Protocol of the Session on March 7, 2007

Ein Letztes. Ich habe schon dargestellt, dass die Windenergie die Wasserkraft deutlich überholt hat. Inzwischen haben die erneuerbaren Energien mit ihrem Anteil am gesamten Energieverbrauch in Deutschland die Atomenergie überholt. Hoffentlich ist Ihnen das bekannt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schauen Sie sich doch allein die Zunahme bei der Stromproduktion bis zum Jahr 2006 an. Mit erneuerbaren Energien haben wir das Vierfache dessen erreicht, was wir mit der Stilllegung der Atomkraftwerke Obrigheim und Stade weggeschafft haben. Damit haben wir alte Risiken beseitigt. Der Zuwachs macht das Sechsfache dessen aus. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Sie sagen, die Atomkraftwerke sollten 32 Jahre und länger laufen. Damit verlängern Sie die Risiken. Im Reaktor haben wir hohe chemisch aggressive Zustände, Neutronenbeschuss und hohe Temperaturen. Daran können Sie nichts ändern.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Warum bauen dann die anderen Länder neue Atomkraftwerke?)

Herr Pschierer wissen Sie vielleicht endlich, dass die weltweit 437 Atomkraftwerke eine durchschnittliche Laufzeit von 22 Jahren haben? Deutschland hat den Ausstieg nach 32 Jahren zugesagt. Nach 32 Jahren ist ein Atomkraftwerk alt. Wer hier sagt, es soll länger laufen, setzt die Menschheit leichtfertig Risiken aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Maria Scharfenberg (GRÜNE) und Susann Biedefeld (SPD): Völlig unverantwortlich ist das!)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von und zu Lerchenfeld?

Und noch etwas – –

Frau Kollegin, ich habe Sie etwas gefragt.

Nein, das mache ich jetzt nicht. Er kann selber reden.

Dann antworten Sie mir doch bitte.

Wir haben keine Renaissance der Atomenergie, sondern eine Renaissance der Ankündigungen. Während das eine Atomkraftwerk in Finnland gebaut wird, sind in den europäischen Staaten 15 Atomkraftwerke abgeschaltet worden. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Eines wird neu gebaut, im gleichen Zeitraum wurden 15 abgeschaltet, acht davon allein im letzten Jahr. Darunter befi ndet sich auch eine große Zahl von Atomkraftwerken in Großbritannien. 2006 wurden allein in Großbritannien vier AKWs abgeschaltet. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

Sie sagen, wir bräuchten die Atomenergie, um das Klima weltweit zu retten. Am Endenergieverbrauch hat die Atomenergie einen Anteil von 2,5 %. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Susann Biedefeld (SPD): Da brauchen Sie ganz viele neue Atomkraftwerke, wenn es nach der CSU gehen sollte, vor allem im Stimmkreis von Herrn Huber!)

Das sind Berechnungen der Internationalen EnergieAgentur – IEA: Wenn wir die weltweit 437 Atomkraftwerke um 40 % steigern wollten, hätten wir einen Anteil von 2,9 %. Damit wollen Sie das Klima retten? Sie haben damit ein vielfaches Risiko, aber keinen Klimaschutz. Die Potenziale für den Klimaschutz liegen in der Energieeinsparung, in der Energieeffi zienz und in der Nutzung erneuerbarer Energien. Bei der Einsparung haben wir Potenziale von 50 bis 80 %, gerade wenn wir den Wärmesektor dazunehmen. Bauen Sie bitte keine Märchenschlösser, geben Sie sich keinen Ideologien hin, sondern legen Sie Ihre Scheuklappen ab und setzen Sie alles daran, die drei E des Klimaschutzes umzusetzen: Energieeffi zienz, erneuerbare Energien und Energieeinsparung. Das ist der Weg in die Zukunft, nicht aber der Weg neuer Risiken und der Blockade bei den erneuerbaren Energien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Aussprache ist geschlossen, nachdem keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/7644 in der beantragten namentlichen Form abstimmen. Für die Stimmabgabe sind die Urnen auf beiden Seiten des Sitzungssaals sowie auf dem Stenografentisch bereitgestellt. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Sie haben fünf Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 16.26 bis 16.31 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Damit ist der Wahlgang beendet. Die Stimmen werden außerhalb des Plenarsaales ausgezählt. Wir führen zwischenzeitlich die namentliche Abstimmung über den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 15/7651 durch. Die Urnen sind wie vorher bereitgestellt. Ich kann mit der Stimmabgabe beginnen. Ich verkürze die Zeit für die Abgabe der Stimmen auf drei Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 16.32 bis 16.35 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Der Wahlgang ist beendet. Die Stimmen werden wie immer außerhalb des Plenarsaales ausgezählt und zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte jetzt die Plätze einzunehmen, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können. Die noch nicht behandelten Dringlichkeitsanträge 15/7645, 15/7646, 15/7652 und 15/7647 werden wegen Zeitablaufs heute nicht mehr behandelt.

In Übereinstimmung mit den Fraktionen werden sie den jeweils zuständigen Ausschüssen überwiesen.

Ich bitte Sie noch einmal, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Plätze einzunehmen, damit wir in der Sitzung fortfahren können.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Neuwahl bzw. Wiederwahl von berufsrichterlichen Mitgliedern des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und Wahl der zweiten Vertreterin des Präsidenten

Der Ministerpräsident hat mitgeteilt, dass der Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg, Michael Meisenberg, sein Amt als Richter des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und als zweiter Vertreter des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs zum 1. November 2006 niedergelegt hat. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs schlägt als Nachfolger in seiner Eigenschaft als berufsrichterliches Mitglied Herrn Peter Küspert, Präsident des Landgerichts Regensburg, zur Neuwahl vor.

Als Nachfolgerin des Herrn Meisenberg in seiner Funktion als zweiter Vertreter des Präsidenten schlägt der Präsident des Verfassungsgerichtshofs Frau Constanze Angerer, Präsidentin des Landgerichts München I, vor. Frau Angerer ist bereits berufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.

Ferner hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass am 10. März 2007 die Amtszeit des berufsrichterlichen Mitglieds des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Herrn Dr. Erwin Allesch, Vorsitzender Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, endet. Es wird vorgeschlagen, Herrn Dr. Allesch als berufsrichterliches Mitglied des Verfassungsgerichtshofs wieder zu wählen.

Die Richter-Wahl-Kommission hat am 28. Februar 2007 den Vorschlägen des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs zugestimmt und beschlossen, der Vollversammlung zu empfehlen, diese Wahlvorschläge anzunehmen.

Die Vorgeschlagenen sind bereit, im Falle ihrer Wahl das Amt anzunehmen.

Wir kommen damit zu den Wahlen, die im Einvernehmen aller Fraktionen in einem Wahlgang durchgeführt werden.

An Ihrem Platz fi nden Sie drei Stimmzettel in verschiedenen Farben vor, auf denen die vorgeschlagenen Kandidaten aufgeführt sind; außerdem ist die in Ihrer Stimmkartentasche enthaltene gelbe Namenskarte für diesen Wahlgang zu verwenden. Die Urnen stehen erneut bereit. Ich bitte, die Stimmzettel nicht in die Urnen einzuwerfen, sondern sie den bereitstehenden Schriftführern und Mitarbeitern des Landtagsamtes auszuhändigen. Wir beginnen mit dem Wahlgang. Vier Minuten.

(Geheime Wahl von 16.39 bis 16.43 Uhr)

Der Wahlgang ist beendet. Die Wahlergebnisse werden außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben. Wir fahren zwischenzeitlich mit der Tagesordnung fort.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Abg. Franz Maget, Franz Schindler, Bärbel Narnhammer u. a. u. Frakt. (SPD) zur Regelung des Jugendstrafvollzuges (Bayeri- sches Jugendstrafvollzugsgesetz – BayJugStVollzG) (Drs. 15/7566) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich darf hierfür Herrn Kollegen Schindler das Wort erteilen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Föderalismusreform und vielmehr noch die gegen die Stellungnahme der Staatsregierung ergangene grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai des letzten Jahres haben die Voraussetzung und die Möglichkeit, aber auch die Verpfl ichtung mit sich gebracht, ein bayerisches Gesetz über den Jugendstrafvollzug zu erlassen, und zwar bis zum Ablauf dieses Jahres. Das sollte für uns als Landtag nicht nur eine Pfl ichtübung sein. Vielmehr sollten wir die Gelegenheit ergreifen, ein modernes Gesetz für den Strafvollzug an jungen Gefangenen zu schaffen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner- Muggendorfer (SPD))

„Modern“ bedeutet unseres Erachtens in diesem Zusammenhang nicht, dem Zeitgeist hinterherzulaufen, zu deregulieren, Standards abzubauen oder gar zu privatisieren, wie in manchen Ländern überlegt wird, sondern „modern“ bedeutet, alles zu tun, um gerade bei jungen Gefangenen die Rückfallhäufi gkeit zu verringern.

Ein Gesetz für den Jugendstrafvollzug ist für uns Sozialdemokraten deshalb ein besonderes Anliegen, weil es ein SPD-Politiker war, nämlich Justizminister Gustav Radbruch, der bereits in der Weimarer Republik 1923 ein Jugendgerichtsgesetz und ein Strafvollzugsgesetz vorgelegt hat. Radbruch hat sein ganzes Wirken lang als Justizminister und Rechtsprofessor dafür gekämpft und gestritten, dass der Gedanke der Vernunft Eingang in das Strafrecht fi ndet. Er wollte – und darin unterscheidet er sich bis heute wohltuend von manchen Justizministern der Neuzeit – irrationale Elemente wie Rache und Sühne soweit wie möglich aus dem Strafrecht verbannen, und er hat Sanktionen auf Straftaten als Vorbeugung gegen künftige Straftaten verstanden.

(Beifall bei der SPD)

In dem von ihm entworfenen Jugendgerichtsgesetz ist das Jugendstrafrecht erstmals vom Erwachsenenstrafrecht abgekoppelt und der Erziehungszweck in den Mittelpunkt des eigens dafür geschaffenen Jugendstrafvollzugs gerückt worden. Es hat dann allerdings bekanntermaßen über 50 Jahre gedauert, bis 1976 überhaupt einmal ein Strafvollzugsgesetz geschaffen worden ist. Die vielen Bemühungen, die es zwischenzeitlich gegeben hat, ein eigenes Gesetz für den Jugendstrafvollzug zu schaffen, sind bis heute ergebnislos geblieben. Weil das so ist, ist es uns ein besonderes Anliegen, dass die jetzige Gesetzgebungskompetenz der Länder für den gesamten Strafvollzug nicht für ein konservatives Rollback missbraucht wird.

(Beifall bei der SPD)

Leider wird es so kommen, wie die Kritiker der Übertragung der Zuständigkeit auf die Länder vorausgesagt haben, nämlich dass wir einen Flickenteppich unterschiedlichster Gesetze zum Strafvollzug – auch zum Jugendstrafvollzug – bekommen werden. Man kann im Internet nachschauen, was schon alles auf dem Markt ist und welche unterschiedlichen Konzeptionen angeboten werden.

Wir schlagen im Gegensatz zur Staatsregierung und in Übereinstimmung mit den Vorhaben in den meisten Bundesländern vor, ein eigenes Jugendstrafvollzugsgesetz zu schaffen, weil der Jugendstrafvollzug gerade kein Erwachsenenstrafvollzug im Kleinformat sein soll, sondern hiervon grundlegend verschieden ist.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner- Muggendorfer (SPD))