Nicht die Arbeitszeitfrage steht im Vordergrund. Ich habe heute Morgen gelesen, dass der Marburger Bund bereits signalisiert hat, dass er mit dem so genannten Münchner Modell einverstanden ist: 42 Stunden, wesentliche Einnahmeverbesserungen bei jungen Mitarbeitern im Arztberuf. Er sei nicht gewillt, hinter dieses Münchner Modell zurückzugehen. Das halte ich für eine richtige Entscheidung. Aber ich muss schon darauf hinweisen dürfen, Herr Kollege Wahnschaffe, dass das schon ein Problem für die wirtschaftliche Führung eines Krankenhauses ist, weil diese Tarifsteigerungen – das wissen Sie auch – natürlich nicht weitergegeben werden können. Wir können deswegen nicht die Beitragssätze anheben, sondern diese Tarifsteigerungen müssen letztendlich durch Einsparungen im Krankenhaus umgesetzt werden.
Wenn man im DRG–System entsprechend der Grundlohnsummen eine Steigerung von 0,6 Prozent annimmt, können Sie feststellen, Kolleginnen und Kollegen, dass da nicht viel Luft drin ist. Dieses Dilemma gilt es immer im Auge zu behalten und zu diskutieren. Natürlich, Kolleginnen und Kollegen, müssen wir darauf hinwirken, dass die Krankenhausverwaltungen – das sage ich auch ganz offen – immer wieder angemahnt werden, diese Notwendigkeiten und Überlegungen auch umzusetzen. Es gibt natürlich Krankenhausdirektoren, die sagen: Wir sind zwar etwas knapp mit den DRGs, eine Grundlohnsummensteigerung von 0,6 % können wir gerade noch mitnehmen, aber alle Tarifsteigerungen, die volumenmäßig mehr brächten, sind für uns in keiner Weise mehr umsetzbar.
Ich glaube, Kolleginnen und Kollegen, dass die zirka 370 Krankenhäuser und die 250 Krankenhausträger in Bayern heute einen sehr guten Tag haben. Sie kriegen durch das bayerische Parlament ein neues Gesetz, das sie unter den wirtschaftlichen Voraussetzungen und Konditionen, die zu erwarten sind, stark macht, fi t macht, aber ihnen auch die Möglichkeit einräumt, Krankenhausstrukturen in ihrem eigenen Bereich fl exibel und intelligent zu verändern.
So glaube ich feststellen zu können, dass wir, auch wenn die Opposition dies laufend in Frage stellt, Herr Kollege Wahnschaffe, unseren Bürgerinnen und Bürgern eine optimale, bedarfsgerechte Krankenhausversorgung in Bayern zur Verfügung stellen. Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur meine Fraktion und ich, Kolleginnen und Kollegen, sondern auch ein nicht zu gering zu achtendes Forschungsinstitut, das die Gesundheitspolitiker kennen, das Institut für Gesundheits–System–Forschung – IGSF – aus Kiel. Es stellt fest, dass wir in der Bundesrepublik insgesamt eine gute Krankenhausversorgung haben. Es kommt zu dem Ergebnis, dass dieser Spitzenplatz durch Bayern mit seinem vielfältig abgestuften Versorgungssystem eine optimale Versorgung seiner Bürgerinnen und Bürger für die Zukunft leistet.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorab ein paar Bemerkungen zu dem machen, was uns im Augenblick alle jeden Tag sehr stark bewegt und wovon wir aus den Zeitungsberichten immer wieder erfahren. Das ist der aktuelle Tarifstreit, der vor allem die Länder und die Gewerkschaft verdi betrifft und natürlich die in den Hochschulkliniken tätigen Mitarbeiter. Da geht es nicht allein um die Ärzte, sondern es geht natürlich auch um das Pfl ege– und sonstige Personal.
Nun kann es nicht Aufgabe des Gesetzgebers, also des Landtags sein, in eine aktuelle Tarifauseinandersetzung mit Empfehlungen einzugreifen.
Herr Kollege Dr. Zimmermann, Sie haben erkennen lassen, dass Sie durchaus Sympathie für die Forderungen der Ärztegewerkschaft Marburger Bund haben. Ich muss sagen, ich habe auch Sympathien mit den Forderungen der Gewerkschaft verdi für das übrige Personal.
Sie, Herr Kollege Zimmermann, hätten aber hinzufügen müssen, dass der Freistaat Bayern und hier die Staatsregierung in besonderer Weise gefordert ist. Sie ist eine der
Tarifparteien. Sie hat bisher nichts Erkennbares dazu beigetragen, dass dieser schon lange währende Tarifkonfl ikt, der ja schon erhebliche volkswirtschaftliche Folgen nach sich gezogen hat, bereinigt werden kann. Im Gegenteil, man hat den Eindruck, dass sich die Fronten verhärten, und da muss man sich schon fragen, wem das eigentlich dienen soll.
Also: Mehr Vernunft und vor allen Dingen auch Rücksichtnahme auf das, was die wirklichen Bedürfnisse dieser Menschen angeht, sind gefordert; denn sie tragen ja einen ganz wesentlichen Teil unserer Gesundheitsversorgung mit.
Nun zu dem eigentlichen Gegenstand unserer heutigen Beratung, nämlich zur Zweiten Lesung des Bayerischen Krankenhausgesetzes. Es ist schon erstaunlich, meine Damen und Herren: Während sonst in diesem Hohen Haus manche Gesetze innerhalb kürzester Zeit durchgepeitscht werden, hat man sich mit der Beratung dieses Gesetzes außerordentlich viel Zeit gelassen: Zehn Monate ist dieser Gesetzentwurf alt.
Im Juli vergangenen Jahres haben Sie, Frau Staatsministerin, den Entwurf hier eingebracht und fünf Fachausschüsse haben sich mehr oder minder intensiv mit der Materie auseinander gesetzt. Dennoch hat es im Gesetzgebungsverfahren keine wesentlichen Änderungen gegeben. Der Gesetzentwurf ist also fast unverändert geblieben. Das ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil gerade in Zeiten gravierender sozialer Veränderungen diesem Gesetzentwurf eine besonders herausragende Bedeutung für die Gesundheitsversorgung in Bayern zukommt.
Herausgekommen ist bei der Staatsregierung nach 16 Jahren des Stillstands, Frau Staatsministerin, oder etwas milder formuliert, nach 16 Jahren stillen Nachdenkens nicht ein zukunftsweisendes Krankenhausgesetz, wie Herr Dr. Zimmermann es apostrophiert hat, sondern ganz im Gegenteil, herausgekommen ist ein Krankenhausabbaugesetz.
Das meine ich bitter ernst. Das, was wir im Augenblick in Bayern erleben, deckt sich ganz und gar nicht mit dem von Herrn Dr. Zimmermann beschriebenen Szenario. Angesichts dieser Situation kann man schon ins Grübeln darüber kommen, ob die parlamentarische Kontrolle überhaupt noch funktioniert. Sie obliegt nicht allein der Opposition, sondern dem ganzen Hohen Haus.
Wohl selten haben in diesem Hohen Haus bei einem zu verabschiedenden Gesetz Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander gelegen. Frau Staatsministerin Stewens hat bei der Ersten Lesung die Zielsetzung des Gesetzes unter anderem wie folgt beschrieben:
Dabei ist nach wie vor – das ist ganz wichtig – die Sicherstellung einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und fl ächendeckenden Krankenhausversorgung in Bayern das allgemeine Ziel.
Herr Dr. Zimmermann, die Frau Staatsministerin hat nicht in der bedarfsgerechten Versorgung das eigentliche Ziel gesehen, sondern sie hat das alles in Parenthese gesetzt. Sie hat gesagt: bedarfsgerecht, leistungsfähig und fl ächendeckend.
Nur: Eine fl ächendeckende Versorgung steht ab heute in einem bayerischen Krankenhausgesetz nicht mehr drin. Längst hat auch hierzulande das Krankenhaussterben eingesetzt. Darüber haben Sie, Herr Dr. Zimmermann, so gut wie kein Wort verloren.
Ich darf noch einmal daran erinnern: In den letzten zehn Jahren wurden 17 Kliniken dichtgemacht. Es waren nicht nur die von Ihnen beschriebenen Kliniken, Herr Dr. Zimmermann; das war ja nur eine Strukturbereinigung. Solche Strukturbereinigungen werden von uns nicht grundsätzlich abgelehnt.
17 Kliniken haben dichtgemacht, meine Damen und Herren, und in den letzten fünf Jahren, also zwischen 2000 und 2005, wurden allein in Bayern 5000 Betten abgebaut.
Weil man sie nicht mehr gebraucht hat, sagen Sie, Herr Kollege Dr. Zimmermann. Aber was herausgekommen ist, ist kein geordneter Rückzug,
oder eine neue Planung, die erkennbar macht, wie die künftige Struktur der Krankenhausversorgung in Bayern aussehen soll, sondern herausgekommen ist ein Wildwuchs, geboren aus der Not der Kommunen, die nicht mehr in der Lage waren, ihre Häuser weiterzuführen, und der Staat hat sie dabei schmählich im Stich gelassen.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Zimmermann (CSU) – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD): Das ist die Wahrheit, Herr Zimmermann!)
Meine Damen und Herren, noch haben wir in Bayern die Situation, dass mehr als 60 % der Krankenhauslandschaft kommunal verwaltet werden. Doch immer mehr Gebietskörperschaften suchen ihr Heil im Verkauf ihrer Häuser an private Kliniken. Jüngstes und gravierendstes Beispiel ist der beabsichtigte Verkauf von drei Kliniken im Landkreis Rhön–Grabfeld an die namensgleichen Rhön–Kliniken. Interessanterweise hat das Kartellamt eine solche Übernahme mit guten Gründen abgelehnt, weil nämlich dieser Träger dann über zwei Drittel der Betten in der Region verfügen würde und damit eine marktbeherrschende Stelle einnehmen würde.
Nun hat dieser Kaufi nteressent eine Ministererlaubnis beantragt, wie sie in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erst achtmal beantragt wurde. Und da hat es teilweise schon sehr merkwürdige Entscheidungen gegeben. In diesem Falle ist das alles auch etwas dubios gelaufen. Denn ausgerechnet der Minister, der darüber zu entscheiden hätte, kommt aus diesem Landkreis und hat deswegen diese Entscheidung an seinen Staatssekretär delegiert. Was letzten Endes herauskommt, steht im Augenblick noch in den Sternen. Aber es beleuchtet doch sehr deutlich, wie die privaten Anbieter – davon gibt es ja sehr potente – auf den Markt drängen.
Die privaten Träger arbeiten mit Gewinn, und zwar mit Gewinn für die Aktionäre. Das ist ihr Auftrag. Aber, meine Damen und Herren, das ist nicht die Frage, die wir uns zu stellen haben, sondern die Frage, die wir uns zu stellen haben, Frau Staatsministerin, lautet: Was ist der Gewinn für die Patienten? Bedeutet die totale Ökonomisierung des Krankenhauswesens, dass der Patient zur reinen Kostenstelle wird? Schon jetzt ist zu beobachten, dass die privaten Betreiber nur eines im Sinne haben: Kosten senken! Das geht zulasten der Beschäftigten, die entweder entlassen oder outgesourct werden, wenn sie nicht zum Kerngeschäft gehören. Und die Patienten? Müssen sie künftig mit Abweisung rechnen, weil ihre Behandlung zu teuer oder nicht kostengerecht in den DRGs abgebildet werden kann? Oder werden diese Patienten – das ist keine Vision oder ein falscher Gedanke, denn diese Kliniken haben ja ganze Ketten aufgebaut – weil es kostengünstiger ist, in eine Klinik in Ostdeutschland verlegt?
All diese Fragen, die wir uns bei der Verabschiedung dieses Gesetzes heute stellen müssen, interessieren die Staatsregierung und die CSU überhaupt nicht. Beide tun so, als ob es diese Probleme überhaupt nicht gäbe. Dabei brennt es an allen Ecken dieses Landes. Viele kommunale Träger fühlen sich vom Freistaat allein gelassen.
Dabei wäre jetzt Investitionshilfe am nötigsten, um die Häuser durch Umbauten, Modernisierungen und Strukturveränderungen für den Wettbewerb und für die Qualitätssicherung fi t zu machen.
Herr Dr. Zimmermann, Sie haben davon gesprochen, mit diesem Gesetz würden die Häuser fi t gemacht. Das Gegenteil ist richtig. Denn wer das Glück hat, überhaupt noch Geld vom Staat zu bekommen – es ist aber keine
rein staatliche Förderung, sondern diese wird zur Hälfte von den Kommunen mitfi nanziert –, muss bis zu zehn Jahre warten, bis der volle Förderungsbetrag ausgezahlt ist. Das heißt, er muss vorfi nanzieren. Das ist für manche kaum zu schultern.
Während die Staatsregierung gegenüber dem Bund – das ist heute wieder deutlich geworden – eifersüchtig darüber wacht, die Krankenhausplanung nicht zu verlieren – etwa durch eine auch von uns abgelehnte monistische Finanzierung –, verkommt der Sicherstellungsauftrag der Staatsregierung zum bloßen Lippenbekenntnis. Die Staatsregierung sieht dem Kliniksterben und der Privatisierung tatenlos zu. Wenn erst die privaten Betreiber den Markt beherrschen, kann man damit in den Augen der Staatsregierung natürlich noch mehr Geld sparen und die Investitionszuschüsse ganz einstellen. Das wird zwar immer wieder heftig dementiert, zuletzt vom Staatssekretär Heike, aber diese Tendenz ist eindeutig.
Schauen Sie sich doch an, was in den letzten Jahren geschehen ist. Die Investitionsförderung wurde kontinuierlich zurückgefahren. Wer heute Umbauten oder Neubauten als öffentlicher oder gemeinnütziger Träger beabsichtigt, kann nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden, vor 2009 in das Jahresprogramm aufgenommen zu werden. Inzwischen ist ein solcher Stau eingetreten, dass wohl die meisten die Hoffnung aufgegeben haben, überhaupt eine Förderung zu bekommen.
Meine Damen und Herren, wir setzen im Unterschied zu Ihnen darauf, dass Staat und Kommunen für eine fl ächendeckende, bedarfsgerechte, qualitätsorientierte und leistungsgerechte abgestufte Versorgung mit Krankenhäusern als wesentlichen Bestandteil der Daseinsvorsorge Verantwortung tragen. Es geht nicht darum, Verantwortung abzugeben, wie Sie es vorhaben, sondern darum, Verantwortung wahrzunehmen; dies ist das Gebot der Stunde.