strafvollzug, der nur auf Repression setzt, wird man überhaupt nichts erreichen. Vielmehr müssen Sie Ausgang ermöglichen und die Jugendlichen bestärken, wenn sie etwas richtig tun. Das Ganze nennt man EmpowermentErziehung. Das ist zwar ein schrecklicher Begriff, aber man muss sich ihm auch einmal stellen. Er bedeutet die Förderung von Erfolgserlebnissen anstatt ständige Defi zitvorführung. Jugendliche, die im Strafvollzug landen, kommen aus sehr schwierigen Verhältnissen und haben tatsächlich einen ziemlichen Nachholbedarf. Nur mit Fördern und Fordern senken wir dauerhaft die Kriminalitätsrate und eröffnen Jugendlichen – und damit auch der Gesellschaft – eine Chance.
Vielen Dank, Frau Kollegin Stahl. Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Dr. Merk ums Wort gebeten.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Mit der Entscheidung vom 31. Mai 2006 hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber wegweisend ins Stammbuch geschrieben, dass er dem Jugendstrafvollzug bis 31. Dezember 2007 endlich eine ausdifferenzierte gesetzliche Grundlage geben muss. Das ist so etwas wie eine Ohrfeige, die noch der alten Bundesregierung galt, die es über Jahre hinweg nicht geschafft hat, einen praxistauglichen Entwurf vorzulegen. Sie hat zwar immer wieder Vorschläge unterbreitet, aber in diesen Vorschlägen ein völlig falsches Bild von den Jugendlichen im Strafvollzug gezeichnet. Sie gingen von mitwirkungsbereiten, verantwortungsvollen, lediglich förderungsbedürftigen Jugendstrafgefangenen
aus. Leider ist es nicht so. Die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Tatsächlich – da stimme ich Herrn Kollegen Welnhofer zu – zeichnen sich junge Gefangene heute vor allen Dingen dadurch aus, dass sie ganz massive Defi zite haben. Das ist nicht ihre Schuld. Suchtmittelabhängigkeit, Verwahrlosung, Gefühlskälte und Gewaltbereitschaft haben oftmals ihre Ursache im Umfeld, in dem diese Jugendlichen leben. Der reine Fördergedanke aber, den das Bundesministerium der Justiz hier durchsetzen wollte, hat mit der Situation dieser Jugendlichen wenig zu tun. Aus diesem Grund sind diese Vorschläge auch nicht verwirklicht worden.
Nun befi nden wir uns dank der Föderalismusreform in der Lage, dass diejenigen, die tatsächlich im Vollzug arbeiten, nämlich die Länder, das Heft in die Hand nehmen können. Schon in Kürze wird die Bayerische Staatsregierung diesem Hohen Haus einen Gesetzentwurf eines Bayerischen Strafvollzugsgesetzes vorlegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits bevor der Entscheidungstermin des Bundesverfassungsgerichts überhaupt bekannt war, hatte mein Haus eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit möglichen landesgesetzlichen Regelungen für den Strafvollzug befasst hat. Das Ergebnis dieser Erörterungen, die vor allen Dingen auf die Praxis und die jahrzehntelange Erfahrung eingehen, die wir im Strafvollzug gewonnen haben, ist ein Entwurf, der sowohl Vorschriften des Erwachsenenstrafvollzugs enthält als auch einen umfassenden und vor allen Dingen – das möchte ich im Hinblick auf die SPD betonen – einen eigenständigen Teil für den Jugendstrafvollzug, die unter einem Dach residieren. Nach den Planungen wird sich der Ministerrat am 20. März mit diesem Entwurf befassen; anschließend wird er in die Verbandsanhörung gehen, sodass wir damit rechnen können, dass die Erste Lesung im Parlament wohl Ende Mai stattfi nden wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist gut, dass die SPD-Fraktion nunmehr einen eigenen Entwurf für ein Bayerisches Jugendstrafvollzugsgesetz eingebracht hat.
Das dokumentiert die Ernsthaftigkeit der Thematik. Ich kann nicht verhehlen, dass ich mich beim Durchlesen des Entwurfs gefreut habe, sehr geehrter Herr Schindler, weil einige Passagen mir sehr wohl bekannt vorkamen. Hätten Sie nicht schon darauf hingewiesen, hätte ich jetzt gesagt: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Sie haben auch mit uns gearbeitet; schließlich stand unser Entwurf im Internet.
Stimmen Sie mir zu, dass ich mich meinerseits darüber freuen konnte, dass die Staatsregierung in ihrem Diskussionsentwurf ganze Passagen aus dem bestehenden und geltenden Strafvollzugsge
Teilweise ja, beim Erwachsenenstrafvollzug ganz bestimmt, beim Jugendstrafvollzug nicht. Das ist aber ein ganz anderes und wichtiges Thema. Es ging uns darum, das Gesetz modern zu halten, ohne dem Zeitgeist hinterherzulaufen, und den Erfahrungen entsprechend anzupassen. Im Übrigen: Viele Ihrer Forderungen, die Sie zusätzlich genannt haben, sind momentan bei uns bereits in der Verwirklichung.
Dennoch gibt es einige Punkte, über die SPD-Fraktion und Staatsregierung durchaus unterschiedlicher Auffassung bleiben werden. Erkennbar ist aber, dass es nicht so diametral ist. Was allerdings den Gesetzentwurf des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angeht, muss ich sagen, dass dieser mit der Wirklichkeit, mit der wir uns befassen müssen, kaum etwas zu tun hat. Er geht – das muss ich schon sagen – reichlich von sozialromantischen Vorstellungen und nicht von Fakten aus und er nimmt das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung nicht ernst genug.
Lassen Sie mich klarstellen: Unser Entwurf ist frei von jeglicher Ideologie. Er orientiert sich ausschließlich an den Defi ziten, die die jungen Strafgefangenen aufweisen. Dabei verfolgen wir eine Doppelstrategie. Zum einen nehmen wir das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung sehr ernst. Wir müssen nämlich sagen: Junge Gefangene sind zu Beginn ihrer Haft nicht per se ungefährlicher, als es Erwachsene sind. Deshalb geht der Entwurf meines Hauses davon aus, dass die Regelvollzugsform der geschlossene Vollzug ist. Dabei bin ich im Übrigen inzwischen mit einer Menge von Sozialarbeitern, die sich intensiv mit der veränderten Jugenddelinquenz befassen, einer Meinung. Auch diese sagen: Zum Wohl der Jugendlichen muss frühzeitiger und zum Teil energischer eingegriffen werden. Das hat nichts mit Drill zu tun, sondern wir versuchen, den Jugendlichen eine Chance zu geben, von der krummen Bahn auf eine gerade zu kommen und ein Leben ohne Straftaten zu führen. Wiederum an den Kollegen Welnhofer: Es ist so, ein gut resozialisierter Straftäter ist für uns die beste Sicherheit, die wir der Bevölkerung garantieren können.
Klarstellen möchte ich aber auch, dass Sozialtherapie und Therapie innerhalb der Gefängnisse ernsthafte Anforderungen an die Gefangenen stellen. Harte Arbeit ist die Erkenntnis, dass Fördern auch immer mit Fordern verbunden ist. Mit der Einrichtung eines Jugendtherapiezentrums für junge Gefangene in Neuburg-Herrenwörth vor zwei Jahren ist dokumentiert, dass wir uns auch ohne gesetzliche Verpfl ichtung dieser Aufgabe stellen und diese Aufgabe ganz besonders ernst nehmen. Diesen Weg gehe ich weiter. Oberste Maxime im Jugendstrafvollzug wird die Erziehung der jungen Gefangenen zu einem verantwortungsbewussten Leben bleiben.
In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, dass der Jugendstrafvollzug personell, aber auch von den Sachmitteln her weiterhin gut ausgestattet ist. Über nähere Details des Entwurfs werden Sie wie gesagt in Kürze im Plenum und in den Ausschüssen diskutieren können.
Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (Drs. 15/6570) – Zweite Lesung –
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich darf als Erstem Herrn Kollegen Zellmeier das Wort erteilen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! 1992 hat Bayern als einziges Bundesland die kostenlose Möglichkeit eingeführt, Betreuungsverfügungen beim zuständigen Vormundschaftsgericht zu hinterlegen. 2003 wurde dies auf die Vorsorgevollmachten ausgeweitet. Diese dezentrale Lösung war notwendig, weil es keine zentrale Hinterlegung oder Registrierung gab. Hauptproblem war aber auch gerade diese dezentrale Lösung, denn durch diese ist nicht gewährleistet, dass im Fall des Falles Betreuungsvollmachten auch gefunden werden. Als Beispiele nenne ich den Aufenthalt in einem anderen Bundesland oder den Umzug. Es bestand keine zentrale Abfragemöglichkeit.
Deshalb ist die zentrale Registrierung im Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer, die jetzt besteht, die bessere und sinnvollere Lösung. Deswegen werden wir die bisherige Hinterlegungsmöglichkeit aufheben.
Ich denke, diese zentrale Registrierung ist ein großer Vorteil. Es kostet zwar zwischen 8 und 18 Euro, aber damit wird gewährleistet, dass deutschlandweit gefunden wird, was einmal aufgeschrieben wurde. Doppelgleisigkeit verursacht Verwaltungsaufwand und wird durch ein Vorgehen ersetzt, das bürgerfreundlicher und besser ist. Ich bitte deshalb, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
erwarten, muss ich leider enttäuschen. Wir haben lange gegrübelt, aber wir fi nden kein passendes Argument, das es rechtfertigen würde, gegen diesen Gesetzentwurf zu stimmen. Deswegen stimmen wir weiterhin dafür.
Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Wir mussten überhaupt nicht lange grübeln. Dass es Argumente gibt, die dagegen sprechen, kann ich Ihnen innerhalb von 30 Sekunden sagen. Es wird für die Bürgerinnen und Bürger teurer, wenn auch nicht in diesem Maße, aber 18 Euro sind 18 Euro. Das Vertrauen in die Amtsgerichte war und ist sehr groß. Deshalb ist es sinnvoll, solche Vorsorgevollmachten auch künftig bei den Gerichten hinterlegen zu können. Ich sehe nicht ein, warum man alles auf die Notare verlagern und privatisieren muss. Das bisherige System war gut und die Zweigleisigkeit kein Problem.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Es gibt keine Gründe dagegen, wie ich eben gehört habe. Es gibt aber einige Gründe, die für dieses Vorhaben sprechen. Zum einen ist es die Sicherheit, die das zentrale Vorsorgeregister bietet, vor allem dann, wenn es um Wohnungswechsel geht. In diesem Fall können wegen des bundesweiten elektronischen Datenzugriffs wesentlich zuverlässiger Informationen erlangt werden. Gerade bei Umzügen in Länder außerhalb Bayerns besteht derzeit – abgesehen von Bremen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt – überhaupt keine Möglichkeit, die Urkunde bei dem zuständigen Gericht hinterlegen zu können. Gerade in Zeiten steigender Mobilität erscheint mir dieser Gesichtspunkt wichtig.
Zum Zweiten verunsichert es die Bürger, wenn man zwei Systeme nebeneinander führt, weil sie sich nicht darüber im Klaren sind, welchem System sie entsprechen sollen. Außerdem gibt es keinen plausiblen Grund dafür.
Zum Dritten ist klar, dass die Aufrechterhaltung der Hinterlegungsmöglichkeit bei dem Vormundschaftsgericht auf Dauer einen doppelten Rechercheaufwand fortschreiben würde. In Zeiten, in denen wir uns befi nden und in denen wir sparen müssen, sollten wir uns überfl üssige Doppelstrukturen nicht länger leisten, sondern uns auf unsere Kernaufgaben beschränken. Ich denke, bei der Bundesnotarkammer und ihrem bundesweitem Register ist diese Aufgabe bestens aufgehoben.
Lassen Sie mich zuletzt auch noch sagen, dass der Einwand, man müsse zum Notar gehen, schlichtweg nicht greift. Wer lieber in den eigenen vier Wänden Vorsorge treffen will, der kann dies selbstverständlich auch dort tun. Auch die Registrierung kann ohne Notar erfolgen.
Für Internetnutzer geht das schnell und unbürokratisch online. Alle anderen schicken das Anmeldeformular per Post oder per Fax an das Vorsorgeregister. Behauptungen, man müsse einen Notar einschalten, sind falsch. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich meine, wir sollten diesem Vorhaben unsere Zustimmung geben.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Jetzt fühlt sich noch einmal Frau Kollegin Stahl gefordert. Bitte schön.