Es ist nicht leicht, einen sozialen Faktor zu berücksichtigen, ohne dabei ein bestimmtes Maß an Bürokratie zu schaffen. Etwa 400 000 Schüler, also 20 % von knapp 1,9 Millionen Schülern, brauchen das Büchergeld nicht zu bezahlen. Diese 350 000 bis 400 000 Kinder, die kein Büchergeld bezahlen müssen, werden in Bayern weiterhin mit lernmittelfreien Büchern versorgt. Und das ist gut und richtig so. Aber wenn ich das gerecht machen und genau den Personenkreis herausnehmen will, der bedürftig ist, und nicht andere, die das Büchergeld durchaus zahlen könnten, brauche ich irgendeine Möglichkeit, das Ganze hieb- und stichfest zu machen, Wir haben ein Verfahren gefunden, das einigermaßen praktikabel ist; wie es halt immer ist, wenn man nachweisen will, dass man eigentlich etwas will. Wer bezahlt, braucht nichts nachzuweisen. Nachweise muss derjenige erbringen, der nicht zahlen will. Auch das muss man einmal sagen. Und da ist es nicht zu viel verlangt, dass sich jemand eine Bestätigung abholt, damit er die 20 oder 40 Euro nicht zu bezahlen braucht.
Herr Pfaffmann, nun zum Thema „Datenschutz“, auch dieses Thema möchte ich aufgreifen. Ich bin mit der Auffassung des Datenschutzbeauftragten im Freistaat aus folgendem Grund nicht ganz einverstanden – das räume ich offen ein: Ich sehe es ein, und es ist völlig vernünftig, dass Mitschüler einer Klasse nicht erfahren, wessen Eltern das Büchergeld nicht bezahlen können. Dass die Mitschüler nicht wissen sollen, welche Eltern das Büchergeld nicht bezahlen können, geht völlig in Ordnung. Allerdings teile ich die meines Erachtens überzogene Forderung nicht, dass die Umschläge abgegeben werden, aber der Klassleiter – man höre, die Person, die in der Hauptsache für die Erziehung dieser Kinder verantwortlich ist – nicht in die Kuverts schauen darf, sondern sie irgendwelchen, anonym bestimmten Personen an der Schule geben muss, damit diese die Umschläge öffnen und der Klassleiter nicht erfährt, ob er in seiner Klasse drei, fünf oder acht vom Büchergeld befreite Schüler hat. Da gehe ich nicht mit.
Sie haben vorhin unseren bayerischen Lehrern ein ganz großes Misstrauen ausgesprochen. Sie haben hier unterstellt, unsere Lehrkräfte würden, wenn sie erführen, dass Schüler das Büchergeld nicht bezahlen könnten, diese Kinder benachteiligen.
Ich möchte von Ihnen ganz klar wissen, ob Sie das so sehen oder nicht. Wenn ich als Staatssekretär im Kultusministerium unterstellen würde, dass unsere Lehrkräfte Kinder benachteiligen, weil sie über das Büchergeld erfahren, dass der Vater vielleicht Hartz-IV-Empfänger oder Arbeitslosengeldempfänger ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann würden Sie zu Recht sagen: Staatssekretär, geh heim, du stehst nicht einmal hinter deinen Lehrern. Ich stehe hinter meinen Lehrern und sage, sie werden keine Kinder benachteiligen, deren Eltern das Büchergeld nicht bezahlen können.
Ich schließe nicht aus, dass es da oder dort einmal zu einer solchen Reaktion kommen kann. Bei hunderttausend Beamten können Sie das nie ganz ausschließen. Ich biete wirklich an, mir dann diesen Fall zu sagen. Denn ich lasse es nicht zu, dass es in diesem Land Lehrer gibt, die Kinder benachteiligen, weil sie das Büchergeld nicht bezahlen können. Mit den Leuten würde ich gerne reden, denn das kann nicht angehen.
Aber unsere Lehrer werden das nicht tun, weil es ein Irrsinn wäre. Umgekehrt erwarten Sie eine ganzheitliche Erziehung. Sie haben gerade das Stichwort Ganztagesschule angesprochen, Herr Pfaffmann. Sie waren es, der das Thema angesprochen hat. Das Thema Ganztagesschule hat durchaus einiges für sich, vielleicht auch, weil die Chance zu erziehen, wo Elternhäuser nicht mehr erziehen, größer ist. Nur, wie wollen Sie denn einem Lehrer überhaupt die Chance geben, persönlichkeitsbildend und -erziehend tätig zu sein, wenn er nicht einmal das familiäre Umfeld kennt. Ich begreife das nicht. Ich halte es für nötig, dass ein Lehrer ein Stück weit das familiäre Umfeld seiner Schüler kennt, um tatsächlich persönlichkeitsbildend tätig werden zu können.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie den von mir selbst bzw. von meinem Sohn erlebten Fall, dass der Klassenlehrer die Meldung des einsammelnden Lehrers bekam, in seiner Klasse fehlten noch zwei und er daraufhin die beiden namentlich vor der ganzen Klasse nannte? Mein Sohn war davon betroffen. Er hat mir das erzählt. Der Lehrer sagte dann, sie sollten doch bitte bei den Eltern noch einmal nachfragen. Ich frage jetzt Sie, Herr Staatssekretär, was tun Sie in diesem ganz konkreten Fall?
Ich bin gerade darauf eingegangen. Ich unterstelle dieser Lehrkraft kein Fehlverhalten, aber es war sicher ein Fehler. Das ist ein Unterschied. Frau Abgeordnete, ich will nicht persönlich werden, es wäre aber sicherlich vorbildhaft – das gilt natürlich für uns alle, auch für mich –, wenn die Eltern unter uns das Büchergeld rechtzeitig abliefern würden und nicht ausgerechnet Abgeordnete gemahnt werden müssen.
(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Antworten Sie, Herr Freller! – Simone Tolle (GRÜNE): Was tun Sie jetzt in dem Fall?)
Ich habe erwähnt, dass wir das nicht wünschen, und wenn ein Einzelfall bekannt wird, wenn Sie sich über einen Lehrer beschweren, dann werde ich das natürlich an das Schulamt weitergeben. Das ist doch klar.
Ich glaube nicht, dass jemand das absichtlich macht, dass Ihr Sohn oder Ihre Tochter bloßgestellt wird, dass die Mutter ein Sozialfall wäre. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
(Heiterkeit bei der CSU – Ulrike Gote (GRÜNE): Ich fi nde das gar nicht lustig! – Zurufe der Abgeordneten Henning Kaul (CSU) und Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))
Ich komme zum nächsten Thema. Ich möchte in aller Ruhe auf das Kostengefälle eingehen, auf die unterschiedlichen Aussagen, was die Kommunen an Kosten haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie draußen an Ihren Schulen oder einfach in Ihren Kommunen abfragen, wie es läuft, dann werden Sie Folgendes feststellen: Dort, wo die Schule und die Kommune oder der Bürgermeister gut miteinander harmonieren, gibt es keine Probleme. Die Rückmeldung heißt: Das haben wir alles im Griff. Dort, wo einer von beiden das Ganze nicht
gerne macht, gibt es schon Ärger, und wenn es beide nicht wollen, dann steht es groß in der Zeitung.
Wenn es bei vielen Kommunen funktioniert, verstehe ich nicht, warum es bei anderen nicht funktioniert. Da wird man sich vielleicht in der Kommune einmal fragen müssen, was haben wir für eine Verwaltung, was haben wir bei der letzten Kommunalwahl gewählt,
wenn die nicht in der Lage sind, das Büchergeld zu organisieren, während es die Nachbargemeinde mit vielleicht sogar doppelt so vielen Schülern reibungslos macht und das Geld entsprechend abliefert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das muss einmal gesagt werden. Wenn es überall nicht funktionieren würde, dann würde ich sagen, der große Fehler liegt bei uns. Wenn es aber bei einem Drittel nicht funktioniert, von dem man weiß, dass es zum Teil überzeugte Gegner des Büchergeldes von Anfang an waren,
Ich selbst bin noch im Stadtrat von Schwabach. Ich kenne die Diskussion. Ich habe für die Kommunen Verständnis, wenn sie es das erste Mal organisieren müssen. Ich behaupte nicht, dass alles perfekt organisiert war, aber sie haben die Zusicherung des Ministers, sie haben die ganz klare hier im Landtag gemachte Aussage von Minister Schneider, dass wir das ganze Verfahren noch einmal überprüfen, und dort, wo wir Verbesserungsmöglichkeiten sehen, werden wir die Letzten sein, die sich gegen Verbesserungen wehren.
Ich darf auch die Opposition einladen, konstruktiv mitzuarbeiten, dass sich das Einsammeln des Büchergeldes möglichst reibungslos vollzieht.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich habe noch 1 Minute und 54 Sekunden Redezeit, und die will ich nutzen, weil Sie mich enttäuscht haben.
Ich habe gehofft, dass Sie hier als Kultusstaatssekretär sprechen und die Interessen der Schulen in diesem Land vertreten.
Sie haben bei den Alternativen nur Einsparvorschläge genannt. Sie haben gesagt, Sie wollen, wenn Sie das Büchergeld nicht haben, beim Sport etwas wegnehmen oder beim Unterricht etwas wegnehmen oder Sie könnten noch Lehrerstellen streichen. Sie haben aber keine Sekunde lang die notwendigen Forderungen des Schul- und Bildungswesens in Bayern formuliert und zum Antrag und zur Abstimmung gestellt.
Das ist Ihr Problem, Herr Staatssekretär. Sie sparen ganze 15 Millionen Euro. Sie sagen, dass kein Geld da sei. Wir hatten vor fünf Jahren die BSE-Krise in Bayern. Dort, wo es notwendig war, waren über Nacht 300 Millionen Euro da. Sie waren notwendig, kein Zweifel, aber sie waren eben verfügbar. Und was dort verfügbar war, das sollte für den wichtigsten Bereich staatlichen Handelns heute, nämlich Erziehung, Unterricht und Bildung der Kinder verfügbar sein. Das wäre Ihre Aufgabe gewesen, Herr Staatssekretär.
Ich kann nur bedauern, dass Sie in der Phase, in der sich die CSU derzeit befi ndet, nicht die Kraft und den Mut aufbringen, an einer einzigen Stelle einmal zu sagen: Hier haben wir Mist gebaut, hier haben wir eine Fehlentscheidung getroffen,