Welche Gestaltungsmöglichkeiten und Steuerungsmöglichkeiten hat ein Landesentwicklungsprogramm im Hinblick auf eine globalisierte Wirtschaftsordnung? Die Wirtschaft im Freistaat Bayern bewegt sich heute, was den Wettbewerb angeht, auf einem anderen Markt als in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Damals hatten wir noch den Warschauer Pakt. Wir hatten im Osten den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, wir hatten keine offenen Grenzen, und wir hatten ganz andere Marktmechanismen. Das sind Punkte, auf die sich ein Landesentwicklungsprogramm einstellen muss. Es muss versuchen, Gestaltungsmöglichkeiten für die Wirtschaft und die Gesellschaft in diesem Land zu eröffnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage ist, ob ein Landesentwicklungsprogramm Gestaltungsinstrument oder Verhinderungsinstrument ist. Hierzu will ich die Auffassung der CSU-Landtagsfraktion darstellen. Bei Ihnen habe ich manchmal das Gefühl: Wenn Sie über das Landesentwicklungsprogramm sprechen, geht es zunächst einmal um die Frage, wie Entwicklung insgesamt verhindert werden kann.
Frau Kollegin, wir leben in einer Zeit, in der es nicht mehr darum geht, wirtschaftliche Dynamik zu steuern oder zu kanalisieren. Wir müssen heute froh sein, wenn wirtschaftliche Dynamik überhaupt stattfi ndet. Darum muss ein Landesentwicklungsprogramm alles tun, um zu ermöglichen, dass wirtschaftliche Betätigung stattfi ndet. Dazu gehört eine moderne Infrastruktur. Diese voranzutreiben, ist eines der wesentlichen Ziele des Landesentwicklungsprogramms.
Wichtig ist auch, dass wir ein anwenderfreundliches Landesentwicklungsprogramm haben. Nicht dieses Parlament lebt und arbeitet mit diesem Landesentwicklungsprogramm, sondern die Planungs- und Genehmigungsinstanzen draußen. Es sind unsere Kreisbehörden, unsere Stadtbehörden und die Regierungen, die mit diesem Programm arbeiten müssen. Schließlich müssen mit diesem Programm auch unsere Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter leben und arbeiten, wenn es nämlich zu Streitigkeiten kommt. Deshalb bin ich sehr froh, dass es mit diesem Entwurf gelungen ist, erstmals zwischen Zielen und Grundsätzen zu unterscheiden.
Entschuldigung, Frau Kollegin, es ist für mich sehr wichtig, dies herauszustellen, weil Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben sind. Hier gibt es keine Möglichkeit der Abwägung, sondern es gibt eine strikte Beachtungspfl icht. Darum ist es wichtig, wenige Ziele und vielleicht ein paar Grundsätze der Raumordnung in das Programm aufzunehmen, weil Grundsätze in diesem Zusammenhang eher allgemeine Aussagen sind und nicht stringent bindend wie Ziele.
Frau Kollegin Dr. Kronawitter, ich will einen weiteren Punkt ansprechen, den Sie und andere Abgeordnete der Opposition immer wieder thematisieren. Es geht um das Verhältnis zwischen Metropolregionen und ländlichem Raum. Ich sage Ihnen: Die große Kunst der Politik der nächsten Jahre und Jahrzehnte wird darin bestehen, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Wir brauchen unsere Metropolregionen. Herr Kollege Maget, die Metropolregionen München und Nürnberg – –
Entschuldigung, Herr Kollege, natürlich wollten wir das. Wer hat es denn auf den Weg gebracht? Schreiben Sie das doch nicht nur immer sich selbst auf die Fahnen. Dass die Metropolregion Nürnberg verankert wurde, ist von den Verantwortlichen der Stadt Nürnberg und den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen des Hohen Hauses ausgegangen. Das ist keine Frage. Herr Kollege Maget, diesen Anspruch auf Vaterschaft muss ich Ihnen leider absprechen.
Ich komme zurück auf die Metropolregionen und den ländlichen Raum. Die Metropolregionen Nürnberg und München messen sich nicht mit den kleinen und mittleren Städten des Freistaates Bayern, sondern spielen in der Liga London, Paris, Warschau, Moskau. Die Metropolregionen müssen in einem internationalen Wettbewerb
bestehen, weswegen ich dafür bin, dass wir den Begriff der Metropolregion im Landesentwicklungsprogramm bewusst herausstellen.
Genauso wichtig ist für mich – und ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie das etwas positiver darstellen – das Vorrangprinzip für den ländlichen Raum, und zwar für den schwach strukturierten ländlichen Raum. Staatsminister Huber hat vorhin zu Recht darauf verwiesen, dass es in Europa Länder gibt, die eine ganz andere Linie verfolgen. Schauen Sie doch einmal in die Schweiz, nach Italien oder Frankreich. Dort gibt es eine passive Sanierung. Dort wird stillschweigend in Kauf genommen, dass bestimmte Regionen nicht mehr gefördert werden, weil man sagt, es lohnt sich nicht mehr, weil die Leute weggezogen sind, die Bevölkerung überaltert ist und sich keine Wirtschaft angesiedelt hat. So verhalten wir uns nicht. Wir sagen, wir wollen den schwach strukturierten ländlichen Raum ebenfalls fördern.
Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, brauchen wir beides: Wir brauchen den ländlichen Raum, und wir brauchen leistungsfähige und wettbewerbsfähige Metropolregionen, die übrigens auch eine leistungsfähige Infrastruktur benötigen. Ich bin gespannt, ob Sie dann, wenn wir in diesem Hause über die zweite S-BahnStammstrecke, den Transrapid und die dritte Startbahn für den Flughafen diskutieren, bereit sind anzuerkennen, dass München sich in dieser Frage in Deutschland vielleicht mit Frankfurt, aber international gesehen mit London, Paris und anderen großen Städten messen muss. Im Moment habe ich eher das Gefühl, dass ich da bei Ihnen auf große Widerstände stoße und wenig Begeisterung hervorrufe. Deshalb die Bitte an Sie: Versuchen Sie, mit uns den Weg zu gehen, sowohl die Metropolregionen als auch die ländlichen Räume zu fördern.
Zum Abschluss will ich einen Punkt aufgreifen, der mir besonders wichtig ist, weil er bei der Anhörung zentral war. Von den Einwendungen, die es bei Anhörungen mit beteiligten Verbänden gegeben hat, bezog sich ein Großteil auf das Ziel der Einzelhandelsgroßprojekte. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich gestehe gern ein, dass ich mir persönlich in dieser Frage eine etwas liberalere Lösung hätte vorstellen können, aber das, was Staatsminister Huber vorhin skizziert hat, ist ein Kompromiss. Es ist nicht ein Kompromiss der CSU-Landtagsfraktion, sondern ein Kompromiss, der versucht, den verschiedenen Interessen gerecht zu werden. Ich spreche hier den Landesverband des Bayerischen Einzelhandels, den Bayerischen Städtetag und den Bayerischen Gemeindetag an. Wenn Sie sich allein ansehen, wie divergierend die Positionen der kommunalen Spitzenverbände sind, dann werden Sie mit mir zu der Auffassung kommen, dass es ein Verdienst der Staatsregierung ist, etwas vorzulegen, was weitgehend konsensfähig ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die jetzige Lösung ist in ihrem Zielabweichungsverfahren verhältnismäßig kompliziert. Es ist keine einfache Lösung. Auch in nicht zentralen Orten besteht die Möglichkeit, Einzelhandelsgroßprojekte und Fachmärkte einer bestimmten Größenordnung anzusiedeln, allerdings im Rahmen eines sehr komplizierten Zielabweichungsverfahrens. Hier bin ich mit Ihnen der Meinung, dass wir uns darüber unterhalten müssen, wie
Frau Kollegin Dr. Kronawitter, eines muss ich noch aufgreifen. Sie haben ein schönes Beispiel skizziert und wieder einmal Angst und Furcht hervorgerufen nach dem Motto: Auf dem fl achen Land wird ein Einzelhandelsgroßprojekt angesiedelt, und die Innenstadt stirbt. Frau Kollegin, wir haben in diesem Parlament leider nicht die Möglichkeit, das Konsum- und Mobilitätsverhalten der Menschen zu beeinfl ussen. Wenn wir das könnten, würde ich jedem Bürger des Freistaates Bayern nicht nur empfehlen, sondern ihm sogar ins Gebetbuch schreiben, dass er tunlichst in seiner Region einkaufen und konsumieren soll. Aber was tut er? – Er nimmt sein Auto, nützt eine gute Infrastruktur, die wir zweifelsohne haben, und sucht sich den Einkaufsort aus, der ihm passt und ihm behagt. Das kann ein Einkaufszentrum in Pilsen oder in einem anderen Ort der Tschechischen Republik sein; das kann in Salzburg oder in einer anderen Stadt der Republik Österreich sein; das kann in Baden-Württemberg oder Hessen sein. Darum ist es wichtig, dass wir, gerade was die Grenzgebiete angeht, für praktikable Lösungen bei der Genehmigung und Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten sorgen und dass wir auch den Kommunalpolitikern auf dem fl achen Land die Möglichkeit geben, dann, wenn die Grundversorgung nicht sichergestellt ist, Einzelhandelsgroßprojekte anzusiedeln.
Meine Damen und Herren und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, zum Abschluss lade ich Sie ganz herzlich ein, in den Ausschüssen – das Thema Landesentwicklungsprogramm wird in verschiedenen Ausschüssen demnächst auf der Tagesordnung stehen – dieses Thema aufzugreifen, kritisch und konstruktiv zu diskutieren und Anträge zu formulieren und einzureichen. Ich versichere Ihnen, dass diese Anträge im Wirtschaftsausschuss sehr sorgfältig beraten werden. Ich bitte Sie nur darum, nach dem Motto zu verfahren: weniger ist manchmal mehr; mehr Klasse statt Masse. Frau Kollegin Dr. Kronawitter und Herr Kollege Dr. Magerl, es muss nicht eine Flut von Anträgen sein. Wenige Anträge, die gut formuliert und inhaltlich gut konzipiert sind, sind besser als viele Anträge mit leeren Phrasen.
Nächste Wortmeldung für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Herr Kollege Dr. Magerl. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pschierer, der Entwurf – ich werde es heute darlegen – ist leider Gottes so schlecht, dass man nicht mit wenigen Anträgen dazu auskommt. Da muss ich Sie enttäuschen.
Ich habe mir die Rede von Herrn Staatsminister Huber angehört. Das war die übliche, gewohnte Selbstbeweihräucherung, wie immer, wenn die Staatsregierung zu solchen Themen redet. Danach ist in Bayern alles gut und
sind im Land die Disparitäten abgebaut. Wir sehen das völlig anders: Die Disparitäten sind nicht abgebaut, sondern in der Vergangenheit stärker geworden. Diese Selbstbeweihräucherung ist nichts Neues.
Herr Kollege Pschierer, Sie spielen sich als Anwalt des ländlichen Raumes auf und sagen, Sie hätten damit nichts zu tun. Schauen Sie sich doch die Ergebnisse an, die wir teilweise im ländlichen Raum erzielen, und unseren Zuspruch. Ich glaube, der ländliche Raum ist bei uns besser aufgehoben als bei der CSU.
Mit Blick auf die eine Hälfte der Kabinettsbank fällt mir angesichts der Bedeutung dieses wichtigen Punktes noch etwas anderes auf, nämlich gähnende Leere und insbesondere das Fehlen des Ministeriums, das fast 30 Jahre zuständig war. Offensichtlich will das Umweltministerium mit dieser Thematik gar nichts mehr zu tun haben. Dass das Staatsministerium, das gegründet worden ist, um Raumordnung und Landesentwicklung zu betreiben, heute fehlt, ist schon ein bisserl seltsam.
Zum Thema „Hopplahopp“ und zur Eile noch Folgendes: Herr Kollege Pschierer, selbstverständlich haben wir uns mit dem ersten Entwurf zu diesem Landesentwicklungsprogramm, der schon vor einiger Zeit vorgelegt wurde, befasst und Anträge vorbereitet. Nur: Man kann das eben nur bis zu einem bestimmten Punkt. Die Staatsregierung war sich selbst darin uneinig, welche Fassung sie letztlich dem Landtag vorlegt.
Dieser Punkt stand schon auf der Tagesordnung der letzten Plenarsitzung, ist dann aber abgesetzt worden. – Herr Huber, da können Sie grinsen und den Kopf schütteln, aber so war es. Sie haben den Entwurf noch einmal geändert. In den Fraktionen können erst dann endgültige Beschlüsse gefasst werden, wenn der endgültige Entwurf vorliegt, und dieser ist mir vor zwei Wochen während der letzten Sitzung des Arbeitskreises zugegangen. Wir haben nun einmal bestimmte Abläufe. Bei uns geht es geregelt zu, bei der CSU mag es anders sein.
Wir haben demokratische Entscheidungsstrukturen; bei Ihnen mag da vielleicht von oben nach unten durchregiert werden. Das Thema ist am Donnerstag schon auf der Tagesordnung, wir sind vorbereitet; 30 Anträge sind fertig. Ob es dabei bleibt, müssen wir sehen. Aber ange
sichts der Bedeutung des Themas könnte man sich schon ein bisschen mehr Zeit lassen. Es geht Ihnen einzig und allein darum, die EU-Vorschrift einer strategischen Umweltprüfung zu umgehen und die Bevölkerung an diesem wichtigen Programm nicht beteiligen zu müssen. Sie wollen das Ganze bis zum 20. Juli in trockenen Tüchern haben. Das ist der Grund, warum Sie das Verfahren in dieser Geschwindigkeit durchziehen.
Lassen Sie mich einige grundlegende Punkte zum Landesentwicklungsprogramm sagen. Herr Stoiber hat in seiner Regierungserklärung im November 2003 – –
Der Noch-Ministerpräsident Edmund Stoiber hat in seiner Regierungserklärung am 06. November 2003 groß ein neues Landesentwicklungsprogramm angekündigt.
Ich frage mich nur, warum er ein neues Programm gemacht hat, da das alte kaum in Kraft getreten war. Wir haben zwar das alte Landesentwicklungsprogramm immer wieder kritisiert.
Herr Staatsminister – oder Herr Abgeordneter – Huber, auch Sie haben es heute auf Seite 2 Ihrer Rede kritisiert, indem Sie sagten: „Ich lege Ihnen nun ein straffes, lesbares und anwenderfreundliches LEP vor, …“ Das andere LEP war es offensichtlich nicht. Das war wohl nicht der große Wurf, sonst hätten Sie, Herr Staatsminister, das nicht in Ihre Rede geschrieben.
Aber wer den jetzt vorliegenden Entwurf anschaut, stellt fest, dass er nicht sehr viel schlanker ist. Die Fragen in Bezug auf die wesentlichen Herausforderungen für die Zukunft, die jetzt eigentlich als neue Erkenntnisse hätten dazukommen können oder sollen, haben Sie nicht beantwortet. Schaut man gerade den wesentlichen Teil mit den Zielen und Grundsätzen an, stellt man fest: Die Begriffe „demographischer Wandel“ und „demographische Entwicklung“ kommen darin nicht vor.
Herr Staatsminister Huber, nein, und nochmals nein. Wir haben den Entwurf genauestens durchgelesen. Das Einzige, was ich fi nde, ist eine relativ alte Tabelle und etwas Text auf zwei bis drei Seiten als Anhang. Aber ansonsten fi ndet sich in diesem LEP nichts. Sie haben das Thema verfehlt. Sie haben in diesem LEP eine der wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft nicht abgehandelt. Deshalb unser Antrag: Ziehen Sie dieses