Protocol of the Session on January 30, 2007

Herr Dr. Runge, ich stelle nur fest, dass der Ausdruck „besoffen“ nicht parlamentarisch ist. Das sollten Sie sich überlegen.

(Beifall bei der CSU – Dr. Runge (GRÜNE): Glückstrunken!)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Hintergrund war und ist, dass die Fachebene zweier Häuser die Meinung vertreten hat, dass die kurze Verjährungsfrist strafrechtliche Verfahren nicht behindert. Das war die Fachebene.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Entschuldigung, Ich berichte nur. Das war die Fachebene des Innenministeriums und des Justizministeriums.

Nachdem alle Fachleute beider Häuser erwartet haben, dass der Bundesgerichtshof in überschaubarer Zeit die Entscheidung des Oberlandesgerichtes aufheben würde, hat man zunächst geglaubt, dass Gesetzgebungsbedarf nicht bestünde. Ich selbst habe dann entschieden, dass wir solange nicht warten, sondern auf Nummer sicher gehen und eine Gesetzesänderung einbringen. Das ist bei der Staatsregierung leider oder Gott sei Dank – wie auch

immer Sie es sehen wollen – ein längeres Verfahren als bei den Fraktionen, weil wir Anhörungen starten müssen. Bei diesen Anhörungen ist der Weg, der jetzt vorgeschlagen wird, genannt worden und nicht der Weg, den Sie, Herr Kollege Schindler, vorgesehen haben. Soweit ich informiert bin, hat keiner der angehörten Verbände eine solche Definition, wie Sie sie vornehmen, vorgeschlagen. Von daher ist unser Weg nach meiner Ansicht der sachgerechte.

Ich bitte um Verständnis, wenn ich sage, ich verstehe nicht, wie man sich über eine derartige Fachfrage, in der auch Gerichte und Staatsanwaltschaften unterschiedlicher Meinung sind, derart erregen kann, als ob das eine zentrale Frage der Politik wäre.

(Beifall bei der CSU)

Es geht schlicht um die Frage, wartet man die höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab oder nicht. Mir persönlich war das Risiko, zu warten, zu hoch, und zwar aus dem Grund, weil die Staatsanwaltschaft in einem Bezirk sich nach den Entscheidungen ihres Oberlandesgerichtes richtet, weswegen möglicherweise die Gefahr bestanden hätte, dass der eine oder andere Kriminelle wegen Ablauf der Verjährungsfrist nicht angeklagt wird. Selbst wenn später der Bundesgerichtshof eine Entscheidung getroffen hätte, wäre möglicherweise die Verjährung bereits zur Anwendung gekommen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schindler?

Ja, bitte.

Herr Staatsminister, stimmen Sie mir zu, dass es zwar nur wenige bekannt gewordene Fälle gegeben hat, aber von diesen Fällen Tausende von Anlegern betroffen waren, und dass dann, wenn die Staatsregierung früher gehandelt hätte, Tausende von Anlegern mehr Chancen hätten, zu ihrem Geld zu kommen, und sind Sie bereit, uns die Stellungnahmen der von Ihnen genannten Verbände zur Verfügung zu stellen?

Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie sowieso das Recht, Informationen aus den Anhörungen zu erhalten. Wenn Sie die Beratungen im Ausschuss durchführen, werden meine Mitarbeiter Ihnen sicher berichten.

In etlichen der angesprochenen Fälle geht es über weitere Rechtsmittel bis hinauf zum Bundesgerichtshof, der entscheiden wird. Das heißt, ich gehe nicht davon aus, dass in diesen Fällen der Strafanspruch, den ich für wichtig halte, endgültig verneint wird. Das Ganze wird jedenfalls in einer erheblichen Anzahl der Fälle letztlich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs geklärt werden. In manchen Fällen mag es sein, dass eine Anklage von der Staatsanwaltschaft zunächst nicht erhoben worden ist, aber selbst wenn der Bundesgerichtshof feststellen sollte, dass die kurze Verjährungsfrist nicht gilt, dann können – wie meine Leute meinen – die Verfahren in aller

Regel immer noch aufgenommen werden. Die Frist ist dadurch nicht endgültig abgelaufen.

Wie gesagt, ich will hier nicht in die letzten Details gehen, weil diese Fragen nicht in die Zuständigkeit meines Hauses fallen, sondern Sache der einzelnen Strafverfahren sind, die von der Justiz behandelt werden. Ich versichere aber noch einmal, dass die Justiz ursprünglich keinen zwingenden Gesetzgebungsbedarf gesehen hat. Über Rechtsmittel wird durchgesetzt, dass die richtige Meinung, wie sie von den Beamten des Innen- und des Justizministeriums vertreten wird, auch von den Obergerichten dargelegt wird.

Noch einmal: Mir war das Risiko zu hoch. Ich meine, dass es richtig war, den Verbraucherschutz höher zu bewerten als fachtechnische Fragen, die in den einzelnen Häusern aufgeworfen worden sind. Ich denke, darüber kann in Ruhe in den Ausschüssen diskutiert werden. Für höchstpolitische Auseinandersetzungen, wie sie gerade stattgefunden haben, ist mir das Gefühl abgegangen. Ich will aber das Temperament in keiner Weise beeinträchtigen.

(Beifall bei der CSU – Franz Schindler (SPD): Die Betroffenen verstehen das schon!)

Mir liegen keine zulässigen Wortmeldungen mehr vor. Ihre Redezeit ist überschritten, Herr Kollege Dr. Runge. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Einverständnis ist gegeben. Dann so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 d auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und Änderungsgesetz (Drs. 15/7161) – Erste Lesung –

Der Herr Staatsminister begründet persönlich. Bitte schön.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung setzen wir die 1994 begonnene und 1998 fortgeschriebene erfolgreiche bayerische Bauordnungsreform fort. Auch diese Novelle der Bauordnung folgt dem bewährten Konzept: Reduzierung staatlicher Vorkontrollen auf das unerlässlich Notwendige, Stärkung der Eigenverantwortung des Bauherrn und sonstiger am Bau Beteiligter.

Das bayerische Vorgehen hat – darauf weise ich ausdrücklich hin – bundesweite Beachtung und Nachahmung gefunden. Auf bayerische Initiative und unter bayerischer Federführung ist die Musterbauordnung der Länder novelliert worden. Im November 2002 hat die Bauministerkonferenz einstimmig – auch mit den Stimmen der SPD-Kollegen – eine neue Musterbauord

nung beschlossen. Sie nimmt die Grundstrukturen der bayerischen Bauordnungsreform auf und entwickelt sie weiter. Der vorliegende Gesetzentwurf soll sie in ihren wesentlichen Grundzügen auch in Bayern umsetzen.

Der Gesetzentwurf ist auf ein sehr lebhaftes und durchaus kritisches Echo in der Öffentlichkeit gestoßen, nachdem wir viele Monate lang mit den Fachgremien diskutiert haben. Die kritische Resonanz kann nicht verwundern; denn das Konzept unseres Bauordnungsrechts ist unbequem. Statt fürsorglich zu betreuen, fordert es die Beteiligten. Es verlangt Eigenverantwortung statt Rückversicherungsmentalität. Ich sage aber ganz deutlich, weniger Staat dort, wo der verantwortungsbewusste Bürger das Notwendige selbst leisten kann, ist der unvermeidliche Preis für einen Staat, der auf dem Feld seiner Kernaufgaben handlungsfähig bleiben will. Dieser ordnungspolitische Ansatz steht für mich nicht zur Disposition.

Gleichwohl haben wir eine Vielzahl von Sachfragen mit allen Betroffenen ausführlich und intensiv diskutiert. Das findet seinen Niederschlag an zentralen Stellen des Gesetzentwurfs. Ihn prägt nicht das Bestreben, eine reine Lehre lupenrein durchzusetzen, sondern das Bemühen, ohne Verzicht auf die große Grundlinie zu vernünftigen und pragmatischen Lösungen zu finden.

So steht am Ende der langen öffentlichen Diskussion und am Beginn der parlamentarischen Beratungen ein Gesetzentwurf, der zwar nicht alle Wünsche aller Interessenten erfüllen, aber letzten Endes von allen Beteiligten mitgetragen werden kann.

Wir wollen die Genehmigungsfreistellung bis zur Sonderbautengrenze ausweiten. Bei Einhaltung des Bebauungsplans kann dann auch im kleinen bis mittleren handwerklichen und gewerblichen Bereich genehmigungsfrei gebaut werden. Aber denkbare Konflikte können vermieden werden, da die Gemeinde im Bebauungsplan für bestimmte handwerkliche und gewerbliche Vorhaben die Genehmigungsfreistellung ausschließen kann. Zusammen mit dem Gemeindetag und dem Städtetag haben wir den Kompromiss gefunden, dass die Kommunen in einem Bebauungsplan das Freistellungsverfahren ausschließen können. Kommunen, die dagegen sind, sind nicht dazu gezwungen; andere werden diese Möglichkeit sehr dankbar annehmen. Bei den Gemeinden gibt es beide Haltungen; beides wird hier ermöglicht.

Wir wollen das Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens noch einmal straffen und auf eine im Kern nur noch planungsrechtliche Genehmigung zurückführen. Aber wir haben Verständnis für die Sorgen der Gemeinden um ihre Ortsgestaltung. Deshalb bleiben die örtlichen Bauvorschriften im Prüfprogramm ebenso wie die Einhaltung Voraussetzung für die Genehmigungsfreistellung bleibt. Je mehr Eigenverantwortung die Bauordnung den Bauherren und sonstigen am Bau Beteiligten zuweist, umso klarer und verständlicher muss sie sein. Das ist ein Anliegen des Entwurfs.

Gerne hätte ich die Abstandsflächenregelung der Musterbauordnung in das bayerische Recht übernommen, denn es hilft Flächen sparen. Es ist so einfach, dass es

selbst ein Jurist versteht. Aber ich habe auch Verständnis für die Besorgnis mancher Städte und Gemeinden. Deshalb haben wir uns auf einen Feldversuch verständigt: Es bleibt im Kern beim alten Abstandsflächenrecht. Aber die Gemeinde kann sich für das neue Abstandsflächenrecht entscheiden, das übrigens außerhalb Bayerns in den Ländern, die die Musterbauordnung vollständig übernommen haben, entsprechend gilt. Nach fünf Jahren werden wir Bilanz ziehen.

Mit dem neuen Recht wird in erheblichem Umfang auf entbehrliche Standards verzichtet, werden andere Anforderungen auf das sicherheitsrechtlich unerlässliche Maß abgesenkt. Durch das neue Brandschutzkonzept wird die konstruktive Verwendung von Holz auch bei Gebäuden bis zu fünf Geschossen ermöglicht. Das war ein wichtiges Anliegen aus dem Bereich der Landwirtschaft. Kein Bauherr, kein Architekt soll in seiner Gestaltungsfreiheit mehr als unvermeidbar eingeschränkt werden. Gleichwohl ist der Wunsch der Architektenschaft, das Anliegen der Baukultur zu berücksichtigen, in den vorliegenden Gesetzentwurf eingeflossen. Deswegen enthält der vorliegende Entwurf der Bauordnung auch den Programmsatz, dass die Belange der Baukultur und die anerkannten Regeln der Baukunst beachtet werden sollen.

Ich belasse es bei diesen Beispielen. – Der Gesetzentwurf ist ausgewogen. Er steht für eine konsequente Fortsetzung der Bauordnungsreform. Ich bitte Sie, den Entwurf nach sorgfältigen Beratungen zum Gesetz werden zu lassen. Ich bin davon überzeugt: Das ist ein guter weiterer Schritt auf dem Weg der Reform der Bauordnung, mit dem wir unsere Führungsrolle in Deutschland weiter ausbauen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Minister, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kronawitter.

Herr Präsident, Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heute eingebrachte Novellierungsentwurf hat eine lange Geschichte, die ich ansprechen möchte. Sie begann mit sehr forschen Worten in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 6. November, Sie erinnern sich. Eineinhalb Jahre später hatten wir hier im Landtag Gelegenheit, das Thema aufzugreifen: Am 22. Juni haben wir als SPD-Fraktion die Novellierung der Bayerischen Bauordnung per Dringlichkeitsantrag ins Plenum gebracht. Wir haben uns damals hinter die kommunalen Spitzenverbände gestellt, die ein Planspiel forderten. Mit diesem Planspiel – Herr Minister, Sie erinnern sich an diese Forderung – hofften sie, Ihre radikalisierten Interpretationen, die Sie jetzt nur angedeutet haben, bremsen zu können.

Sie haben damals unserem Dringlichkeitsantrag hier im Plenum nicht stattgegeben. Sie haben aber trotzdem zugestanden, dass die Diskussion mit der Fachwelt weiterging. Sie haben diese Diskussion soeben angedeutet. Dabei ging es um Abstandsflächen, um die beabsichtigte Streichung der Forderung nach Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Baukunst. Es ging um

die Abschaffung der obligatorischen Stellplatzablöse und vieles mehr.

Aus Zeitgründen muss ich es heute kurz machen. Herr Minister, Sie wissen: Der Druck war schließlich so groß, dass Sie sich zu Kompromissen bereitgefunden haben. In dem Kompromiss, der in einem Gespräch mit dem Städtetagspräsidenten, dem Oberbürgermeister Schaidinger gefunden wurde, haben Sie in vielen Punkten nachgegeben. Sie haben jetzt angedeutet, an welchen Stellen Sie nachgegeben haben: Den Kommunen werden Optionsmöglichkeiten eingeräumt, damit sie vor Ort auf die Baukultur achten können, auf Stellplätze, auf Abstandsflächen. All diese Themen sind da angesprochen.

Nach diesem Kompromiss hat es nochmals 1 ¼ Jahre gedauert, bis der Entwurf gebastelt war und jetzt das Parlament erreicht. Ich kann nur sagen: Das alles war forsch angekündigt, aber schließlich ist der Entwurf im Schneckentempo vorwärtsgekommen.

Für meine Fraktion halte ich heute bei der Einbringung der Novelle fest: Wir werden uns mit dem Entwurf sehr intensiv befassen. Wir werden uns dabei auch nicht hetzen lassen. Denn wenn die Regierung schon 3 ¼ Jahre Zeit hat, dann muss für die parlamentarische Beratung auch genügend Zeit sein.

Ich denke, wir haben als Parlament die Verpflichtung, für die Städte und für die Kommunen, die sehr ringen müssen, dass sie die Baukultur in ihren jeweiligen Orten erhalten können, klare und angemessene gesetzliche Regeln zu schaffen. Da braucht es schon eine intensive, parlamentarische Beratung.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, Sie haben angesprochen, die Vorgaben aus Bayern seien so gut gewesen, dass sich die Musterbauordnung im Jahr 2002 teilweise an der Bayerischen Bauordnung orientiert habe. Das wollen wir gerne akzeptieren. Aber bei der vorliegenden Novelle haben Sie einen Ausgangspunkt gewählt, der weit über das hinausgeht, was von kommunaler Ebene, von den Architekten, von den Ingenieuren jemals hätte akzeptiert werden können.

(Staatsminister Dr. Günther Beckstein: Nicht „jemals“! Das kommt schon in ein paar Jahren!)

Jedenfalls war es gut, dass Sie einen Kompromiss gefunden haben. Wir selber müssen prüfen, inwiefern wir mit Abänderungsanträgen bestimmte Punkte im Parlament noch einmal thematisieren. So ist beispielsweise die Stellplatzablöse ein Thema, das unmittelbar mit dem öffentlichen Personennahverkehr in Verbindung steht. Letztlich gibt es auch noch andere Themen, die zu diskutieren sind, beispielsweise die Baukultur. Sie ist nur in einem einzigen Programmsatz enthalten. – Wir haben also in den Ausschüssen Zeit, um die Novelle zu beraten. Ich will dazu sagen: Wir vonseiten der SPD wollen das sehr ernsthaft tun.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Rotter.