Dies nur mal am Rande. Wer Schulden macht, Herr Kollege Bernhard, um zu investieren, lebt nicht über seine Verhältnisse.
Ich habe beim Herrn Präsidenten nachgelesen. Er hat Ludwig Börne zitiert. Ich fi nde, dieses Zitat passt ganz gut für die Bildungslandschaft. Es heißt nämlich: „Die Lebenskraft eines Zeitalters liegt nicht in seiner Ernte, sondern in seiner Aussaat.“ Wir sparen an der Aussaat, und das gefährdet zwar nicht unsere Ernte, aber die Ernte unserer Kinder.
Deshalb dürfen wir, wenn wir Bildung säen, nicht sparen. Nachhaltigkeit, Liebe zu unseren Kindern und die Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder zeigen sich nämlich in der Art und Weise, wie wir diese Aussaat qualitativ und quantitativ organisieren.
Der Antrag, den ich schon in der letzten Plenarsitzung gestellt hatte, war eine Chance für Sie, Herr Kollege Bernhard, das Problem Lehrermangel mit einer langfristigen Strategie anzugehen und damit den Beteiligten eine Perspektive zu geben und der Staatsregierung die Chance, ihre Finanzen danach auszurichten.
Wenn Sie nämlich einen Plan hätten, müssten Sie nicht mehr aus der Hüfte schießen. Mit meinem heute vorgelegten Antrag bekommen Sie wieder die Chance, Ihre fehlende Weitsichtigkeit zu korrigieren. Sie müssten dann nicht mehr, wie vorhin erwähnt, von einer Scholle zur anderen springen, sondern kämen endlich an Land.
Ich erlaube mir jetzt noch, kurz die Lage zu beschreiben. Wie Sie sicherlich alle wissen, haben wir eine Pensionierungswelle vor uns. Bis 2010 müssen 28 000 Stellen neu besetzt werden; das sind, dieses Jahr mitgerechnet, 4600 Einstellungen pro Jahr. Herr Kollege Waschler, Sie haben in diesem Jahr 4300 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt, obwohl wir mehr Schüler haben. Das heißt, wir haben allein auf diesem Gebiet eine Unterdeckung von 300 Lehrern.
Ich möchte auch die Probleme in der Hauptschule erwähnen, die vom Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband unter dem Begriff „SOS-Hauptschule“ immer thematisiert werden. Ich glaube, Sie müssen endlich aufhören, sich zur Hauptschule nur verbal zu bekennen; denn zu verbalen Bekenntnissen gehört immer ein Weiteres: Geld. Eine erfolgreiche Ausbildungsplatzsuche beginnt in
der Hauptschule, und da brauchen wir mehr engagierte Lehrer und Lehrerinnen, damit wir mehr individuelle Förderung betreiben können.
An den Realschulen gibt es 250 Klassen mit mehr als 34 Kindern; der Durchschnitt liegt bei 28,8 Schülern. Die Klassenzimmer platzen also aus allen Nähten. Auch an den Gymnasien liegt der Durchschnitt bei 28 Schülerinnen und Schülern. Mehr als die Hälfte unserer Kinder in der fünften Klasse befand sich im letzten Schuljahr in Klassen mit mehr als 30 Kindern.
Herr Kultusminister, ich möchte nicht, dass Sie niemals zeigen können, ob Sie etwas können und was Sie alles können; denn solange Sie kein Geld bekommen, sind Sie Gefangener eines gescheiterten Kanzlerkandidaten, der vom Sparwahn befallen ist und nun nach Berlin fl üchtet, um seine wenig weitsichtigen Phantasien der ganzen Republik aufzubürden.
Mein Antrag enthält Zielvorgaben erstens für den Lehrerbedarf, zweitens auch für eine qualitativ hochwertige Weiterentwicklung. Bayern braucht gute Aussaaten, und damit können Sie im Nachtragshaushalt beginnen. Das Ziel von mehr Geld für eine bessere Bildung in Bayern muss aber über den Nachtragshaushalt hinaus gelten. Ihre Zustimmung zu meinem Antrag wäre Garant für eine gute Ernte, die unseren Kindern und damit unserem Land Bayern zugute kommt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer den Blick von außen auf die bayerische Bildungspolitik wirft, sieht bestätigt, dass sie wie in keinem anderen deutschen Land mit Qualität und Güte gleichgesetzt wird. Jede Studie, die gemacht wird, und jede Äußerung von außen zum bayerischen Bildungswesen zeigen, dass wir ein qualitätsvolles und gutes Bildungssystem haben und dass dieses Bildungssystem eine Gemeinschaftsleistung von Lehrkräften, Schülern und Eltern, aber auch der Politik ist.
Sie sprechen von Oberfl ächlichkeit. Aber wenn Sie die Pisa-Studie ansehen, werden Sie feststellen, dass diese nicht oberfl ächlich ist, sondern eine erste Auswertung ist, in der die Grundaussagen dargestellt sind. In der PisaStudie steht tatsächlich – ob Sie es glauben wollen oder nicht –, dass in keinem anderen Land in Deutschland der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzentwicklung so gering ist wie in Bayern. Das steht so drinnen.
Der Zusammenhang zwischen Kompetenzentwicklung und sozialer Herkunft ist in keinem Land so gering wie in Bayern; das steht in der Pisa-Studie mit drinnen.
Wir werden ab November natürlich auch die Einzelauswertungen bekommen, die Auswertungen über die einzelnen Schularten und die Ländervergleiche und werden diese in aller Offenheit miteinander besprechen und, wenn notwendig, die Konsequenzen ziehen.
Frau Kollegin Tolle, nach meiner Erinnerung haben alle Fraktionen den Gesamtband von Pisa 2000 bekommen, in dem die Einzelergebnisse stehen. Selbstverständlich werden auch Sie ebenso wie alle anderen Fraktionen den Gesamtband von Pisa 2000 und Pisa 2003 bekommen, wenn Sie ihn noch nicht vorliegen haben.
Dass die Bildungspolitik Priorität hat, kann man auch am Haushalt ablesen; Kollege Prof. Dr. Waschler hat darauf hingewiesen. Aber Prioritäten können natürlich nicht im luftleeren Raum gesetzt werden. Der Verantwortung wird nur derjenige gerecht, der auch die Rahmenbedingungen zur Kenntnis nimmt.
Frau Kollegin Tolle, Sie schildern Ihre Träume und Visionen. Man kann Sie bei Ihren Träumen und Visionen natürlich ein Stück begleiten. Aber irgendwann gilt es in der Verantwortung auch die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Würden wir die Steuereinnahmen fortschreiben, wie wir sie uns wünschen, könnten wir tolle Pläne machen. Aber ich muss als Kultusminister natürlich auch die harte fi nanzpolitische Realität zur Kenntnis nehmen, und diese zeigt, dass wir in diesem Jahr und in den nächsten Jahren entgegen den Steuerschätzungen und Prognosen kein Plus, sondern ein Minus haben werden. Man muss ganz deutlich sagen, dass alles, was der Bildungshaushalt dazubekommt, einem anderen Bereich weggenommen werden muss; denn unser Ziel kann es nicht sein, den Staat mit Fremdfi nanzierungen aufrechtzuerhalten. Man hat ja in Berlin diesen Versuch gemacht, dort steht man jetzt vor einem Desaster. Der Kultusminister und sein Ministerium sind dafür verantwortlich, unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine solide Unterrichtsversorgung sicherzustellen.
Frau Kollegin Tolle, entgegen Ihrer Meinung haben wir in diesem Jahr 4607 Lehrer eingestellt; Sie haben dagegen gerade 4600 Lehrer gefordert. Ich könnte jetzt sagen, ich habe sieben Lehrer mehr eingestellt, als Sie gefordert haben, aber so weit möchte ich nicht gehen. Ich möchte aber zur Kenntnis geben, dass wir das, was wir leisten können, auch leisten. Aber ich muss mich ebenso wie jeder andere Minister mit der harten Realität der Steuereinnahmen auseinandersetzen.
Dass die Fraktion und die Staatsregierung für dieses Schuljahr Kraftanstrengungen unternommen haben, wurde bereits mehrfach angesprochen. Wir haben nicht nur 500 zusätzliche Stellen geschaffen, sondern vor wenigen Wochen für die Berufsoberschulen und Fachoberschulen weitere 50 Stellen eingerichtet und für die
Berufsschulen weitere Mittel für nebenberufl iche Kräfte zur Verfügung gestellt. Es ist auch meine Aufgabe, dafür zu kämpfen, dass im Nachtragshaushalt eine solide Unterrichtsversorgung gewährleistet ist. Aber ich werde natürlich auch das Wünschenswerte, Notwendige und Machbare prüfen müssen. Wenn wir das nicht tun, werden wir auch der jungen Generation nicht gerecht.
Die Forderung, 2000 Lehrer sofort einzustellen, kann die Opposition natürlich erheben, sie ist aber derzeit nicht darstellbar. Dass Sie damit die Unterstützung der Lehrerverbände bekommen, ist auch selbstverständlich; es wäre schlimm, wenn dies ein Lehrerverband nicht unterstützen würde.
Über die Forderung nach einem Investitionsprogramm müssen wir ehrlich miteinander sprechen. Für die räumliche Ausstattung ist der Sachaufwandsträger, für das Personal sind wir zuständig. Ich kann also nicht immer alles an den Staat abgeben, sondern hier bedarf es einer Gemeinschaftsanstrengung. Unser Ziel ist es, Ganztagsangebote – nicht Ganztagsschulen – so zur Verfügung zu stellen, dass letztlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die richtige Förderung der Schülerinnen und Schüler möglich sind.
Herr Kollege Pfaffmann, bei der individuellen Förderung unterschlagen Sie beispielsweise vollständig unsere Förderlehrer an den Volksschulen.
Ich widerspreche auch der Forderung der GRÜNEN, überall Intensivierungsstunden einzuführen; denn an den Volksschulen haben sich die Förderlehrer bewährt. Es wäre falsch, jetzt diese Förderung auf eine Förderung mit Intensivierungsstunden umzustellen.
Jetzt könnten Sie sagen: Das machen wir zusätzlich. Das hake ich aber ab unter Träume. Die 1500 Förderlehrer haben sich bewährt und dienen zur individuellen Förderung. Es ist nicht immer mehr Geld, das man braucht, um individuelle Förderung zu leisten, sondern es ist Unterrichtsprinzip, stärker auf die individuelle Förderung zu achten, den Unterricht im Methodenmix so zu gestalten, dass stärker auf den einzelnen Schüler eingegangen werden kann.
Wir werden die Qualitätsoffensive weiter führen. Die Klassengröße ist nicht der allein entscheidende Parameter. Wenn ich aber die Forderung höre: Wir brauchen kleinere Klassen an den Hauptschulen, dann stelle ich fest, mit einem Schnitt von 21,7 haben wir hier einen guten Wert.
Die Rückmeldungen von den Volksschulen sagen auch, dass die Unterrichtsversorgung in einem guten Maß gesichert ist.
Dass wir im Bereich der Realschulen und der Gymnasien daran arbeiten müssen, die sehr großen Klassen sukzessive zurückzuführen, das ist, denke ich, gemeinsame Einsicht, und daran wollen wir arbeiten. Aber die Aussage eine Klassengröße von 30 sei schlecht für die Schüler, das belegt keine Studie.
Weder fi ndet sich eine solche Aussage in der Pisa-Studie noch in der Untersuchung des Ifo-Instituts. Auch Untersuchungen aus Kanada und aus Amerika widerlegen, dass die Schüler automatisch bessere Leistungen erzielen, wenn die Klassengröße geringer ist. Entscheidend ist, wie ich den Unterricht gestalte, wie ich den Unterricht organisiere, wie gut ich auf den einzelnen Schüler eingehe. Das wird nach wie vor unsere Konzeption sein. Wir werden im Nachtragshaushalt die notwendige Diskussion führen. Meine Aufgabe wird sein, für eine solide Unterrichtsversorgung zu kämpfen. Das werde ich tun, davon dürfen Sie überzeugt sein. Wir werden genügend Samen aussäen, um in Bayern eine gute Zukunft zu haben.
Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Weikert. Die Staatsregierung hatte mittlerweile 48 Minuten, das ergibt drei Minuten Zuschlag für die Fraktionen.
Zusätzlich darf ich bekannt geben, dass die CSU-Fraktion für den Antrag der SPD namentliche Abstimmung beantragt hat.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz zu meinem Vorredner, Herrn Minister Schneider. Wir werden Sie, Herr Kultusminister, sicher beim Wort nehmen, wenn Sie sagen, Sie werden die notwendigen Konsequenzen aus der Pisa-Feinstudie, die wir demnächst ausführlich behandeln werden, ziehen. Sie können sicher sein, das haben wir uns ganz genau gemerkt.
Herr Minister Schneider, Sie reden von der „soliden Unterrichtsversorgung“. Diesen Begriff habe ich in Ihren Ausführungen mehrfach gehört. Solide Unterrichtsversorgung ist für mich zunächst etwas nicht Defi nierbares, zumindest ist es nicht klar abgrenzbar. Die Frage ist, Herr Minister, ob Sie bereit sind, Anspruch und Realität aufzunehmen und darauf zu reagieren.