Einen Moment, Herr Kollege Welnhofer. Herr Kollege Dr. Dürr, es spricht hier ein Redner am Pult. Wenn Sie Gespräche mit einem Mitglied der Staatsregierung führen wollen, machen Sie das bitte draußen, aber nicht hier drinnen auf diese Art und Weise.
Also noch einmal, Herr Kollege Dürr: Es ist nicht so, dass für uns ein Ausländer immer ein Ausländer bleiben würde, wie Sie behaupten, ganz unabhängig davon, ob er den deutschen Pass bekommt oder nicht. Das wäre so, wenn er nach Ihren Grundsätzen den Pass bekäme; denn Sie würden den Pass dem Ausländer geben, bevor er hier integriert und ein Bestandteil der deutschen Gesellschaft geworden ist.
Nein, wir sagen: Der Ausländer bekommt den Pass, wenn er ein Deutscher geworden ist, und dann wird er auch als solcher bei uns angesehen und voll akzeptiert. Aber die Einbürgerung ist erst der Schlussstein; sie ist nicht ein Teil der Integration, so wie Sie es – jedenfalls in der Vergangenheit – immer gesagt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das jetzt plötzlich alles anders sehen. Unstrittig wird sein, dass sich ein Bewerber um die Staatsangehörigkeit zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen hat. Wie jedoch dieses Bekenntnis nachgewiesen wird, ist auch eine ganz wichtige Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir sind der Meinung, dass dieses Bekenntnis kein Lippenbekenntnis sein darf, sondern auch einer Nachprüfung standhalten muss. Eine solche Nachprüfung ist notwendig.
Die aktuelle Diskussion um einen Gesprächsleitfaden aus Baden-Württemberg gibt Anlass, einige bayerische Forderungen besonders hervorzuheben. Wir wollen vor allem, dass die Überprüfung der Voraussetzungen für die Einbürgerung bundesweit einheitlich stattfi ndet. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel in Berlin oder in einem anderen Land die Einbürgerung nahezu zum Nulltarif gewährt wird
Bundesweit sollten auf jeden Fall der Sprachtest, der Staatbürgerschaftskurs, die Befragung des Bewerbers auf geeignete Weise sowie die Regelanfrage beim Verfassungsschutz einheitlich geregelt sein. Es mag sein, dass das da und dort schon gemacht wird. Unser Anliegen ist aber, dass das überall gemacht wird, und zwar überall in gleicher Intensität; allerdings nicht nach dem Berliner Modell.
Wenn es zu einer Einbürgerung kommt, muss man auch überlegen, ob es sinnvoll ist, einen Eid auf das Grundgesetz zu verlangen. Eine doppelte Staatsbürgerschaft lehnen wir nach wie vor ab. Im Übrigen empfehle ich die Lektüre des 10-Punkte-Programms der Staatsregierung – eine ganze Menge hervorragender Vorschläge, verabschiedet im Dezember des vergangenen Jahres.
Das Fazit ist: Wer nach Deutschland kommt, muss sich integrieren wollen, und zwar in dem Sinne, wie ich es dargestellt habe, vor allem, was Sprache, Wertordnung und
darüber hinaus die „Hausordnung“ angeht. Um diese Forderung von bayerischer Seite zu unterstützen, werden zahlreiche Anstrengungen unternommen, vor allem auch im Bildungsbereich. Die anderen Redner meiner Fraktion werden – wie es Kollege Sailer schon vor mir getan hat – darauf noch besonders eingehen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Bei meinem Vorredner, Herrn Kollegen Welnhofer, stand eher der Teil des Forderns im Vordergrund und weniger der Teil des Förderns. Forderungen haben wir nun wirklich ausreichend gehört; ich habe sie gar nicht schnell genug mitnotieren können. Vom Aspekt des Förderns, der zwingend zu diesem Thema gehört, war wenig zu hören. Ich gehe ein bisschen auf diesen Redebeitrag ein, gehe aber auch auf den Beitrag ein, den Herr Sailer vorangestellt hat, nämlich den Aspekt, gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern zu schaffen. Das ist ein Ziel, auf das wir uns gerne verständigen könnten.
Dazu nenne ich vorab ein paar Zahlen – Zahlen, die aus dem Kultusministerium, „Schule und Bildung in Bayern“, stammen –: 74 % aller ausländischen Schüler sind bei uns in Bayern in der Hauptschule. 7 % aller ausländischen Schüler sind in Volksschulen mit sonderpädagogischer Förderung. Das heißt, über 80 % aller ausländischer Schüler erreichen maximal den Qualifi zierenden Hauptschulabschluss, was natürlich nicht auf die Gesamtzahl der 80 % zutrifft. Nur 10 % der ausländischen Schüler besuchen ein Gymnasium. Das heißt: Nur jeder zehnte Jugendliche mit Migrationshintergrund erreicht in Bayern das Abitur. Jetzt frage ich Sie: Sind das gleichwertige Lebensverhältnisse? – Sicher nicht. In Bayern erreicht ungefähr ein Drittel aller Jugendlichen das Abitur, bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist es nur jeder zehnte. Das sind keine gleichwertigen Lebensverhältnisse. Das heißt: Es ist eine Aufgabe für uns, daran zu arbeiten.
Nächster Punkt: Beim Übergang von der Schule in den Beruf sind ausländische Schüler überproportional an dem Thema Ausbildungsplatzsuche und an der Jugendarbeitslosigkeit beteiligt. Ich empfehle Ihnen, das meine ich ernst: Besuchen Sie einmal eine Berufsschule in Ihrem Stimmkreis und gehen Sie einmal – Sie müssen sich anmelden, weil es nicht einfach ist, eine solche Klasse zu erreichen – in eine so genannte Jungarbeiterklasse. Es handelt sich um Klassen, in denen die Schulpfl icht an einem Tag in der Woche erfüllt wird. Es ist fürchterlich. Die SPD-Landtagsfraktion prangert diesen wirklich unwürdigen Zustand, der nichts mit Bildung zu tun hat, der nichts mit Förderung zu tun hat und der nichts mit Chancengleichheit zu tun hat, seit Jahrzehnten an.
Gehen Sie in eine dieser Klassen, schauen Sie in die Gesichter und Sie werden dabei feststellen: Mindestens – ich schätze – 70 % dieser Jugendlichen sind Jugendliche mit Migrationshintergrund. Da frage ich Sie: Gibt es gleichwertige Lebenschancen in Bayern?
Jetzt gibt es Modelle, Konzepte und Vorschläge. Herr Kollege Sailer hat darauf hingewiesen, es gebe das tolle HIPPY-Projekt, es gibt die Sprachförderung und vieles mehr. Es gibt vonseiten der Hauptschulen seit mindestens 10 Jahren – ich nenne es einen Dauerbrenner – die konkrete Forderung an den Freistaat Bayern, die Schulsozialarbeit und die Schulpädagogik an den Schulen auszubauen, und zwar gerade an Schulen, an denen es viele Kinder mit Migrationshintergrund gibt. Ich beziehe mich in diesem Zusammenhang auf die Antwort auf eine Anfrage, die ich gestern – ganz aktuell – vom Kultusministerium bekommen habe. Danach gibt es sage und schreibe 87 Stellen für Sozialpädagogen in ganz Bayern bei über 4000 Schulen. Wo bleibt da die Förderung des angesprochenen Ansatzes? Ich sage es noch einmal: 87 ganze Stellen für 4000 Schulen. Würde man die Arbeitszeit in Minuten aufteilen, würden vielleicht für jede Schule drei Minuten zur Verfügung stehen.
Sie nehmen das Wort „Sprachförderung“ in den Mund, beschließen darüber, verpacken es in ein Marketingprogramm und werben damit überall, wo Sie auftreten – ob das der Innenminister, der Kultusminister oder die Sozialministerin ist, überall wird von der Sprachförderung gesprochen. Es interessiert Sie aber nicht die Bohne, ob mit dem Umfang und der fi nanziellen Ausstattung, mit der Sie die Sprachförderung beschlossen haben, auch Sprachförderung betrieben werden kann. Viele Kindergartenträger sagen: Wie sollen wir es machen? – Wir haben den Faktor 1,3. Die SPD-Landtagsfraktion hat ein ganzes Bündel von Anfragen an das Ministerium gestellt. Wir erhalten aber immer die gleiche Antwort, nämlich: Wir gehen davon aus, dass mit dem Faktor 1,3 das Thema Sprachförderung erledigt ist. Auch wenn alle anderen in Bayern etwas anderes sagen, behauptet das Sozialministerium, mit dem Faktor 1,3 sei das Thema erledigt.
Es interessiert Sie nicht die Bohne, wie Kinder, die einen Migrationshintergrund haben, deren Eltern ungenügend Deutsch sprechen und die deshalb genau diese Förderung bräuchten, an die notwendige Förderung herankommen. Die Bürgermeister der einzelnen Gemeinden schreiben uns reihenweise Briefe, in denen wir aufgefordert werden: Sagt uns, liebe Abgeordnete, wie sollen wir sicherstellen, dass das Kind, das meinen Kindergarten besucht, dorthin gebracht wird, wo die Sprachförderung stattfi ndet? – Keine Antwort vom zuständigen Ministerium. Es wird gesagt: Wir haben Sprachförderung und wir haben den Faktor 1,3 und damit wird alles gut. So wird das Thema von Ihrer Seite behandelt. Aber so geht es nicht.
Fördern und Fordern – ein Grundsatz, dem auch wir uns anschließen. Bitte vergessen Sie aber nicht die Förderung und gestalten Sie diese so aus, dass tatsächlich Erfolge zu erzielen sind.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein hat gesagt: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Sehr geehrter Herr Dr. Dürr, bei Ihnen merkt man manchmal die gute Kinderstube. Lieber Herr Volkmann, es freut mich besonders, wenn man eingangs über die Integration spricht und letztendlich sagt, wir wollen moderat damit umgehen.
Wir wissen alle, dass Sprachvermögen der Schlüssel für ein gesellschaftliches, wirtschaftliches und kulturelles Leben ist. Gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund lassen sich mit sprachlichen Barrieren verbundene Schwierigkeiten feststellen. Daran wollen wir arbeiten. Wenn wir in Deutschland – wir wollen nicht auseinanderdividieren, sondern miteinander arbeiten – keine Parallel- und Separatgesellschaft haben wollen, müssen wir eine gemeinsame Sprache haben.
Ein Kernpunkt der Integrationsbemühungen der CSULandtagsfraktion und der Bayerischen Staatsregierung ist deshalb die gezielte Förderung des Spracherwerbs bei Kindern ausländischer Mitbürger im Rahmen einer Deutsch-Offensive.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, zum Thema „Fördern und Fordern“ wird bereits viel getan. Allerdings geht nicht alles auf einmal. Gehen wir es in Ruhe an. Die Vorkurse sind ein verbindliches Element zwischen Kindergarten und Schule. Die Vermittlung von Sprachkenntnissen im Kindergarten ist eine Voraussetzung für die anschließende Einschulung unserer Kinder. Die Kinder sollen später an der Berufswelt beteiligt sein.
Zu Beginn des Schuljahres 2005/2006 haben wir die bisher dreimonatigen Vorkurse im Kindergarten auf das gesamte Jahr vor dem Schuleintritt ausgeweitet. Statt bisher 40 Stunden umfasst die Förderung nunmehr 160 Stunden im Fach Deutsch. Mit der künftig spätestens ein Jahr vor der Einschulung durchzuführenden Sprachstandserhebung wird frühzeitig ein Förderbedarf bei Kindern mit Migrationshintergrund festgestellt. Eine Verpfl ichtung zum Besuch der Vorkurse soll sicherstellen, dass diese wichtige Voraussetzung für die Integration aller Kinder mit Sprachförderbedarf erreicht wird. Derzeit befi nden sich rund 6750 Kinder in den 724 einjährigen Vorkursen, die die Integrationschancen erheblich verbessern.
Als zweite Säule der Sprachförderung haben wir die schulischen Maßnahmen weiter ausgebaut. Ein Schwerpunkt ist dabei der bedarfsorientierte Ausbau der Sprachlernklassen, deren Zahl seit der Einrichtung im Jahr 2002 auf 270 Gruppen mit insgesamt 2700 Schülerinnen und Schülern in diesem Schuljahr angestiegen ist. In den Sprachlernklassen erhalten Schulanfänger mit unzureichenden Deutschkenntnissen in den Kernfächern intensiven Deutschunterricht von bis zu 17 Wochenstunden. Zugewanderte schulpfl ichtige Kinder und Jugendliche bekommen in den Übergangs- und Eingliederungsklassen einen vertieften Deutschunterricht. Gegenwärtig werden insgesamt 1638 Schüler in 114 Übergangsklassen und 158 Schüler in 11 Eingliederungsklassen unterrichtet. Da kann man uns doch nicht vorwerfen, dass nichts getan würde.
Zum Förderkonzept des Freistaates zählen auch die Förderkurse „Deutsch als Zweitsprache“ sowie Intensivkurse.
Hierzu eine Zahl: 56 107 Schülerinnen und Schüler erhalten in insgesamt 6566 Gruppen diese besondere Förderung. An Grund- und Hauptschulen stehen zudem etwa 1500 Förderlehrkräfte speziell für die Sprachförderung und -betreuung zur Verfügung. Selbstverständlich können wir dieses Angebot immer noch weiter ausbauen. Wir brauchen aber auch das Geld, um uns diese Fachkräfte leisten zu können.
Das ist eine ganz praktische Theorie. Ich kann natürlich ganz theoretisch fordern. Lieber Herr Kollege Dr. Dürr, man muss sich aber alles im Leben erst erarbeiten; man darf nicht nur davon „schmatzen“.
Ich möchte noch etwas zur Erwachsenenbildung sagen: Das Programm „Mama lernt Deutsch“ ist ein wertvoller Beitrag dazu, dass Frauen, die zu uns kommen, unsere Sprache beherrschen. Seien Sie mir nicht böse: Es waren wieder die Männer, die die Frauen behindert haben. Ich hatte die Gelegenheit, mit Türkinnen in einer Mama-lerntDeutsch-Gruppe zu reden. Man erfährt in diesen Gesprächen, wie es draußen ausschaut.
Das hat uns aber nicht davon abgehalten, etwas zu machen. Das ist das Schöne in der Politik. Übrigens bedeutet Politik „zusammenwirken“ und „zusammenklingen“. Die Integrationsarbeit ist sehr ernst. Wir sollten deshalb nicht locker drübergehen.
Zum Abschluss: Der Freistaat ist auf einem guten Weg. Das zeigen nicht nur die Pisa-Ergebnisse. Der Anteil von Hauptschülern ohne Schulabschluss konnte von 30,8 % im Schuljahr 2000/2001 auf 22,3 % im Schuljahr 2003/ 2004 gesenkt werden. Diese Zahl ist immer noch zu hoch. Wir müssen daran arbeiten. Deshalb bitte ich um ein gutes Zusammenwirken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, Sie haben gesagt, die CSU habe die Integration nicht erfunden. Wir haben sie jedoch zur Sprache gebracht.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist in diesem Hohen Haus unstrittig, dass Integration eine ständige Herausforderung ist. In Bayern leben circa eine Million Ausländerinnen und Ausländer. Wenn ich mir jedoch die Situation der Ausländer in Bayern ansehe, stelle ich fest, dass wir zusammen mit Baden-Württemberg bei Ausländern die niedrigste Arbeitslosenquote haben. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.
Gleichzeitig ist jedoch die Arbeitslosenquote bei den Ausländern relativ hoch. Sie lag im Jahresdurchschnitt 2005 bei 19,6 % und war damit doppelt so hoch wie die allge