Protocol of the Session on October 18, 2006

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Wir wollen das hoheitliche Gnadenrecht auf Informationsfreiheit durch ein individuelles Recht auf die Einsicht in Informationen ersetzen. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern bei der Beurteilung von Sachverhalten den gleichen Zugang zu Informationen ermöglichen, wie ihn die Verwaltung und die staatlichen Stellen haben. Wir antworten auf eine veränderte gesellschaftliche Situation mit einem Gesetzentwurf, der diesen Anforderungen gerecht wird und der die Demokratie und die Bürgerinnen und Bürger, nicht aber die Bürokratie stärkt.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Aus dem Staatsverständnis heraus, das wir GRÜNE haben, sind wir der Auffassung, dass es ein Informationsfreiheitsgesetz geben muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Teil des Staates ist eine von den Bürgern getragene Verwaltungs- und Planungseinheit, die unabhängig von Lobby und Eigeninteressen das Gemeinwesen gestalten soll.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Die Verwaltung ist zuallererst für die Bürgerinnen und Bürger da und nicht umgekehrt, auch wenn der Verwaltung selbstverständlich in einem Kernbereich ein Freiraum eingeräumt werden muss, der es ihr ermöglicht, Vorplanungen durchzuführen, zu diskutieren, Entscheidungen vorzubereiten und vor allem unabhängig von partiellen Interessen zu arbeiten.

Meine Herren und Damen, warum aber dürfen Bürger und Bürgerinnen nicht wissen, was ihre Verwaltung außerhalb dieses Kernbereichs tut, was bei den Entscheidungsprozessen herausgekommen ist? Warum machen Sie ein solches Geheimnis aus den Ergebnissen? Wir wissen es nicht, und wir werden es, so befürchte ich, auch nie erfahren; denn die Argumente, die von der CSU in der bisherigen Debatte vorgetragen worden sind, sind nicht stichhaltig. Sie können es auch nicht sein; denn es gibt kein einziges Argument gegen den freien Zugang von Bürgern zu Informationen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Gegenteil. Wir halten es für eine demokratische Pflicht, sich über öffentliche Angelegenheiten – wenigstens der eigenen Kommunen, also vor Ort – zu informieren – was im Umkehrschluss nicht heißen soll, dass wir einen Informationszwang einführen möchten. Aber die, die etwas in Erfahrung bringen möchten, sollen die Möglichkeit dazu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen die Beteiligungsrechte zum Beispiel zur Vorbereitung und Durchführung von Bürgerbegehren. Wir brauchen die Möglichkeit, auf Informationen zugreifen zu können, und ich habe schon manchmal den Eindruck, dass man genau diese Möglichkeiten, diese Volksinstrumente wie Bürgerbegehren und Volksentscheide ein Stück weit behindern möchte und verhindern möchte, dass die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger an dem Herrschaftswissen teilhaben können.

Nur die Chance, sich aus den verschiedensten Quellen informieren zu können, nur der Zugang zu Informationen

sichert aber genau diese Beteiligungsrechte. Kollege Ritter hat es eben auch schon ausgeführt.

Genau aus diesem Grund müssen zum Beispiel Medien an Informationen gelangen, um diese verbreiten zu können, damit auch demokratische Entscheidungen vorbereitet werden können und letztendlich demokratische Entscheidungen ermöglicht werden.

Für Wirtschaftsunternehmen können Informationen eine Hilfestellung sein, um Standortentscheidungen zu treffen.

Nicht zuletzt wir Mandatsträgerinnen und -träger, die wir politische Entscheidungen zu treffen haben, müssen Zugang zu Informationen erhalten. Das ist im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit, die uns aber in der Vergangenheit nicht immer zugestanden worden ist. Nur, wir klagen, wir haben Erfolg. Aber was machen die Bürgerinnen und Bürger? In Teilen klagen sie auch; es kostet viel Geld, kostet Zeit.

Auf einen Punkt möchte ich etwas ausführlicher eingehen: Transparenz verhindert Korruption. Das Bundeskriminalamt stellt fest, dass sich 2005 die Korruptionsfälle im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt haben. 15 000 Fälle sind es mittlerweile bundesweit. 91 % davon betreffen die allgemeine Verwaltung. Ich lasse es einmal dahingestellt sein, woher diese Verdoppelung kommt. Man müsste sich einmal genauer anschauen, ob es sich, wie teilweise vermutet wird, um eine erhöhte Sensibilität der Bürgerinnen und Bürger handelt, die dann auch mehr anzeigen, oder ob sich tatsächlich die Selbstbedienungsmentalität immer weiter durchsetzt.

Fakt ist, dass in diesen 15 000 Fällen wohl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Dunkelziffer kann man sich vorstellen. Insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, bei Beschaffungen und Bauvorhaben ist ein besonderes Augenmerk der Öffentlichkeit auf all diese Vorgänge zu legen. Gerade hier ist Transparenz dringend angesagt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Korruption hat viele Gesichter. Es ist nicht nur die reine Geldübergabe. Korruption kann sein, wenn sich der Bürgermeister die Feier seines 60. Geburtstags – wie passiert – aus der Gemeindekasse bezahlen lässt. Es können die Reisen sein, die von privaten Unternehmen beglichen werden. Es können Betriebskontrollen sein, bei denen man schon mal, weil man die Akteure vor Ort kennt, ein Auge zudrückt. Die Dummen sind die ehrlichen Beamtinnen und Beamten, die Angestellten und letztendlich die Steuerzahlerinnen und -zahler.

Unser Kollege Herr König argumentierte: Es braucht kein Gesetz, das niemand will. Ich muss Ihnen sagen – dabei weiß ich, dass Sie stellvertretend die Meinung der CSU hier wiedergeben –, so eine Sichtweise ist extrem selektiv. Sie blendet die vielen Fälle aus, in denen tatsächlich Nachfragen von aktiven Bürgerinnen und Bürgern vorhanden waren, denen von der Verwaltung die Akteneinsicht verweigert worden ist. Diese Sichtweise verkennt auch, wie viele Organisationen mittlerweile ein Informati

onsfreiheitsgesetz fordern, zum Beispiel der Bayerische Journalistenverband, der Bund Naturschutz, die Deutsche Journalistenunion, der Förderkreis IT und Medienwirtschaft, die Humanistische Union, der Verein „Mehr Demokratie“, nicht zuletzt Transparency International und andere mehr.

Nachdem ich aber ziemlich sicher bin – weil es schon in der Debatte im Ausschuss nicht gereicht hat –, dass auch das Herrn König, stellvertretend für die CSU, wieder nicht genügen wird, wenn ich den Bedarf feststelle, möchte ich Ihnen schon einmal ein paar Beispiele nennen.

Erstes Beispiel. Da gab es Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen eine zentrale Abwasseranlage ausgesprochen haben und kleine Pflanzenkläranlagen bauen wollten. Die Gemeinde hat dann, weil sie das nicht wollte, einen Ingenieur beauftragt, der die zentrale Anlage berechnen sollte. Das Ergebnis war relativ knapp. Die Bürgerinnen und Bürger wollten aber, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, die Berechnungen offengelegt haben, wollten einfach nur wissen, was der Ingenieur denn an Kosten angesetzt hat und wie es letztendlich zu diesem Ergebnis gekommen ist. Ich verstehe einfach nicht, dass man den Bürgerinnen und Bürgern die Einsicht in solche Berechnungen – es ging hier überhaupt nicht um Konkurrentenschutz oder sonst etwas – verwehrt hat.

Beispiel zwei. Eine Marktgemeinde hat mit der Gründung zweier GmbHs wesentliche Teile ihres Haushaltsvolumens privatisiert und damit der öffentlichen Kontrolle entzogen. Genau mit diesem Problem hatten wir ja auch in unserer Klage zu tun, als wir noch einmal feststellen lassen mussten, dass auch bei Privatisierung von Teilen der Gemeindeaufgaben natürlich – vor allem, wenn die Beteiligung der Gemeinden, der Städte oder auch des Landes noch vorhanden ist – die Möglichkeit bestehen muss, in irgendeiner Form Einsicht zu nehmen. Es muss doch noch Kontrolle stattfinden können. Man kann doch nicht alles privatisieren und dann kann die Politik nicht mehr schauen, wie die Gelder verwendet werden.

Hier war es so. Es war überhaupt nicht mehr transparent, welches Geld für welche Aufgaben verwendet worden ist. Die Bürgerinnen und Bürger haben eine Offenlegung verlangt, aber – wie sollte es anders sein? – vergeblich.

Beispiel drei. Nehmen wir die Journalisten, die auch immer wieder Probleme haben, das zu erfahren, was sie für ihre Arbeit brauchen, die Arbeit, die sie für uns tun, weil wir uns natürlich über die Medien, über freie Medien, über zugängliche Medien – das ist doch unser Vorteil gegenüber anderen Ländern, in denen die Medien gleichgeschaltet sind – informieren müssen.

Es ist sogar Pflicht, Journalisten Informationen zu geben. Manchmal muss man leider aber auch hier wieder mit Klagen arbeiten. Ein Bürgermeister hatte sich geweigert, eine Anfrage zu einer personalpolitischen Entscheidung zu beantworten. Daraufhin hat dann tatsächlich auch der Verwaltungsgerichtshof dem Lokalreporter recht gegeben, in diesem Fall leider statt sofortiger Transparenz erst auf dem Umweg über die Gerichte, und festgestellt, dass die Gemeinde konkrete Fragen zu dieser ihrer Personalpolitik

beantworten muss. Ich muss Ihnen, meine Herren und Damen, sagen, das hätten wir einfacher haben können.

Ich traktiere Sie ein bisschen mit diesen Beispielen, Herr König, damit Sie nicht mehr sagen können, es gebe das alles nicht. Ich möchte, dass das im Protokoll steht. Gern stelle ich Ihnen eine Reihe weiterer Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern aus anderen Regionen zur Verfügung.

Nehmen wir ein viertes Beispiel. In Schwaben streitet man über den geplanten Flughafen. Das haben wir hier auch schon in der Debatte getan. Es gibt mehrere Initiativen, die sich auf der einen Seite gegen und auf der anderen Seite für das Projekt aussprechen. Es gibt verschiedene Studien, und ausgerechnet die Studie, die feststellt, dass sich der Flughafen rechnen könnte, darf nicht veröffentlicht werden. Die Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, wie da die Berechnungen aussehen, wieso man dazu kommt, dass jetzt der Flughafen doch wirtschaftlich arbeiten könnte. Nur, die Bürgerinnen und Bürger dürfen das nicht erfahren. Das kann nicht sein!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das sind Steuergelder.

Ein fünftes und letztes Beispiel. Hier, wie häufig, gibt es ein Problem mit Erschließungssatzungen, Benutzungs- und Erschließungszwang – wir kennen es alle. Wenn Bürgerinnen und Bürger an öffentliche Versorgungsanlagen angeschlossen werden, ist es das Problem, die tatsächlichen Kosten zu erfahren – egal, ob es die Eintrittspreise für das Hallenbad, Gaspreise oder Bustarife sind: Die Stadt verweigert häufig ihren Bürgerinnen und Bürgern die Auskunft.

Es wird Nachfragen in der Verwaltung geben. Dessen bin ich mir sicher. Hierzu ist auch die Argumentation der CSU bisher immer etwas widersprüchlich gewesen. Auf der einen Seite hat sie gesagt, man brauche ein solches Gesetz nicht, weil es keiner wolle. Drei Sätze später hat sie aber gesagt, man werde von Nachfragen überrollt werden. Sie sollten sich darauf einigen, was Sie befürchten.

Trotz der zu erwartenden Nachfragen bin ich aber ziemlich sicher, dass die Verwaltung nicht zusammenbrechen wird. In über 68 Ländern dieser Welt – ich glaube, während der Debatten sind weitere hinzugekommen, es sind mittlerweile wohl mehr als 70 – lebt man gut mit einem freien Zugang zu Informationen.

Was wir deshalb in Bayern dringend brauchen, ist ein Mentalitätswechsel,

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen den Wechsel zu einer Mentalität, die den Bürger nicht mehr als Anspruch- und Bittsteller begreift. Ich befürchte, dass in Bayern nicht in Kürze mit einem Informationsfreiheitsgesetz zu rechnen ist, weil es diesen Mentalitätswechsel so schnell nicht geben wird. Nach

dem CSU-Staatsverständnis hat hierarchisch gestaffeltes Herrschaftswissen Vorrang vor Bürgerinteressen.

Jetzt werde ich böse. Das tue ich aus einer gewissen politischen Verbitterung heraus, die mir aber auch einmal zugestanden werden darf.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Hier in Bayern waschen einfach zu viele Hände einander. Zu viele in der Verwaltung haben mittlerweile etwas zu verlieren,

(Zuruf von den GRÜNEN: Genau!)

nicht zuletzt ihren beruflichen Kopf, wenn sie sich politisch missliebig verhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das letzte Beispiel war das Erlebnis mit dem zuständigen Polizeidirektor in Schweinfurt. Was dort abgegangen ist, spottet jeder Beschreibung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)