Es kommt dann zur Abstimmung der Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/6354 – das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.
Die Urnen befinden sich an Ihrem Platz. Bei Zweifeln, welche Karte Sie abgeben müssen, schauen Sie auf Ihren Fraktionsvorsitzenden. Die Zeit läuft – drei Minuten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit für die Abstimmung ist beendet. Wir nehmen die Tagesordnung wieder auf. Ich weiß zwar, das ist nach einer namentlichen Abstimmung schwierig. Ich bitte trotzdem, die Plätze einzunehmen. Das gilt auch für Geburtstagskinder wie für Herrn Herrmann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, hier drinnen den Verhandlungen wieder mit Aufmerksamkeit zu folgen.
Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sicherheitstechnische Überprüfungen der bayerischen Atomkraftwerke anlässlich des Störfalls in Forsmark (Drs. 15/6346)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, hinten in der revolutionären rechten Ecke die Gespräche einzustellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Präsident! In unserem Dringlichkeitsantrag fordern wir die sicherheitstechnische Überprüfung der bayerischen Atomkraftwerke anlässlich des Störfalls in Forsmark. Wie Sie wissen, war am 25. Juli im Reaktor 1 im schwedischen AKW Forsmark ein Störfall der Kategorie 2 auf der siebenstufigen Skala. Nach Aussagen des früheren Chefkonstrukteurs Lars-Olov Höglund war man bei diesem heftigen Störfall nur etwa 20 Minuten von einem Supergau, der Kernschmelze, entfernt. Das zeigt die Dramatik dieses Vorfalls. In Schweden hat dieser Störfall auch dazu geführt, dass baugleiche und bauähnliche Reaktoren abgeschaltet wurden, nämlich der Reaktor 2 von Forsmark und zwei weitere Reaktoren in Oskarshamn.
Insgesamt hat dieser Störfall dazu geführt, dass vier Reaktoren in Schweden stillgelegt wurden. Diese Reaktoren werden nur dann wieder angefahren, wenn eine neue Betriebsgenehmigung erteilt ist. In Bayern aber hat man
bereits am 8. August bezüglich der bayerischen Reaktoren eine schnelle Entwarnung gegeben, indem man erklärt hat, nach dem gegenwärtigen Kenntnis- und Überprüfungsstand sei dieser Störfall auf die bayerischen Atomkraftwerke nicht übertragbar. Gleichzeitig wurde eine lückenlose Aufklärung von Ursache und Ablauf des Störfalls sowie die Prüfung seiner Übertragbarkeit auf drei bayerische Kernkraftwerke angekündigt; all dies mit höchster Priorität.
Seit dem 8. August haben wir davon allerdings nichts mehr gehört. Ich hoffe, es wurde weiter überprüft. Inzwischen sind nähere Daten des Störfalls im schwedischen Reaktor bekannt. Aus dem bayerischen Umweltministerium war dazu kein Wort mehr zu hören, wie es denn in bayerischen AKWs aussieht. Darum kommt heute unser Dringlichkeitsantrag, der fordert, dem Fachausschuss einen Bericht über die Funktion der Notstromaggregate zu geben und dabei über folgende Themen zu berichten: Was passiert in den bayerischen Atomkraftwerken, wenn extern oder intern der Strom ausfällt, sei es durch Einwirkungen von außen bzw. durch Störungen von innen? Wie viele Notstromaggregate sind vorhanden? Sind sie getrennt? Welche redundanten Sicherungssysteme haben wir in bayerischen AKWs? Wie sind Ausbau und Funktionsweise der Notstandswarten? Wie sieht die besondere Sicherheitssituation bei den Siedewasserreaktoren Isar I und den beiden Blöcken in Gundremmingen aus? Wie ist es bezüglich der Vergleichbarkeit mit Forsmark?
Natürlich ist kein Reaktor mit dem anderen vergleichbar. Aber Isar I ist beispielsweise mit dem sehr störanfälligen Reaktor Brunsbüttel vergleichbar, wo es bereits erhebliche Störungen bei den Notstromaggregaten gab. In den Achtzigerjahren gab es auch im Reaktor Isar I hierzu drei meldepflichtige Ereignisse, im Mai 2006 im Reaktor Gundremmingen ein meldepflichtiges Ereignis mit Notstromaggregaten. Wer auf das Jahr 2005 schaut, stellt fest, dass 17 % – also knapp ein Fünftel – der meldepflichtigen Ereignisse im Zusammenhang mit der Notstromversorgung stehen. Das heißt, wir müssen uns die Funktionsfähigkeit der Notstromaggregate genau ansehen. Das bedeutet aber auch, dass wir von der Aufsichtsbehörde, dem bayerischen Umweltministerium, diese Mitteilungen brauchen.
Wir halten es für unverantwortlich, eine vorschnelle Entwarnung zu geben und die Reaktoren weiterlaufen zu lassen, als wäre nichts geschehen.
Sie wissen vielleicht, dass es in Forsmark in der Frage, ob es gelingt, die Aggregate in Betrieb zu setzen, um exakt 22 Minuten ging. Zwei Aggregate konnte man letztlich manuell in Betrieb setzen, zwei waren nicht zu betreiben. Allein die Frage, warum zwei Aggregate in Betrieb gesetzt werden konnten, zwei Aggregate jedoch nicht, ist von höchster Brisanz. Wir müssen genau prüfen, wie es bei den bayerischen Atomkraftwerken aussieht.
In diesem Zusammenhang fand ich es ausgesprochen beunruhigend, als im März 2006 im Atomkraftwerk Isar I im Rahmen einer geplanten Revision eine ungeplante Reaktorschnellabschaltung erfolgte und es für 3,5 Stunden zu einem Ausfall der Hauptkühlung kam. Dazu haben wir Anfragen eingereicht, die beantwortet wurden. Das gibt zu größter Sorge Anlass. Auch im April 2006 gab es in diesem Reaktor ein meldepflichtiges Ereignis, nämlich Risse in Schweißnähten am Wasserstoffabbausystem.
Herr Meißner, das hat mit dem Antrag und mit der Sicherheitssituation in bayerischen AKWs zu tun. Ich freue mich, Sie haben Zustimmung zu diesem Antrag signalisiert. Ich nehme aus meinen Ausführungen alle Schärfe heraus. Aber ein paar Fakten möchte ich noch ansprechen.
Fakt ist, dass wir beim Reaktor Isar I – das muss in eine Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden – seit 1993 in 13 Fällen Rissbefunde und Unterschreitungen der Sollwandstärken vorliegen haben. Fakt ist auch, dass im Jahr 2001 in dem baugleichen Reaktor Brunsbüttel nahe dem Reaktordruckbehälter eine Wasserstoffexplosion stattgefunden hat.
Ich meine, wir müssen die besonders störanfällige Baulinie kritisch einer Sicherheitsprüfung unterziehen.
Erlauben Sie mir noch einen Hinweis, der sich nicht auf die CSU, sondern auf Forsmark und auf die Internationale Atomenergiebehörde bezieht, die diesen Reaktor überprüft hat. In einer Veröffentlichung der Kernkraftwerksgruppe Forsmark vom Juni 2005 wird dargestellt, dass die Internationale Atomenergiebehörde bei ihrer letzten Überprüfung äußerst zufrieden war. Sie sagen – ich darf aus dieser Publikation in Englisch zitieren:
Forsmark Nuclear Power Plant is one of the safest in the world and it should be possible to run it for another 50 years.
Das heißt, dass im letzten Jahr dieser Reaktor in Forsmark als einer der sichersten der Welt gegolten und man ihm eine Laufzeit von weiteren 50 Jahren bescheinigt hat. Dies zur aktuellen Debatte um den Weiterbetrieb von Biblis A und dazu, dass in Bayern sehr schnell und leichtfertig Entwarnung gegeben wird.
Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen von der CSU und insbesondere Kollege Meißner trotz meines Redebeitrages zustimmen werden, damit wir diesen Bericht erhalten und im Umweltausschuss darüber eine verantwortungsvolle Aussprache führen können.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach den wohlgesetzten und sanften Worten der Kollegin Paulig können wir unmöglich den Antrag ablehnen. Der kleine englische Vortrag: hervorragend. Spaß beiseite. Ich habe das Thema „Atompolitik“ geerbt, nämlich von dem ehemaligen Kollegen Hofmann, den ich – ich hoffe, dass mir das zusteht – auf der Zuschauertribüne begrüßen möchte. Um dir eine Freude zu machen, reden wir jetzt über Atompolitik.
Walter Hofmann durfte die wilden Zeiten der Atompolitik, die ich versäumt habe, mitmachen. Das ist nicht schlimm, weil Frau Kollegin Paulig mit uns die Zeitreise macht und, obwohl viele inzwischen ruhiger über die Dinge reden, sich ihre Feindbilder bewahrt hat.
Für die Zeitreise bin ich dankbar, und sie war nach dem Unfall in Forsmark in Schweden richtig. Da auch der Bundesumweltminister richtigerweise eine genaue Überprüfung angeordnet hat, ist es sinnvoll, dass wir uns im zuständigen Ausschuss im Bayerischen Landtag darüber unterhalten. Wir werden dem Berichtsantrag zustimmen.
Ich möchte kurz darauf eingehen, was Herr Issig in der „Welt am Sonntag“ vom 20.08.2006 geschrieben hat. Er nimmt die Rituale im Bereich der Kernkraftwerke auf die Schippe und sagt, gebetsmühlenhaft frage Frau Paulig nach Informationen, und gebetsmühlenhaft sage das Ministerium, dass alle meldepflichtigen Vorfälle selbstverständlich gemeldet würden. Es heißt weiter – das ist nicht nur die Intention Ihrer ganzen Haltung, nicht nur dieses Antrages. Ich zitiere:
Wie dem auch sei, die GRÜNEN haben durch den bedrohlichen Unfall in Schweden endlich eine Gelegenheit bekommen, sich nicht nur als die bessere FDP, sondern auch wieder als Umweltschutzpartei ins Gespräch zu bringen und damit ihre eigentliche Klientel zu bedienen.
Ihre Berichterstattung, so sanft sie war, hat sämtliche meldepflichtigen Ereignisse in Bayern dargestellt. Ich bin der Überzeugung, Frau Paulig kann sie auswendig. Sie hat sie uns vorgetragen, und wir haben zugehört, weil wir sicher sind, dass Staatsminister Dr. Schnappauf alles gemeldet hat. Das wird der Bericht zeigen, den wir entgegenzunehmen haben. Ich freue mich auf die Diskussion über den Bericht im zuständigen Ausschuss.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir unterstützen den Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und werden ihm zustimmen, weil er auf Initiative des Bundesumweltministers Gabriel zurückgeht. Minister Gabriel hat sich zu Recht – das hat Kollege Meißner soeben ausgeführt – unmittelbar nach dem Störfall in Schweden direkt mit den zuständigen Länderministern in Verbindung gesetzt und von ihnen einen lückenlosen – ich betone: einen lückenlosen – Sicherheitsplan für die deutschen und damit auch für die bayerischen Kernkraftwerke gefordert. Die bundesweite Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Die Frist läuft. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Überprüfung in Bayern abgeschlossen ist. Ich bin sehr gespannt auf den Bericht, den wir im Umweltausschuss beraten werden. Es kann nicht sein, dass es nur um den Zeitfaktor geht und Bayern am schnellsten meldet. Uns ist daran gelegen, dass die Qualität der Überprüfungen gut ist und die Sicherheitsnachweise erbracht werden können. Wir werden den Umweltausschuss dazu nutzen, um konkret nachzuprüfen, inwieweit lückenlos gearbeitet worden ist und wie hoch die Qualität der Kontrollen war.
Der Vorfall in Schweden darf nicht in die Kategorie „Allerweltsvorfall“ eingeordnet werden; denn das war er nicht. Es war ein so gravierender Vorfall, dass es für die Sicherheit der Atomkraftwerke in Deutschland nicht ausreicht, sich lediglich auf Beteuerungen und Versicherungen der verantwortlichen Betreiber zu verlassen. Das darf nicht sein. Uns geht es nicht um Klientelpolitik. Sie haben uns zwar nicht angesprochen, Herr Kollege Meißner, aber der SPD geht es um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Bayern und um unsere Schöpfung.
Ich füge hinzu, dass es nichts nützen wird, zu sagen, dass die entsprechenden Sicherheitsnachweise geführt worden seien, die Qualitätsüberprüfung stattgefunden habe und Bayern die sichersten Kernkraftwerke der Welt habe – diese Aussage wird sicherlich kommen. Die gebetsmühlenartige Wiederholung reicht uns nicht aus. Wir wollen die Sicherheit genau überprüft haben. In dem Zusammenhang soll auch konkret ausgeführt werden, dass die Sicherheit kontinuierlich immer wieder zu prüfen ist und nicht nur auf Anforderung des Bundesumweltministeriums und wegen des aktuellen Störfalls in Schweden. Es muss wirklich kontinuierlich geprüft werden. Es muss analog des Falles „Gammelfleisch“ – es ist nicht ganz vergleichbar – das Sicherheitssystem grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden. Wir sollten uns im Umweltausschuss anlässlich des Berichts damit beschäftigen, ob das Sicherheitssystem fortgeschrieben werden muss. Wir werden dem Antrag zustimmen.