Protocol of the Session on October 18, 2006

a) Der Bayerische Ministerpräsident übersendet zum 60. Hochzeitstag und zum 95. Geburtstag mit dem Glückwunschschreiben eine silberne Medaille. Bei den übrigen Jubiläen tritt an die Stelle der Silbermedaille ein anderes Sachgeschenk.

b) Ein Geldgeschenk wird übersandt…

Leider ist die Zeit zu kurz. Ich will es Ihnen ersparen, alles aufzulisten. Ich sage Ihnen aber, damit nicht genug, das geht über eine Seite, und dann kommen die Antragsformulare. Es gibt einen Antrag auf Übersendung eines Glückwunschschreibens. Da müssen Sie einen Haufen Kreuzchen machen. Aber auch damit nicht genug, das Ganze wird ergänzt durch eine neuere Vorschrift, wiederum verknüpft mit einer Reihe von Anträgen. Dann gibt es noch eine neue Vorschrift vom 12. Dezember 2003, ebenfalls zur Ehrung bei Alters- und Ehejubiläen. Außerdem gibt es eine Vorschrift von 2004, ebenfalls mit den Anträgen. Warum nenne ich dieses Beispiel?

Es ist wirklich zum Weinen – –

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Huber?

Vielleicht kann ich den Satz noch zu Ende führen.

Es ist wirklich zum Weinen, dass wir so viele Vorschriften haben – ich will gar nicht auf die Vorschriften zu den Wappen und Schulfahnen und Sonstigem eingehen –, sodass wir nicht wirklich an den Kern des Bürokratieabbaus kommen.

Herr Huber, bitte.

Frau Kollegin, wären Sie bereit zuzugeben, dass die von Ihnen genannten Ehrungen der Bürger von den Menschen nicht als Belastung, sondern als Wohltat empfunden werden?

(Beifall bei der CSU)

Die Ehrung selber wird natürlich als Wohltat empfunden. Ich bedauere es aber, dass die Staatsregierung dazu eine solche Liste an Vorschriften braucht, um überhaupt zu wissen, dass es der Anstand gebietet, einem 65-Jährigen, 70-Jährigen oder wem auch immer zum Geburtstag oder Ehejubiläum zu gratulieren.

Wenn Sie dafür Anträge brauchen, kann ich nur sagen: arme Staatsregierung!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Herren und Damen, es wird viel Zeit und viel Personal investiert. Dort, wo wir aber Zeit und Personal bräuchten, fehlt es. Noch ein Beispiel zum Schluss, um meine Behauptungen zu belegen, denn es heißt bei Ihnen immer, das gibt es alles nicht. Es gibt ein Eichamt. Das Eichamt hat zu wenig Personal, um die Eichung an den Tankstellen fristgerecht auszuführen. Es geht um die Tankstelle in Happurg. Die Eichämter sind nachgeordnete Behörden, für die der Freistaat sehr wohl zuständig ist. Bis 2004 hätte an der betreffenden Tankstelle eine Eichung vorgenommen werden müssen. Das Eichamt hat es bis heute nicht gemacht. Wir haben jetzt Ende 2006. Nehmen wir das Beispiel der Lebensmittelüberwachung. Es gibt eine Reihe neuer Vorschriften, die einzuhalten sind. Gleichzeitig wird beim Personal gekürzt. Ich bitte Sie herzlich, bei weiterem Bürokratieabbau oder solchem, der keiner ist, den Sie aber so nennen, darauf zu achten, dass der Sinn für das Wichtige gewahrt bleibt und dass Sie nicht etwas als Mittelstandsförderung verkaufen, was de facto eine Selbstverständlichkeit ist, wie ich am Anfang gesagt habe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/5477 sowie die Beschlussempfehlung mit Bericht auf Drucksache 15/6429 zugrunde. Der federführende und endberatende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass in § 3 als Datum des Inkrafttretens der 1. Januar 2007 eingefügt wird. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Dagegen gibt es keinen Widerspruch.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Herr Nöth telefoniert. Es gibt eine Vereinbarung der Fraktionen, wonach Sie hier im Saal nicht telefonieren sollten. Deswegen konnten Sie jetzt auch der Abstimmung nicht folgen, sondern haben durch Stehenbleiben dagegen gestimmt. Ich nehme aber an, das war ein Handy-Versehen.

Das Gesetz ist damit einstimmig angenommen. Es hat den Titel „Viertes Gesetz zur Aufhebung von Rechtsvorschriften (4. Aufhebungsgesetz)“

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 5 und 6 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Franz Maget, Franz Schindler, Prof. Dr. Peter Paul Gantzer u. a. u. Frakt. (SPD) zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Freistaates Bayern und zur Änderung weiterer Vorschriften (Bayerisches Informationsfreiheitsgesetz – BayIFG) (Drs. 15/4586) – Zweite Lesung –

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Gewährleistung des freien Zugangs zu amtlichen Informationen im Freistaat Bayern (Bayerisches Infor- mationsfreiheitsgesetz – BayIFG) (Drs. 15/4587)

Zweite Lesung –

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Ritter.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Politische Entscheidungen und Verwaltungsentscheidungen werden immer komplexer und immer umfangreicher. Das dürfte allseits bekannt sein. Oftmals sind die Grundlagen für ganz einfache Entscheidungen wie zum Beispiel über den Anschluss an eine zentrale Abwasserentsorgung mit Gutachten und Gegengutachten gespickt, die für den normalen Bürger teilweise nicht zugänglich sind, die aber eine ganz wichtige Grundlage für die jeweilige Entscheidung sind. Bei jeder Entscheidung gibt es immer eine ganze Reihe von Abwägungen zwischen den unterschiedlichen Interessen. Tatsächlich gibt es auch die Möglichkeit, bestimmte Informationen einzuholen. Diese Möglichkeit besteht aber nur für die Personen, die von einer Entscheidung, wie es so schön heißt, unmittelbar betroffen sind, und gleichzeitig ein berechtigtes Interesse an der Information nachweisen können.

In den letzten Jahren hat sich im Bewusstsein der Politiker immer mehr etabliert, dass bestimmte Informationen über staatliches Verwaltungshandeln nicht nur für die kleine Gruppe von Betroffenen interessant sind, sondern oft auch für eine größere Gruppe, die aber nicht als unmittelbar Betroffene im Sinn der Vorschriften gilt. Als Beispiel könnte man den Gammelfleischskandal nennen. Es gibt dazu eine ganze Reihe von Informationen, auf die ein Unternehmer, bei dem es Untersuchungen im Betrieb gegeben hat, Zugriff hat, weil er unmittelbar betroffen ist. Die normalen Bürgerinnen und Bürger, die als Verbraucher auch betroffen sind, haben keinen Zugriff auf diese Informationen.

Demokratie ist nur durch die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern möglich, und die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern muss in einer Demokratie auch gestärkt werden. Diese Beteiligung kann sich nicht nur auf Wahlen und Abstimmungen beschränken. Mitreden und mitentscheiden zu können, setzt umfassende Informationsmöglichkeiten voraus, und um diese Informationen zu

bekommen, wird Transparenz verlangt. Es geht also nicht nur um das Recht, den Inhalt von Entscheidungen zu erfahren, sondern es geht auch um das Recht zu erfahren, auf welcher Grundlage diese Entscheidungen zustande gekommen sind.

Wir sind der festen Überzeugung, dass aus den immer komplizierter werdenden Entscheidungen und den immer komplexer werdenden Entscheidungsgrundlagen für die Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf umfassende Information und transparente Entscheidungsvorgänge entsteht. Die Informationen müssen in einem deutlich breiteren Ausmaß zugänglich sein, als es bisher der Fall ist. Es reicht nicht mehr, Informationen nur unmittelbar Betroffenen zugänglich zu machen. Das genügt nicht mehr den Anforderungen einer modernen Demokratie. Das genügt nicht mehr dem Anspruch der Bürger an eine moderne Verwaltung und darauf, mitreden und mitentscheiden zu können.

Es geht nicht darum, wie viel Bedarf an Information vorhanden ist. Verschiedene Bundesländer haben bereits ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen. Dort entsteht Informationsbedarf, der nicht riesig ist. Im Schnitt sind es 2000 Anfragen pro Bundesland über alle öffentlichen Stellen hinweg. Es geht um das Grundsätzliche. Hat ein Bürger oder eine Bürgerin ein Grundrecht auf Information, das so umfassend ist, dass er oder sie wieder mitreden und mitentscheiden kann?

Die Argumente, die die CSU in den Ausschussberatungen gebracht hat, um sich dieses Recht der Bürgerinnen und Bürger vom Hals zu halten, entspringen einem Demokratie-, Politik- und Staatsverständnis, das möglicherweise dem Naturell Ihres Ministerpräsidenten entsprechen mag, das meines Erachtens aber in direkter Nachfolge des preußischen Untertanenstaates steht.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie in den Protokollen die Beiträge der Mitglieder der CSU-Fraktion lesen, springt Ihnen in jeder Zeile Heinrich Manns „Untertan“ ins Gesicht. Den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern hilft es nichts, wenn der Ministerpräsident bei jedem Empfang für Vertreter der Wirtschaft und bei jeder Bildungsveranstaltung den Begriff der Informations- und Wissenschaftsgesellschaft wie eine Monstranz vor sich herträgt, während die Informationen, die für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind und die aus der Verwaltung kommen, für diese Informations- und Wissenschaftsgesellschaft ausgeschlossen bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In einer Informations- und Wissensgesellschaft können also Politik und Verwaltung davon nicht ausgenommen werden. Die bayerischen Bürgerinnen und Bürger haben uns beauftragt, für eine gute Verwaltung, für eine effektive Verwaltung und für nachvollziehbare Entscheidungen zu sorgen.

(Alexander König (CSU): Ihr Problem ist, dass Sie die bayerischen Bürger für Volksbeauftragte halten!)

Dass uns die bayerischen Bürgerinnen und Bürger diesen Auftrag erteilt haben, macht sie noch lange nicht zu Mündeln der Staatsregierung oder bestimmter Fraktionen in diesem Landtag. Nach unserer festen Überzeugung ist es auch Bestandteil dieses Auftrags, sicherzustellen, dass sich Bürgerinnen und Bürger nach eigenem Ermessen über Entscheidungen und deren Hintergründe informieren können. Die bayerischen Bürgerinnen und Bürger sind mündig und verantwortungsbewusst, und sie haben ein Recht und einen Anspruch auf umfassende Informationen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie behaupten jetzt, dass es diese Möglichkeit schon gäbe; man könne sich doch einmal auf die Internetseiten der Ministerien, der Staatskanzlei und der Ämter begeben, und da würde man dann schon umfassende und ausreichende Informationen finden. – Einmal ganz abgesehen davon, dass tatsächlich nur ein minimaler Teil des Handelns von öffentlichen Stellen und von Ämtern da seinen Niederschlag findet, gebe ich Ihnen recht: Wer Gesetzestexte sucht, die er übrigens auch woanders finden kann, und wer die Interpretation von ausgewählten Themen durch Pressestellen von Ministerien sucht, mag dort tatsächlich fündig werden.

Darum geht es aber bei der Informationsfreiheit nicht. Bei der Informationsfreiheit geht es nicht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, das wiederzukäuen, was ihnen die Pressestelle eines Ministeriums vorkaut, sondern es geht darum, dass sie die Möglichkeit haben, wirklich auf Hintergründe von Entscheidungen zuzugreifen.

Sie behaupten also, das geltende Informationsrecht sei ausreichend und ein Bedarf nach Verbesserung sei nicht vorhanden. Ich sagte schon: Die Bedarfsdiskussion ist für uns nicht maßgebend, weil es tatsächlich darum geht, wie Grundrechte ausgestattet werden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen selbst, dass in einer ganzen Reihe von Fällen der Zugang zu Informationen erfolgreich eingeklagt worden ist; dazu gibt es eine Reihe von Urteilen. Der Zugang wurde vorher von den zuständigen staatlichen oder öffentlichen Stellen verweigert. Die von Ihnen getragene Staatsregierung wurde unter anderem dazu verurteilt, Anfragen von Abgeordneten ordentlich zu beantworten, obwohl wir hier im Landtag tatsächlich über ein Informationsrecht verfügen. Sie glauben doch wohl nicht allen Ernstes, dass die Aussagen, die Sie bei der Beurteilung des Gesetzes tätigen, im Zusammenhang mit einem solchen Urteil Ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit besonders stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie das so sehen, dann kann ich nur sagen: Machen Sie so weiter. Ich glaube nicht, dass die bayerischen Bürgerinnen und Bürger das besonders honorieren werden.

Sie verweisen bei der Diskussion über das Informationsfreiheitsgesetz unter anderem darauf, dass Länder und

Staaten mit einem Informationsfreiheitsgesetz über eine andere Rechtstradition verfügen würden. Das ist ein sehr interessantes Argument. Ich würde mich ganz besonders freuen, wenn Rednerinnen und Redner der CSU das anschließend einmal am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland erläutern würden, nachdem auch für die Bundesbehörden ein Informationsfreiheitsgesetz beschlossen wurde. Es würde mich sehr freuen, wie Sie Ihre Aussage in Bezug auf die Europäische Union begründen würden, die ebenfalls für ihre Einrichtungen und Behörden ein Informationsfreiheitsgesetz beschlossen hat. Mich würde auch interessieren, wie Sie das in Bezug auf andere Bundesländer begründen würden, die zum Teil ebenfalls eigene Informationsfreiheitsgesetze eingeführt haben.

Zu Ihrem Argument muss man auch noch feststellen, dass Sie dabei ganz bewusst unterschlagen, dass der Gesetzentwurf, den die SPD hier eingereicht hat, genau auf diese Rechtsgrundsätze und Rechtstraditionen abzielt. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist gewährleistet; der Datenschutz ist gewährleistet; der Schutz politischer Entscheidungen ist gewährleistet; Daten und Informationen, welche die innere Sicherheit betreffen, sind gewährleistet, und die Unabhängigkeit richterlicher Entscheidungen ist ebenfalls gewährleistet. – Ich kann diese Argumente, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen. Die CSU windet sich wie ein Aal bei diesem Gesetzentwurf und zieht Argumente an den Haaren herbei, Argumente, die man tatsächlich nur als fadenscheinig bezeichnen kann. Da stellt man sich natürlich schon die Frage, warum das so ist. Fehlt es an Einsicht und Erkenntnisfähigkeit, dass sich beim Ablauf von Entscheidungen innerhalb der Verwaltung und der staatlichen Stellen tatsächlich einiges verändert hat, dass da einiges komplexer geworden ist? Fehlt es an Einsicht und Erkenntnisfähigkeit, dass Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung gerade bei Informationsfragen schon längst ins Hintertreffen geraten sind und dass auch das ein Grund für die zunehmende Staats- und Politikverdrossenheit ist?

(Beifall bei der SPD)

Mir hat vor Kurzem eine Bürgerin gesagt: Das ist doch ganz einfach, schlecht informierte Bürgerinnen und Bürger lassen sich einfach besser regieren als gut informierte Bürger. Da kann ich mit Blick auf die Politik der CSU und der Staatsregierung der letzten Jahre nur sagen: Die Wahrheit ist oft ganz banal und einfach.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)