Protocol of the Session on May 18, 2006

Mit der Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des federführenden Ausschusses hat der Änderungsantrag auf der Drucksache 15/4834 seine Erledigung gefunden. Wir nehmen davon Kenntnis. Die Tagesordnungspunkte 2 bis 4 sind damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Krankenhausgesetzes (Drs. 15/3794) – Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsantrag der Abg. Manfred Ach, Joachim Unterländer, Barbara Stamm u. a. u. Frakt. (CSU) (Drs. 15/4846)

Änderungsantrag der Abg. Joachim Wahnschaffe, Kathrin Sonnenholzner, Christa Steiger u. a. u. Frakt. (SPD) (Drs. 15/4877)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von 20 Minuten pro Fraktion vereinbart. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Zimmermann.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute einen, wie ich meine, sehr wichtigen Tag in der Beurteilung und Bewertung der Krankenhaussituation in Bayern, nicht nur durch das jetzt auf der Tagesordnung stehende und zu behandelnde Bayerische Krankenhausgesetz, sondern auch durch die heute Nachmittag im Rahmen des großen Paketes zur Hochschulreform anstehende Beratung des ersten Bayerischen Universitätsklinikgesetzes. Ich stelle das ganz bewusst an den Anfang meiner Ausführungen, weil damit deutlich zum Ausdruck gebracht wird, welch hohen Stellenwert der Freistaat Bayern der stationären Krankenhausversorgung beimisst und was er zur adäquaten und bedarfsgerechten Versorgung seiner Bürgerinnen und Bürger in toto unternimmt.

Die Novellierung des vorliegenden Gesetzentwurfs ist deswegen notwendig geworden, weil viele Veränderungen in den Strukturen, aber auch ganz bewusst und, wie Sie alle wissen, sehr signifi kant in den Bereichen der Krankenhauserlöse und der Erstattungsformen im Krankenhausbereich in den letzten Jahren stattgefunden haben. Deshalb muss dieses Bayerische Krankenhausgesetz einer Novellierung zugeführt werden.

Die Kolleginnen und Kollegen aus dem sozialpolitischen Ausschuss kennen die schwierige Situation im Krankenhausbereich durch die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen und durch Gesundheitsstrukturgesetzveränderungen, die sich letztendlich auf eine stärkere Hinwendung auf die Notwendigkeiten eines wirtschaftlichen Führens eines Krankenhauses auswirken.

Wie wir meinen, wird diese Novelle des Bayerischen Krankenhausgesetzes der aktuellen Situation gerecht. Wir schaffen für unsere Krankenhäuser mit dem Bayerischen Krankenhausgesetz die Möglichkeit, sich für die Zukunft fi t zu machen, um die Instrumentarien und variablen Möglichkeiten auch eines wirtschaftlichen Führens eines Krankenhauses noch stärker anzubieten, als das bisher der Fall war.

Lieber Herr Kollege Wahnschaffe, Sie mögen allein schon daran erkennen, dass die letzte Novellierung des Bayerischen Krankenhausgesetzes im Jahr 1990 stattgefunden hat.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Zu Recht!)

Sie interpretieren dies, dass man sich zu lang Zeit gelassen hat.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Nein, um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin insofern anderer Meinung, als es eben aufgrund dieser vielfältigen Veränderungen und Entwicklungen im stationären Bereich gilt, erst dann eine Novellierung vorzunehmen, wenn gewisse Schritte klar erkennbar sind und dann vernünftig in eine Gesetzesänderung umgesetzt werden sollen. So war es uns wichtig, für diese Novellierung neue Regelungsschwerpunkte im Gesetz festzulegen. Ich denke dabei an die Neustrukturierung der Krankenhausplanung.

Kolleginnen und Kollegen, Sie alle, die aus dem fl achen Land kommen, wissen, wie schwierig und wichtig es ist, eine bedarfsgerechte Krankenhausplanung im Flächenstaat Bayern anzubieten.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Flächendeckend!)

Herr Wahnschaffe, ich komme noch darauf zu sprechen; ich freue mich jetzt schon. Danke für das Stichwort. Wir beide können treffl ich streiten und haben dies auch schon getan

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Wir setzen es heute fort!)

ja, Herr Kollege Wahnschaffe, wir sind schon mittendrin – über den Terminus der Flächendeckung bzw. der bedarfsgerechten Versorgung.

Herr Kollege Wahnschaffe, ich vertrete die Meinung, dass eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung in der Begriffsbestimmung viel weiter geht als der Begriff der Flächendeckung. Warum? Weil der Begriff „bedarfsgerecht“ die Notwendigkeit beinhaltet, dass auch die wirtschaftliche Komponente eine Rolle spielt. Lassen Sie mich das etwas präzisieren: Die so genannten diagnosebezogenen Fallpauschalen, also das neue Entgeltsystem, haben zur Folge, dass sich die Verweildauer der einzelnen Patienten im Krankenhaus – oft sogar sehr drastisch um die Hälfte – verkürzt. Damit wird die Auslastung im Krankenhaus natürlich geringer. Damit ist zwangsläufi g auch die Nachfrage nach Krankenhausbetten geringer. Was macht ein Kreiskrankenhaus, egal welcher Größenordnung? Es baut Betten ab; denn jedes Bett, das nicht belegt ist, wird nicht erstattet. Das ist anders als bei der früheren Entgeltsystematik, wo bei tagesgleichem Pfl egesatz das belegte Bett erstattet wurde. Dagegen ist die diagnosebezogene Fallpauschale, wie ich immer gesagt habe,

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

eine missliche Festlegung. Wir sehen dies – darauf komme ich nachher noch zu sprechen – in der aktuellen Situation; denn es müssen Bettgestelle abgebaut und aus dem Krankenhaus getragen werden. Hätte man das nicht getan, wäre zwangsläufi g Unwirtschaftlichkeit im Krankenhaus die Folge. Daher haben wir uns entschieden, nicht von „fl ächendeckend“, sondern von „bedarfsgerecht“ zu sprechen, weil das Bett, das nicht belegt oder nicht gebraucht wird, nicht erstattet wird. Bei dem Begriff der Flächendeckung wäre diese Komponente gegeben. Da gebe ich Ihnen, Herr Wahnschaffe, Recht.

Ich bin der Meinung, dass – so steht es auch im Gesetz – die bedarfsgerechte Situation entsprechend der Bedürfnisse in Krankheitssituationen der Bevölkerung näher kommt als eine fl ächendeckende Versorgung. Zum Beispiel hat der Landkreis Miesbach, fl ächenmäßig der größte Landkreis des Freistaats, bereits vor zehn Jahren weise und vorausschauend drei Kreiskrankenhäuser – Tegernsee, Holzkirchen und Hausham – geschlossen und in Agatharied ein neues Kreiskrankenhaus gebaut. Damit sagt das Beispiel dieses Landkreises, dass nicht die fl ächendeckende, sondern die bedarfsgerechte Versorgung im Vordergrund steht.

Lieber Herr Kollege Wahnschaffe, es ist mir wichtig, das immer wieder und speziell auch hier anzumerken, weil wir hier diesbezüglich anderer Meinung sind. Über das einzige für mich nachvollziehbare Argument Ihrer Ablehnung dieses Gesetzes tausche ich mich mit Ihnen übrigens gerne aus, darüber streite ich gerne mit Ihnen.

Ich glaube auch, dass wir uns, was die Krankenhausplanung generell anbelangt – und dies sieht, glaube ich, der Herr Kollege Wahnschaffe genauso wie ich – in einer sehr misslichen Situation befi nden. Es gibt mit Blick auf die

Krankenkassen einen gemeinsamen Ausschuss, der zum Beispiel gewisse Vorhaltungsnotwendigkeiten festlegt, wie etwa die Mindestmengenverordnung. Warum führe ich dies jetzt in diese Diskussion mit ein? Denn wenn man eine Mindestmengenverordnung zum Beispiel bei Geburten oder Knieprothesen hat, wird natürlich erst dann dem entsprechenden Krankenhaus eine Zertifi zierung gegeben, wenn man eine gewisse Anzahl, die dort durch die Mindestmengenverordnung vorgeschrieben ist, erhält. Damit will ich sagen, dass damit künftig ein wesentlicher Gesichtspunkt auf die Krankenhausplanung Einfl uss nehmen wird, den wir als Freistaat selber nicht mehr unmittelbar im Griff haben. Dieser gemeinsame Bundesausschuss maßt sich viel mehr Entscheidungskompetenzen an – ich sage dies ganz bewusst –, die meines Erachtens unter krankenhausplanerischen Gesichtspunkten so nicht mehr hinnehmbar sind, nach dem Motto: Wir beschließen, die Länder mögen sehen, wie sie mit der Umsetzung und den Auswirkungen unserer Beschlüsse zurecht kommen.

Ich glaube, wir müssen gemeinsam mit all unseren Möglichkeiten dagegenhalten, damit die Krankenhausplanung dadurch nicht konterkariert wird und damit entsprechende Entscheidungen, Zertifi zierungen und die Mindestmengenverordnung nicht mehr wesentliche Gesichtspunkte auch parlamentarischer Entscheidungsmöglichkeiten darstellen.

Des Weiteren trifft unser heute vorliegender Gesetzentwurf – ich habe es schon angesprochen – klare Aussagen und Festlegungen zur Stärkung der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Krankenhäuser.

Durch die neue Entgeltsystematik ist die wirtschaftliche Komponente der Führung eines Krankenhauses, Kolleginnen und Kollegen, viel wesentlicher in den Vordergrund getreten, als es in früheren Jahren – ich habe es schon angedeutet – nach der alten Entgeltsystematik gegeben war. So müssen den Krankenhäusern Instrumentarien, Stellschrauben an die Hand gegeben werden, um sich als Wirtschaftsbetriebe stärker in die Konkurrenz einbringen zu können.

Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass gewisse Förderhemmnisse, die den Krankenhausträgern seit geraumer Zeit immer wieder Probleme bescheren, abgebaut und einer neuen Regelung zugeführt werden. Die ganze Problematik des Outsourcings gewisser Bereiche, also von Dienstleistungen im Krankenhaus, die ausgelagert werden, weil sie vom Krankenhaus unmittelbar nicht mehr wirtschaftlich erbracht werden können, muss durch das Gesetz geregelt werden und ebenso die Rückforderung von Fördermitteln.

Es ist ganz besonders hervorzuheben, dass es meiner Fraktion nach langen, reichlichen Überlegungen, aber auch harten Auseinandersetzungen mit den Haushältern gelungen ist, eine Möglichkeit in das Gesetz einzubauen, die speziell dieser Thematik gerecht wird und die eine fl exiblere Handhabung und Stärkung in der wirtschaftlichen Eigenverantwortung im Bereich des Förderwesens nach sich zieht. Bitte erlauben Sie mir, dass ich mich an dieser Stelle bei meinem Kollegen, dem Arbeitskreisvorsitzenden

Unterländer ganz besonders bedanke, weil er aufgrund seiner sensiblen Art in der politischen Auseinandersetzung die Entscheidungsträger im Haushaltsausschuss überzeugen konnte, dass sie unseren grundsätzlichen Überlegungen nach langem Ringen gerecht geworden sind.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das hört doch niemand, Herr Kollege!)

Doch, Joachim Unterländer hört es, und für den ist es auch primär gedacht.

Ich glaube, dass wir damit, Kolleginnen und Kollegen, trotz der zu erwartenden gravierenden Umstrukturierungen im Krankenhausbereich durch eine Änderung der Förderrichtlinien, zum Beispiel beim Bettenabbau, bei Nachnutzungsüberlegungen, eine Möglichkeit erreichen werden, die den förderrechtlichen Bestimmungen ganz wesentlich nahe kommt und unsere Überlegungen bezüglich einer fl exibleren Handhabung deutlich macht.

Der Verzicht auf die Rückforderung von Fördermitteln, zum Beispiel mit sozialer Nachnutzung, erlaubt meines Erachtens den Krankenhausträgern fl exible, innovative Möglichkeiten, ihre Immobilie Krankenhaus auch weiterhin wirtschaftlich zu führen, allerdings mit anderen Schwerpunktbildungen, nicht nur im akut stationären Bereich, sondern auch in vielen Bereichen nach sozialstaatlicher Zweckbestimmung notwendiger Versorgung im Krankenhausbereich im Freistaat Bayern.

So glaube ich auch, dass dieses Gesetz im weiteren Verlauf einen wesentlichen Beitrag zur Deregulierung bei der Krankenhausförderung darstellt. Ich meine auch, dass wir nach dieser langen Diskussion, die wir geführt haben – man kann anmahnen, Herr Kollege Wahnschaffe, wie Sie es auch immer wieder getan haben, dass es nach Ihrer Meinung zu lange gedauert hat –, Ihnen ein sehr vernünftiges Gesetz vorlegen können, das den wesentlichen Gesichtspunkten und Regelungsschwerpunkten, die Sie in der Novellierung wiederfi nden, für die Krankenhausversorgung in Bayern auf den Weg gibt.

So sind wir insgesamt der Meinung, dass wir in schwieriger Zeit die Krankenhausversorgung in Bayern zum Anlass nehmen müssen, auch die aktuelle tarifl iche Auseinandersetzung anzusprechen, weil ich meine, dass die pfl egerische und die ärztliche Versorgungssituation im Krankenhaus einen ganz wesentlichen Gesichtspunkt darstellt.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Da kriegen Sie von uns Beifall!)

Ich freue mich. Im Ausschuss kriege ich oft von Ihnen Beifall.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Was?)

Selbstverständlich.

Ich glaube, dass wir diese Situation dahin gehend einmal in Ruhe diskutieren müssen, dass es sicherlich Umstände gibt, die in der weiteren tarifl ichen Gestaltung nicht mehr so hinnehmbar sind.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Ich sage das ganz bewusst nicht nur für den ärztlichen Bereich, sondern ich beziehe auch die Pfl egekräfte im Krankenhaus mit ein. Ich hoffe, dass Marburger Bund und verdi in den nächsten Tagen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder endlich zu einer vernünftigen, tragfähigen Situation und zu einem Angebot kommen, das diese Situation nicht nur aufgreift, sondern auch im Sinne der dort Beschäftigten positiv umsetzt.

Dabei muss ich gleich Wasser in den Wein schütten, weil eine Tarifsteigerung im stationären Krankenhausbereich natürlich auch Finanzierungsprobleme für das einzelne Krankenhaus nach sich zieht. Da sind wir in einem furchtbaren Dilemma, das wieder auf die scheußlichen neuen Abrechnungssysteme – so genannte DRG–Systeme – zurückzuführen ist.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das ist eine Arbeitszeitfrage!)

Das ist eine Arbeitszeitfrage, die an sich geregelt ist. Hier geht es aber jetzt um die Tarifsteigerungen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das hängt aber damit zusammen!)