Protocol of the Session on April 21, 2005

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Dr. Spaenle, Ihr pseudowissenschaftliches Gequatsche interessiert die Eltern überhaupt nicht, weil sie sich die Schule nicht mehr leisten können. Da können Sie noch so gescheit daherreden.

(Thomas Kreuzer (CSU): Von Universität verstehen Sie halt nichts!)

Es hilft nichts, wenn sich die Eltern dieses Schulsystem nicht mehr leisten können. Herr Kollege Dr. Waschler, ich muss Ihnen attestieren: Sie sind meilenweit von der Realität der Familien in diesem Lande entfernt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das hat Ihre heutige Rede gezeigt. Unabhängig davon können Sie es einfach nicht lassen, die Leute zu beschwindeln, die Lage zu beschönigen und falsche Zahlen zu nennen. Wir haben schon mehrmals darüber diskutiert: Der schlechte Durchschnitt der bildungspolitischen Ausgaben der Bundesrepublik Deutschland liegt bei 2,3 %. Bayern gibt 0,3 % weniger aus. Das sind 1,25 Milliarden Euro jährlich. Das geben Sie weniger als die anderen Länder im Durchschnitt aus. Das ist die Wahrheit, auch wenn Sie hier noch so schöne Reden halten.

(Beifall bei der SPD)

Zum Zweiten: Herr Kollege Dr. Waschler, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten 887 Lehrer eingestellt. Das ist wieder einmal so eine Formulierung, die zurechtgerückt werden muss. Sie haben keine Lehrer eingestellt. Sie haben 887 Stellenäquivalente geschaffen. Das ist ein Unterschied. Mit Stellenäquivalenten können die Schulen leider nicht unterrichten. Das bedeutet, Sie haben zulasten der Lehrerinnen und Lehrer mit der Arbeitszeitverlängerung und der Unterrichtspfl ichtzeitverlängerung 887 Stellen eingespart. Das sind nahezu 45 Millionen Euro, die die Lehrer erbringen, weil Sie keine Köpfe in die Schule stecken. Das ist das Problem, das wir haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass jeder fünfte Schüler den Unterrichtsstoff nur noch mit Nachhilfeunterricht schafft. Das ist keine sozialistische Kampfargumentation, sondern das Ergebnis einer Umfrage. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die deutschen Eltern – das ist in Bayern nicht anders – jährlich zwei Milliarden Euro für Nachhilfestunden ausgeben. Nehmen Sie das zur Kenntnis, bevor Sie hier schöne Reden halten.

Natürlich können nur Kinder Nachhilfestunden erhalten, deren Eltern sich das leisten können. Da fängt das Problem an. Das ist die Bildungsungerechtigkeit, die wir haben. Denjenigen, die es sich leisten können, geht es durchaus nicht schlecht. Das ist keine Frage. Was ist aber

mit denjenigen, die sich Nachhilfeunterricht nicht leisten können, wo der Gipfel der Belastung erreicht ist? – Es geht hier nicht nur um Nachhilfe. Gehen Sie einmal zu Hugendubel und schauen Sie sich die Übungsbücher an. Dort gibt es Vorbereitungsbücher für Schulaufgaben. Sehen Sie sich einmal die Literatur an, die es mittlerweile gibt. Die Eltern rennen da hin, weil ihre Kinder sonst die Schule nicht mehr schaffen. Sehen Sie sich einmal an, was das kostet.

Die Eltern rennen da hin und kaufen sich Schulaufgabenvorbereitungsbücher. Allein das ist schon ein Skandal. Das ist eine Bankrotterklärung dieser Bildungspolitik. Wenn die Eltern diese Bücher kaufen, sind sie 50, 70 oder 100 Euro für eine Schulaufgabenvorbereitung los. Sie sagen hier, das alles sei kein Problem. Das ist eine selektive Wahrnehmung, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist Haarspalterei!)

Wir haben heute über das G 8 geredet. Jawohl, das achtjährige Gymnasium ist inhaltlich diskutabel. Darum geht es aber nicht. Hier geht es um die Chaos-Umsetzung, die Sie verbrochen haben, und um die Belastung der Eltern. Wer zahlt denn die Mittagsbetreuung und das Mittagessen? – Sie zahlen das doch nicht über den Staatshaushalt. Das zahlen die Eltern. Die Summe all dieser Kosten – dieser versteckten Kosten – führt leider dazu, dass es in diesem Lande Menschen gibt, die sich eine höhere Schulbildung leisten können, und dass es Menschen gibt, die sich das nicht mehr leisten können. Dafür sind in diesem Lande allein Sie verantwortlich, weil Sie die Bildungspolitik machen.

Diese Liste könnte ich weiterführen. Ich nenne das Büchergeld oder die versteckten Kosten, die Eltern für Schulfahrten bezahlen müssen. Das alles kostet Geld. Rechnen Sie das einmal zusammen und nehmen Sie zur Kenntnis, was der Bayerische Elternverband an Schülerkosten für eine Familie errechnet hat. Die Zahlen liegen zwischen 700 und 1200 Euro. Sie aber reden alles schön und tun so, als hätten wir keine Probleme.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so kann es nicht sein. Ich wünsche Ihnen, dass Sie erkennen, was da diskutiert wird. Ich halte es für bezeichnend, dass heute kein CSU-Abgeordneter aus dem Bildungsausschuss redet. Wir werden uns über die Realitäten zu unterhalten haben.

Herr Kollege Pfaffmann, Sie haben Ihre Redezeit deutlich überschritten.

Ich höre sofort auf. Ich wünsche mir im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler, dass wir zu einer realitätsbezogenen Debatte in diesem Plenum zurückkehren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Eisenreich.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.“ Mit dieser Forderung haben Sie völlig Recht. In Bayern ist das auch nicht der Fall. In Bayern hängt Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern ab. Hören Sie bitte auf, die Situation in diesem Land ständig schlecht zu reden, weil das mit der Realität nichts zu tun hat. Sehen Sie sich einmal die Studien an. Die Studien sagen etwas völlig anderes aus. Vergleichen wir einmal Bayern mit anderen Bundesländern, und zwar mit denen, in denen Ihre Kollegen regieren: Während wir in Bayern versuchen, die Latte immer höher zu legen, wie bei einem Hochsprung-Wettbewerb, schaffen Sie es noch nicht einmal vom Boden auf die Matte. Das haben die Studien gezeigt. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben im Bildungsetat überdurchschnittliche Steigerungen. Herr Kollege Dr. Waschler hat das bereits gesagt. In Bayern gibt es die Schulwegkostenfreiheit. Diese wird auch nicht angetastet, anders als in anderen Bundesländern. Die Lernmittelfreiheit bleibt. Erhoben wird lediglich ein maßvoller Elternbeitrag, für den es aber auch einen Gegenwert gibt.

(Karin Radermacher (SPD): Dann bleibt aber die Lernmittelfreiheit nicht!)

Der Gegenwert ist ein verbesserter Bücherbestand an den Schulen. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass dafür eine gute und ausreichende soziale Komponente geschaffen wird.

(Susann Biedefeld (SPD): Das wäre eine ureigenste Landesaufgabe!)

Für die Studiengebühren – Herr Kollege Dr. Spaenle hat es angesprochen – wird es ebenfalls eine soziale Komponente geben.

(Ludwig Wörner (SPD): Herr Kollege, haben Sie die Briefe von den Rektoren aus Ihrem Stimmkreis nicht bekommen?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zu Ihrem ständigen Generalangriff auf das bayerische Schulsystem: Wir wollen nicht für jedes Kind die gleiche Schulart, sondern die richtige. Ihre Gleichmacherei führt nicht zum Ziel und auch nicht zu einer besseren Bildung in diesem Land. Hören Sie doch bitte endlich mit dieser unsinnigen Forderung auf. Fördern und fordern ist notwendig. Die Kinder sind leistungsbereit. Wir sollten sie an dieser Leistung nicht hindern. Richtig ist, wir brauchen mehr individuelle Förderung. Dafür ist an den Gymnasien mit den Intensivierungsstunden ein wirklich guter Einstieg gelungen.

(Susann Biedefeld (SPD): Wo fi nden die denn statt?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben die fehlende Durchlässigkeit des Schulsystems beklagt. An

der Durchlässigkeit des Schulsystems ist in den letzten Jahren viel gearbeitet worden. Ich nenne nur den M-Zug an den Hauptschulen oder die FOS 13. Nehmen Sie bitte die Realität zur Kenntnis.

Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Darum bemühen wir uns.

(Zuruf von der SPD: Bislang erfolglos!)

Ich möchte diesen Gedanken weiterführen: Wovon hängt denn der Geldbeutel der Eltern ab? – Er hängt von Arbeitsplätzen und von Arbeit in diesem Land ab. Machen Sie Ihre Hausaufgaben, damit die Eltern Arbeit und Geld haben. Dann wird es uns allen besser gehen.

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Rupp.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fi nde es sehr bedauerlich, dass Kollege Spaenle nicht mehr da ist. Für uns Hochschulpolitiker geht es nämlich um die Studiengebühren. Ich fand es interessant, dass er in seinem Vortrag sehr unpräzise war. Ich würde das ausnahmsweise – ich bin das vom Kollegen Spaenle sonst nicht so gewohnt – als „gnadenloses Geschwalle“ bezeichnen; denn er ist nicht auf einen einzigen Fakt eingegangen. An Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, gerichtet: Ihnen ist hoffentlich klar, dass weder in diesem Wintersemester noch im nächsten Sommersemester, wenn überhaupt – was ich stark bezweifle –, dann im Wintersemester 2006/2007 Studiengebühren kommen werden. Lassen Sie sich einmal von Ihrem Minister und dem Herrn Ausschussvorsitzenden aufklären, wie so viel Dilettantismus zustande kommen kann. Das muss man klar anmerken. Wir sind ohne Wenn und Aber gegen Studiengebühren. Das aber, was in der Diskussion um Studiengebühren vorgelegt wurde, ist für diese Staatsregierung sehr bezeichnend: sie kann es schlicht nicht.

Zur Finanzierung der Hochschulen muss einiges Grundsätzliches gesagt werden. Uns liegt der Bericht der Mittelstraß-Kommission vor. Die Mittelstraß-Kommission wurde vom Ministerium eingesetzt. Im Bericht wird festgehalten: Die Hochschulen sind eklatant unterfi nanziert. Dort wird auch festgehalten: An dieser Unterfi nanzierung der Hochschulen wird sich durch Studiengebühren nichts ändern. Jetzt frage ich Sie, Kolleginnen und Kollegen: Ist es denn dann wert, Studiengebühren einzuführen, wissend, dass es Studienabbrecher geben wird, und wissend, dass bildungsfernen Schichten der Hochschulzugang noch stärker verweigert wird? Ich kann dieses Herangehen in keinem Punkt nachvollziehen.

Ich spreche nun zu dem, was von staatlicher Seite aus getan werden muss. Hierzu muss man ins Ausland gehen und sich die dortigen Hochschulen ansehen. In München haben wir folgende Situation: Die LMU hat 44 000 Studierende; der Staatszuschuss pro Jahr beträgt 280 Millionen Euro. Die ETH Zürich, eine herausragend gute Hochschule, hat 12 000 Studierende – also ein Drittel der Zahl der Studierenden an der LMU –; der Staatszuschuss beträgt 624 Millionen Euro – das ist über das Zweifache des Zu

schusses für die LMU München. In Harvard gibt es Studiengebühren, dort machen diese Studiengebühren gerade einmal 20 % aus; dort stehen 1,6 Milliarden Euro zur Verfügung; dort gibt es einen riesigen Staatszuschuss. Wenn man das sieht, muss ich Ihnen sagen: Der Weg über die Studiengebühren ist für unsere Hochschulen völlig irrelevant, weil wir deren Unterfi nanzierung nicht mittels Studiengebühren beseitigen können.

(Beifall bei der SPD)

Ein nächster Punkt. Von Ihnen wird immer gesagt: Wir sind in den Rankings so schlecht. Auch die CSU-Politiker müssten wissen, dass zum Beispiel in den USA außeruniversitäre Forschung nicht so wie bei uns stattfi ndet. Das ist in die Rankings einbezogen. Die außeruniversitäre Forschung bei uns wird in die Rankings nicht mit einbezogen. Dann zu sagen, die USA sind besser, weil sie Studiengebühren erheben – das sind Argumente, die von Ihrer Fraktion kommen –, ist geradezu absurd. Ich bitte doch darum, an diese Themen mit etwas mehr Verstand und etwas mehr Klarheit heranzugehen.

Einen weiteren Punkt, den man deutlich herausstellen muss, sind die Erfahrungen mit Studiengebühren in anderen Ländern. Ich meine, Australien ist ein sehr gutes Beispiel. Die Studierendenzahlen sind mit Einführung der Studiengebühren nicht rückläufi g. Das ist richtig. Es gab aber eine sehr lange Warte- und Bewerberliste. Diese gibt es inzwischen nicht mehr. Es gibt einen ganz hohen Anteil aus ausländischen Studierenden, die aus sehr begüterten Elternhäusern angeworben wurden. Die Zahl ausländischer Studierender aus nicht begüterten Elternhäusern ist inzwischen bei Null angelangt, genauso wie die Zahl inländischer Studierender, die ebenfalls nicht aus wohlhabenden Familien kommen. Ich kann nicht begreifen, dass es wohl tatsächlich Ihr Ziel ist, an den bayerischen Universitäten dafür zu sorgen, dass die soziale Auslese, die wir jetzt schon haben, weiter fortgesetzt und verstärkt wird. Offensichtlich haben Sie Australien und andere Länder, in denen das genauso der Fall ist, als Vorbild vor Augen.

Ich richte mich jetzt an die lieben CSU-Kollegen, die es wohl immer noch nicht begriffen haben, was es bedeutet, wenn Kinder studieren. Gehen wir einmal von einer Familie in München mit einem Familieneinkommen von 4000 Euro pro Monat aus, in der zwei Kinder studieren. Die Miete setzen wir einmal mit 1000 Euro pro Monat an – die Münchner können bestätigen, dass das für eine Familie mit zwei Kindern und zwei Erwachsenen sehr wenig ist. Diese Kinder wollen Wirtschaftsgeografi e – diese wird es in München künftig nicht mehr geben – und Assyriologie – auch sie wird es in München künftig nicht mehr geben – studieren. Die Kinder müssen deshalb an einen anderen Studienort. Es wird davon ausgegangen, dass ein Studium 700 Euro pro Monat kostet, wenn man nicht im Elternhaus wohnen kann.

Frau Kollegin, ich darf Sie einen Moment unterbrechen. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass wir bei fünf Minuten sind. Ich gebe Ihnen noch eine kleine Zugabe.

Ich möchte die Berechnung noch schnell beenden.

Hinzu kommen Verwaltungsgebühren und Studiengebühren. Wenn man alles zusammenrechnet, verbleiben 1400 Euro pro Monat. Kommt ein drittes Kind, das studiert, hinzu, verbleiben für die Erwachsenen bei einem Familieneinkommen von 4000 Euro pro Monat noch 300 Euro. Wir haben also nicht nur ein Problem bei den Studiengebühren für die sozial Schwachen, sondern ganz klar auch bei den mittleren Einkommensschichten. Das wird ein Riesenproblem werden.

(Beifall bei der SPD)

Das haben Sie offensichtlich alle noch nicht erfasst. Ein letzter Satz. Ich bin trotzdem hoffnungsfroh, dass wir bei dem Dilettantismus, den die Staatsregierung vorlegt, Studiengebühren verhindern können.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatssekretär Freller.