Protocol of the Session on May 18, 2006

(Beifall bei der SPD)

Das sind wir den Menschen in diesem Lande schuldig, die darauf vertrauen, dass die Krankenhausversorgung auch in Zukunft gewährleistet ist.

Sie entziehen sich mit diesem Gesetz weitgehend Ihrer Verantwortung und überlassen die Krankenhäuser in Bayern einem ungewissen Schicksal.

Mit den Kürzungen der Investitionen auf ein historisch niedriges Niveau begünstigt die Staatsregierung die Privatisierung und damit auch die Rosinenpickerei. Die kommunalen Träger – dafür gibt es Beispiele – müssen nicht schlechter sein als ihre privaten Konkurrenten. Nur müssen die Wettbewerbsbedingungen stimmen. Das heißt, der Freistaat muss durch seine Gesetzgebung dazu beitragen, dass die kommunalen Träger genauso konkurrenzfähig sind wie die privaten und sich auch wirtschaftlich so verhalten können und fl exibel sind, ohne damit die öffentliche Trägerschaft aufzugeben.

Die Stadt Nürnberg hat jüngst vorgemacht, dass es auch anders geht. Sie hat drei Häuser aus dem Landkreis Nürnberger Land übernommen, bzw. sie ist mit ihnen eine Kooperation eingegangen. Davon profi tieren alle Beteiligten: der Landkreis Nürnberger Land, die Stadt Nürnberg und vor allem die betroffenen Patienten, die sich so nicht irgendwohin begeben müssen, um geheilt zu werden.

Wir haben eine Reihe von Änderungsanträgen gestellt, um in diesem Gesetz zu retten, was zu retten ist. Wie zu erwarten, hat die CSU sie samt und sonders abgelehnt.

Aber ich will die wichtigsten Punkte noch einmal in Kürze nennen. Sie sollen sie ruhig noch einmal hören, weil Sie es bisher versäumt haben, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen.

Die fl ächendeckende Versorgung mit Krankenhäusern in ganz Bayern sicherzustellen ist eine wesentliche Aufgabe. Ich habe schon davon gesprochen, meine Damen und Herren. Wir wehren uns ja nicht dagegen, dass Betten abgebaut werden. Der Abbau ist notwendig, weil wir seit Jahrzehnten in Bayern einen Bettenüberhang haben. Wir brauchen angesichts des Fortschritts in der Medizin nicht mehr so viele Betten. Heute werden viele Operationen ambulant oder teilstationär durchgeführt. Dies ist also nicht die Frage.

Die Frage ist vielmehr – und die lassen Sie weitgehend unbeantwortet –: Wie sieht die Struktur der Krankenhausversorgung der Zukunft aus? Wenn es so kommt, wie Sie es letzten Endes geschehen lassen, werden wir eine Ausblutung des fl achen Landes erleben. Dann werden die kleinen Häuser nicht überleben können. Dann wird es nur noch die großen Häuser in den Ballungszentren geben. Das ist aber nicht patientengerecht. Von der Versorgung her und von der medizinischen Logik her mag es im Einzelfall durchaus gerechtfertigt sein, aber es dient nicht dem Patienten. Der Patient bedarf nicht nur der medizinischen Versorgung, sondern zur Heilung gehört mehr. Dazu gehören Zuwendung und Anteilnahme von Freunden und Angehörigen. Dies alles ist nicht mehr gewährleistet, wenn wir keine wohnortnahe Versorgung haben.

Meine Damen und Herren von der CSU, Sie haben neuerdings wieder das fl ache Land entdeckt. Sie wollen es stärken. Aber Sie tun in Ihrer praktischen Politik genau das Gegenteil. Nicht nur bei den Schulen, wo Sie die Infrastruktur ausdünnen, sondern auch in anderen Bereichen tun Sie alles dafür, das fl ache Land zu entblößen. So passiert es auch bei der Krankenhausversorgung.

Die Krankenhäuser sind künftig nicht nur, wie im Gesetz vorgesehen, für die stationäre, sondern auch, wie es im Sozialgesetzbuch V festgeschrieben ist, für die teilstationäre und ambulante Versorgung sowie für die medizinischen Versorgungszentren zuständig. Bemerkenswert ist: Sie bleiben weit hinter den Möglichkeiten, die der Bundesgesetzgeber eingeräumt hat, zurück.

Sie schreiben in Ihren Gesetzentwurf einfach hinein: bedarfsgerechte stationäre Versorgung. Dabei heißt es im SGB V, dass zur stationären Versorgung mehr gehört. Dazu gehört die ambulante Versorgung, die heute teil

weise schon stattfi ndet, dazu gehören weiter die teilstationäre und die stationäre Versorgung. Warum schreiben Sie das nicht hinein? Nicht einmal diesem Änderungsantrag haben Sie zugestimmt, obwohl es geltendes Recht ist.

Schließlich muss das Gesetz im Interesse einer wirtschaftlichen und qualitätsorientierten Aufgabenstellung der Krankenhäuser geändert werden. Es muss eine vernetzte Zusammenarbeit ermöglichen. Das bedeutet aber nicht nur, dass Krankenhäuser miteinander, wie Sie es hineingeschrieben haben und als großen Fortschritt propagieren, über Landkreisgrenzen hinweg miteinander kooperieren sollen. Dies ist heutzutage im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Es müsste vielmehr auch möglich sein, dass gemeinsame Trägerschaften gebildet werden und dann die kommunalen Träger in Teileinheiten bestimmte Aufgaben schwerpunktmäßig wahrnehmen. Das dient der Qualität und auch der Wirtschaftlichkeit. Diese Möglichkeit eröffnet das Gesetz nur zum Teil.

Eine fl exiblere, den Bedürfnissen der Krankenhäuser und ihrem Versorgungsauftrag gerecht werdende Förderung erfordert auch, dass der Staat von seinem obrigkeitsstaatlichen Denken abrückt.

Es muss auch zu Zielvereinbarungen auf Augenhöhe kommen. Das heißt, wenn Sie Vereinbarungen darüber treffen, welche Förderungen der Staat gewährt, müssen Sie dem Gegenüber die Möglichkeit einräumen, seine Vorstellungen einzubringen; Sie dürfen ihm mit den staatlichen Zuwendungen nicht ein Diktat überstülpen, wie es nach wie vor im Gesetz vorgesehen ist.

Herr Kollege, darf ich Sie ganz leise an Ihre Redezeit erinnern?

Sie dürfen es auch laut, Frau Präsidentin.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein abschließendes Resümee ziehen. Dieser Gesetzentwurf hätte die große Chance dafür sein können, dass wir in Bayern ein zukunftsgerechtes Krankenhaussystem in einer abgestuften Abfolge hätten entwickeln können. Damit hätten wir die Träger, die über Jahrzehnte in diesem Lande erfolgreich tätig gewesen sind, auch stärken können. Ich meine damit die vielen gemeinnützigen kirchlichen Träger, aber auch die Träger der freien Wohlfahrtsverbände und vor allem die kommunalen Träger, die ihre Verantwortung wahrgenommen haben. Der Freistaat Bayern hat sich von dem einzigen Krankenhaus, welches er einmal in eigener Trägerschaft geführt hat, inzwischen verabschiedet. Er nimmt aber nicht einmal mehr die Aufgabe der Sicherstellung wahr. Es gibt kein Konzept einer Strukturierung.

(Johanna Werner–Muggendorfer (SPD): Du hast keine Zeit mehr!)

In Ordnung. Meine Damen und Herren, lassen wir es dabei bewenden. Wir werden diesem Gesetzentwurf aus den genannten Gründen nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank für die Unterstützung, Frau Kollegin Werner–Muggendorfer! Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit der letzten Novellierung eines Krankenhausgesetzes sind, wie schon mehrfach angesprochen wurde, 15 Jahre ins Land gegangen. Man kann sich nun darüber streiten, ob das gut oder schlecht ist. Es könnte gut sein, wenn man jetzt für die Probleme, die beim Umbruch der Krankenhauslandschaft zutage treten, mit dem Gesetzentwurf Lösungen anbieten würde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Umbruch erfolgt ganz offensichtlich zum einen durch die Einführung der DRG und zum anderen durch die fortschreitende Privatisierung der Krankenhäuser, vor allem auf dem fl achen Land, und durch die Schließung von Krankenhäusern. Dabei werden ganze Landstriche weitestgehend von der Gesundheitsversorgung abgeschnitten. Wie gesagt, dieses Gesetz könnte eine Chance für eine Neugestaltung der Krankenhauslandschaft sein, um den Anforderungen einer Gesundheitsversorgung Rechnung zu tragen.

Leider ist aber der gegenteilige Trend feststellbar. Bereits in den letzten Jahren wurde die Krankenhausförderung um 284 Millionen Euro zurückgefahren. Dies hat dazu geführt, dass viele Krankenhäuser nicht mehr weitermachen konnten.

(Dr. Thomas Zimmermann (CSU): Welches denn?)

Weiter hat es dazu geführt, dass die Privatisierung fortschreitet. Es hat auch dazu geführt, dass die fl ächendeckende Versorgung schon jetzt nicht mehr in allen Gebieten gegeben ist. Mit diesem Gesetz wird sich dieser Trend fortsetzen.

Nun zum Gesetz. Die fl ächendeckende Versorgung – Kollege Wahnschaffe hat sie bereits ausführlich angesprochen – –

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Nicht zu ausführlich! – Joachim Unterländer (CSU): Zu lang!)

Ich sage nur: angesprochen. Die fl ächendeckende Versorgung steht nicht im Gesetz. Dadurch wird weiterhin ein Stadt–Land–Gefälle provoziert. Dadurch wird das fl ache Land noch unattraktiver. Damit wird die Krankenversorgung auf dem Land noch weniger gewährleistet sein. Damit entfällt auch die wohnortnahe Versorgung, die ein Qualitätskriterium ist. Es kann nicht sein, dass Gesundheitsversorgung nur noch in den Ballungszentren stattfi ndet, auch wenn sie dort hoch qualifi ziert stattfi ndet. Das ist das Eingeständnis einer Unzulänglichkeit, die wir so nicht hinnehmen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Krankenversorgung ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Da ist die öffentliche Hand gefordert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Krankenversorgung kann nicht in private Trägerschaft abgegeben werden. Bei einer privaten Trägerschaft besteht folgendes Problem: Ein privater Träger ist ausschließlich – das hat Herr Kollege Dr. Zimmermann auch zugegeben – gewinnorientiert. Herr Kollege Dr. Zimmermann, in Ihrem Beitrag habe ich immer nur etwas von Wirtschaftlichkeit gehört. Ich habe nie etwas vom Wohl der Patienten gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Thomas Zimmer- mann (CSU): Jetzt hört aber auf! Übertreibt doch nicht!)

Sie müssen es vielleicht bisschen deutlicher herausstellen. Dann würden es die anderen auch mitkriegen, wenn es Ihnen darum geht.

Bei der Privatisierung besteht die Gefahr einer Auslese. Von den privaten Kliniken werden nur noch First–class– Patienten, aber keine multimorbiden Patienten mehr behandelt. Letztere bringen keinen Gewinn, die kosten nur etwas. Die will keiner haben. Das aber konterkariert eine fl ächendeckende und wohnortnahe Versorgung.

Ebenso verhält es sich mit dem Sicherstellungsauftrag, der durch die neue Krankenhausfi nanzierung überhaupt nicht unterfüttert wird. Die fi nanziellen Rahmenbedingungen bewegen sich in starkem Kontrast zum Bedarf.

Wir haben an dieses Gesetz aber auch noch eine andere Erwartung geknüpft. Wir erwarten nicht nur, dass Sie auf die momentanen Erfordernisse reagieren und versuchen, diese mehr schlecht als recht zu erfüllen. Dieses Gesetz hätte auch die Möglichkeit geboten, zukunftsgerichtete Visionen zu entwickeln. Davon steht überhaupt nichts im Gesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei kennen wir die zukünftige Entwicklung. Wir wissen, was auf uns zukommen wird. In wenigen Jahren wird die Versorgung mit Hausärzten in Bayern weitestgehend wegbrechen. Die meisten Hausärzte sind schon so alt, dass sie bald ihre Praxis aufgeben werden. Nachwuchs ist nicht in Sicht. Das bedeutet aber auch, dass die komplementäre Versorgung nach einem Krankenhausaufenthalt überhaupt nicht mehr möglich ist, wenn Krankenhäuser schließen und auch die Hausärzte wegbrechen. Das bedeutet weiterhin, dass ganze Landstriche komplett unterversorgt sein werden.

Von integrierter Versorgung steht nichts im Gesetz. Das bleibt Zukunftsmusik. Dabei ist die integrierte Versorgung die einzige Möglichkeit, die Gesundheitsversorgung in Zukunft sinnvoll zu gewährleisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von der Öffnung der Krankenhäuser für teilstationäre und ambulante Angebote steht ebenfalls nichts im Gesetz, auch nichts von medizinischen Versorgungszentren. Die künftige Entwicklung der Krankenhauslandschaft wird von Ihnen nicht unterstützt. Sie wirken ihr entgegen. Sie bieten keine gangbaren Lösungen an. Im Gegenteil, Sie verstärken den Trend, der sich im Moment schon abzeichnet.

Die CSU redet immer vollmundig von der Stärkung des ländlichen Raums.

(Manfred Ach (CSU): Machen wir alles, Frau Kollegin!)

Das, was Sie mit diesem Gesetz bieten, macht diese Äußerungen zu blanken Lippenbekenntnissen, denn davon fi ndet sich in dem Gesetz überhaupt nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Wie bei den Kindergärten! – Manfred Ach (CSU): Erzählen Sie doch nicht so ein Zeug!)

Sie treffen keine Regelungen für die Fachkrankenhäuser. Ich spreche hier die Kindermedizin an. Darüber steht nichts im Gesetz.