Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich auf eine Bitte des Herrn Kollegen Stöttner hin eine Delegation des Wirtschaftsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags begrüßen. Die Leitung dieser Delegation hat Herr Landtagsabgeordneter Jürgen Feddersen. Ich heiße Sie herzlich willkommen und wünsche Ihnen gute Erfahrungen und gute Gespräche.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die CSU im Bayerischen Landtag hat bekanntlich eine komfortable Zweidrittelmehrheit. Frau Staatsministerin, mit diesem Ausführungsgesetz hätten Sie den Berlinern einmal zeigen können, wie man ein Gesetz aus einem Guss macht und wie man ein solches Gesetz ohne politische Rücksichtnahmen durchziehen kann. Was bei diesem Gesetz herausgekommen ist, kann man jedoch schlicht als „Murks“ bezeichnen.
Frau Staatsministerin, Sie haben selbst angesprochen, dass die Verfallszeit dieses Ausführungsgesetzes immer kürzer wird. Wir haben uns erst vor kurzem mit einer Änderung auseinandersetzen müssen. Heute werden wir – oder vielmehr Sie – einige Änderungen auf den Weg bringen. Die nächsten Gesetzentwürfe stehen bereits an. Sie haben selbst auf das Thema hingewiesen, wie die ambulante und die stationäre Pflege in Bayern in Zukunft geregelt werden soll.
Interessant ist, dass die Ursachen für diese Gesetzesänderung nicht etwa aus Berlin stammen, sondern allein aus Bayern. Frau Staatsministerin, Sie hätten die Möglichkeit gehabt, etwas Sinnvolles zu tun. Letzten Endes wurde dieser Gesetzentwurf jedoch nicht von der Sozialpolitik, sondern vom Finanzminister diktiert. Schon der Zeitpunkt ist verräterisch. In dem Gesetz steht ausdrücklich, dass es dabei um Einsparungen geht. Es geht darum, im sozialen Bereich wieder einmal tiefe Einschnitte vorzunehmen, ohne dass dahinter ein sozialpolitisches Konzept stünde. Frau Staatsministerin, wir wären bei Ihnen, wenn wir vorher darüber diskutiert hätten, wie die Pflege in Bayern in Zukunft aussehen sollte und ob wir tatsächlich noch so viele stationäre Einrichtungen brauchen oder ob nicht der Grundsatz „ambulant vor stationär“ besser umgesetzt werden könnte. Davon ist hier jedoch überhaupt keine Rede. Sie sagen apodiktisch: Wir haben in Bayern genug, der Wettbewerb wird es richten. Das zeigen die vielen privaten Einrichtungen in Bayern.
Man muss jedoch genau hinsehen. In Bayern gibt es bestimmte Gegenden, wo dies tatsächlich zutrifft. Dort hat inzwischen ein Pflegetourismus nicht nur aus anderen Teilen Bayerns, sondern aus ganz Deutschland eingesetzt. Allerdings gibt es auch Regionen, für die wir die staatliche Förderung brauchen. Frau Staatsministerin, eines haben Sie vergessen: Im Pflegegesetz des Bundes, also im SGB XI, steht, dass die Länder dafür verantwortlich sind, dass eine zahlenmäßig ausreichende pflegerische Versorgungsstruktur in Bayern vorgehalten wird. Sie haben dagegen so schön formuliert, dass Sie das weiter beobachten wollten. Sie dürfen das nicht nur beobachten, sondern Sie sind verantwortlich dafür, dass wir eine ausreichende Zahl von Plätzen und eine bestimmte Versorgungsqualität haben.
Außerdem sind Sie dafür verantwortlich, dass die Einrichtungen wirtschaftlich geführt werden. Sie sagen nun, dass Sie sich zurückziehen würden. Damit sagen Sie jedoch nur die halbe Wahrheit. Der Freistaat Bayern zieht sich zwar zurück, aber die Kommunen bleiben in der Verpflichtung. Dies geschieht mit der schönen bayerischen Variante, die schon einmal beim KEG praktiziert wurde. Damals haben Sie gesagt: Nach Bedarf, je nachdem, wie die Finanzkraft einer Kommune bemessen ist, wird sie in die Pflicht genommen. Das kann dazu führen, dass wir in Bayern ein Gefälle bekommen. Dann könnte es Kommunen geben, die zwar Bedarf haben, aber sagen, dass sie es sich nicht leisten könnten und die deshalb nicht bauen.
Deswegen bleiben Sie weiterhin in der Pflicht. Wir werden alles dafür tun, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Wir werden das noch näher erörtern müssen.
Der zweite Punkt ist die Forensik. Auch bei der Forensik sind Sie in der Pflicht. Es ist nicht in Ihr Belieben gestellt, ob Sie Mittel für die Forensik bereitstellen oder nicht. Der Bundesgesetzgeber verpflichtet mit den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches die Länder, Einrichtungen für die Forensik vorzuhalten. Sie haben sich dieser Verpflichtung auf elegante Weise entledigt, indem Sie Verträge mit den Bezirken geschlossen haben, wonach diese die Einrichtung für die Forensik zu tragen haben. Nachdem Sie so ein famoses Gutachten bekommen haben, welches Sie heute übrigens nicht erwähnt haben, welches aber bis hin zur Privatisierung reicht, haben Sie sich für eine Budgetierung entschlossen und berufen sich dabei auf einen Mehrheitsbeschluss des Landtags. Frau Staatsministerin, das enthebt Sie aber nicht Ihrer Verpflichtung, ein Konzept für die inhaltliche Ausgestaltung der Forensik vorzulegen.
Es geht nicht nur darum, die Kosten zu bewältigen. Wir sind uns darin einig, dass wir viel zu hohe Kosten haben. Es geht auch darum, die Kosten, die wir nun einmal tragen müssen, sinnvoll einzusetzen. Das bedeutet, dass man die Leute in der Forensik nicht nur massenhaft einschließt und sagt, es wird schon werden. Es muss hinter der Forensik auch ein sinnvolles Konzept stehen, welches im besten Falle eine Resozialisierung der Betroffenen ermöglicht. Da, wo eine Resozialisierung nicht möglich ist, muss dies von vornherein ausgeschlossen werden, und damit können Plätze freigemacht werden für die Fälle, in denen eine Resozialisierung wirklich möglich ist. An alle dem bastelt Ihr Haus seit Jahren herum.
Wir haben immer wieder den zweiten Psychiatrieplan angemahnt. Das gehört zwar nicht direkt zur Forensik, hängt aber damit zusammen. Ich habe gehört, dass in Ihrem Haus viel gearbeitet wird und es schon einen solchen Plan gibt. Wir haben ihn bisher aber noch nicht gesehen. Wir fordern ein bayerisches Psychiatriegesetz. Auch diese Forderung ist bisher unerfüllt geblieben. Es steht eine Menge Arbeit an, die durch dieses Gesetz aber nicht gefördert wird. Im Gegenteil, dieses Gesetz verhindert sie. Das ist aus der Sicht der Sozialpolitiker zu beklagen. Deswegen hoffen wir darauf, dass wir in der parlamentarischen Beratung bei den Kolleginnen und Kollegen der CSU Verständnis finden und dass wir zu einer besseren gesetzlichen Ausgestaltung kommen, als zu der, die in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ausführungsgesetz zu den Sozialgesetzbüchern wird aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen auch in den nächsten Monaten oder auch über die gesamte Legislaturperiode eine Großbaustelle bleiben. Das hat nicht die Staatsregierung zu verantworten, sondern das ist auf die Komplexität der einzelnen Entscheidungen zurückzuführen. Es war nicht möglich, nach der Einführung des SGB XII und des SGB II sofort ein Gesetz aus einem Guss zu schaffen. Wäre es Ihnen lieber gewesen, eine halbvollständige Regelung zu realisieren, die dann zu großen Auseinandersetzungen zwischen den kommunalen Ebenen geführt hätte? Dank der Initiativen insbesondere von Frau Staatsministerin Stewens war es möglich, dass ein Kompromiss zwischen den kommunalen Spitzenverbänden über den Vollzug der Gesetze in einer ersten Stufe erreicht werden konnte. Ich sage gleich an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit, dass es in den nächsten Monaten über die Zuständigkeit der kommunalen Ebenen für soziale Aufgaben weitere Regelungen geben wird. Bei der Eingliederungshilfe – Frau Staatsministerin hat es angesprochen – ist es unser Ziel, die ambulante und die stationäre Versorgung auf einer Ebene, nämlich auf der Bezirksebene, zusammenzuführen. In dieser Frage ist sich das Haus auch einig.
Über die Pflege wird noch weiter zu diskutieren sein. Dabei bitte ich Sie – auch im Namen meiner Fraktion – um Verständnis dafür, dass es notwendig ist, in die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden auch die Anbieter intensiv mit einzubeziehen, also diejenigen, die als Akteure auf dem sozialen Gebiet tätig sind; das sind die Träger der freien Wohlfahrtspflege. Wir, die Fraktion, werden das auf jeden Fall tun.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben dem Verschmelzen von insgesamt sechs Bestimmungen zu einem einheitlichen AGSGB werden die Finanzierungsreform beim Maßregelvollzug und das Ausführungsgesetz zum Pflegeversicherungsgesetz in der bisherigen Form mit den bereits angesprochenen Änderungen bei der Investitionskostenförderung für die stationäre Altenhilfe ein Schwerpunkt sein. Wir sehen in der Tat in der Umstellung des Finanzierungskonzepts, über das bereits Einigkeit mit den Bezirken besteht, die Möglichkeit, mehr Wirtschaftlichkeit, die notwendige Entscheidungsflexibilität und eine Stärkung des Kostenbewusstseins zu erreichen. Das entbindet uns natürlich nicht der Verpflichtung – das sehe ich genauso wie Kollege Wahnschaffe –, dass wir auch inhaltlich an der Forensik arbeiten und die Erkenntnisse berücksichtigen, die wir aus zahlreichen Beratungen und Anhörungen hier im Parlament und auf Initiative der Staatsregierung bereits erhalten haben. Dazu ist es notwendig, festzustellen, dass das Thema Privatisierung der Forensik letztlich endgültig vom Tisch ist. Ich begrüße das außerordentlich.
Ein zweiter Schwerpunkt mit noch größerer Auswirkung ist die Altenpflege. Die Neuerrichtungen erfolgen ohnehin über private Finanzierungskonzepte. Das haben die Träger der freien Wohlfahrtspflege auch von sich aus immer angenommen. Problematisch kann die Frage nach Modernisierungen dann werden, wenn kein ausreichendes Finanzierungskonzept vorhanden ist. Dank einer Vertrau
ensschutzregelung, die geschaffen worden ist, sind diese Probleme aber ausgeschaltet. Wir haben die Möglichkeit, dass eine große Berechenbarkeit erzielt wird. Diese Berechenbarkeit wird auch dadurch erreicht, dass wir danach fragen, was mit den Kommunen insgesamt passiert. Das SGB XI enthält auch die Verpflichtung der Kommunen, bei der Bedarfsvorsorge tätig zu sein. Wir müssen bei den Gesetzesberatungen genau darauf achten, dass wir diese Verpflichtung nicht durch eine Kann-Bestimmung aushebeln. Darüber müssen wir miteinander beraten.
Lassen Sie mich mit einem weiteren positiven Aspekt dieses Gesetzentwurfs beschließen, der darin besteht, dass es in Zukunft eine umfassende regionale und kommunale Bedarfsplanung gibt, in die auch unser Ziel „ambulant vor stationär“ einbezogen wird. Das ist eine Perspektive, die durch dieses AGSGB erreicht wird. Wir werden darüber in den zuständigen Ausschüssen weiter zu beraten haben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das AGSGB ist ein Ausführungssammelgesetz, das nach Ihrer Aussage der Deregulierung dienen soll. Deregulierung ist nun kein Wert an sich, sondern sie bemisst sich danach, welche Auswirkungen sie für die Menschen hat, die davon betroffen sind. Lassen Sie mich auf zwei gravierende inhaltliche Änderungen eingehen, die mit diesem Ausführungssammelgesetz verbunden sind.
Das ist zum einen die Einstellung der staatlichen Förderung für Altenhilfe und zum anderen die Budgetierung im Maßregelvollzug.
Ich gehe auf das erste ein. Der Freistaat Bayern zieht sich völlig aus der staatlichen Altenhilfe zurück. Dabei geht es hier nicht nur um Neubauten, sondern auch um Renovierungen, Instandsetzungen und Modernisierungen, die in vielen Heimen dringend nötig sind. Alte Menschen, die auf dunklen Gängen mit abbröckelndem Putz geschoben werden, bräuchten dringend neue Farbe um sich herum. Das bleibt jetzt an den Kommunen hängen.
Ich werde Ihnen das mitteilen. – Die Modernisierung interessiert Sie jetzt nicht mehr; Sie ziehen sich einfach zurück. Sie setzen die Ausführungsverordnung zum Pflegeversicherungsgesetz außer Kraft, in der stand: „Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Zunahme der Anzahl pflegebedürftiger älterer Menschen ist in den kommenden Jahren
das bestehende Angebot an Pflegeheimplätzen sowie an Kurzzeit- und Tagespflegeplätzen fortzuentwickeln und bedarfsgerecht auszubauen.“ – Dieser Meinung sind Sie jetzt nicht mehr. Jetzt sind Sie der Meinung: Da in Bayern momentan ein flächendeckendes Netz von Pflegeeinrichtungen besteht, steht die Errichtung weiterer Einrichtungen in der freiwilligen Entscheidung der Träger.
Zukünftig wird der Markt den Wettbewerb regeln; es ist deshalb davon auszugehen, dass keine Mehrkosten für die Wirtschaft entstehen. – Das ist die Position, die Sie jetzt einnehmen. Sie sagen einfach: In Bayern ist alles wunderbar, und alles Weitere regelt der Markt. Das kann nicht im Interesse der alten Menschen sein.
Marktwirtschaft bedeutet immer Gewinnmaximierung. Marktwirtschaft bedeutet nicht Pflegequalität. Marktwirtschaft bedeutet nicht zwangsläufig Sicherung von Standards. Marktwirtschaft kann auch Abbau von Pflegequalität bedeuten, kann auch bedeuten: mehr Menschen auf geringerem Raum mit weniger Pflege. Ich glaube nicht, dass wir hier das wollen.
Ich komme nun zum zweiten Punkt, zur Budgetierung. Budgetierung an sich muss nichts Schlechtes sein. Sie kann auch Planungssicherheit bedeuten. Diese Budgetierung aber steht völlig isoliert im Gesetz, ohne dass das konkretisiert wird. Herr Unterländer, Sie haben sich so darüber gefreut, dass die Privatisierung vom Tisch ist. Das ist irgendwie goldig. Zunächst bauen Sie ein Problem auf, stellen es auf den Tisch, dann nehmen Sie es wieder herunter und freuen sich darüber, dass es drunten ist.
Diese Logik kann ich nicht nachvollziehen. – Zurück zur Budgetierung, die wir jetzt haben. Sie werden diese Budgetierung in Ausführungsverordnungen konkretisieren. Diese Ausführungsverordnungen leiten Sie selbstverständlich am Landtag vorbei. Wir werden nicht darüber entscheiden können, wie sie aussehen. Dann möchte ich Sie in diesem Zusammenhang fragen: Wonach wird sich diese Budgetierung richten, nach dem schwächsten Glied in der Kette der Bezirke, nach der Anzahl der dort zu betreuenden Personen, nach der Qualität der Therapie, nach der Anzahl des therapeutischen Personals, oder genau umgekehrt? Wir werden darauf keinen Einfluss mehr haben. Ich befürchte, dass sich die Qualität im Maßregelvollzug durch diese Budgetierung verschlechtern wird. Gerade in der Altenhilfe und im Maßregelvollzug, wo die Fallzahlen ständig steigen, wäre dringend ein Qualitätsausbau nötig.
In diese Budgetierung haben Sie möglicherweise nicht eingerechnet, dass es dringend nötig wäre, die Institutsambulanzen in der Forensik auszubauen; denn gerade dadurch, dass diese Menschen nicht nachbetreut werden und deswegen den Weg in ein selbstbestimmtes Leben nicht zurückfinden können, steigen die Fallzahlen. Damit schießen Sie sich gewissermaßen selbst ins Knie. Ein Gesetz, das dazu führt, dass sich die Versorgungssicherheit für alte Menschen und für psychisch kranke Menschen verschlechtert, ist ein schlechtes Gesetz und findet nicht unsere Zustimmung.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (Drs. 15/6238) – Erste Lesung –
Gesetzentwurf der Abg. Franz Maget, Christa Naaß, Stefan Schuster u. a. u. Frakt. (SPD) zur Änderung des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (Drs. 15/6300) – Erste Lesung –
Die Gesetzentwürfe werden, je nach Zuständigkeit, von der Staatsregierung und der SPD-Fraktion begründet. Zunächst erteile ich Herrn Staatssekretär Meyer das Wort. Für die Begründung sind jeweils zehn Minuten vorgesehen.