Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Qualität in der Pfl ege ist in aller Munde. Landauf, landab wird an Pfl egestammtischen im Beisein der eben nicht anwesenden Staatsministerin Stewens beteuert, wie wichtig es uns sei, dass die alten pfl egebedürftigen Menschen adäquat gepfl egt werden und dass die Pfl ege auf einem qualitativ hohen Standard erfolge. Das ist alles richtig, dann müssen wir aber auch bereit sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Der vorgelegte Gesetzentwurf wäre ein Schritt in diese Richtung, denn er würde landeseinheitlich die Fort- und Weiterbildung in der Pfl ege regeln. Das ist sehr notwendig.
Wir haben es inzwischen mit einer veränderten Pfl egelandschaft zu tun. Eine Ausbildung zur Altenpfl egerin allein genügt im Moment nicht mehr, um den vielfältigen Anforderungen in der Pfl ege gerecht zu werden. Die Bandbreite der Pfl egebedürftigen reicht von chronisch kranken Menschen über psychisch kranke Menschen und multimorbid kranke Menschen bis hin zu demenzkranken Menschen. Vollkommen verfehlt wäre es, wenn man alle diese Menschen mit einer einzigen Ausbildung versorgen wollte. Man muss differenzieren. Man kann einen demenzkranken Menschen nicht so pfl egen wie einen psychisch kranken. Wir brauchen eine Spezialisierung. Diese Spezialisierung wird in der Ausbildung noch nicht angeboten. Das Modulsystem ist hier noch nicht eingeführt. Wir können aber auch nicht darauf warten, bis das Modul
system eingeführt wird, denn die Menschen brauchen jetzt eine qualifi zierte Pfl ege. Deshalb ist es wichtig, jetzt Weiterbildungen anzubieten, um auf die Erfordernisse einzugehen.
In der letzten Sitzung haben wir über die Fixierungen und die bedauerlichen Todesfälle gesprochen, die dabei aufgetreten sind. Das ist ein Fingerzeig darauf, dass in der Pfl ege noch lange nicht alles rund läuft, ein Hinweis darauf, dass wir uns dringend darum bemühen müssen, die Pfl ege zu verbessern. Wir können sie aber nur verbessern, wenn die Menschen weitergebildet und auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.
Alle anderen Bundesländer, mit Ausnahme Bayerns und Thüringens, haben das längst erkannt. Sie handeln adäquat. Nur in Bayern gehen die Uhren wieder einmal anders. Bayern glaubt, es jedem Träger überlassen zu können, ob er Fortbildung anbietet, ob er Fortbildung als notwendig empfi ndet, in welcher Form er Fortbildung anbietet und ob sie ausreicht für die Menschen, die auf Pfl ege angewiesen sind. Dass wir damit auf dem Holzweg sind, zeigen die beiden Petitionen, die zu diesem Tagesordnungspunkt aufgerufen worden sind.
Bei diesen Petitionen geht es darum, dass Menschen, die sich weiterbilden lassen, keine Förderung bekommen. Die beiden Petenten bekommen diese Förderung nicht, weil sie aus Bayern sind und Bayern kein Pfl egeweiterbildungsgesetz hat. Dagegen bekommen die Menschen in den anderen Bundesländern dieses Fördergeld. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. In Bayern bekommen Studierende aus anderen Bundesländern eine Förderung, weil diese Länder ein Pfl egeweiterbildungsgesetz haben. Unsere eigenen Bürgerinnen und Bürger aus Bayern bekommen es nicht. Das kann wohl nicht sein. Hier muss doch dem Letzten aufgehen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Wir müssen die bayerischen Bürgerinnen und Bürger, die sich in der Pfl ege betätigen, mit den Bürgerinnen und Bürgern aus anderen Ländern, die schon ein Pfl egeweiterbildungsgesetz haben, gleichstellen.
Ein Pfl egeweiterbildungsgesetz hätte auch noch eine andere Auswirkung. Es würde den Berufsstand attraktiver machen. Weiterbildungsmaßnahmen könnten als Qualifi kation gesehen werden. Das ist attraktiv für Menschen in diesem Beruf, die sich ohnehin darum bemühen, fachlich stets auf dem neuesten Stand zu sein. Das ist für sie aber nicht so einfach, denn nicht jeder Arbeitgeber befürwortet auch eine Weiterbildung. Sie kennen alle den Personalnotstand in der Pfl ege. Dieser wird oft als Begründung dafür verwendet, dass Menschen nicht weitergebildet werden. Die Personalnot vor Ort lässt eine Weiterbildung nicht zu. Mit einem Gesetz wäre diese bequeme Ausrede der einzelnen Träger nicht mehr möglich. Die Menschen könnten dann weitergebildet werden.
Die Weiterbildung würde eine Motivation der Menschen und eine Aufwertung des Berufes begründen. Ich bin mit dieser Anschauung nicht allein. Ich glaube, auch Frau Staatsministerin Stewens teilt diese Anschauung, denn sie hat gesagt, die Angebote der Fort- und Weiterbildung seien mittlerweile so unüberschaubar geworden, dass eine Vereinheitlichung der Qualifi zierungsangebote notwendig sei. Frau Staatsministerin, Sie haben gesagt, einem Weiterbildungsgesetz stünden Sie grundsätzlich
offen gegenüber. Dann lassen Sie uns das Gesetz doch einfach machen. Ich weiß nicht, was dem entgegensteht.
Die Kritik, mit der Sie dieses Gesetz abzulehnen versuchen, zieht nicht. Die Europäisierung – Herr Kollege Pfaffmann hat es bereits ausgeführt – ist geradezu ein Argument dafür, dass man Standards einführt. Nur dann, wenn es Standards gibt, können sie auch anerkannt werden.
Wir brauchen in Bayern eine einheitliche Regelung, denn es gibt einen Wildwuchs von Weiterbildung, der unüberschaubar und nicht signifi kant ist und der auch nicht zwingend eine Qualitätsverbesserung mit sich bringt. Wir müssen versuchen, in der Pfl ege ebenso wie bei allen anderen Berufen eine nachweisliche Qualitätsverbesserung zu erreichen. Im Moment sind wir noch weit davon entfernt. Wir können es nicht bei Lippenbekenntnissen zur Verbesserung der Pfl ege belassen. Wir müssen die Schritte in diese Richtung tun. Ein Schritt ist die Vereinheitlichung der Weiterbildung. Das kann mit diesem Gesetz erreicht werden. Lassen Sie Ihren schönen Worten auch Taten folgen und helfen Sie mit, diesen Gesetzentwurf zu beschließen.
Lassen Sie mich eine verfahrensleitende Anmerkung machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nach diesem Tagesordnungspunkt kommt der Tagesordnungspunkt 4 ohne Aussprache, anschließend der Tagesordnungspunkt 5 ohne Aussprache. Dann erfolgt die Wahl der Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Vor der Mittagspause wird auf jeden Fall noch der Tagesordnungspunkt 8 betreffend die Gewährung einer Winterdienstpauschale aufgerufen. Darauf sollten sich die Redner einstellen.
Jetzt sind wir wieder in der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 3. Zu Wort hat sich Frau Staatsministerin Stewens gemeldet.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pfaffmann, grundsätzlich sollte der Staat nur dann ein Gesetz schaffen, wenn es tatsächlich notwendig ist. Das gilt im Verhältnis zwischen Bund und Ländern genauso wie im Verhältnis zwischen Ländern und Verbänden.
Frau Kollegin Ackermann, zum Weiterbildungsgesetz. Die für die Pfl egeberufe maßgebliche Bayerische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Pfl egeberufe ist gegen ein Weiterbildungsgesetz.
Nein, das ist nicht falsch. Das hat auch die Anhörung am 17. Februar 2005 so ergeben. Deshalb sollte man diesem Wunsch auch Rechnung tragen. Wir haben uns im Landespfl egeausschuss sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Der Landespfl egeausschuss hat auch die Richtlinien für die Fort- und Weiterbildung herausgegeben. Er hat Richtlinien für der gerontopsychiatrische Fort- und Weiterbildung herausgegeben. Er hat das Weiterbildungskonzept für das Heimmanagement und die Leitlinien für die Fort- und Weiterbildung in der ambulanten und stationären Pfl ege entwickelt. Für das Krankenhaus gilt die
Übrigens, fast alle anderen Ländergesetze haben als Grundlage die Richtlinie der Deutschen Krankenhausgesellschaft. In diesem Spannungsfeld sind wir also. Ich bin der Überzeugung, dass die Verbände es besser können. Auch das bedeutet Subsidiarität, wenn man die Aufgabe bei den Verbänden lässt, die es besser können. Wir können im Landespfl egausschuss gemeinsam qualitätsgeschützte Richtlinien verabschieden. Darum geht es letztendlich. Staatliche Vorschriften können keinen Veränderungsnutzen erbringen.
Frau Staatsministerin, könnten Sie dem Hohen Hause sagen, welche Verbindlichkeit insbesondere die von Ihnen zitierte Leitlinie der Deutschen Krankenhausgesellschaft für die einzelnen Häuser hat?
Zu dem Thema, welche Verbindlichkeit die Leitlinien haben, werde ich noch anlässlich der Petition kommen.
Lassen Sie mich etwas zum Bologna-Prozess sagen, weil wir uns intensiv des Bologna-Prozesses angenommen haben. Wir wissen, dass die europaweite Anerkennung pfl egerischer Fort- und Weiterbildung auch ohne staatliche Gesetze und Regelung denkbar ist. Im Rahmen der Bologna-Erklärung wurden gerade für die Bereiche der Hochschulen die Einführung eines Leistungspunktesystems und die Modernisierung der Curricula beschlossen. Dabei handelt es sich um ein Kreditsystem zur Anrechnung von Studienleistungen. Es stellt eine Methode zur Messung und zum Vergleich der Studienleistungen bereit und ermöglicht somit die europaweite Übertragung von Hochschule zu Hochschule. Jetzt geht es um den Beschluss der Kultusminister- und Hochschulrektorenkonferenz, die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten außerhalb des Hochschulwesens anzurechnen. Pfl egekräfte mit der entsprechenden Weiterbildung können damit ihren Weg, durch das im Studium verkürzen.
Wir haben uns mit Herrn Prof. Kemser von der Katholischen Stiftungsfachhochschule München zu einem Gespräch zusammengefunden, um die Kooperationen zwischen Hochschule und Weiterbildung zu diskutieren und Eckpunkte zur Qualitätssicherung der pfl egerischen Weiterbildung gemeinsam zu erarbeiten, die den Pfl egekräften, die die Weiterbildung durchlaufen haben, die Möglichkeit eröffnet, mit den qualitätsgestützten Eckpunkten den Durchstieg in ein Hochschulstudium anzuerkennen. Die Richtlinien der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Herr Kollege Wahnschaffe, sind Grundlage und werden auch als solche anerkannt.
Damit komme ich zu der Petition. Es geht um das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – AFBG. Dazu ist zu sagen, dass die beiden Petentinnen einen Fernlehrgang gemacht haben. Selbst mit Ihrem Gesetzentwurf hätten sie den Fernlehrgang nicht anerkannt bekommen. Das heißt, die fehlende Förderungsmöglichkeit liegt nicht daran, dass es in Bayern kein Pfl egeweiterbildungsgesetz gibt, sondern dass der Fernlehrgang „Weiterbildung zur Leitung einer ambulanten Pfl egeeinrichtung und stationären Pfl egeeinheit“ nicht ausreichend geeignet ist, um mittels einer Qualifi kationen die Kompetenz im Pfl egebereich zu erwerben. Das ist ganz wichtig. Auch mit Ihrem Gesetz wäre der oben genannte Fernlehrgang nicht förderfähig. Wenn Sie sich bei der Qualität an die Richtlinien der Deutschen Krankenhausgesellschaft halten, wäre die Maßnahme hingegen förderungsfähig.
Ganz kurz zusammengefasst: Für uns sind die Leitlinien, die wir im Landespfl egeausschuss verabschiedet haben für die Fort- und Weiterbildung in der Gerontopsychiatrie und im Heimmanagement, und die Richtlinien, die die Deutsche Krankenhausgesellschaft verabschiedet hat, wichtig und als Qualitätsmaßstab maßgebend. Alle Verbände haben sich dafür ausgesprochen, dass wir in Bayern kein Gesetz verabschieden sollen, weil dies nur zusätzliche Reglementierung und Bürokratie bedeuten würde.
Um das Wort hat Herr Kollege Pfaffmann gebeten. Ich habe das auf meiner Redeliste zwar anders. – Sie haben sich abgesprochen. Bitte schön, Herr Kollege Pfaffmann.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte aufgrund der Äußerung von Frau Staatsministerin Stewens klarstellen, dass es nicht darum geht, irgendwelchen Verbänden die Weiterbildung nicht mehr zu genehmigen, sondern darum, die Weiterbildung einheitlich zu regeln. Es geht darum, die Berufsbezeichnung führen zu dürfen, dass Ausbildungsstätten anerkannt werden, dass Lehrkräfte vorgehalten werden, dass ausreichende Räumlichkeiten vorhanden sind, um die Weiterbildung durchzuführen, dass Prüfungen stattfi nden und man staatlich anerkannte Weiterbildungsstätten einrichtet. Um nichts anderes geht es im Rahmengesetz. Alle bisherigen Anbieter dürfen auch in Zukunft anbieten. Sie müssen sich aber einem Verfahren stellen, das mit der stattlichen Anerkennung abschließt.
Das wollen Sie nicht. Es ist doch ein Armutszeugnis, das Sie das nicht wollen. Sie wollen nicht, dass man diese Fort- und Weiterbildung auf vernünftige Füße stellt.
Sie lassen zu, dass jeder machen kann, was er will. Es gibt keine Prüfungsordnung. Sie wissen nicht, wie die Weiterbildung abgeprüft wird.
Die Frage von Herrn Wahnschaffe haben Sie nicht beantwortet. Die Verbindlichkeit der Richtlinie zur Qualität ist nicht gegeben. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat zwar Richtlinien; diese sind aber nirgendwo anerkannt. Darum geht es bei dem Rahmengesetz.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Auswirkungen Ihrer Ablehnung eines Weiterbildungsgesetzes sehen wir in dieser Petition. Die Aussage Ihres Hauses, Frau Ministerin Stewens, lautet zur Behandlung der Petitionen, dass es in Bayern kein entsprechendes Gesetz zur Weiterbildung für die Pfl egeberufe gibt. Das hat eine negative Auswirkung auf die Ausbildungsförderung.
Worum geht es? – Es geht um zwei Petentinnen. Eine hat sich nach der Familienphase, in der sie drei Kinder erzogen hat, für einen Lehrgang zur Weiterbildung entschieden. Die andere ist allein erziehende Mutter mit zwei Kindern. – Soviel zum Thema „Unterstützung von Frauen, Frauenförderung und Wiedereinstieg in den Beruf und Weiterqualifi zierung“. Diese beiden Frauen bekommen, obwohl es anders gesagt wurde, keine Förderung nach dem AFBG. Es handelt sich um die Weiterbildung mit einem Fernlehrgang mit Prüfung in München, der bis jetzt förderfähig war. Jetzt ist folgende Situation eingetreten: Nachdem diese Fortbildung nicht den nicht verbindlichen Richtlinien der Deutschen Krankenhausgesellschaft entspricht, ist der Antrag der Petentinnen abgelehnt worden. Andere Kursteilnehmer bekamen die Förderung genehmigt. In diesem Kurs gibt es also eine Ungleichbehandlung.
Wie gesagt: Hätten wir ein Bayerisches Weiterbildungsgesetz, dann wäre auch die Weiterbildung förderfähig.
Wir haben es hier mit zwei Dingen zu tun: Erstens. Es gibt eine Ungleichbehandlung in diesem Lehrgang, die wir schlicht beseitigen müssen. Zweitens. Das Ganze wäre heilbar durch ein Gesetz, das wir in Bayern im Gegensatz zu den anderen Bundesländern nicht haben. Es kann doch nicht sein, dass der gleiche Lehrgang in anderen Bundesländern gefördert wird und in Bayern die Frauen sprichwörtlich durch die Finger schauen.
Wir müssen auch wissen, worüber wir reden. Wir reden pro Petentin von 1500 Euro, also insgesamt von 3000 Euro. Ich will nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber wenn ich daran denke, wie viel Geld für die Task Force zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in den Sand gesetzt worden ist, dann sträubt sich in mir alles. Das versteht doch kein Mensch.
Deshalb kann auch der Vorschlag der CSU im Ausschuss, die beiden Petitionen der Staatsregierung als Material zu überweisen – das ist der Hohn –, für uns nicht gelten; denn Sie lehnen das Gesetz doch ab. Das Votum „Material“ heißt doch, das Anliegen soll in die Gesetzesberatung aufgenommen werden. Das kann es doch nicht sein. Wir wollen, dass die beiden Petitionen der Staatsregierung zur
Berücksichtigung überwiesen werden, damit den Frauen der berufl iche Wiedereinstieg und die Weiterqualifi kation erleichtert werden.