Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da hat ein Berg seit Monaten gekreißt und nicht einmal ein Mäuslein geboren. Die Staatsregierung ist nicht erst seit der Entscheidung des OLG München in Verzug, vielmehr ist dieses Problem den Insidern bereits seit Jahren bekannt.
Erstens wird seit Jahren seitens der Opposition in diesem Hohen Hause nachgefragt: Liebe Staatsregierung, was gedenkst Du eigentlich zu tun, um zu verhindern, dass Bayern weiterhin als Eldorado für Kapitalanlagebetrüger gilt?
Seit Jahren werden wir vertröstet. Es wird Zuflucht genommen zu einem Beschluss – kein Urteil! – des Landgerichts Augsburg, der nach allen Meinungen, die es dazu gibt, eine Einzelmeinung darstellt. Außerdem müssen Sie hinzusagen – ob Sie es gemacht haben, habe ich nicht so genau verfolgt –, dass das Oberlandesgericht München, aber auch andere bayerische Gerichte eine diametral entgegengesetzte Meinung vertreten. In Bayern ist es so, dass der Ober den Unter sticht. Das heißt, Ihre Argumentation, es sei bis vor Kurzem ungewiss gewesen, trägt nicht. Es ist bedauerlich, dass Sie so lange gebraucht haben, bis Sie einen solchen – mit Verlaub gesagt – mickrigen Gesetzentwurf diesem Hohen Hause präsentieren.
Wir haben als Opposition darauf gewartet, nachdem sowohl meine Fraktion als auch die Fraktion der GRÜNEN bereits im September des letzten Jahres entsprechende Gesetzentwürfe mit der gleichen Zielrichtung eingereicht hatten.
Zweitens wird bei diesem Thema erneut augenscheinlich, dass es mit der früher vorhandenen Aktionsgemeinschaft zwischen Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion dieses Hohen Hauses so weit nicht mehr her ist. Sonst könnte nämlich die Staatsregierung jetzt nicht diesen Vorschlag bringen, nachdem der Kollege Herold noch vor wenigen Wochen gesagt hat, so geht es nicht! Er hat ausdrücklich – schätzungsweise in Abstimmung mit der Staatsregierung – gesagt: Eine Lösung über den Artikel 14 des Bayerischen Pressegesetzes sei unangemessen. In Artikel 14 hatte man im Jahre 2000 Delikte aufgenommen, die schwer kriminell sind. Es handelt sich um Kinderpornografie und die Werbung für terroristische Vereinigungen. Kollege Herold hat noch vor wenigen Monaten hier im Hohen Haus ausgeführt: Weil der Kapitalanlagebetrug damit nicht vergleichbar sei, sei eine Lösung über den Artikel 14, wie sie auch die GRÜNEN vorschlagen, nicht angemessen; das müsse man sich zehnmal überlegen. Das war doch so, Herr Kollege Herold. Das haben Sie doch so vorgetragen. Man kann das im Protokoll nachlesen. Und jetzt kommt die Staatsregierung genau mit dieser Lösung daher.
Drittens ist Ihr Vorschlag systematisch schlecht, meine Damen und Herren. Er berücksichtigt nicht die Rechtslage in den allermeisten anderen Bundesländern. Das haben wir im Gegensatz dazu in unserem Entwurf getan. In keinem anderen Bundesland, in dem das Pressegesetz so gestaltet ist, wie wir es vorschlagen, hat es je ein solches Problem gegeben wie hier in Bayern. Schon das spricht dafür, sich unserer Lösung anzuschließen. Für unsere Lösung und gegen Ihre und im Übrigen auch gegen die Lösung der GRÜNEN spricht, dass eine solche Änderung des Bayerischen Pressegesetzes nicht zukunftsfähig wäre.
Sie nennen jetzt drei Tatbestände, bei denen die kurze Verjährung nicht greifen soll, und wissen nicht, ob morgen nicht ein vierter oder fünfter hinzukommen könnte. Das könnte der Fall sein, wenn das Wertpapiergesetz geändert wird. Das ändert sich, wie Sie wissen, aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben sehr häufig. Und auf der Bundesebene sind manche Änderungen noch in Vorbereitung. Wenn diese Änderungen in Kraft treten, müssen Sie – wenn Ihr jetziger Gesetzentwurf eine Mehrheit findet – eine Aktualisierung vornehmen, um jeweils auf der Höhe der Zeit zu sein.
Das gleiche Problem haben die GRÜNEN mit ihrem Gesetzentwurf. Dieses Problem hätten Sie nicht, wenn wir es in Bayern genauso machen würden wie in den meisten anderen Ländern, wenn wir also das Problem durch die Definition des Begriffs Drucksache lösen. Ich plädiere leidenschaftlich für diese Lösung, nicht, weil wir Recht haben wollen, sondern weil unser Vorschlag systematisch besser und Ihr Vorschlag nicht zukunftsfähig ist.
Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf gleich zu Beginn meiner Ausführungen deutlich darauf hinweisen, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung der Verfolgungsdruck auf Kapitalanlagebetrüger in Bayern wesentlich erhöht wird.
Wir von der CSU-Fraktion begrüßen es sehr, dass der Ministerrat diese wichtige Änderung des Bayerischen Pressegesetzes beschlossen hat. Mit dieser Änderung, wie sie im Gesetzentwurf der Staatsregierung formuliert ist, wird auch klargestellt, dass die kurze presserechtliche Verjährung von sechs Monaten nicht für Kapitalanlagebetrug durch falsche Angaben in Verkaufsprospekten und für Straftaten nach dem Wertpapierhandelsgesetz sowie dem Aktiengesetz gilt. Mit Verwunderung muss ich feststellen, dass im Gesetzentwurf der GRÜNEN gerade auch diese Straftaten nach dem Wertpapierhandelsgesetz und dem Aktiengesetz gänzlich fehlen. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung hat auch nicht die Schwäche des Gesetzentwurfs der SPD, da er sich auf die notwendigen Formulierungen beschränkt und damit auch in seinen Folgen überschaubar bleibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anwendbarkeit der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten auf den Straftatbestand des Kapitalanlagebetrugs gemäß § 264 a des Strafgesetzbuches war, wie Sie alle wissen, in jüngster Vergangenheit Gegenstand juristischer Diskussionen. Das Oberlandesgericht München vertrat hierzu die Auffassung, dass die kurze Verjährungsfrist nach dem Pressegesetz anwendbar sei, wenn der Kapitalanlagebetrug mit Hilfe eines Verkaufs- oder Börsenzulassungsprospekts begangen wurde. Damit wurde die Verjährungsfrist
des Delikts gegenüber der Regelung im Strafgesetzbuch, das fünf Jahre vorgesehen hat, wesentlich verkürzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Staatsregierung beseitigt die bestehende Rechtsunsicherheit. Besonders betonen möchte ich hierbei, dass dieser Gesetzentwurf Straftaten nach dem Wertpapierhandelsgesetz und dem Aktiengesetz sowie den Kapitalanlagebetrug vom Anwendungsbereich der presserechtlichen Verjährung ausnimmt. Ich bin der Meinung, dass mit dieser neuen Regelung eine wesentliche Stärkung des Verbraucherschutzes gegen Kapitalanlagebetrüger einhergeht. Mit dieser neuen Verjährungsregelung geben wir ein starkes Signal für einen effektiven Verbraucherschutz in Bayern. Wer seine Kunden mit falschen Versprechungen um ihr Geld bringen will, kann in Bayern künftig nicht mehr auf Zeit spielen. Mit der langen Verjährungsfrist haben die Polizei und die Staatsanwälte künftig ein scharfes Schwert gegen die schwarzen Schafe auf dem Kapitalmarkt.
Ich möchte auch erwähnen, dass wir mit diesem Gesetzentwurf gleichzeitig die Chancen von geprellten Anlegern, ihre Schadensersatzansprüche erfolgreich durchzusetzen, stärken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dieser Gesetzesänderung werden nach unserer Ansicht die Unklarheiten ausgeräumt, die durch die jüngste Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München zur Verjährung des Kapitalanlagebetrugs entstanden sind. Das Gericht hatte, wie Sie alle wissen, im April 2006 entschieden, dass auf den Straftatbestand des Kapitalanlagebetrugs die kurze presserechtliche Verjährung Anwendung findet. Das Problem ist, dass dadurch die effektive Strafverfolgung von Anlagebetrügern deutlich erschwert wurde. Wir sind der Meinung, dass die kurze presserechtliche Verjährung nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf den Straftatbestand des Kapitalanlagebetruges passt.
Die Anleger erkennen die Täuschungen im Prospekt gerade nicht auf den ersten Blick, sondern erst wesentlich später. Meistens erkennen sie sie erst dann, wenn der Schaden bereits eingetreten ist. Wir sind daher der Meinung, dass mit diesem Gesetzentwurf der Staatsregierung in Zukunft Klarheit geschaffen und ein wirksamer Verbraucherschutz garantiert werden. Ich danke sehr herzlich für diesen Gesetzentwurf der Staatsregierung. Mit diesem Gesetz werden die Belange unserer Bürgerinnen und Bürger nachhaltig gestärkt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet, weil es mir nicht in den Kopf geht, Herr Kollege Herold, wieso von Ihnen am 28. September 2006 eine offensichtlich von der Staatsregierung vorbereitete Erklärung verlesen wurde und heute wieder eine Erklärung verlesen wird, die aber genau den gegenteiligen Inhalt hat. Ich meine schon, dass es erklärungsbedürftig ist, warum Sie am 28. September gesagt haben, eine Lösung über den Artikel 14 des Bayerischen Pressegesetzes hielten Sie als CSU-Fraktion für unangemessen. Jetzt kommt die Staatsregierung gerade mit so einer Lösung, und Sie bejubeln sie und bedanken sich dafür. Ich meine, dass Sie das schon erklären müssen, es sei denn, die Heuchelei, die wir heute schon einmal bemerkt haben, hat nicht mehr nur etwas mit Personen und mit den persönlichen Verhältnissen untereinander zu tun, sondern es wird auch in der Sache geheuchelt und gelogen, wie es diesem Hohen Hause unangemessen ist.
Herr Kollege Herold, nach der Geschäftsordnung können Sie darauf antworten. Wenn nicht, dann hat Herr Kollege Runge das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Satz zur Zwischenintervention des Kollegen von der SPD: Hier muss ich die Kollegen der CSU-Fraktion ein bisschen in Schutz nehmen.
Meine Damen und Herren, wir stehen selbstverständlich hinter dem Anliegen, welches die Staatsregierung mit ihrem Gesetzentwurf verfolgt. Es ist schon gesagt worden, dass die GRÜNEN und die SPD eigene Gesetzentwürfe eingebracht und immer wieder darauf verwiesen haben, dass dieses Problem drängt und auf eine Lösung wartet. Über die beste Lösung werden wir uns in den Debatten noch unterhalten. Allerdings gibt es grundsätzlich einiges Kritisches anzumerken. Wir hätten den Gesetzentwurf heute in der Ersten Lesung nicht thematisiert, hätte es nicht letzten Dienstag eine derartig großspurige Erklärung aus der Kabinettssitzung gegeben, Herr Stoiber und Herr Beckstein. Ich zitiere:
Bayern erhöht den Verfolgungsdruck auf Kapitalanlagebetrüger. Beckstein: Starkes Signal für effektiven Verbraucherschutz in Bayern.
Die Staatsregierung will die Unklarheiten aufräumen, die durch die jüngste Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München zur Verjährung des Kapitalanlagebetrugs entstanden sind.
Dann wird auf den schon genannten Beschluss des Oberlandesgerichts München vom April 2006 verwiesen.
Meine Damen und Herren, diese Erklärung ist dummdreist. Anders kann man es nicht bezeichnen. Sie ist eine Frechheit vor allem gegenüber den geschädigten Anlegern, die durch die Saumseligkeit der Staatsregierung noch weiter geschädigt worden sind. Die Staatsregierung hat jahrelang versäumt, die bestehende rechtliche Schieflage zu beseitigen. Diese Schieflage gab es allein in Bayern. Da war Bayern wieder einmal Spitzenreiter.
Allein in Bayern gab es nicht die notwendigen gesetzlichen Regelungen. Bekanntermaßen ist genug Hohn und Spott über Bayern ausgeschüttet worden. Ich zitiere ein paar Zeitungsüberschriften: „Peinliche Panne“, hieß die eine. Die andere Überschrift ist schon genannt worden, Bayern sei ein „Eldorado für Kapitalmarktbetrüger“. Die dritte hieß: „München: Weltstadt mit Herz für Börsenschwindler“. Die letzte Überschrift, die ich hier zitieren will, hieß: „Bayerns Standortvorteil für Anlagebetrüger“. Es geht hier mitnichten nur um den einen einzigen Fall, der in der Berichterstattung über die letzte Kabinettssitzung angesprochen wurde, bei dem auf die Gerichtsentscheidung des Oberlandesgerichts München vom April 2006 hingewiesen wurde. Es gibt Fälle wie den DCM-Fonds, den DOBA-Grund-Fonds, den DBVI-Fonds von Herrn Thannhuber, alles Geschichten, bei denen die Anleger nicht zu ihrem Recht gekommen sind, weil es in Bayern keine gescheite rechtliche Regelung gegeben hat, Herr Innenminister oder Herr Noch-Innenminister. Das Problem war viel zu lange virulent und viel zu lange bekannt.
Die Sondersituation Bayerns als Eldorado für Kapitalmarktbetrüger ist sogar in einer Dissertation thematisiert worden. Ich kann sie Ihnen gerne geben, Herr Innenminister Beckstein, nachdem Sie in der Sache sich zuletzt in einer Pressemeldung zu Wort gemeldet haben. Verzeihung, Herr noch amtierender Ministerpräsident und Herr möglicher Ministerpräsident, dass ich Ihr Zwiegespräch auf diese Art und Weise störe.
Die Dissertation von Michael H. Hagemann heißt „’Grauer Kapitalmarkt’ und Strafrecht“ und wurde im Jahr 2005 veröffentlicht.
Ich zitiere aus einem Brief des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, in dem auf die Anfrage eines besorgten Anwalts geantwortet wird, der sich für die betrogenen Anleger stark macht. Da heißt es:
Herr Staatsminister Dr. Beckstein dankt Ihnen für Ihr Engagement im Verbraucher- und Kapitalanlegerschutz. Ihre E-Mail vom 12. Juli 2006 hat er uns hinsichtlich der Problematik der presserecht
lichen Verjährung bei Prospekttäuschung zur Bearbeitung weitergeleitet. Zugleich wurde uns Ihre gleichlautende Anfrage vom Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz zugeleitet. Ebenso wie das Staatsministerium der Justiz sehen wir in dieser Sache keinen dringenden Gesetzgebungsbedarf.
Sie sagen also im August 2006 immer noch, es gebe keinen dringenden Gesetzgebungsbedarf, obwohl es auch in den Jahren vorher reihenweise Fälle gab und obwohl das Thema in einer Doktorarbeit aus dem Jahr 2005 mit einem gewissen Spott für Bayern behandelt wurde.
Fazit: Dringender Handlungsbedarf ist seit Langem gegeben, was auch bekannt ist. Jetzt kommen Sie endlich zu Potte als Schlusslicht unter allen Bundesländern. Das hält Sie aber nicht davon ab, großsprecherisch zu verkünden, Beckstein gibt ein starkes Signal für einen effektiven Verbraucherschutz. Herr Beckstein, Sie müssen da unseres Erachtens schon sehr besoffen gewesen sein in Ihrer Glückseligkeit aufgrund des unerwarteten Geschenkes, doch noch Ministerpräsident werden zu können. Wir raten Ihnen, den Mund nicht zu voll zu nehmen, wenn Sie vorher saumselig gewesen sind bzw. wenn Sie vorher ewig lang durch Nichtstun geglänzt haben.
Herr Dr. Runge, ich stelle nur fest, dass der Ausdruck „besoffen“ nicht parlamentarisch ist. Das sollten Sie sich überlegen.